Ab der Landstraße . Ab der Landstraße , die durch das rauschende Waldthal führt , zieht sich ein Fahrweg bergan durch den Wald und dann zwischen lebendigen Buchenhecken nach einem einsamen Gehöfte , einer sogenannten Einzechte . Die Gleise auf dem Wege sind alle gleich , denn hier bewegen sich nur Wagen von derselben Spurweite , wer hier auf und abzieht , hat mit dem Bauer von der langen Furche zu thun ; denn dieser Weg gehört dem Furchenbauer zu eigen und führt nur zu ihm ; wer von da wieder zurück will zu anderen Menschen , muß auf demselben Wege wieder umkehren . So stattlich und weit sich auch Haus und Scheunen dort ausnehmen , die mit ihren grauen Strohdächern fast felsenartig in's Thal herniederschauen ; sie haben doch nicht Raum genug für all das reiche Erträgniß des Feldes , denn hüben und drüben in den Feldern sehen wir die kegelförmig gebauten Garbenhaufen , Feimen genannt , die erst nach und nach abgedroschen werden und in den noch herbstgrünen Bergwiesen stehen lustige Scheunen , sogenannte Stadel , deren Wände und Dach von graugewordenen Brettern viel nahrhaftes Heu in sich bergen . Dort etwas fern vom Hofe , am Rande des Bergvorsprunges jenes kleine aus Holz erbaute Häuschen , mit einer Thurmspitze geschmückt , das ist die Kapelle , die dem Hofe zu eigen gehört . An Sommerabenden oder auch am Sonntage wenn man nicht nach der mehr als eine Stunde entfernten Kirche gehen kann , versammelt der Hausherr seine Kinder und sein Ingesinde in dem Käppele ( wie der Landesausdruck hier das Wort Kapelle umgewandelt hat ) und vor den mit Blumen und Bändern geschmückten Heiligenbildern wird er selber eine Art Priester , indem er laut die üblichen Gebete spricht und Alles um ihn her kniet . Wir sind längst auf Grund und Boden des Furchenbauern , aber der Weg ist noch lang genug , daß wir uns einstweilen erinnern können , zu wem wir gehen , bis wir den Mann selbst vor uns haben . Damals , als wir mit dem Brosi auf der lustigen Hochzeit in Endringen waren und den Bändelestanz entstehen sahen , damals hatten wir uns vorgesetzt , die Geschichte des Furchenbauern zu erzählen . Wer damals das glückselige und reich gesegnete junge Paar erschaute , konnte nicht ahnen , welch ein schweres Geschick ihm bevorstand , das sich mit der Zeit erfüllte . Freilich , stolz und eigenmächtig war der junge Furchenbauer schon damals : hatte er ja dem armen Brosi einen Taglohn dafür geben wollen , wenn er mit Tanzen und Singen die Hochzeitsgäste erlustige ; schon damals blickte der Furchenbauer mit einer stillen innern Verachtung auf Jeden herunter , der ihm nicht gleichstand und hielt es nur selten der Mühe werth , in Wort und Mienen das auszusprechen . Aber warum soll ein junger Baron in schwarzem rothausgeschlagenem Sammtrock , rother Weste und Lederhosen nicht eben so stolz sein wie einer mit Epauletten und goldgesticktem Halskragen ? Der Furchenbauer konnte sich neben jedem Ritterbürtigen sehen lassen . Er war alleiniger Erbe oder wie man es hier zu Lande noch heißt , der Lehnhold des großen Gutes von der langen Furche , das sich in Wald und Feld weit über Berg und Thal ausbreitet ; er hatte acht Roß im Stall , eben so viel Ochsen und die Doppelzahl Kühe und Rinder und Alles war schuldenfrei , denn er heirathete die Tochter des reichen fetten Gäubauern , des Vogts von Siebenhöfen , der den ehrenvollen Unnamen » der Schmalzgraf « hatte , und von dem Beibringen der Frau konnte die ausbedungene Losung der einzigen Schwester , die nachmals den Gipsmüller heirathete , blank ausgezahlt werden ; der einzige Bruder , der sich dem geistlichen Stande weihte , erhielt nur einen Theil des ihm Zukommenden , das Uebrige ließ er auf dem elterlichen Hofe stehen , es war ja ohnedieß das einstige Erbe der Bruderskinder . Mit einem stolzen gesättigten Behagen sah der Christoph , oder wie er jetzt – da ihm seine Würde erst den rechten Namen verlieh – hieß , der Furchenbauer am Morgen nach seiner Hochzeit zum Fenster hinaus und schaute zu , wie der Wind mit den Morgennebeln spielte , fast so wie er selber die Tabakswolken vor sich her blies . Der Vater hatte ihm die Zeit lang gemacht , Christoph war ledigerweise viel älter geworden , als die Bauernsöhne seinesgleichen , der Vater schien das Gut nicht lassen zu können , bis der Tod es ihm entriß . Christoph zürnte im Stillen oft darüber , aber er war in Gehorsam und Unterwürfigkeit erzogen und durfte sich nichts merken lassen ; war es ihm ja übel bekommen , als er einmal scherzweise zu seinem Vater sagte : » Gebt Euer Sach doch her so lang ihr lebet , dann höret Ihr 's auch noch wie man Euch Dank sagt . « Christoph hörte die Antwort darauf nicht , aber er fühlte sie . Nur auf Bedrängen der Gefreundeten und besonders des zweiten Sohnes , der damals Pfarrverweser in Reichenbach war , ließ sich endlich der Vater bewegen , an Christoph abzugeben . Er wählte seinem Sohne die ebenbürtige Frau und dieser willfahrte nach altem Brauch ; aber als müßte es doch zur Wahrheit werden , daß der Vater das Gut bei Lebzeiten nicht lassen könne , starb er vor der Uebergabe und der Hochzeit . Am Morgen nach dieser dachte Christoph mit einem gewissen wehmüthigen Danke an den Vater ; er hatte Recht gethan ihn nicht früher in das Gut einzusetzen , jetzt erst war er geeignet , der Furchenbauer zu heißen , und ein schönes reichgesegnetes Leben lag vor ihm ... Die freudige Stimmung jenes ersten Morgens nach der Hochzeit ist schon lange verklungen . Wenn man bald vierzig Jahre im Besitze einer Macht ist , denkt man kaum mehr der Stunde , da man damit bekleidet wurde . Der Furchenbauer hat seitdem Mancherlei erlebt . Von neun Kindern waren ihm vier verblieben , drei Söhne und eine Tochter ; er hatte die Freude , den ältesten zum Schmalzgrafen erhoben zu sehen , denn er erbte das Gut des Muttervaters ; aber schon nach wenigen Jahren starb der rüstige Schmalzgraf mit Hinterlassung einer einzigen Tochter . Dieß war das alleinige Enkelchen des Furchenbauern , denn die andern Kinder waren unverheirathet , und wir werden bald sehen warum . Wir sind am Hofe . Dumpfes Bellen und Kettenrasseln zweier Hofhunde , die in ihrem Bellen sich bald ablösen und bald zusammenstimmen , zeigt an , daß kein Fremder sich unbemerkt hier nahen darf ; über das Bellen hinaus tönt aber der Taktschlag von sechs Dreschern und dazwischen vernimmt man das rasche Klappern einer Handmühle , der sogenannten Putzmühle , die statt des ehedem üblichen Wurfelns das Korn säubert . Häuser , Ställe und Scheuern sind im Gevierte gebaut , das Thor steht offen ; halten wir aber noch eine Weile inne , bevor wir eintreten . – Auf der Leiter an einem Zwetschgenbaum im Hausgarten steht eine Frauengestalt in üblicher Landestracht , die rothen Strümpfe umschließen ein mächtiges Wadenpaar . Aus dem offenen Hofthore kommt ein schlanker junger Bauer , drei mächtige Strohbündel auf dem Rücken . » Ameile , fall nicht abe , « ruft der junge Mann . » Da unten ist auch schwäbisch , « antwortet es in die Zweige hinein und die Strohbündel hüpfen auf und nieder von dem Lachen des jungen Mannes , während die Frauengestalt wieder fragt : » Was willst denn mit dem Stroh ? « » Der Bauer will , daß man die Breitlingäpfel dort dießmal nicht brechen soll , man hab' kein' Zeit dazu , ich soll sie schütteln und Stroh unterlegen . Steig abe und gieb mir die Leiter . « » Bist zu steif ? Kannst nicht ' naufkrebseln ? « spottet das Mädchen , während der Bursche das Stroh ausbreitet und erwidert : » Du sollst auflesen , ich muß gleich wieder an's Dreschen . « Behende ist er auf den Baum geklettert , der ganze Baum wird hin und hergeschüttelt , es rasselt in den Zweigen und dumpf prasselnd auf das knisternde Stroh und darüber hinaus fallen die rothbackigen Aepfel . Das Mädchen will bald da bald dort anfangen aufzulesen , aber wo es sich zeigt , wird ein Ast mächtiger geschüttelt und manchmal getroffen von einem Apfel grillt es auf und schilt den tückischen Mann auf dem Baume . Dieser steigt ab , schaut das Mädchen kurz an und will nach dem Hofe gehen . » Du machst unsaubere Arbeit ! « sagt das Mädchen lachend und fährt auf den Baum deutend fort : » Schau , dort hängt noch ein Apfel und dort noch einer . « Im Fortgehen erwidert der Bursche : » Du vergißst's immer wieder und ich hab' dir 's schon oft gesagt : wenn man einem Obstbaum nicht Alles abnimmt , trägt er im nächsten Jahre um so gewisser . « Ameile ( Amalie ) hält einen Apfel in der Hand und will den Weggehenden damit werfen , aber noch im Ausholen hält sie an , ein zweiflerischer Gedanke scheint ihr die Hand zu senken , sie steckt den Apfel in die Tasche und auf das Stroh kniend , rafft sie die Aepfel zusammen und singt dazu : » Schätzele , Engele , Laß mi e wengele – « » Schätzele wasele ? « » Nur mit dir basele ? « Der Bursche , der eine Soldatenmütze auf dem Kopfe trägt und überhaupt eine soldatische Haltung verräth , geht wieder nach dem Hofe zurück , nimmt den Dreschflegel zur Hand und fällt taktmäßig in die Schläge ein . Im Hofe . Im Hofe , in dessen Mitte der große mit Stangen eingezäunte Düngerhaufen , daran eine Jauchenpumpe sich befindet , ist reiche lebendige Bewegung : da wird Korn auf einen Wagen geladen , dort Stroh und dort Aepfelsäcke getragen , die zahlreichen Hühner und Enten wissen geschickt auszuweichen und überall etwas zu ernaschen . Rechts von dem Eingangsthor unter einem breiten Hollunderbaume , der jetzt schon schwarze Beerenbüschel trägt , steht der Röhrbrunnen , der seinen hellen , armdicken Strahl in den langen Eichentrog ergießt und rings um den Brunnen ist der Boden vortrefflich gepflastert , so daß nicht wie sonst oft gerade hier Alles unsauber ist ; der Abfluß des Brunnens hat einen gepflasterten Weg nach dem Baumgarten links am Thor und bildet dort sogar einen kleinen See . Die Kühe und Rinder werden zur Tränke geführt , denn die Ochsen und Pferde sind draußen im Feld beim Pflügen und Eggen . Der Kühbub knallt , daß es im Hofe widerhallt . Eine glänzend schwarze Kalbin , die auch nicht ein anderes Härchen hat und in Schönheit strahlt , tanzt lustig im Hofe hin und her , steht bald still und schaut wie neckisch und verwundert drein und hüpft dann wieder mit gehobenem Schweif auf und ab . Die Drescher , die eben eine neue Spreite auflegen , stehen unter dem Scheunenthor und betrachten mit lauter Bewunderung das schöne Thier und dieses scheint gefallsüchtig fast zu wissen , daß es bewundert wird , denn es macht immer freudigere Sprünge , bis endlich ein Mann aus dem dunkeln Schuppen ruft : » Hannesle , gieb Acht , daß dem Schwärzle nichts geschieht , thu 's ein . « Das ist aber nicht so leicht , auch ein Thier läßt sich in seiner Lustbarkeit nicht gern unterbrechen , und erst mit Hülfe der Drescher , die sich wie es scheint , auch gern ein wenig im Freien umhertummeln , gelingt es dem Kühbub , das Schwärzle in den Stall zu bringen . Das Schwärzle ist eine wichtige und beliebte Erscheinung auf dem Furchenhofe , dem hohe Ehren bevorstehen und Jedermann spricht nur Gutes von ihm . Wir wollen aber jetzt der Stimme aus dem Dunkel folgen , deren Ruf Alles gehorchte . Das rollt und quetscht und platzt in dem dunkeln Schuppen und ein eigener süßer Duft dringt uns entgegen . In einem fast halbrunden Eichentroge wird ein steinernes Rad gewälzt , das die eingeschütteten rothbackigen und grünen Aepfel zerdrückt und dort hinten rinnt es aus der Presse in die Kufe ; wir sind beim Mosten . Ein einäugiger schlanker junger Bursche treibt die Stange vorwärts , die mitten im Steinrade steckt , und ein anderer älterer Mann mit röthlich grauem Haar drückt sie wie der zurück , wobei Einer dem andern hilft . Ein alter schlanker Mann mit enganliegenden schwarzen Lederhosen und Rohrstiefeln , die faltenreich niederfallen und blaue Strümpfe sehen lassen , hält eine längliche hölzerne Schippe in der Hand , wandelt an der freien Seite des Eichentroges auf und ab und schiebt je nach der Wendung die zerdrückten Aepfel zum bessern Auspressen unter das Rad , manchmal bückt er sich , um einen ganzen oder getheilten Apfel , der über den Rand des Eichentroges gefallen , wieder hineinzulegen . Das ist der Furchenbauer . Er sieht langgestreckt , dürr und hartknochig aus , und das ganze Wesen hat etwas Zähes , Unbeugsames . Die weißen Haare , die den spitzen Oberkopf ringsum bedecken , sind kurz geschoren , die hohe Stirne ist runzelvoll , über den grauen Augen sind die Ausläufer der dicken Brauen in die Höhe gewirbelt , die linke mehr als die rechte , man sieht offenbar , daß der Mann seine Brauen oft mit der Hand bewegen muß , und wenn er auch die Augen ganz aufschlägt , hängt noch immer die Haut des Augenlides schlaff und fast wie ein Vordach auf den Backenwinkel des Auges , die Backenknochen stehen dürr hervor und tiefe Furchen ziehen sich zu beiden Seiten der knolligen Nase herunter ; das sind Furchen , die das Schicksal gepflügt . Die schmalen Lippen des Mundes sind so sehr einwärts gezogen , daß man fast gar kein Roth sieht . Dabei hat der Mann in seinem Behaben noch etwas Bewegliches , wenn dieß auch eckig und herb ist . Man wird in vielen Bauerngesichtern etwas Trotziges und Widersacherisches finden , es ist das nicht immer Ausdruck einer innerlichen Gemüthsverfassung , sondern rührt meist von der schweren Arbeit her , gegen die es oft ein trotziges Anstemmen , ja gewissermaßen ein feindseliges Besiegen gilt . Wie jetzt der Furchenbauer nach einem großen Sack Aepfel ausgreift , um ihn zu wenden , haben seine Mienen etwas Grimmiges , das sich noch steigert , da er seiner Schwäche gewahr wird und ächzend ruft er : » Helfet doch , ihr faulen Kerle ! « Der ältere Mann gehorsamt rasch diesem Zuruf , der jüngere Einäugige aber sagt ruhig stehen bleibend : » Vater , ich mein' , es wär genug für heut . Ich möcht' lieber dreschen als mosten . « » Ich weiß was du lieber thätest , gar nichts wär' dir am liebsten , « erwidert der Furchenbauer zornig und schüttet mit Hülfe des älteren Mannes die Aepfel in den Trog . Die Aepfel platzen und zischen wieder unter dem steinernen Rad und erst als Alles in die Presse gebracht war , als die Spindeln der Presse krachten und knackten und der Saft nur noch tröpfelnd in die Kufe floß ; erst als der Einäugige schon zweimal gesagt hatte , daß die Drescher bereits aufgehört hätten , gehen die Drei endlich nach dem Röhrbrunnen , waschen sich dort die klebrigen Hände , die sie nur durch Abschütteln trocknen , und treten endlich in das Haus . Die Drescher und Feldtaglöhner schienen schon lange auf den Hausherrn zu warten , sie umstehen den Sattler , den sich der Furchenbauer ins Haus genommen hat und der auf einem Seitentische der großen Stube ganze Felle zerschnitt , um daraus neue Pferdegeschirre zu machen und die alten in Stand zu setzen . Kaum ist der Hausherr in der Stube und plötzlich Stille eingetreten , als Ameile mit einer kübelartigen Schüssel eintritt und sie auf den mit einem Tuch bedeckten Tisch stellt ; ihr folgen noch zwei Mädchen , die das Gleiche bringen . Nachdem man gebetet hat , setzt man sich wortlos an den Tisch . Der Bauer sitzt oben , links von ihm der Einäugige , rechts der schlanke Bursche , den wir heute schon beim Eintritte die Aepfel schütteln gesehen . Taktmäßig wie beim Dreschen langt Eines nach dem Andern mit dem Löffel in die Suppe . Die Mädchen sitzen am untern Ende des Tisches , unter ihnen Ameile , und nur leise sagt Eines dem Andern , ihm mehr Raum zum Sitzen zu geben . Die wahren Seen von Suppe sind bald verschlungen , ein großer Laib Brod geht von Hand zu Hand und Jedes schneidet sich mit seinem Taschenmesser einen Ranken . Niemand spricht ein Wort , außer wenn etwa der Bauer Einen anredet und die Antworten sind stets knapp und gemessen . Nun verlassen die Mädchen den Tisch und kommen rasch wieder mit Bergen von Leberklößen und Felsstücken von geräuchertem Fleisch . Das Sprüchwort sagt nicht umsonst : die können essen wie Drescher . Mit einer Ruhe und Nachhaltigkeit , die sich immer gleich bleibt , werden die Leberklöße vertilgt und erst als das Fleisch zum Vertheilen kommt , schnipfeln Viele nur an ihrem Theile herum , und kaum hat der Mann , der mosten geholfen hat , das Beispiel gegeben und das übrige Fleisch in ein Tuch gewickelt und in die Tasche gesteckt , als ihm auch viele Andere beherzt folgen . Der Bauer sagt nur noch , daß er morgen nicht daheim sei und Vinzenz die Aufsicht führe , ein Jeder schneidet sich noch ein Stück Brod , steckt es zu sich und man steht vom Tische auf . Nach dem Schlußgebete sagt der Bauer zu dem Burschen , der ihm zur Rechten gesessen : » Dominik , wenn du draußen fertig bist , komm' ' rein , ich hab' dir was zu sagen . « Nach einem Gutnacht in verschiedenen Tonarten verlassen die Drescher und Taglöhner mit schweren Tritten die Stube und erst draußen vor dem Hause hört man sie unter einander sprechen und lachen . Mehrere machen sich bald davon und zerstreuen sich in die Häuslerwohnungen , die da und dort im Thale stehen und an den Bergen hangen ; nur einige , die aus fernen Gegenden sind , gehen in die Scheunen und legen sich in 's Heu . Die Bäuerin , eine alte wohlbeleibte Frau , kommt jetzt auch aus der Küche , bringt sich ihr Essen mit und verzehrt es neben ihrem Mann . Dieser sagt ihr , daß er morgen nach Wellendingen ( einem in der Mitte des Bezirks gelegenen Dorfe ) fahre , da dort das jährliche landwirthschaftliche Bezirksfest sei und daß Dominik das Schwärzle hinführen müsse ; Ameile nehme er zu sich auf das Bernerwägele . » Du solltest den Vinzenz mitnehmen , « sagt die Frau in etwas schüchternem Tone . » Wie soll ich ihn denn mitnehmen ? Ich kann ihn doch nicht die Kalbin führen lassen ? Und er und der Dominik können nicht miteinander vom Hof weg sein . Wenn ich was sag' , mußt du dich vorher dreimal besinnen , eh du was dreinredest . « » Ich hab' nur gemeint , weil du doch auch für den Vinzenz ein Mädle aus einem rechtschaffnen Haus finden kannst – . « » Da brauch' ich ihn grad nicht dazu , das kann ich am besten allein . Zuerst muß Ich die Sach ' fertig haben , dann kommt erst er . « Die Bäuerin schweigt und der Bauer liest die Zeitung , den Wälderboten , den der Milchbub , wenn er Morgens die Milch nach der Stadt führt , mitbringt , den aber der Bauer täglich ruhig warten läßt und die Weltnachrichten , Vergantungen und Fruchtpreise jedesmal erst am Abend wenn alle Arbeit abgethan , liest . Er zwirbelt sich dabei mit der Hand die linke Augbraue und manchmal fährt er sich über die Stirne , denn er liest heute zerstreut . Der Gedanke , daß er keinen ebenbürtigen Nachbar habe und darum für seine Kinder sich auswärts umthun müsse , geht ihm durch den Sinn . In dem Blättchen stand , daß in Klurrenbühl wiederum Liegenschaften versteigert werden . Der Hofbauer von Klurrenbühl war der einzige ebenbürtige Nachbar gewesen , aber er hat schon vor Jahren sein Gut verkauft und ist Papierer geworden . Der Hirzenbauer von Nellingen hat die unverzeihliche That begangen , sein schönes , von alten Zeiten her unzerspaltenes Gut unter seine Kinder zu zertheilen . Der Furchenbauer schüttelt den Kopf und holt tief Athem , er schaut nachdenklich steif in's Licht , dann steht er plötzlich auf und stellt sich fest hin indem er beide Fäuste ballt ; er mag es fühlen , daß er bald der Einzige ist in der Gegend , der einzige mächtige Stamm , während Alles ringsum abgeholzt ist . Er ist fest genug , sich von keinem Sturm entwurzeln zu lassen . Ja , der Furchenbauer gleicht einer mächtigen Tanne , und wie diese oft in ihrer Wurzelausbreitung auf ein Felsstück stößt , aber unbehindert ihre Wurzeln darüber hinstreckt und den Fels in sich einkrallt und wie dieses Wurzelgeäste harzgetränkt lichterloh brennen kann , so ist auch der Furchenbauer unbewegt , einen Gedanken wie einen Felsen mit den Wurzeln festhaltend und helle Flammen in sich bergend . Ein Knecht mit verschiedenen Anliegen . Nach geraumer Weile tritt Dominik der Oberknecht ein und stellt sich ruhig wartend an den Tisch des Sattlers . Der Bauer liest noch ein wenig weiter , dann sagt er aufschauend : » Du stehst heut Nacht um zwei auf und giebst Acht , daß gut gefüttert wird , besonders das Schwärzle , und vor Tag machst du dich mit dem Schwärzle Wellendingen zu . Du fahrst den Hennenweg über Jettingen , der Boden ist oben linder als auf der Landstraß und das Schwärzle hat weiche Klauen , du thust recht gemach und laßst dir Zeit . Daß du mir aber ja nicht über Nellingen fahrst ; kannst deiner Mutter Bescheid geben lassen , daß sie zu dir nach Wellendingen kommt . Du ziehst dein Sonntagsgewand an und in Wellendingen im Apostel wartest auf mich , wenn ich noch nicht da bin . « Ohne ein Wort zu sagen , will Dominik weggehen , da ruft ihm noch der Bauer nach : Kannst dich auch freuen , du kriegst morgen eine Denkmünze , weil du jetzt schon bis Martini elf Jahr bei mir dienst . « Dominik stolpert über einen Stuhl als er die Stube verläßt . » Soll ich dir was mitbringen von Wellendingen ? « fragt Dominik in der Küche beim Pfeifenanzünden das Ameile , und diese erwidert : » Ich fahr' mit dem Vater . So ? Gehst du auch hin ? « » Ja , und ich krieg' ein ' Denkmünz und das Schwärzle vielleicht auch . Mensch und Vieh ist eins . Es ist nur schad , daß man die Menschen nicht auch verkaufen und metzgen kann . « » Der Dominik thät bitter und sauer schmecken , « sagt die Großmagd , eine stämmige und handfeste Person , während ihr verliebter Blick sagt , daß ihr dieser grobe Witz keineswegs ernst war . Ameile aber setzt hinzu : » Es muß dich freuen , Dominik , daß du den Ehrenpreis kriegst . Wenn ich ein Dienstbote wär' – « » Dann wärst du nicht des Furchenbauern Ameile , « unterbricht sie Dominik und geht davon , denn er hörte wie die Stubenthür sich öffnet . Die Bäuerin ruft Ameile in die Stube . Bald kommt Ameile wieder , nimmt die kupferne Gelte und geht damit zum Brunnen . Die Nacht ist stille und sternlos , am Himmel jagen sich die Wolken , aus den Ställen vernimmt man das Kettenrasseln der Pferde , das Brummen der Kühe und Ochsen , ein lautes Zwiegespräch zwischen Knechten oder fremden Taglöhnern , das oft von Lachen unterbrochen wird , und der Kühbub stimmt jetzt auf seinem Lager ein einsames Lied an . Die Gelte ist schon lange bis über den Rand gefüllt und lauft über , aber noch steht Ameile mit auf der Brust über einander geschlagenen Armen träumend davor . Ein plötzlicher Windstoß macht den Hollunderbusch rauschen und sich beugen , der Brunnenstrahl wird seitwärts gebogen und Tropfen davon gerissen , die Ameile ins Gesicht spritzen , sie wischt mit der einen Hand die Tropfen ab und steht wieder still . Jetzt vernimmt man ein Geräusch in der Stallkammer , Ameile ruft den Kühbuben um ihr aufzuhelfen , aber statt des Gerufenen kommt Dominik . » Holst noch Wasser ? « sagt dieser die Gelte Ameile auf's Haupt hebend und sie erwidert : » Ja , und weil du da bist , grüß' mir dein' Mutter und sag' ihr , ich schick' ihr mit Nächstem was . « » Dank , weiß nicht , ob ich mein' Mutter seh . « » Ja und wegen dem Ehrenpreis muß ich dir noch einmal sagen , du mußt dich mit freuen , du versündigst dich , wenn du 's nicht thust . Ich freu' mich auch mit . Es ist ja auch eine Ehre für uns , daß du so lang bei uns bist , und sei nur recht stolz . « » Freilich , freilich , « erwiderte Dominik , » gut Nacht . « Ameile geht nach dem Hause , aber schon auf halbem Wege begegnet ihr die Mutter , die nach Dominik ruft und als dieser bei ihr steht ihm sagt : » Du mußt morgen in Reichenbach anhalten und schauen was mein Alban macht . Wir haben seit der Heuet nichts von ihm gehört . Des Nagelschmieds Vreni soll jetzt auch in Reichenbach bei ihrer Schwester sein , sag ihm , er soll doch von ihr lassen , dann wird wieder Alles gut . « Dominik kommt endlich zu Worte : » Der Bauer hat mir verboten über Reichenbach zu fahren , ich soll den Waldweg über Jettingen . « » Geh du nur über Reichenbach . Du wirst schon eine Ausrede finden , und wenn alle Sträng ' brechen , nehm' ich 's auf mich ; thu's mir zulieb und bring' mir Bescheid . « Dominik zuckt die Achseln und antwortet : » Will sehen was zu machen ist . « In dem Herzen dieses Knechtes gehen an diesem Abende seltsame Kämpfe vor . Er gesteht es sich selbst nicht und hütet sich wohl , es irgend eine Menschenseele merken zu lassen , daß er eigentlich seines Bauern Tochter liebt . Das ist ein unverzeihlicher wahnsinniger Uebergriff , und sowohl um sich selbst zu wahren als auch um als treuer Diener seines Herrn zu bestehen , sucht er jede Aeußerung dieser Zuneigung zu bekämpfen . Das hätte aber Alles nichts gefruchtet , wenn er nicht erwogen hätte , daß es ein unnützes und frevlerisches Spiel sei , das Kind – denn er betrachtete Ameile noch immer als Kind , weil er schon ein hochaufgeschossener Bub war , ehe sie noch in die Schule ging – das Ameile , das ihn wie einen alten Ohm ansah , mit solchen Dingen zu plagen , und wenn sie auch einst oder vielleicht morgen an einen Großbauern verheiratet wurde , so war's besser , sie hat nichts davon gewußt . Heute Abend in der Küche hat er sich aber doch etwas verrathen , und die Großmagd , die ihm allzeit nachstellt und auflauert , hat ihn so verwunderlich angesehen , daß er sich darob ärgerte . Die morgige Preisbelohnung ist ihm auch zuwider . Diese öffentliche Schaustellung hat noch nicht die Form gefunden , in der sie wirklich volksthümlich wäre . Nun kommt noch der Kampf dazu , daß er nicht weiß , soll er dem Bauer oder der Bäuerin folgen ; ersteres ist ihm doch genehmer , denn er hatte sich vorgenommen trotz des Verbotes nach Nellingen zu eilen und seine Mutter zu sehen , bei der er seit Weihnachten nicht gewesen war . Wenn er den Befehl des Herrn übertritt , wär 's doch besser , das für sich zu thun als für Andere . Ein Dienstbote ist doch allezeit angebunden , sein Leben und seine Tage gehören einem Fremden . Im Zorn über dieses Gefühl der eigenen Abhängigkeit weckt Dominik mit Schelten und Püffen seinen Untergebenen , den Kühbub , der ein Sohn des Nagelschmieds ist , und befiehlt ihm die Nacht aufzubleiben , damit er zur Zeit wecke . Auf dem Hofe ist es jetzt still und dunkel wie ausgestorben , der Halbmond blickt bald unter jagenden Wolken hervor und verschwindet schnell wieder , und die Häuser und Scheunen des Furchenhofes mit ihren schweren wie Kappenschilde überhängenden Strohdächern erscheinen wie unförmliche Felsengebilde . Die Hofhunde sind von der Kette gelassen und schleichen still und frei umher , legen sich bald da bald dort nieder und richten sich wieder auf bei jedem Geräusche . Der Kühbub geht hinab in den Hofraum und spielt mit den Hunden , um sich wach zu erhalten ; der Türkle , ein rother Wolfshund , ist zuthulich und leutselig , der Greif aber , ein schwarzer böhmischer Schäferhund , knurrt wenn sich ihm der Kühbub naht und selbst als er ihm ein Stück Brod reicht , ist dies verschwendet , er hat es in einem Schluck weg , bleibt aber unwirsch . Er ist wahrscheinlich stolz , sei es auf seine Wissenschaft , weil er kunstgerecht auf den Mann dressirt ist , oder auf seine Abkunft , denn er stammt mütterlicherseits von edler Rasse . Mitten in der sternlosen Nacht , in der Kameradschaft mit dem einen Hunde , geht dem Kühbuben eine glorreiche Zukunft auf . Er hat gehört , daß der Dominik einst auch als Kühbub auf den Hof gekommen war und der war jetzt Oberknecht und der nächste beim Bauer und bekam morgen eine Denkmünze . Solches kann ihm einstmals auch werden . Der zukünftige Oberknecht erlabt sich besonders an dem Gedanken , wie er dann seine Untergebenen strenge halten wolle , die mußten ihm auf den Pfiff gehorchen . Das ist eine Aussicht , die leicht wach hält . Bei der trüben Stalllaterne betrachtet der Kühbub die doppelgehäusige Taschenuhr des Oberknechts und gedenkt der Zeit , wo er einst eine solche zu eigen haben werde ; ja er wagt es sogar , die Pfeife des Dominik in den Mund zu nehmen und kalt daraus zu rauchen . Und mitten in der Nacht steigt in dem barhauptigen Kühbuben ein großer Gedanke auf . Ein reicher Bauernsohn zu sein , das wäre doch noch besser als sich zum Oberknecht aufzuschwingen ; da hat man nichts zu thun als gehörig zu wachsen , und wenn man groß geworden , hat man Haus und Vieh und Aecker von selbst . Warum haben's die Einen so leicht und die Anderen so schwer ? ... Das ist ein Räthsel , das der Kühbub noch nicht gelöst hat , als er den Dominik weckt , und nur das Eine hat er davon erobert , er läßt sich das rauhe Wesen des Oberknechtes leichter gefallen , denn er lacht ihn innerlich aus , er ist ja doch kein Bauernsohn und hat noch einen über sich . Nächtige Rückerinnerung . Noch als das Licht gelöscht war , hatte der Bauer seiner Frau gesagt , daß er auch hoffe , morgen für das Ameile einen rechten Bräutigam aufzubringen , die Frau hatte nichts geantwortet , denn sie betete still für sich und in ihr Gebet schloß sie einen Namen ein , den sie schon seit bald einem Jahre nicht vor ihrem Manne nennen durfte , es war Alban , seit dem Tode des Schmalzgrafen ihr ältester Sohn ... In dem Hause , wo überall nichts als Fülle und vielgepriesener Wohlstand sich kundgab , wachte in stiller Nacht die Mutter und klagte um ihren Sohn , der in der Fremde als Knecht dient . Sie brach bald ab und wollte einschlafen , denn sie hatte auch eine wunderbare Macht über ihre Gedanken und konnte sich zwingen , Störendes und Unruhvolles zu verbannen . Wie zu lästigen Bettlern konnte sie jetzt zu Erinnerungen , die mit klagender Stimme an sie herantraten , barsch und doch wieder wohlwollend sagen : kann euch heute nicht brauchen , kommet morgen wieder , oder ein andermal – und sie gingen . Heute aber verschlug das nicht ... Das eigene Leben der Bäuerin durfte rasch an ihr vorüberziehen . Ohne Neigung , aber auch ohne Widerstreben hatte sie als reiche Bauerntochter den gleichbegüterten Furchenbauer geheirathet . In den bald vierzig Jahren ihrer Ehe hatte sie es nicht vergessen , daß ihr das herbe und schroffe Wesen ihres Mannes viel Herzeleid gemacht , aber sie hatte sich daran gewöhnt . Dennoch blieb sie dem oberländischen Wesen noch vielfach fremd . Auf einem großen einsamen Bauernhofe aufgewachsen , kam sie als Frau wieder in einen solchen , sie kannte wenig von der Welt , aber hier war doch Alles anders ; sie stammte aus dem viel mildern geschmeidigern Unterlande , hier oben war Alles wie mit der Holzaxt zugehauen . Daheim auf Siebenhöfen hatte sie oft bei der Heuet im Thale die Flözer vom Schwarzwald auf dem Neckar mit einander schreien und fluchen hören , daß man meinte , sie hätten die gräßlichsten Händel und würden beim Zusammentreffen einander erwürgen und mit ihren Aexten das Hirn spalten , und am Ende war 's nichts als ein tapferer Zuruf . So sah sie auch bald , daß viele Heftigkeiten in Haus und Hof nicht so bös gemeint waren , es gehörte eben zu der lauten » herrscheligen « Art und Weise der Menschen . So sehr sie aber dies erkannte , blieb sie doch diesem Leben fremd , sie hatte noch immer die Sitten ihres väterlichen Hauses im Sinne und wenn später ihre eigenen Kinder unbändig waren , sagte sie oft : » So sind halt des Furchenbauern . « Dieses stete Rückschauen nach der Heimath , dieses Preisen derselben als eines allezeit friedsamen stillen Paradieses , brachte in der ersten Zeit manches Zerwürfniß zwischen den Eheleuten , bis die Bäuerin endlich einsah , daß ihr Mann Recht hatte , wenn er ihr sagte : » Du glaubst , bei dir daheim hätten sie alle Gutherzigkeit in Beschlag genommen und des Schmalzgrafen hätten das Beßthaupt kriegt . Wenn 's drauf ankommt , wirst schon sehen , daß wir auch ein Herz im Leib haben , grad so gut wie ihr . « Und das war in der That der Fall . Der Furchenbauer war offenbar ein rechter Mann , karg an Worten , aber arbeitsam von früh bis spät , pünktlich und auf Ehre haltend ; er ließ seine Frau in ihrem Bereich gewähren , er wußte was sich für einen großen Bauernhof und für die Tochter des Schmalzgrafen schickte . In solchen Verhältnissen hat man überhaupt nicht lange mit Gemüthsangelegenheiten zu thun , der Tag hat seine hundertfältigen Pflichten ; in einem solchen großen Anwesen gilt es überall zur Stelle zu sein , anzuordnen und selbst Hand anzulegen , und das ruhige Gefühl , Alles gehörig im Stand zu halten , und dazu noch ein gewisser Stolz der Herrschaft und des Besitzes füllt Alles aus . Die beiden Eheleute lebten in Frieden und hielten einander in Ehren . Es mag hart klingen , aber es ist doch wahr und erweist sich bei näherer Betrachtung auch milder : bei den Bauern , besonders aber bei den Großbauern , ist die Ehe vielfach nur ein Vertragsverhältniß in der ausgedehntesten Bedeutung des Wortes . Erkennen die Eheleute , daß die Verschiedenartigkeit ihrer Naturen sich nicht zur Einigkeit verschmelzen läßt , so tritt ein gegenseitiges selbständiges Gewährenlassen ein . Hier wo die Hausfrau gleichmäßig mit dem Manne für den Besitzstand zu arbeiten hat , erfüllt ein Jedes den Kreis seiner Pflicht ohne weitere Anforderung . Die Arbeit für Erhaltung und Vermehrung des Besitzthums ist die Wesenheit des Lebens , dem die Heilighaltung des geschlossenen Bundes noch eine gewisse Weihe ertheilt , und kommen Kinder , so erblüht die Verträglichkeit auch wiederum oft zur Liebe . Offene Zerwürfnisse oder gar Trennungen aus Mangel an Liebe kommen darum im Leben der Großbauern fast nie vor . Nur selten , zu einem Jahrmarkt , zu einer Gevatterschaft oder Hochzeit verließ man den Hof , und die Bäuerin hörte überall mit Befriedigung , wie hochgepriesen sie und ihr Mann waren und wie sie als eine Zierde der ganzen Gegend galten , so daß es immer hieß : solche Bauersleute seien schon lange nicht in der Gegend gewesen . Die Bäuerin hörte solchen Lobpreis immer mit ruhigem Behagen an , sie hatte sich von ihrem Mann angewöhnt , auch kein übrig Wort zu reden . Nie kam es ihr in den Sinn , von ihrem Reichthum einen andern Genuß haben zu wollen als den , ihn zu erhalten und zu vermehren und wie sich's gebührt , den armen Leuten der Gegend ihre Gaben zukommen zu lassen . Die schwere Kriegszeit , die in den Anfang ihrer Ehe fiel , verschonte auch den Furchenhof nicht , ja sie brachte Noth und Gefahr . Gegen eine Einquartirung , die sich unziemlich gegen die schöne Bäuerin benahm , fuhr Christoph mit der ganzen Heftigkeit seines Wesens auf und nur ein Zufall rettete ihn vom Todtschlage . Damals fühlte die Bäuerin recht deutlich , welch ein Mann der Furchenbauer war und in dem Gedanken , daß sie ihn hätte verlieren können , wie lieb sie ihn hatte . Nur das Einemal sagten dies die Eheleute einander und sonst nie . Der Furchenbauer lebte ganz für sich , er schloß sich an Niemand an , er hatte keinen Freund , keinen Vertrauten ; mit seiner Schwester und seinem einzigen Schwager , dem Gipsmüller , lebte er in oberflächlicher Beziehung , die sich nachmals durch einen Streit in gegenseitiges einander Vergessen verwandelte ; nicht einmal mit seiner Frau beredete er was er vorhatte , er war eine einsame Natur , ohne Anhänglichkeit und ohne Abhängigkeit , man kann fast sagen : er selber war ein geschlossenes Gut . Es kamen mehr Kinder als sonst in einem solchen Bauernhofe gewöhnlich ist . Der Bauer war oft unwirsch ; wenn er aber den Neugeborenen auf den Armen hielt , war er seltsam weich und liebevoll . Vier Kinder lagen auf dem eine Stunde weit entfernten Kirchhofe , drei Söhne und Ameile waren geblieben , der Alban war nach dem Schmalzgrafen der älteste , Vinzenz der jüngste . Da wurde abermals ein Sohn geboren , und als zwei Tage darauf Vinzenz mit dem Vater vom Kornmarkt heimfuhr , sagte der kecke Bursche : » Vater es ist ein' Schand und Spott und Ihr solltet Euch auch schämen wie ich , daß ich noch ein kleines Brüderchen bekommen hab ' . « Der Furchenbauer ward über diese Rede so wild , daß er ihn niederwarf und ihm mit dem Peitschenstiel so in's Gesicht hieb , daß er ihm ein Aug' ausschlug . Das war ein Jammer , als der Vater mit dem einäugigen Sohn heimkam und in derselben Stunde war das kleine Brüderchen gestorben , dem die Wehmutter noch die Nothtaufe gab . Es war nun ein seltsam zerstörtes Leben auf dem Furchenhofe . Der alte Bauer lebte in Unfrieden mit sich und mit der Welt , er schlug die Augen nieder wenn er den Vinzenz sah , den er so jämmerlich verletzt hatte und verhätschelte ihn auf allerlei Weise . Der Vinzenz zeigte jetzt ein herrisches und tückisches Wesen und lebte in stetem Hader mit seinem ältern Bruder Alban , der bis jetzt , so weit es ging , der natürliche Herrscher des Hauses gewesen war . Denn Alban war zu Allem anstellig und allezeit aufgeweckt und wußte besonders gut mit den neuen Pflügen , Häckselschneide- und Säemaschinen umzugehen , die der Furchenbauer angeschafft hatte , da er den Ruhm eines aufgeklärten Landwirthes besitzen und es gern so weit es seinem Vortheil entsprach , den studirten und adeligen Gutsbesitzern der Gegend gleichthun wollte . Jetzt schien Alles auseinanderzufahren , Niemand war mehr recht bei der Arbeit ; aber ein festgefugtes Anwesen hat so viel innere Stetigkeit , daß es auch ohne besondere Leitung noch eine Weile seinen geregelten Gang fortgeht ; und dazu kam noch , daß Dominik sich jetzt in seiner ganzen Verständigkeit und Treue zeigte : er ließ die drin im Hause zanken und schelten und sorgte unermüdlich dafür , daß Alles in Feld und Stall und Scheunen gehörig vollführt wurde . Der Furchenbauer fand endlich einen glücklichen Ausweg . Alban hatte schon oft gewünscht , in eine Ackerbauschule einzutreten , jetzt ward ihm das gewährt . Kam diese Gewährung auch für Alban etwas zu spät , er ließ sich doch auf Zureden der Mutter , der Schwester und des Dominik zu deren Annahme bewegen , und nach seinem Weggang schien auch wieder Friede und Ruhe im Hause zu herrschen . Nur sah man den Furchenbauer oft heimlich knirschen , der Vinzenz schien ihn allerwege zu quälen und seine Befehle zu verhöhnen , und so reichlich er ihm auch gegen seine Gewohnheit Taschengeld gab , er war damit nie zufrieden und man mußte bald da bald dort Schulden für ihn bezahlen und allerlei böse Streiche vertuschen . Vinzenz hatte es Niemand gesagt , wie er um sein Auge gekommen war , die Drohung damit gegen den Vater ward eine ergiebige Quelle für allerlei Gewährung . Endlich schien auch dies sich beizulegen , Vinzenz wurde arbeitsamer und häuslicher und der Furchenbauer eröffnete seiner Frau , daß er sich entschlossen habe , dem Vinzenz einstmalen das Gut zu übergeben , der Alban sei ein aufgeweckter Bursche , der sich leicht durch die Welt bringen und eine reiche Lehnbesitzerin erobern könne ; denn die meisten großen Bauerngüter waren oder heißen noch Lehen . Die Mutter hatte nichts dagegen einzuwenden , in ihrer Heimath war es ohnedies Sitte , daß nicht der Aelteste sondern der Jüngstgeborne das väterliche Erbe erhielt und den anderen Geschwistern eine nothdürftige Abfindung ausbezahlte . Sie ahnte wohl , daß diese Neuerung hier zu Lande und besonders bei Alban nicht so glatt abginge , aber sie beschwichtigte ihre Sorge , ja sie freute sich vollauf der nun wieder herrschenden Eintracht ; sie war eine kluge und behagliche Frau , die die Freude des heutigen Tages nicht mit Kummer um kommende Zeiten verscheuchte . Der Völkerfrühling und ein flammendes Jünglingsherz . Zu Lichtmeß 1848 kehrte Alban wieder auf den väterlichen Hof zurück . Die Mutter hatte ihre Freude an dem schönen Burschen und betrachtete ihn oft , als wäre er ein Fremder . Die braunen Haare , die nur am ovalen Hinterkopfe ganz glatt geschoren waren , trug er auf dem breiten Oberhaupte gescheitelt . Wie leuchtete die weiße Stirne , doppelt hell über dem sonnverbrannten Antlitze mit dem braunen Schnurr- und Knebelbarte , wie glänzten die braunen Augen , die er so hoch aufschlug , daß man unter den tief hereinstehenden Brauen gar kein Augenlid sah . Er trug ein nach vorn geöffnetes kurzes graues Burgunderhemd , die sogenannte Blouse , und alle seine Bewegungen , jeder Schritt , jede Stellung und Wendung war allezeit geschlossen und mit gesammelter Kraft , Alles machte den Eindruck der Frische und straffen Jugendlichkeit . Die Mutter hatte nicht allein ihre Freude an dem schönen Sohne , wer auf den Hof kam , konnte sein nicht Rühmens genug finden und die ganze Gegend war stolz auf ihn . Die Mutter hatte es vollkommen getroffen , wenn sie nach dem landesüblichen Ausdruck sagte : » Mein Alban ist ein waidlicher Bursch , « denn mit waidlich bezeichnet man das Hurtige wie das Jugendfrische . Begriff und Wort Jüngling sterben jetzt allmälig fast aus : Alban war noch ein Jüngling in der frischen Bedeutung des Wortes , kindlich hingebend und hell aufflammend . Er war in dem Jahre seiner Abwesenheit fast jünger geworden . Er hatte ein freies Behaben aus der Fremde mitgebracht , das aber heimathlich anmuthete . Er hatte fremde Gedanken mitgebracht wie auch fremde Lieder , die man ihm bald auf dem Hofe nachsang , aber zum Ruhme seiner Lehrer wie seines eignen Naturells muß gesagt werden : er hatte sich in keinerlei Weise der Heimath entfremdet , sein Wesen hatte nur etwas Sonntägliches und das paßte ganz zu dem neuen glorreichen Sonntag , der jetzt über der Welt aufgegangen war . Einstimmig wurde Alban zum Leitmann gewählt , als man , von dem noch jetzt unerklärten Franzosenlärm geschreckt , sich vorerst mit gestreckten Sensen bewaffnete . Auch Dominik war mit unter den Bewaffneten , der Furchenbauer hatte ihm ausdrücklich die Erlaubniß gegeben . Wie oft stand die Mutter mit Ameile hinter dem » Käppele « und schaute nach dem Thal , wo ihr Sohn wie ein Feldherr regierte , oder sie ging gegen ihre Gewohnheit am Werktage nach dem Thal , um in der Nähe zu sehen wie ihr Sohn commandirte , und mit Hülfe des Dominik und des Nagelschmieds , eines ehemaligen Soldaten , der als Häusler und Taglöhner auf dem Hellberge wohnte , militärische Ordnung einübte . Wenn er dann mit der schwarzrothgoldenen Schärpe angethan mit ihr nach Hause ging , sagte sie ihm oft : » Du könntest Offizier sein , « und dann erzählte er ihr von der Schweiz , wohin er mit dem Lehrer und den Genossen eine landwirthschaftliche Reise gemacht hatte und wo die reichen Bauernsöhne Offiziere seien , das ganze Jahr nach Pflicht arbeiteten und nur zu den alljährlichen Uebungen einrückten . Die gute Frau ließ oft der freudige Gedanke nicht schlafen , daß ihr Alban Offizier sei . Der Furchenbauer sah die Erwählung seines Alban doppelt gern und zog daraus manchen trostreichen Gedanken , den er aber in sich verschließen mußte . Schon die Erwägungen , die bei der Wahl der Führer in Dörfern und Städten zu Tage kamen , zeigten eine gewisse Unentschiedenheit der Gemüther , die sich bald im großen Ganzen kenntlich und verderblich darstellte . Es herrschte die allgemeine Stimmung , daß der Nagelschmied als ehemaliger Soldat und redlicher gescheiter Mann Führer sein sollte ; man sah das wohl ein , aber man wollte doch auch wieder einen Mann von Ansehen , der auch Bedeutung hatte . Die Parteien vereinigten sich zuletzt und um Allem gerecht zu sein , wählte man keinen Hofbauern , sondern den Sohn eines solchen und Alban war nach Stellung und Persönlichkeit dazu am geeignetsten . Auf dem Hofe standen Knechte und Mägde oft bei einander und der Hauptgegenstand ihres Gespräches war der Alban , wie der so gut und zutraulich gegen Jedermann sei und selbst der Kuhbub wußte Lobendes von ihm zu erzählen , Alban hatte ihm versprochen , daß er Trommler werden solle und er übte sich einstweilen mit zwei Stücken auf dem Melkkübel . In die Dienstleute schien ein unruhiger Geist gefahren : unversehens standen Mehrere bei einander und plauderten von allerlei Abenteuerlichem , von einer ganz neuen Welt , die jetzt anfange . Auf der ersten Volksversammlung , die man erlebte und die in Wellendingen gehalten ward , hatte ein Advokat öffentlich ausgerufen : » Die ganze alte Welt wird jetzt auf den Abbruch versteigert . « Dies Wort wurde von einsamen Wanderern über Berg und Thal getragen , man glaubte daran wie an einen Bibeltext und manche Predigt wurde darüber gehalten . Der Furchenbauer zankte oft über diese » Ständerlinge ; « aber behutsam , diese Unruhe , die in alle Menschen gefahren war , däuchte ihm nicht geheuer . Es war ihm nur lieb , daß sein Sohn Anführer war , das schützte ihn gegen das Räubervolk , denn als solches betrachtete er jetzt alle Nichtbesitzenden , die sich in der That jetzt die kecksten Waldfrevel ungeahndet erlaubten und kein Förster hatte Muth gegen sie . Dem Alban folgten die Dienstleute auf einen Augenwink und mit dem größten Eifer . Ohne besondere offizielle Erklärung wurde der Thronfolger Alban jetzt Mitregent und der Dominik , der zum Oberknecht ernannt war , erster Minister . Der Furchenbauer mußte bekennen , daß Alles gut von statten ging , wenn ihm gleich die vielen freundlichen Ansprachen an Dienstleute und Taglöhner nicht gefielen ; aber es war jetzt eine neue Welt . Hätte Alban jetzt das väterliche Gut von ihm verlangt , er hätte es ihm geben müssen , trotzdem er dem Vinzenz mit Handschlag versprochen , ihn einzusetzen und darauf mit ihm das Abendmahl genommen hatte . Alban dachte an nichts weniger als an derlei Dinge . Er fühlte wohl , daß sein einäugiger Bruder , der nicht gleich ihm in der Fremde gewesen war , sich bedrückt fühlen und neidisch gegen ihn sein mußte ; er behandelte ihn daher trotz seines unwirschen Gebarens mit zuvorkommender Liebe und wo er nur konnte , stellte er ihn voran und ließ ihn Befehle ertheilen . Vinzenz ließ sich das gefallen , er verschloß in sich hinein die Gedanken und Plane , daß wieder andere Zeiten kommen werden , wo der Alban froh sein werde , wenn er ihn als Verwalter oder Knecht zu sich nehme . In der Kammer , wo die beiden Brüder schliefen , herrschte Friede und Eintracht . Vinzenz sprach wenig , desto mehr aber Alban und wenn der Vater nach seiner Gewohnheit , von der er nicht lassen konnte , manchmal an der Thür horchte , ging er kopfschüttelnd weg . Der Alban offenbarte allezeit ein so grundklares lauteres Gemüth und war dabei so geschickt und welterfahren , daß es ihm manchmal leid that , ihn nicht in das Gut einsetzen zu können ; der würde einen Hof hinstellen , wie landauf und landab keiner zu sehen war . Er tröstete sich aber wieder damit , dem Alban könne es nicht fehlen , sich eine reiche Lehnbesitzerin zu holen , die fürnehmste , die er wolle ; der Vinzenz aber war vom Vater verstümmelt und konnte sich ohnedieß nicht selber helfen . Jenes wonnige Beben , das damals die gedrückten Herzen in ganz Europa durchzitterte , jene freudige Ahnung , daß die Zeit der Noth und der Ehrlosigkeit vorüber sei , machte sich damals auf dem Furchenhofe und in der Umgegend in eigenthümlicher Weise geltend . In Wald und Feld , mit Axt und Pflug in der Hand , schaute Jegliches oft plötzlich aus , als müßte ein Wunder kommen , ein neues Erlösungswerk , das auf einmal Alles richte und schlichte . Es war die Zeit der Zeichen und Wunder , alle Sehnsucht und alle Verheißung , die mehr oder minder klar in den Gemüthern ruhte , sollte ihre Erfüllung finden ; die Erlösung war da für die hochstrebenden , die ganze Menschheitentwicklung erfassenden Geister , wie auch für diejenigen , die in beschränkte Gesichtskreise eingeschlossen waren . Die Hoffnung , daß eine Zeit gekommen sei , in der man seines Schweißes froh werde , bildete sich oft abenteuerlich aus . Oft wenn Einer in verborgener Thalschlucht oder tief im Walde arbeiten mußte , überkam es ihn plötzlich wie ein jäher Schreck , daß er jetzt den Triumphzug versäume , der die Heerstraße dahinzieht und Alles glückselig macht . Die Taglöhner sprachen oft wild durcheinander wegen Vertheilung der Allmend und des Gemeindewaldes , wegen Erhöhung des Tagelohnes und Kürzung der Arbeitszeit , und mancher lang verwundene und halb vergessene Schmerz kam an den Tag . Alban sprach da und dort mit beredtem Munde und hatte einen hülfreichen Beistand an dem verständigen Nagelschmied , der mit seiner Tochter Vreni auf dem Furchenhof als Taglöhner arbeitete . Der Nagelschmied hieß nur noch so , aber er war es nicht mehr . Noch vor wenigen Jahren hatte er im Sommer als Taglöhner auf den benachbarten Höfen gearbeitet und im Winter Nägel geschmiedet , wobei ihm seine Frau und seine Goldfuchsen , wie er seine Kinder mit röthlichbraunem Haare nannte , halfen , und besonders die zweitälteste Tochter Vreni zeigte eine große Kunstfertigkeit . Durch ein Verbot der Regierung wurde ihm dieß Gewerbe untersagt , weil es nach dem Buchstaben des Gesetzes nicht unter die freien Gewerbe gehörte . Vreni hatte das Strohflechten erlernt , und so oft sie zur Feldarbeit ging oder von derselben heimkehrte , sah man sie mit grobem Geflechte beschäftigt ; zu dem feineren waren ihre Hände durch die Feldarbeit und die frühere Thätigkeit in der Werkstätte ungeschickt geworden . Jetzt hoffte der Nagelschmied wieder sein Gewerbe aufnehmen zu dürfen , und Alban versprach , ihm zur Anschaffung des Handwerkszeuges , das er in der Noth verkauft hatte , behülflich zu sein . Auf dem Furchenhofe wurde allzeit mit doppelter Lebhaftigkeit und unter Lachen und Singen gearbeitet , Jeder war lustig ohne zu wissen warum und ohne weiter darnach zu fragen . Im Frühling , wo gerade die härteste Nothzeit ist , da die Wintervorräthe aufgebraucht sind , vertheilte Alban freiwillig Korn als Vorschuß unter die Taglöhner und der alte Furchenbauer mußte ihm trotz der Widerrede Recht geben ; denn andere Großbauern wurden zu Dem gezwungen , was er freiwillig gethan hatte und wofür er nun Dank erhielt . Alban und der Vater ritten einst zu der großen Versammlung in Wellendingen , die der Candidat für die Stelle eines Reichstags-Abgeordneten anberaumt hatte . Alban war auf dem Heimweg ganz erfüllt von den feurigen Worten , die er vernommen , er hatte zum Erstenmal unter freiem Himmel befreiende Worte gehört und mit eingestimmt in den tausendstimmigen Jubel . Als er auf dem Heimweg sein Herz gegen den Vater ausschüttete und endlich sagte : er müsse dem Volksmann seine Stimme geben , sagte der Vater : » Ja , das thu' ich auch . Man muß jetzt mitthun . « » Und ich mit , « rief Alban . » Ja so , « fuhr der Vater fort , » du stimmst ja auch ? Das hab' ich fast vergessen . Freilich es ist ja jetzt Alles gleich , Vater und Kind und wer was hat und wer nichts hat ; es ist All eins . Ich bin froh , daß ich tief in den Sechzig bin , das ist kein' Welt für mich ; die Bettelleut dürfen nicht mitreden , der Nagelschmied darf nicht mitstimmen wie ich . « Alban schwieg , er traute sich 's nicht zu , seinen Vater zu anderer Ueberzeugung zu bringen ; auch war er an die natürliche und altherkömmliche Oberherrlichkeit des Vaters gewöhnt und wagte es nicht ihm geradezu zu widersprechen . Man würde indeß dem Furchenbauer schwer Unrecht thun , wenn man einen gewissen Freimuth desselben in Zweifel zöge . Der Bauer auf Einzechten – wie man die weit auseinanderliegenden geschlossenen Güter nennt – ist ein ganz anderer , als der in den Dörfern lebt . Die Alles in ihr Netz spannende neue Regierungskunst , oder vielmehr Polizeikunst hat nur eine lose Verknüpfung mit solchen einsamen Höfen und nur selten betritt ein Diener der Obrigkeit die oft einen großen Theil des Jahres unwegsamen Pfade , welche dahin führen . Dadurch bildet sich in dem Hofbauer die eine Seite des freistaatlichen Lebens : das Gefühl der Unabhängigkeit und dessen eifersüchtige Wahrung mächtig aus . Die Markscheide , wo die Unabhängigkeit zu Eigensucht wird , tritt nur selten zu Tage . Hat die Büreaukratie aus den Bürgern in Städten und zusammenhängenden Dörfern jeden Gemeinsinn , jede Selbstthätigkeit für's Allgemeine allmälig gründlich ausgetrieben , so ist der einsame Bauer draußen oft gar nie dazu gekommen . Unser Furchenbauer galt von jeher als ein Liberaler und er war dieß auch nach dem bisher gewohnten Begriff . So oft er mit den Beamten in Berührung trat , war er stolz und zäh . Wenn er aufs Amt kam , sagte sein Gang , seine Miene : » Was seid denn ihr Schreiber gegen mich ? Ich bin der Furchenbauer , « und nur Einmal vertraute er in sonst nie vorgekommener Offenherzigkeit dem Hirzenbauer von Nellingen einen Geheimgedanken mit den Worten : » Die Beamten haben doch weit mehr Respekt vor Einem , der kein unterthäniger Jamensch ist , wenn sie ihn auch nicht leiden mögen . « Dazu kam , daß trotz seines Stolzes ihm die Vertraulichkeit der angesehenen Männer aus der organisirten liberalen Partei wohlthat ; er duzte sich mit mehreren Advokaten und sogar mit dem ausgetretenen Geheimrath , der trotz seines Liberalismus doch beharrlich Geheimrath betitelt wurde . Der Furchenbauer hörte sich gern als freien Mann rühmen , der nach Niemand was zu fragen habe , er sprach bei den Wahlversammlungen nie öffentlich und kaum mit einem Nachbar , aber bei der Abstimmung war er fest und sicher . Jetzt war eine andere Zeit gekommen . Freilich war es schön , daß zwei von den Duzbrüdern des Furchenbauern jetzt Minister waren . Damit sollte aber auch die Welt zufrieden sein , und unerträglich war's , daß jetzt Jeder die Keckheit hatte , auch ein Liberaler sein zu wollen ; das ist doch etwas , was nur Leuten zusteht , die nach Niemand was zu fragen haben , wie kommt so ein Häusler dazu ? Und himmelschreiend war's , daß jetzt auch ein Kind , das noch keinen Kreuzer eigen Vermögen besaß , mitstimmen durfte wie der Vater . Diese Wahrnehmungen machten den Furchenbauer oft unwirsch , aber er verschloß seinen Widerstreit in sich . Nur Einmal gab er ihn kund , indem er Alban befahl und als dies nichts half , ihn sogar bat , von seinem Stimmrechte keinen Gebrauch zu machen ; aber Alban ließ sich das nicht nehmen , er hatte von der Volksversammlung das Schlagwort mitgebracht : » Wehrpflicht , Wahlrecht ; « und was er einmal in seinem Herzen aufgenommen , ließ er nicht mehr los . Alban war bei der Volkswehr und ein Jubeltag war es für ihn , als er zum Erstenmal im Leben seine Stimme abgab . Vinzenz hatte dem Vater willfahrt und darauf verzichtet . Freies Gut , freies Brod , und ein Blitz vom Himmel . Im Laufe des Sommers kam ein Ereigniß , das auch den alten Furchenbauer plötzlich für die neue Zeit gewann . Der Furchenhof war noch von Altersher ein sogenanntes Erblehen , auf dem mancherlei Lasten und Abgaben ruhten ; jetzt durften diese allesammt abgelöst werden . Der Hof , den man nahezu auf hunderttausend Gulden schätzen durfte , wurde durch die Ausbezahlung von sechstausend Gulden freies Eigenthum , an dem Niemand mehr irgend einen Rechtstitel hatte . In baarem Geld brachte der Furchenbauer die Summe auf das Kameralamt und kam doppelt glückselig und freudestrahlend wieder , denn er hatte in der Stadt gehört , daß fortan auch die adeligen Gutsherren unter dem Schultheiß stehen wie jeder Andere . » Jetzt bin ich so viel wie ein Baron und ich schaff' mir jetzt für unser Käppele eine Glock ' an , ich darf 's jetzt so gut wie ein Baron ; ich brauch' Niemand darum anfragen , « sagte der Furchenbauer zu seiner Frau und seinen Kindern und strich sich behaglich mit der breiten Hand über die rothe Brustweste . Er ging lächelnd und behend durch Ställe und Scheunen , auf die Felder und in den Wald und betrachtete Alles neu , als grüßte er 's erst jetzt als sein rechtes Eigenthum . Vinzenz zuckte mit dem einen Auge als der Vater am Abend zu ihm und Alban sagte : » Ihr Buben kriegt's besser als wir's gehabt haben , ihr seid Freiherren . « » Ja , und jetzt darf man mit dem Hof schalten und walten wie man will , « setzte Vinzenz hinzu . » Vor der Hand bleib' Ich noch ein' Zeitlang Freiherr , Punktum , « schloß der Vater und keiner der Söhne wagte mehr ein Wort zu reden ; sie mußten es schon als eine Gnade ansehen , daß der Vater so viel mit ihnen gesprochen hatte . » Der Professor aus der Volksversammlung hat Recht gehabt , « sagte Alban halb für sich , » es darf keine Grundherren mehr geben , nur noch einen Himmelsherrn . « Der alte Furchenbauer antwortete nichts hierauf . So lange schon dieser Boden die nährende Frucht hervorbringt und von Geschlecht zu Geschlecht sättigt , wurde die Sichel gewiß noch nie freudiger gehandhabt als in diesem Jahre , und der erste Garbenwagen , den Dominik vierspännig in den Hof einführte , war bekränzt und ihm nach jauchzten Schnitter und Schnitterinnen . Alban hätte gern den ersten Garbenwagen unter dem Gesang aller Arbeitenden in den Hof geleitet , aber das ging jetzt in der hohen Ernte nicht an . Wenn auch das Wetter ständig schien , durfte man doch keine Minute Zeit verlieren ; denn nur was man glücklich unter Dach oder in Feime und Stadel hat , darf man erst recht sein Eigen nennen . Der Vater hätte es nicht geduldet , daß man Zeit damit verlor , einen Kranz zu winden , und darum war es klug von Vreni , daß sie einen fertigen Kranz mitgebracht hatte . Der alte Furchenbauer sah scheel dazu , aber er sagte nichts , als Alban an einem Nagel des Scheunenthores ein Papier aufhängte , die Garben beim Abladen zählen ließ und die Summe auf das Papier verzeichnete ; er wollte dem Alban den unschuldigen Stolz gönnen , die neue Art zu zeigen , die alles Erträgniß buchte . Noch war der eine Wagen nicht abgeladen als schon ein anderer vor der Scheune hielt und so ging es fort bis zum Abend ; Mensch und Thier war in rastloser Thätigkeit und vor Allem schien sich die Kraft und Behendigkeit Albans zu vervielfältigen . Er war überall . Die Sonne war schon hinabgesunken und nur noch leichte rothe Wolkenstreifen standen ruhig über den blauen Waldbergen und kündigten für morgen einen gleichen gesegneten Tag , als man für heute den letzten Garbenwagen einführte , und hinter ihm sangen Schnitter und Schnitterinnen helle Lieder und die Lerchen über den Feldern erhoben sich nochmals zum letzten Abendsang . Alban ging unter den Taglöhnern und sang mit , seine Stimme tönte rein und hell ; er hatte auf der Ackerbauschule nach Noten singen gelernt , war aber den Weisen seiner Heimath in nichts fremd geworden , er stimmte mit doppelter Lust ein in den Gesang , der von Natur sich vierstimmig setzte . Seine Stimme und die Vreni's begannen stets . Jeder der Vreni sah mußte gestehen , daß sie eine frische und anmuthende Erscheinung war , wenn Mancher auch die Zartheit ihrer Gesichtsfarbe auf Rechnung ihres braunen röthlich glänzenden Haares schrieb , das ihr wie allen Kindern des Nagelschmieds die Bezeichnung der Goldfuchsen gegeben . Niemand aber ersah Vreni so schön als Alban . Wenn er seinen Blick auf sie richtete , erglühte ihre Stirne , sie senkte das Auge in Demuth , aber aus ihrem ganzen Angesicht leuchtete es wie eine Strahlenglorie . Jetzt beim Singen hielt sie zum Erstenmal seinen Blick unverwandt mit offenem Auge aus , aber Alban wendete sich plötzlich von ihr ab und ward still . Sein Blick war fest auf den Garbenwagen geheftet : der brachte das erste Brod des wahrhaft freien Mannes und das Auge Albans leuchtete hell , denn er dachte der Männer , die dort in der alten Reichsstadt die Ernte einthun , rathen und helfen , daß Freiheit und Wohlstand allüberall sei . Noch einmal jauchzte er hellauf als man in den Hof einfuhr . Nach dem Abendessen ging es erst recht lustig her , denn es kam ein Mann , der mit dem Athem seines Mundes Alles tanzen und springen machte . Auf dem Hellberge in der ehemaligen Nagelschmiede wohnte das alte Müllerle , genannt » die Obedfüchti « ( Abendfeuchtigkeit ) weil es in der Regel in der Dämmerungsstunde vor den Bauernhäusern erschien und die Klarinette blies . Die Obedfüchti arbeitete nicht und sorgte nicht und war doch allzeit lustig und wohlauf . Vor Zeiten war das Müllerle ein Kamerad des Geigerlex gewesen und war auch ein Nachkomme jenes närrischen Musikanten , der am Felsen beim Hellberge sein Leben vergeigte und wovon der Fels noch immer den Namen : des Geigerle's Lotterbett hat . Auf dem Furchenhofe war die Obedfüchti bei Alt und Jung beliebt und ging nie leer aus . » Die Obedfüchti ! die Obedfüchti ! « schrie Alles , als man jetzt Klarinettenton vom Hofe hörte und trotz der Ermüdung von der Arbeit wurde noch in der Tenne getanzt . Alban war auch hier der unermüdlichste , aber obgleich seine hübschen Basen , die beiden Töchter des Gipsmüllers , auch dazu gekommen waren , tanzte er doch fast ausschließlich mit der Vreni , der Tochter des Nagelschmieds . Vinzenz hinterbrachte dem Vater , daß Alban im Jubel der Vreni zugerufen habe , sie müsse Bäuerin auf dem Furchenhof werden . Der Vater hatte schon lange bemerkt , daß Alban mit der Vreni Etwas habe , er hatte nichts dagegen , daß sein Sohn mit dem , wie er selbst gestehen mußte , » bildsaubern Mädle « seine Lustbarkeit trieb , das darf ein reicher Bauernsohn ; aber was soll ein solches Geschwätz ? Bevor Alban schlafen ging , rief ihn der Vater zu sich und sagte ihm : » Ich will dir ein für allemal zu wissen thun : mach' mir mit der Vreni keinen so Spaß mehr . « » Was hab' ich denn than ? « » Du hast ihr gesagt , sie muß Bäuerin auf dem Furchenhof werden . Das geht über den Spaß . Oder willst's leugnen ? « » Nein , es kann sein , daß ich's gesagt hab ' . « » Du hast 's gesagt . Punktum . Und so ein Spaß darf nicht mehr vorkommen . « » Nein , « schloß Alban und ging tiefathmend die Treppe hinauf . Hatte er bei der ersten Probe seine Liebe verleugnet ? Bei aller innigen Hingebung , bei aller leicht beschwingten Freudigkeit lastete doch ein geheimer Druck auf dem Herzen Albans , der sein scheinbar so entschlossenes und festes Wesen in stillen Stunden zaghaft und zweiflerisch machte . Nicht sowohl das Hauswesen als die ganze starre Art des Vaters war ihm bei der Heimkehr fremd und unerträglich . Der Lehrer in der Ackerbauschule hatte ihm beim Abschied an's Herz gelegt und die Mutter fast mit denselben Worten das Gleiche wiederholt , er möge in Liebe und Demuth die altgewohnte Weise des Vaters aufnehmen und ihm dankbar und erkenntlich sein , auch wo ihm seine Art widerstrebe . Wäre Alban in ruhigen Zeiten wieder in das elterliche Haus eingetreten , vielleicht wäre ihm das leichter gelungen , aber auch jetzt wollte er vor Allem ein gehorsamer und ehrerbietiger Sohn sein . Er sagte sich nun , daß die Vreni alles für Scherz nehmen müsse und es war ja auch nicht mehr , und der Vater hatte Recht : solch ein Verhältniß taugte nicht für ihn , er mußte einst eine Frau haben , von deren Vermögen er bei Uebernahme des Hofes die Geschwister auszahlen konnte . Dennoch war Alban am andern Tage unlustig zur Arbeit und erbat sich vom Vater die Erlaubniß , nach Wellendingen zu einer Volksversammlung zu gehen , auf der eines Bauern Sohn , der Lorenz von Röthhausen , genannt Lenz die rothe Weste , oder auch die gestreckte Sense , durch seine kernigen und schlagfertigen Worte Alles entzündete . Widerwillige und ungläubige Hörer würde man heut zu Tage finden , wenn man die Reden und Schicksale dieses Bauernjünglings erzählen wollte ; der Hauch der Zeit hatte ihn mit einem Prophetengeist angeweht , wie uns ein Gleiches nur von alten Zeiten berichtet wird und er besiegelte seine Sendung mit dem Märtyrertode . Damals riß er alle Herzen in unwiderstehlicher Gewalt fort . Alban fühlte bei den Reden des Lenz alles Blut in seine Wangen treten und oftmals ergriff es ihn , als würde er von einem Sturm davon getragen , er wollte auch hinauf auf die blumenbekränzte Rednerbühne , er mußte – aber er bezwang sich doch und vor Allem im Gedanken an seinen Vater . Der Lenz mußte in anderen Verhältnissen stehen , der Furchenbauer hätte es seinem Sohne nie verziehen , wenn er es gewagt hätte , vor aller Welt hinzutreten und sich geltend zu machen ; er sagte es oft : die Jungen müssen schweigen und zuwarten in Dingen , in denen nur die Alten mitreden dürfen . Mitten im Sturm seiner Gefühle beugte sich Alban der gewohnten väterlichen Gewalt , er schluckte die Worte hinab , die er auf der Zunge hatte . Es schien fast nicht möglich , daß Alban noch mächtiger ergriffen werden könnte als von der Rede des Lenz von Röthhausen , und doch war es so . Unter allgemeinem Jubel trat nach dem Lenz von Röthhausen ein ehemaliger Offizier mit vornehmem Namen auf und die Worte , die er sprach , glühten von einer höheren Weihe , die Alban fast kirchlich erschien ; in der That wiederholte der Redner auch oft die Bibelworte : » Kain ! Wo ist dein Bruder Abel ? « Er griff die bisherige Erbfolge im Güterbesitz an und zeigte deren gräßliche Verderbniß und Ungerechtigkeit . » Der Schweiß deines Bruders , den du dir zum Knecht machst , der Schweiß deines Bruders schreit wider dich zum Himmel und die Stimme deines Gewissens muß rufen : Kain , wo ist dein Bruder ? « Jetzt drängte es Alban nicht mehr zum Reden , in ihm sprach es immer : » Kain , wo ist dein Bruder ? « Alban war ein Gemüth , das dem empfangenen Eindruck sich widerstandlos hingab und kein Hinderniß und keinen Einwand anerkennen mochte , wo es die heilige Pflicht galt , dem Rechten zu gehorsamen . In den feurigen Worten , die er heute vernommen , erwachte es plötzlich in ihm , in welch schmählicher Verwahrlosung die ganze Welt steht , wie Bruder den Bruder vergißt , sich gütlich thut im eigenen Wohlstand und den Nebenmenschen verkommen läßt . Wäre jetzt wie zu jenem reichen Jüngling in der Schrift , ein Heiland zu ihm getreten und hätte ihm geboten : gieb hin Alles was du dein nennst – er wäre ihm mit Freude gefolgt . Der Pächter des Sabelsbergischen Gutes in Reichenbach hat nachmals oft erzählt , wie leuchtend das Antlitz Albans war , als er eine Strecke mit ihm von der Volksversammlung heimging und plötzlich stehen blieb und die Worte ausrief : » Es geht doch nicht anders , man muß Alles hergeben . « Er wurde still und traurig bei den Einreden , aber noch am andern Morgen sagt er glühenden Antlitzes dem Vater : » Vater , das ist fest und heilig bei mir , wenn ich das Gut übernehm' , zahl' ich meinen Geschwistern heraus , was das Gut wirklich werth ist ; es ist bis jetzt viel zu gering angeschlagen . « » Wart's ab , du kannst dich wieder anders besinnen , « sagte der Vater , worauf Alban aufflammend entgegnete : » Ich werd ' nie ungerechtes Gut haben . « Alban war erst spät heimgekommen , er behauptete so lange in Wellendingen gewesen zu sein , er hatte sich aber auf dem Hellberg bei des Nagelschmieds Vreni aufgehalten . Von kleinen Leuten und schweren Gedanken . Des Menschen Herz ist , wie es heißt , trotzig und verzagt und unerforschlich in seinen Widersprüchen . Weil Alban vor aller Welt der unsichtbaren väterlichen Gewalt sich gebeugt hatte , sprach er sich wiederum davon frei in Dingen , die nur ihn allein angingen , und gleichsam als Lohn seiner Unterwürfigkeit streifte er dieselbe ab , folgte dem Drange seines Herzens und die Erregung , die noch in seinem Gemüthe nachzitterte , ergoß sich in feuriger Liebe zu Vreni auf dem Hellberg . Dort unter freiem Himmel hatten es heute Tausende gehört und im Innern nachgesprochen , daß Arm und Reich , Hoch und Nieder gleich sei , Alban machte es zu einer Wahrheit . Dennoch war noch Tage und Wochen lang genug Bauernstolz und Furcht vor dem Vater in ihm , daß er oft innerlich zitternd einherging , er zitterte vor dem , was mit ihm geschehen war . Wenn Vreni auf dem Hof als Taglöhnerin arbeitete , scherzte er nicht mehr mit ihr ; er befolgte in dieser Weise das Verbot des Vaters , aber aus ganz anderen Gründen . Seine innere Liebe und das demüthige und doch so hohe Wesen Vreni's ließen ihm jeden Scherz als eine Entwürdigung und Rohheit erscheinen , zumal da das Mädchen in seiner untergeordneten Stellung sich dagegen nicht hätte auflehnen dürfen und nur dem Spotte der Genossinnen ausgesetzt war . Der kecke allzeit wohlgemuthe und singende Alban hatte jetzt oft etwas Scheues und träumerisch in sich Versunkenes ; er , der sonst allezeit wie gerüstet und schlagfertig war , schrack jetzt oft plötzlich zusammen , wenn man ihn unversehens anrief . Um diese Schwermuth loszuwerden , ging jetzt Alban mehr denn je den Lustbarkeiten nach , der Vater gab ihm nicht unerkleckliches Handgeld dazu , denn er sah dadurch allmälig die Herrschaft wieder in seine Hände zurückkehren . Alban bedurfte dieses Handgeldes nicht , denn er war reichlich damit versehen , er hatte sich nicht dazu bringen können , gleich anderen Bauernsöhnen karger Väter Korn zu stehlen und zu verkaufen ; seit Jahren lieh ihm Dominik seinen vollen Lohn , und obgleich er es wegen seiner Tauglichkeit vollkommen verdiente , war dies doch ein nicht ungewichtiger Grund , daß Dominik zum Oberknecht befördert und der vertraute Genosse Albans wurde . Alban hatte oftmals das aufrichtige Verlangen , sich Vreni aus dem Kopfe zu schlagen , ja er sah sich forschend unter den reichen Töchtern der Gegend um , denn er erkannte die Nothwendigkeit , den Hof von seinen Geschwistern abzulösen und war dabei fest entschlossen , ihn nur zum vollen Werth zu übernehmen . Es durfte nur eine Verirrung sein , daß er je im Ernst an des Nagelschmieds Tochter gedacht . So gewichtige Gründe er aber auch in sich zu befestigen trachtete , und so sehr er sich auch eifrig unter den ebenbürtigen Töchtern des Landes umschaute , er konnte sich trotz mancher Zuvorkommenheiten nie entschließen , und von allen Lustbarkeiten blieb die beste immer die , daß er auf dem Heimwege bei Vreni auf dem Hellberge einkehrte . Der Winter ging schnell vorüber , die wundersamen Schauer , die im Frühling alle Herzen ergriffen hatten , waren längst verweht . Die Freiheit wurde nicht in Einem Sommer gezeitigt und der Landmann vor Allem ist nicht geneigt , sich auf ein längeres Warten einzulassen . Man fand sich allmälig in das altgewohnte Herkommen . Alban war nur noch Einmal auf einer Volksversammlung im Apostel zu Wellendingen gewesen , er hatte jene bekannten Herabwürdigungen des Reichstages gehört und nur daraus entnommen , daß Alles aus sei . Er mußte sich stillschweigend manchen Hohn des Vaters gefallen lassen , dem er nichts erwiedern konnte , auch wenn ihn die kindliche Unterwürfigkeit nicht daran gehindert hätte . In diesem Winter vollführte Alban eine Arbeit , auf die er nicht wenig stolz war , über die indeß der Vater lächelnd den Kopf schüttelte . Alban entwarf nämlich mit verschiedenen Farben eine Karte des ganzen Hofgutes : Berg und Thal , Feld und Wald und alle Wege waren darauf genau angegeben . Es war allerdings kein Meisterstück , aber Alban verdroß es doch , daß der Vater sagte : das sei unnütz . Die Mutter lobte ihn indeß dafür um so mehr , sie ließ die Karte einrahmen und hing sie in der Stube auf und nicht ohne Stolz hatte der Urheber : » Alban Feilenhauer gez . « darunter geschrieben . Einst gegen den Frühling , Alban hatte sich vorgenommen , daß dieß das Letztemal sein solle , war er wieder auf dem Hellberg , da erzählte ihm der Nagelschmied , daß sein Großvater es von seinem Vater gehört habe , wie vor Zeiten der Hellberg ein großer Bauernhof gewesen sei , drauf lebte eine Familie , die allzeit feindselig mit denen auf dem Kandelhof war , bis der Urahne Albans die einzige Tochter vom Hellberge heirathete und beide Höfe zu einem machte . Der Nagelschmied setzte noch hinzu , daß auch die Obedfüchti von einer reichen Bauernfamilie abstamme , der Ahne aber habe Alles , man wisse nicht warum , vernachlässigt und drunten am Felsen den ganzen Tag Geige gespielt . Als Alban heimwärts ging , war es ihm immer als spräche ihm Jemand in 's Ohr : » Das ist ein Doppelhof , das waren einst zwei Höfe , dein Vater will nicht leiden , daß du den Hof bekommst und die Vreni heirathest , gut , so zerreiß' es wieder , nimm den Hellberger Hof für dich und die Deinigen , das muß er thun . « Alban war aber doch auch wieder ein stolzer Bauernsohn , berechtigt zu dem großen und ganzen Erbe , er warf den Gedanken weit hinter sich , die Hälfte seiner Habe leichtfertig zu opfern und doch kam ihm wieder zu Sinn , daß der Nagelschmied und die Obedfüchti ja auch von reichen Bauern abstammten , warum sollte nicht eines von des Nagelschmieds Kindern wieder zu reichem Besitzthum gelangen ? Alban sah weit hinaus in die Zukunft , wie einst auch erblose Nachkommen , die von ihm abstammten , zu Taglöhnern wurden , Vreni sollte glücklich sein , ... aber die Schwiegereltern , die Schwäger und Schwägerinnen waren eine beschwerliche Last . – Dort , wo eine auf Stützen umgelegte Tanne den Weg einhegt , dort wo der Fels jählings in's Thal abspringt , den man des Geigerles Lotterbett nennt , wo drunten der Bach rauscht , den jetzt die Schneewasser schäumend erfüllen , dort stand Alban lang an das Geländer gelehnt und träumte hinein in die dunkle Nacht und in die ferne Zukunft . Die ganze Welt stand still und nur der Bach rauschte und manchmal war's , als ob mitten unter Rauschen und Brausen die längst verstummten Saiten des Geigerle tönten . Das war nur ein dünner Wasserstrahl , der klingend aus einer Felsenschrunde rann . Endlich machte sich Alban entschlossen auf mit dem festen Vorsatz , diesen Weg nie mehr in solchen Gedanken zu beschreiten ; er war ein großer Hofbauer und war verpflichtet , eine Neigung in sich zu bekämpfen . » Wenn ein Großbauer sich auch noch eine Frau nach reiner bloßer Herzensneigung wählen dürfte , dann hätten ja die Reichen Alles auf der Welt , Gut und Geld und alle Herzensfröhlichkeit auch noch dazu . Das wär' zu viel , drum ist 's vertheilt ; die Einen haben dies , die Andern haben das , und des Vaters Wille muß gelten : ein Großbauer hat vor Allem daran zu denken , daß die Familie in alten Ehren bleibt . « Das waren die Gedanken , mit denen Alban sein stürmisches Herz zu beschwichtigen suchte . Theils durch die Anlage seiner Natur , hauptsächlich aber durch sein Verweilen außer dem elterlichen Hause hatte sich Alban Kenntnisse und Lebensanschauungen angeeignet , die ihr Förderndes , aber auch ihre Zwiespältigkeiten in ihm und mit seiner gewohnten Umgebung zu Tage brachten . Schon die ernstliche Neigung zu Vreni und die Erwägungen hierüber waren ein Ergebniß davon und der vollbrachte Sieg hätte ihn vielleicht lange in Widerstreit mit sich gehalten , wenn nicht sein Stolz noch mächtiger gewesen wäre ; und vor Allem beschäftigten ihn vielfache Neugestaltungen der ganzen Bewirthschaftung . Der Vater ließ ihn jetzt aber nicht mehr schalten wie er wollte und gab ihm nur in Kleinigkeiten nach , die er als große Gunst darstellte . Alban hatte einen dreischarigen Felgpflug angeschafft und bearbeitete damit eine schon im Herbst abgerodete und umgepflügte Waldstrecke , er spannte jetzt zwei junge Stiere hinter einem vorausgehenden Pferde an den Pflug . Noch nie hatte man hier zu Lande Stiere an die Feldarbeit gewöhnt , man bediente sich dazu der zahmen Ochsen . Der Vater lachte Alban über den neuen Versuch aus , den dieser in der Schweiz gesehen und hier nachahmen wollte , aber nach viel Mühe und Schweiß gelang es ihm , und die wilden Thiere fügten sich in die Arbeit . Der alte Furchenbauer war trotz vielen Scheltens doch stolz auf seinen Alban und auf dem samstägigen Fruchtmarkt in der Stadt , wenn er bei dem gräflich Sabelsbergischen Pächter in Reichenbach saß , sagte er oft : » Der Alban braucht gar nichts ; der Bauer , dem ich den Alban für seine Tochter gebe , der muß mir noch Geld herauszahlen . « Die Zügel in fremder Hand . Am Ostersonntag fuhr der Furchenbauer mit seiner Frau , den beiden Söhnen und Ameile nach der über eine Stunde entfernten Kirche . Auf dem Heimweg , da wo von der Landstraße ab der eigene Weg nach dem Hofe beginnt , stieg der Vater ab und befahl auch Alban ein Gleiches zu thun und Vinzenz die Zügel zu übergeben . Es giebt ganz gewöhnliche Ereignisse , die oft so seltsam berühren , daß man sich einen Grund dazu gar nicht erklären kann . Alban hat nachmals oft erzählt , daß ihn der Befehl , die Zügel abzugeben , im Innersten erschreckt habe , ohne daß er wußte warum . Vinzenz nahm ihm mit einem so raschen Griff die Zügel aus der Hand und der sonst so gewandte und behende Alban stieg so ungeschickt ab und verwirrte seine Füße in die Zügel , daß er fast zu Boden fiel . Kann sein , daß Alban sich Alles was diesem Ereigniß folgt , erst später so bestimmt ausdeutete , genug , er stand auch jetzt eigenthümlich erschüttert vor dem Vater , der nach einer Weile begann : » Alban , es ist Zeit , daß du jetzt für dich selber zu bauern anfangst . « » Wie Ihr meinet , Vater , ich hab' glaubt , Ihr wollet warten , bis das Ameile versorgt ist . « » Das ist mein ' Sach ' . Es ist gescheiter du heirathest jung , ich bin ein bisle zu spät dazu kommen , ich möcht' aber doch noch mit meinen lebendigen Augen sehen , wie 's meinen Kindern geht . « » Und ich will Euch thun was ich Euch an den Augen absehen kann , « betheuerte Alban und hielt vor innerer Bewegung still , der Vater aber schritt fürbaß , knurrte etwas vor sich hin und sagte endlich : So ist 's nicht gemeint . Ich geb' den Löffel nicht aus der Hand bis ich satt bin . Du hast nichts für mich zu sorgen . Kurzum , heut Nachmittag kommt der Kornmesser Spitzgäbele , er hat mir auf dem letzten Fruchtmarkt gesagt , daß er dir eine rechtschaffene Wittfrau weiß , drüben im Gäu , mit einem Gut so groß wie das meinige und die Aecker noch viel besser , und sie hat nur ein einziges Kind und das hat sein abgetheiltes Vermögen . Du spannst unsre beiden Fuchsen an's Bernerwägele und fahrst mit dem Spitzgäbele nüber und besiehst dir die Gelegenheit . « » Aber Vater , warum soll ich denn aus dem Haus ? Wer kriegt denn unser Gut ? « » Der dem ich's geb' . Das Sach' ist mein . « » Wer ist denn der älteste ? « » Still sag' ich , du hast nichts zu fragen . Ich kann nicht nur Mulle , ich kann auch Kuz sagen Mulle ist ein Ausdruck beim Schmeicheln , Kuz beim Verscheuchen einer Katze . . Nein , horch , bleib' ein bisle stehen und laß mich ausschnaufen . Guck Alban , ich hab' viel auf dich gewendet , du bist ein Kerle , der sich sehen lassen kann , du bist mein Augapfel gewesen ... Ich brauch' dich beim Teufel nicht fragen , du mußt thun was Ich will ... Nein , horch , der Vinzenz ist freilich der jüngere , aber guck , da , da , du hast deine zwei Augen ... Du Heidenbub , guck mich nicht so an , du mußt thun was Ich will . Red' mir kein Wort . Still sag ich . Du bist jetzt freilich der Aelteste , aber das Gut ist jetzt auch frei , ich kann mit thun was ich mag . Ich kann 's verlumpen . Alban , sei gescheit und folg' mir ohne Widerred' . Mit Einem Wort . Der Vinzenz kriegt den Hof . Punktum . Alban , jetzt folg' mir , ich will dich nicht verkürzen , er muß dir ' rausbezahlen , daß du dir einen Hof frei machen kannst . Sei brav und folg' mir , das Kind muß dem Vater gehorchen , so steht's geschrieben und so ist's von je gehalten worden . Alban , folg' mir oder ich renn' dir ein Messer in Leib und wenn ich selber darüber zu Grund geh . Da , gieb mir die Hand , die Hand her ! Du fahrst mit dem Spitzgäbele ' nüber und machst , daß du den Hof kriegst . Mach mir keine Sprüng' ! Du kennst mich noch nicht . Ich rück' die paar Jahr an dich , die ich noch zu leben hab' , aber komm , du folgst mir . Punktum . « Alban hatte die Hand dargereicht , sein Vater hielt sie fest umklammert wie eine Zange , sei es daß er der Betheuerung Nachdruck geben oder seine Kraft noch beweisen wollte . Der Vater sah schauerlich aus . Seine Lippen zogen sich völlig einwärts und seine Augen quollen weit heraus . Alban sah ihn so mitleidig und unterwürfig an , daß der Vater jetzt mit dem Kopf schüttelte und die Augen niederschlug . Alban war in diesem Augenblicke so von Kindesliebe und gewohntem Gehorsam überwältigt , daß er trotz des Sturmes , der in ihm waltete , dem Vater noch aufrichtig versprach , willfährig zu sein . Er hatte ihm Anfangs nur zum Schein und um ihn zu begütigen , gehorchen wollen , jetzt war es sein aufrichtiger Wille . Schweigend gingen Vater und Sohn bis zu dem Hof , der Alte hatte auf Einmal einen raschen festen Tritt . Alban hatte etwas von der Mutter geerbt im stillen Bewältigen störender Gedanken , er ließ es nicht in sich aufkommen , daß er ausgestoßen würde vom väterlichen Hause , so weit war es ja nicht ; er war nicht umsonst in der Welt gewesen , er wußte , daß man auch anderswo leben kann , und es war seine Pflicht , einen Versuch zu machen , dem Bruder , der einem so traurigen Geschick verfallen war , das Gut zu überlassen und so ihm zu helfen ; ja er dachte daran , daß der Schmalzgraf noch leben und ledig sein könnte und dann hätte er als jüngerer Bruder ja ohne Widerrede auf den Besitz des Hofes verzichten müssen . Als man in den Hof eintrat , stand Vinzenz an die Stallthüre gelehnt und pfiff lustig . Alban glaubte in seinem Gesichte eine Siegesmiene zu finden , ja er bemerkte , daß Vinzenz den Vater fragend ansah und dieser mit dem Kopfe nickte . So war also was jetzt geschehen sollte , längst beschlossen , der Vater hatte das dem Einäugigen versprochen , und während Alban emsig und friedfertig daheim war , war er schon längst ausgestoßen ? Grimmige Wuth erfüllte Alban , er wollte widerrufen , daß er dem Vater zulieb nur einen Schritt aus dem Haus thue . Schon zweimal hatte man ihn zum Essen gerufen , er stand wie festgewurzelt auf dem väterlichen Boden , den Blick zur Erde geheftet und die Fäuste geballt . Als endlich die Mutter kam und ihn lobte , daß er sich wieder als guter Sohn beweise , schaute er wie höhnisch auf , er verschloß aber seine Gedanken : man hatte ihn betrogen , er wollte Gleiches mit Gleichem vergelten ; er faßte den Vorsatz , dem Vater zum Scheine zu willfahren , er kannte die unerschütterliche Oberherrlichkeit seines Vaters und wollte ihn nun auch überlisten und auf seinem Rechte bestehen . Bei Tische war Alles wohlgemuth und noch während des Essens kam der Kornmesser Spitzgäbele . Er drängte zur Eile und Vinzenz half selbst die beiden Fuchsen einspannen und der Vater gab Alban noch seinen eigenen neuen Mantel mit und befahl ihm wiederholt , etwas draufgehen zu lassen und sich als Sohn des Furchenbauern zu zeigen . Nur die Mutter sagte noch leise zu Alban : » Vergieb dich nicht , du bist uns noch nicht unwerth und hast nichts zu eilen . In keinem Fall mach 's fest , eh' ich sie auch gesehen hab ' ; ich kenn ' die Familie wohl , aber das Weib kenne ich nicht . Fahr' auf dem Heimweg über Siebenhöfen und sieh was dein Bruderskind macht , kauf unterwegs was und bring 's ihm . « Lustig knallend fuhr Alban davon und der Furchenbauer , der ihm nachsah , sagte zu seiner Frau : » Wenn ich ein' einzige Tochter hätt' und wüßt einen Burschen wie den Alban , ich thät nicht ruhen , bis er mein Schwiegersohn wär ' . « Die Brautfahrt . Alban fuhr indeß mit dem Spitzgäbele , einem lustigen alten Männchen mit lauter Falten im Gesicht , ruhig die Pferde lenkend den abschüssigen Weg hinab , dabei hörte er die Lobeserhebungen des Kupplers über den Eichenhof . Und wie ist denn die Bäuerin ? « fragte Alban keck . Es ist schade , daß die Personalbeschreibung , die Spitzgäbele jetzt aushülste , nicht mitzutheilen ist ; er schilderte mit einem schmatzenden Behagen , daß ihm das Wasser davon im Munde zusammenlief . Alban lachte darob aus vollem Halse und that überaus lustig , und als er nach der Gemüthsart der Bäuerin fragte , gab Spitzgäbele seinen Bescheid wieder mit einem so saftigen Scherze , daß Alban abermals laut auflachte . Vor einer geschmückten Frauengestalt , die am Wege ging , standen die Pferde plötzlich still , Alban wollte schon mit der Peitsche ausholen , da rief Spitzgäbele : » Halt ! « und zu der abgekehrten Frauengestalt gewendet : » Mädle wohin ? « » Gen Reichenbach , Gevatter stehen . « » Willst mitfahren ? « » Dank ' schön . « » Komm nur 'rauf . Halt doch Alban . Mädle , du kannst auf meinen Schooß sitzen . « Das Mädchen war Niemand anders als Vreni , sie stieg nach wiederholter Ermahnung , wobei Alban beharrlich schwieg , auf und setzte sich auf den Habersack hinter dem Sitz , wobei Spitzgäbele Mancherlei zu rühmen hatte . Alban fuhr wildrasend dahin , er fuhr zur Freiet und hinter ihm saß Vreni . Er fuhr doppelt rasch , damit Spitzgäbele nicht mit seinen Scherzen fortfahren konnte . Vor Reichenbach bat Vreni , daß er anhalte , und behend war sie vom Wagen gesprungen . Jetzt erst sprach Alban das erste Wort mit ihr indem er sie fragte : » Bei wem stehst Gevatter ? « » Bei meiner Schwester . « » Mit wem ? « » Mit meinem Vater . Mein Schwager hat Niemand anders finden können , es ist das siebente Kind . « » Da , bring' das als Gevatterschenk von mir , « sagte Alban , langte in die Tasche und holte ein groß Stück Geld . Vreni wollte es nicht annehmen , Alban aber warf es hin , daß es zu Boden fiel und fuhr rasch davon . Spitzgäbele konnte sich nicht enthalten zu fragen : » Ich hab' gemeint , du kennst das Mädle gar nicht . Wem gehört's denn ? « » Es ist des Nagelschmieds Tochter , ihr Vater taglöhnert bei uns und ihr Bruder ist unser Kühbub , « sagte Alban und es war ihm als brennten ihm die Lippen , da er diese Worte sprach . » So ? « spottete Spitzgäbele , » vielleicht gar ein heimlicher Schatz von dir ? Das hat gar nichts zu sagen . Die Bäuerin hat mir selber bestanden , sie sei gar nicht eifersüchtig , aber natürlich gescheit mußt sein . Das versteht sich . « Alban fuhr immer mehr seinem Ziele zu und bei jedem Schritte wäre er gern umgekehrt . Nur Einmal sagte er zu Spitzgäbele : » Ihr müsset mir vor meinem Vater bezeugen , daß nicht ich die Vreni auf den Wagen genommen hab' , aber Ihr . « Ich thät noch was Anderes auf mich nehmen . Ich weiß mehr als das von den Großbauern . Ich könnt' sieben Wochen lang davon erzählen . « Einstweilen begann Spitzgäbele allerlei lustige Geschichten zum Besten zu geben . Alban hörte ihn kaum , er rückte seinem Ziel immer näher und war in Gedanken doch nur in Reichenbach bei Vreni und ihrer Schwester ; er dachte darüber nach , ob sie wohl sein Gevatterschenk hergebe , gewiß , sie ist ja gescheit und wird sich mit den Ihrigen davon einen lustigen Tag machen . Tief in die Seele schnitt es ihm , wenn er darüber nachdachte , welch ein schreckliches Loos das sei , daß man nicht einmal mehr einen Gevatter für ein Kind finde und des Nagelschmieds stammten doch auch von reichen Hofbauern . Der genehme Schluß dieser Betrachtung aber war doch : darum muß man dafür sorgen , daß man nie in Armuth geräth . Im Dorfe vor dem Eichhofe , wo man mit einbrechender Nacht einkehrte , hörte Alban aus dem dunkeln Stall heraus einen Knecht zu einem andern sagen : » Das ist gewiß wieder ein Freier für die Eichbäuerin , ich bin froh , daß ich ein Knecht bin und mich nicht zu verkaufen brauch ' . « Der Spitzgäbele verstand den Alban gar nicht , als er jetzt am Ziel angelangt , wieder umkehren und gar nicht auf den Eichhof gehen wollte . Nur die Erwähnung des Vaters brachte Alban dahin , daß er sich endlich bewegen ließ , wenigstens auf den Eichhof zu gehen . Auf dem Wege bedauerte Spitzgäbele , daß es Nacht sei und Alban die schönen fetten Aecker nicht sehen könne ; das sei ein Boden , der gar keinen Dünger brauche . Der Weg war grundlos und eben das wurde als Zeugniß des fetten Bodens gedeutet . Alban schwieg , er fühlte sein Herz klopfen . Man näherte sich dem Hofe , da rief eine Stimme durch die Nacht : Vreni ! Vreni ! Gerade dieser Ruf erschütterte jetzt Alban , daß es ihm war , als müßte er in den Boden sinken . Eine Stimme antwortete auf den Ruf : » Ich komm' gleich . « Auch die Stimme war ähnlich . Als wäre er verzaubert , fast taumelnd trat Alban in den Hof und als er in die Stube trat fuhr er sich mit der Hand über die Stirn . Es war ja wieder als ob Vreni hier wäre , nur war diese hier wohlbeleibter und sah trotziger drein . Spitzgäbele machte die Vorstellung leicht und sprach , da noch mehr Leute da waren , von einem Roßhandel . Die Frau , die Vreni so ähnlich sah , hatte denselben Namen und war die Bäuerin . Alban ließ sich nicht lange zum Sitzen nöthigen , die Kniee brachen ihm fast . Er schaute sich in der Stube um , Alles war stattlich und anheimelnd und in ihm war es wie ein Ausspruch der Gewißheit , daß er hier sein Lebensziel gefunden habe . Sehr häufig machen die Menschen gerade die verzwicktesten Gesichter , wenn diese von einem betrachtenden Auge aufgenommen oder gar abgemalt werden sollen . Der Gedanke , das jetzt diese Formen selbständig und dauernd festgehalten werden , prägt eine Erschlaffung oder eine unnatürliche Spannung in ihnen aus . In ähnlicher Lage war jetzt Alban , er wußte nicht , sollte er unter dem Forscherblick der Bäuerin die Augen niederschlagen oder erheben . Zu großem Glück schmiegte sich ein großer schwarzer Schäferhund , der in der Stube war , an ihn , und Alban hatte nun Etwas , womit er sich beschäftigen , wobei er auf- und niederwärts blicken konnte . Die Bäuerin bemerkte nicht ungeschickt , daß Alban ein guter Mensch sein müsse , da der fremde Hund so zutraulich gegen ihn sei . Alban schwieg und dabei blieb er , selbst als die Dienstleute sich aus der Stube entfernt hatten und zuletzt auch Spitzgäbele wegging und ihn mit der Bäuerin allein ließ . Diese fragte ihn nun , ob er das Kind seines verstorbenen Bruders in Siebenhöfen besuchen werde und als Alban ohne einen weiteren Zusatz antwortete : » Ich hab 's im Sinn , « zeigte sich plötzlich eine seltsame Bewegung in der Bäuerin ; sie stand auf , setzte sich aber gleich wieder und fuhr fort , Kartoffeln zu schälen für die morgige Frühsuppe . Sie sprach noch Manches mit Alban , besonders über sein elterliches Haus und über seine Hieherreise und abermals – Alban wußte nicht warum – kam sie auf seinen Besuch bei seinem Bruderskinde zu sprechen . In allen ihren Reden offenbarte sich ein verständiges und gutes Herz , Alban war damit zufrieden , und heiterer als er sich's gedacht hatte , kehrte er mit Spitzgäbele wieder in das Wirthshaus zurück . Er durchforschte mit unbefangenem Blick die große Wirthsstube und saß noch lange bei dem Wirth , er sah sich schon im Geist an manchen Abenden vom Eichhofe hieherwandern , um wieder fremde Menschen zu sprechen und unter ihnen zu sein . Am Morgen war es Alban wieder etwas bange , er fühlte sich wieder wie in die Fremde verstoßen , er sollte sein Leben in ferner Einsamkeit verbringen ; hier kannte er Niemand und daheim hatte Jedes ein freundliches Wort für ihn . Spitzgäbele lachte ihn aus , da er offen klagte , er sei so voll Heimweh und banger Besorgniß , daß er weinen möchte wie ein Kind . Spitzgäbele erklärte dieß als das natürliche Beben vor einer großen Freude , und wußte das Glück Albans wieder so hoch zu preisen , daß dieser selber es nicht mehr verkennen konnte . Alban hatte aus Trotz gegen seinen Vater und eigentlich um ihn zu täuschen , sich zu dieser Brautfahrt entschlossen , und jetzt sah er sich davon gefesselt . Als er aber im hellen Morgen mit seinem Gefährten den nächtlich beschrittenen Weg dahinging , als die Lerchen so jubelnd sangen über den grünen Feldbreiten , die Spitzgäbele als sein künftiges Eigenthum pries , und besonders auf das Winterfeld zeigte , das so gut angeblümt war und hie und da schon buschig zu werden begann , da wurde es Alban fast bräutlich jubelvoll zu Muthe . Wenn die Eichbäuerin am Tag so schön war wie sie am Abend erschien , so konnte sich nicht leicht eine mit ihr vergleichen . Nochmals stellte sich des Nagelschmieds Vreni vor die Erinnerung Albans , aber er sagte sich , daß er sie nicht hätte heirathen können , auch wenn er Bauer auf dem Furchenhofe geworden wäre , der Vater hatte Recht ; und abermals lebte die Kindesliebe und der Gehorsam in Alban auf und er fühlte sich im Tiefsten erquickt im Gedenken an die Freude , die sein Vater an der Verlobung haben müsse , und es erschien wohlgethan , daß Vinzenz , der beschädigt genug war , den väterlichen Hof erhielt . Die Lerchen sangen nicht lustiger in der blauen Luft als die Freude über alle diese Gedanken im Herzen Albans jauchzte . Heiter glänzenden Antlitzes trat er in den Eichhof und aus dem Grunde seines Herzens sagte er mit heller Stimme der Bäuerin » Guten Morgen « und streckte ihr die Hand entgegen ; sie reichte ihm nur die Linke , sie trug ein wohl kaum zweijähriges Kind auf dem Arm , das sich vor den Männern erschreckt und schreiend umwandte und sein Gesicht am Halse der Mutter verbarg . Diese hieß die beiden Männer sich setzen und suchte das Kind zu beschwichtigen , Alban tief anschauend sagte sie zu dem Kinde : » Peterle , wenn du umguckst und eine Patschhand giebst , schenkt dir der Vetter da ein Gutle , das er dir mitbracht hat . « Alban schaute verdutzt drein , er hatte es ganz vergessen und es fiel ihm jetzt schwer auf 's Herz , daß er Vater eines fremden Kindes sein sollte ; er war jedoch willigen Herzens genug , um dem Kinde jede Liebe zu erweisen . Jetzt wurde ihm auf Einmal klar , warum die Bäuerin am Abend so oft von dem Kinde seines verstorbenen Bruders gesprochen hatte . Während er aber schweigend darüber nachsann , sah ihn die Bäuerin nochmals mit großen Augen an , dann verließ sie mit dem Kinde die Stube und ging in die Kammer . Nach einer Weile , in der man hörte , wie sie das Kind abküßte , rief sie Spitzgäbele zu sich und sagte ihm : Ich komm nimmer in die Stub' , ich will euch so Ade sagen . « » Warum ? Was ist ? « » Der junge Furchenbauer soll sich eine andere suchen . Ich hab' gemeint , er wird von seinem Bruderskind her wissen , was ein verlassenes Kind ist . Es ist nicht so . Sitzt er gestern den ganzen Abend da und fragt nicht nach meinem Kind , und heut' hat er ihm nicht für ein Kreuzers Werth mitgebracht . Eh ich so Einen nehm' , bleib' ich lieber allein . « Spitzgäbele bemühte sich mit allen möglichen Einreden , aber die Bäuerin blieb dabei : » Es kann brav sein , ich hab' nichts gegen ihn , aber wir passen nicht zu einander . « Zweimal mußte Spitzgäbele seine Worte wiederholen , als er bei Alban eintretend ihm sagte , er möchte mit fort gehen , die Sache sei aus . Wie taumelnd ging Alban davon , er hörte im Hofe Knechte und Mägde lachen – das konnte nur ihm gelten . Die Lerchen auf dem Wege sangen im gleichen Jubel , aber Alban hörte sie nicht , sein Athem ging rasch , er ballte die Fäuste und erhob kaum den Blick ; er schämte sich vor seinem Begleiter , der die Absageworte der Bäuerin wiederholte und dann gegen seine Gewohnheit schweigsam neben ihm ging . Ohne nochmals in die Wirthsstube einzutreten , spannte Alban an , aber er mußte innerlich fluchend mit dem Leitseil in der Hand lange auf Spitzgäbele warten . Man war nüchtern nach dem Eichhofe gegangen , man wollte bei der Braut sich gütlich thun ; Spitzgäbele brachte sein verspätetes Frühstück auf fremde Kosten sattsam ein . Mitten im Zorn und Ingrimm spürte auch Alban einen Hunger , daß er meinte , er fresse ihm das Herz ab , aber in solchen Momenten tritt leicht zu dem vorhandenen Schmerz noch eine Selbstquälerei ; Alban freute sich fast an dem körperlichen Ermatten , das er fühlte , seine Wangen glühten und er träppelte hin und her wie die Fuchsen , die muthig scharrten . Endlich kam Spitzgäbele noch schmatzend , und wie aus dem Rohre geschossen flog der Wagen davon . Alban fuhr nicht , wie er sich Anfangs vorgenommen , über Siebenhöfen , um nach seinem Bruderskinde zu schauen , ja er war diesem fast böse , denn es war Schuld an seiner Schande ; er fuhr geradewegs wieder heimwärts . Im nächsten Dorf kehrte er ein und der Wein schien ihm sehr zu munden ; ja er wurde ganz lustig , und jetzt offenbarte sich eine eigenthümliche Folge seiner Abweisung . Vor Allem war er voll Zorn gegen seinen Vater . Er gedachte nicht mehr , wie er ihn hatte täuschen wollen , sondern nur wie er auf dem Morgengange nach dem Eichhofe ihm zulieb sich hatte in die Heirath fügen wollen , und laut auflachend kam ihm plötzlich ein guter Gedanke : er war nicht abgewiesen , er hatte das Nichtzustandekommen beabsichtigt und darum vorsätzlich gethan , als ob gar kein Kind da wäre ; der Furchenhof gehöre ihm , er sei der älteste , er lasse sich nicht davon vertreiben . Als er das gegen Spitzgäbele herauspolterte und dieser sein Gesicht in noch mehr Falten zog , wurde Alban plötzlich gewahr , daß er sich verrathen und seine besten Handhaben abgebrochen habe ; es war ja viel besser , wenn er sich als gehorsamen Sohn , der tief gekränkt war , hinstellte . Er suchte daher einzulenken , aber Spitzgäbele hielt ihn fest und Alban mußte sich alle Mühe geben , Etwas zu zerstören , was im Voraus unwahr gewesen und er nur im tollen Uebermuth ausgeheckt hatte . Er mußte dem Spitzgäbele , der ihm ein Abscheu war , alle guten Worte geben und jetzt selber wieder darauf drängen und hoch und heilig betheuern , wie sehr er durch die Abweisung beschimpft und verunehrt sei . Zuletzt mußte er sogar noch bekennen , daß ihm Recht geschehe , daß die Eichbäuerin eine rechtschaffene Frau und Mutter sei , er aber sich hartherzig und unklug benommen habe und alle Schuld , die auch Spitzgäbele hatte , weil er ihn nicht daran erinnerte , nahm er gern auf sich . Er schenkte von dem mitgenommenen Gelde ein Namhaftes dem Spitzgäbele , nur um ihn ganz für sich zu gewinnen . Lautlos dahinfahrend dachte Alban nur immer an seine Beschimpfung , und wenn auch in seinem jetzigen Zustande nur halb , erkannte er doch in gewisser Weise eine Entweihung , die mit ihm vorgegangen war : er hatte sein ganzes jugendliches Leben hingegeben und war damit zurückgewiesen . Er , der Alban , der jedem Menschen frei in's Gesicht sah , mußte fortan vor manchem Worte den Blick zur Erde schlagen . Es half nichts , daß Spitzgäbele oft wiederholte : » Ein junger Bursch macht sich aus so was nichts , er setzt den Hut auf die linke Seite und freit um eine Andere , Schönere . « Alban wurde seine schmerzlichen Gedanken nicht los . In Reichenbach stieg Spitzgäbele ab und wanderte über die Berge zu Fuß nach der Stadt . Alban kam unerwartet früh nach Hause und begegnete überall fragenden Blicken . » Wie ist dir's gangen ? « fragte die Mutter noch vor dem Absteigen und Alban erwiderte trotzig : » Wie unserm Fuchsen auf dem Wellendinger Markt . « » Was hast ? Was redest ? « » Deutsch . Man verkauft nicht jedes Stückle Vieh , das man zu Markt bringt . « Er blieb im Stall bei Dominik , bis die Mutter ihn holte , gegen die er kurz den Schwur aussprach , nie mehr eine solche Fahrt zu machen ; er habe als gehorsamer Sohn gehandelt und jetzt sei 's genug . Der Vater redete gar nichts mit ihm von der Sache . Er fragte nur , wo der Spitzgäbele abgestiegen sei , denn von diesem wollte er sich den ordnungsmäßigen Bescheid holen ; eine mit Betheuerungen und allerlei Zubehör untermischte Auskunft war nicht nach seinem Geschmack . Er blieb beim Ordnungsmäßigen . Nachrede und Lärm in der Welt . Ein von der Reise Ankommender ist so zu sagen körperlich und geistig eine Zeitlang ungelenk in der Mitte derer , die in der Gewohnheit des häuslichen Lebens verharrten , und der Angekommene kann noch geraume Zeit eine gewisse Unruhe nicht los werden . Dies war nun heute bei Alban doppelt der Fall . Er kam mitten im Tage und wußte nichts mehr anzufangen ; dazu der Aerger über seine Schmach und die Ungewohnheit seiner heutigen Lebensweise . Nachdem er das Schelten der Mutter gehört , weil er nicht über Siebenhöfen gefahren war , ging er fast unwillkürlich nach dem Hellberg zu Vreni . Er war kaum auf dem Hellberg angekommen und hatte Vreni noch nicht gesehen , die von dem Montagsrechte Gebrauch machend , im Walde war , um Holz zu holen : als Dominik ankam und ihm im Namen des Vaters den Befehl brachte , nach Hause zurückzukehren . Alban willfahrte nur langsam und als er heimkam , that sein Vater als ob er gar nicht da wäre ; erst durch die Mutter erfuhr er , daß sie es gewesen , die nach ihm geschickt hatte , weil sie das Zornesmurmeln des Vaters verstanden hatte und ihm zuvorkommen wollte , daß sie aber Dominik verboten hatte , Alban dies zu sagen . Dieser sah in dem ganzen Vorgang nur das Eine , daß die einzigen Menschen , die er sich treu und anhänglich glaubte , die Mutter und Dominik , auch hinterhältig gegen ihn waren und sich vor den Gewaltthätigkeiten des Vaters fürchteten . Er ging im Hofe hin und her als müsse er irgendwo räuberisch einbrechen und den schlummernden Streit freiwillig wecken ; er blieb aber doch nicht lang in dieser Stimmung , und sei es im Angedenken an die heute erlebte Schmach , sei es aus Verlangen , doch vielleicht noch Alles gütlich auszugleichen , oder aus altgewohnter Arbeitslust – im Hof stand ein leerer Wagen , auf dem Kornspeicher hörte man schaufeln ; Alban erinnerte sich , daß morgen ein außergewöhnlicher Kornmarkt in der Stadt sei , er ging auch auf den Speicher und sah den Vinzenz mit Beihülfe zweier Knechte große Säcke füllen . Der Vater stand daneben und ohne nach Alban umzuschauen , spöttelte er , daß man dieses Jahr sein gutes Korn nicht für halben Preis an die Taglöhner als Vorschuß verschleudere , jetzt brauche man dem Lumpenpack nicht mehr schön zu thun , jetzt müsse es wieder unterducken ; aber sein Lebenlang werde er es nicht vergessen , daß er mehrere Hundert Gulden durch Verschleuderung seines Korns zum Fenster hinausgeworfen habe . Alban merkte wohl , daß diese Worte nach ihm zielten , aber er schwieg , theils aus Gehorsam , theils aber auch , weil er schon bedachte , daß er unnöthigen Widerspruch vermeiden und um so fester auf dem einen beharren müsse . Als indeß einer der mitbeschäftigten Taglöhner sagte : » Es war doch eine lustige Zeit , alle Menschen waren Brüder , wie wir das Korn da eingethan haben , « da konnte Alban nicht umhin , mit rothglühendem Antlitz hinzu zu setzen : » Und jetzt sind 's doch wieder Sklaven , die das Brod von dem ferndigen ( vorjährigen ) Korn essen . « Dabei ließ er sich nicht aufhelfen , sondern schwang mit leichter Mühe einen Malter Spelz auf die Schulter , trug ihn die knarrende Stiege hinab und lud ihn auf den Wagen . Der Vater preßte die Lippen zusammen und schaute ihm mit weit aufgerissenen Augen nach . Noch neben dem geladenen Wagen schaute er Alban mehrmals von Kopf bis zu Fuß an , er öffnete mehrmals den Mund als wollte er etwas sagen , aber er schwieg . Das galt doch noch mehr als die heftigsten Worte . Noch in der Nacht fuhr Dominik mit dem Fruchtwagen nach der Stadt . Am Morgen fuhr der Vater mit Vinzenz auf den Kornmarkt und Alban ackerte wieder auf dem Neubruch am Kugelberger Feld . Es war ein regnerischer Frühlingstag , die Luft war knospenfrisch , der freie Athem und die Arbeit waren doppelt erquickend nach einem verstürmten Tage . Ein Hagelschauer kam wie im Zorn dahergestürmt , aber der Hagel zerging rasch wieder in den offenen Schollen und auf den grünenden Wiesen , und nur seine Tropfen säuselten noch im nahen Walde , sonst vernahm man nichts als bisweilen den verstohlenen Pfiff eines Vogels aus dem Nest oder das Krächzen eines Raben , der seinen Gefährten anrief , trotz des Wetters mit ihm in's Weite zu ziehen . Alban zählte die Stunden ab , wann der Vater in der Stadt sein und wann Spitzgäbele ihm den gestrigen Vorgang erzählen könne ; er war voll Unruhe , denn auf den Schelm war doch kein Verlaß , heute zum Erstenmal wurde seine Schande ruchbar und Vinzenz war dabei . Im Angesicht Albans prägte sich die giftige Schadenfreude aus , die er sich in Vinzenz dachte , und jetzt fühlte es Alban wie einen Stich mitten durch 's Herz , denn zum Erstenmal lebte ganz deutlich der Haß gegen den Bruder in ihm auf . Die Thiere waren heute gar nicht zu bändigen , es gelang dem Treibbuben schwer , sie in der Linie zu halten , Alban wollte sich nicht bekennen , daß er sie mit in seine Unruhe hineingerissen und er fuhr nun auf dem weiten Felde mit ihnen kreuz und quer , er wollte sie ermüden um sie dann besser in der Gewalt zu haben , seine beiden Hände hielten die Pfluggabel fest und oft war es ihm , als rissen die Thiere ihm die Arme vom Leibe . Von Schweiß und Regen dampfend ging er hinter den Thieren drein , die auch wie in einer Wolke dahinschritten , aber er war stark genug und setzte sich immer mehr darauf , ihrer Meister zu wer den . Dennoch mußte er ausspannen , bevor es Mittag war . Im nahen Walde unter einer breitästigen Kiefer ruhte er mit dem Treibbuben aus und war so müde , daß er gar nichts denken konnte , bis der Kühbub ihm das Mittagessen brachte . Lächelnd schaute er ihn an , denn er wollte ihm » Schwager « zurufen , aber er sagte ihm nur , daß er ihn bei sich behalte , damit er die zuchtlosen Thiere lenken helfe . Während er hier im Walde unter säuselndem Regen sein gewohntes Mittagsmahl verzehrte , dachte er nach der Stadt , wo jetzt der Vater und Vinzenz in der Rose beim schäumenden Bier sich auftischen ließen und wie da hin und her die Rede schoß und er war hier im Walde bei dem Treibbuben . Alban wollte sich hineindenken , was man von ihm rede und wie Alles herginge , er errieth wohl Manches , aber doch nicht das Ganze . Der Vater war am Morgen mit Vinzenz ausgefahren und dieser triumphirte innerlich über den zurückgesetzten Bruder , er sprach aber seine Siegesfreude nur dadurch aus , daß er lustig mit der Peitsche knallte und den Kragen des Mantels , den er über hatte , oftmals zurückwarf . Als man im Thal dahinfuhr , wo man oben in einer Baumwiese des Nagelschmieds Behausung zum Hellberge sah , sagte er , indem er eine neue Schmitze mit den Zähnen aufknüpfte : » Er ist gestern noch da oben gewesen . « » Wer ? « fragte der Vater . » Ha der Alban , die Mutter hat ihm aber gleich nachgeschickt und ihn holen lassen , damit Ihr 's nicht erfahret . « Der Vater schaute nur kurz nach seinem Sohne um , aber sein Blick fiel gerade auf das gespenstisch leere Auge , er hielt sich die Hand vor seine beiden Augen und erwiderte nichts . Man fuhr durch Reichenbach . Am Hause des Schultheißen stand dessen älteste Tochter und hielt einen grauen Mantel auf dem Arm , sie rief Vinzenz , er möge anhalten und übergab ihm den Mantel , den der Vater vergessen hatte und den er in der Stadt abliefern solle . » Ich nähm' dich auch noch mit , « scherzte Vinzenz . » Ich wills gut behalten für ein Andermal . Schön Dank , « sagte das Mädchen lachend und stolz fuhr Vinzenz davon . Als es bergan ging sagte der Vater : » Das ist ein saubers Mädle , « und schnell fügte Vinzenz hinzu : » Und Ihr müsset selber sagen , eine rechtschaffenere Familie als des Schultheißen giebt es nicht . « » Ho ho , es giebt noch mehr . « » Freilich , freilich , aber das wär' eine Söhnerin , die den Schwiegereltern die Händ ' unter die Füße legen thät . « » Hast denn schon was angezettelt und bist denn schon so weit ? « Nein , nein , Ihr wisset , ich thu nichts als was Ihr wollet , aber so viel weiß ich schon , daß des Schultheißen Tochter mich nimmt ; sie muß freilich auch ein Aug ' zudrücken , daß sie nicht mehr hat wie ich , « sagte Vinzenz und schaute dem Vater starr in's Gesicht , » aber wie gesagt , ich thu keinen Schritt als was Ihr wollet , aber schön wär's , wenn man heut' die Sach noch in's Reine brächt' , auf dem Markt wär 's grad geschickt – « » Du hast schon noch Zeit « , erwiderte der Vater und mit unterwürfigem Ton fuhr Vinzenz fort : » Wie gesagt , wie Ihr wollet , ich wünsch' Euch noch ein langs Leben und wenn ich hundert Jahr alt werde , will ich 's immer Kindeskindern sagen , was Ihr für ein Mann gewesen seid und wie Ihr Alles so zusammengehalten habt und kein Hängenlassen duldet – « » Brauch ' dein Lob nicht , « unterbrach ihn der Vater . » Wie kommst du dazu mich zu loben ? Wenn ich mich unterstanden hätt' so was zu meinem Vater zu sagen , er hätt' mir die Zähn' in den Rachen geschlagen . « » Ja , Ihr habt's beim Vetter Dekan auch anders vor Euch gesehen ; ich muß mir 's vorsagen , was Ihr für ein Mann seid , damit ich nicht auch lern ' ... Ich will aber lieber nichts sagen . « » Was ? Was ? Was sollst lernen ? Gleich sag's . Was ? « » Ich sag 's nicht gern , aber jeder Knecht und jeder Taglöhner giebt dem Alban Recht , wenn er sich berühmt , er habe den Hof erst zu Etwas gemacht und das soll erst noch einmal ganz anders werden , wenn er ihn erst ganz in der Hand hat ... wenn mein Alter , wie er nie anders sagt – « Still , kein Wort mehr , « rief der Vater zornig , » sag ' kein Wort mehr gegen deinen leiblichen Bruder , du machst's grad verkehrt damit ; sag' kein Wort mehr oder du wirst sehen – « » Mit Einem Aug , wenn Ihr mir nicht das auch noch ausschlaget , « erwiderte Vinzenz wieder und der Vater begann nach einer Weile in ruhigem Ton : » Guck , Vinzenz , ich halt' dir mein Wort . « » Aber Ihr fürchtet Euch doch vor dem Alban , das in's Reine zu bringen ? « » Nein , das nicht , aber es soll nicht heißen und soll auch nicht sein , daß du mich gegen deinen Bruder verhetzest . Was ich thu , das thu ich weil ich mein eigener Herr bin und weiß was ich thu und der Alban ist mein Kind so gut wie du , und er hat sein Lebenlang noch kein böses Wort auf dich zu mir gesagt und auf mich zu Anderen gewiß auch nicht , ich glaub 's nicht ; ich weiß , die Leute sind schmeichlerisch und verdrehen Einem das Wort auf der Zunge . Mein Alban ist ein folgsames , ehrerbietiges Kind . « » Ich kann Euch alle Dienstleute bis auf den Dominik und seinen Schwiegervater den Nagelschmied zu Zeugen stellen , wenn Ihr mir nicht glauben wollt . « » Ich will nichts davon . Das wär' mir schön , die Dienstleute abzuhören . Red' jetzt nichts mehr . Ich will gar nichts wissen ! « Vinzenz fuhr schweigend dahin . Er setzte sich 's als eine kluge Regel vor , nichts mehr gegen Alban zu sagen , aber darum nicht minder auf baldige Erledigung der schwebenden Sache hinzuarbeiten . – Die armen Kleinbauern und Häusler , die heute zu Markte gingen und ihre zusammengeschnurrten Kornsäcke bald wie einen Zopf gedreht am Stocke auf der Achsel , oder wie eine Schärpe um Schulter und Hüfte gebunden trugen , grüßten heute den Furchenbauer nur halb und lächelten . Was geht denn vor in der Welt ? .. . Das sollte sich bald zeigen . Auf dem Kornmarkt war heute eine seltsame Bewegung . Mitten unter dem aufgewirbelten Staub , unter Feilschen um den Preis und Abmessen des Korns , sprach man von nichts als von der Revolution im Nachbarlande und es hieß , daß es auch hier bald losgehe . Der alte Furchenbauer stand ruhig an die aufgestellten Säcke gelehnt , auf denen mit großen Buchstaben : Christoph Feilenhauer und die Jahreszahl 1849 geschrieben stand . Er mußte oftmals die Frage beantworten , ob es wahr sei , daß sein Alban unter die Freischärler gegangen . Niemand konnte sagen , woher das Gerücht entstanden war , und doch war es da . Unter solchen Umständen war es natürlich , daß es nach dem hiesigen Landesausdrucke » abgehrte « d.h. daß die Fruchtpreise fielen , und selbst zu niedrigen Preisen konnte man nicht verkaufen . Der Furchenbauer , der sonst das Unverkaufte in der Stadt lagern ließ , befahl jetzt , daß Alles wieder aufgeladen und heimgeführt werde ; er traute der Sicherheit in der Stadt nicht . Spitzgäbele war heute früher als sonst in der Rose ; und während um ihn her Alles im wilden Gespräche über die Zustände des Nachbarlandes und des eigenen schrie und zankte , ließ sich der Furchenbauer vom Spitzgäbele das Nähere von der Brautfahrt erzählen . Den Vinzenz hatte er beim Aufladen des Korns gelassen , er sollte dort helfen und auch nicht hören , was hier vorging . Spitzgäbele glaubte dem Gerücht , daß Alban unter die Freischärler gegangen sey , trotz der heftigsten Gegenbetheuerungen des Furchenbauern ; er bewunderte wiederholt die unerschütterliche Ruhe dieses Mannes , er glaubte nicht anders , als der Furchenbauer wünsche noch einen weitern Zornesgrund gegen seinen Sohn und theils um ihm diesen zu gewähren , theils auch um sich selber im Glanz zu erweisen , erzählte er nun , wie Alban Alles verkehrt gethan und sich zuletzt noch berühmte , er habe die Brautfahrt nur gemacht , um seinen Vater zu betrügen . Der Furchenbauer verzog bei diesen Mittheilungen keine Miene , ja er hob das Glas auf , um zu trinken , aber kaum brachte er es an die Lippen , als er es wieder absetzte , es däuchte ihm Alles wie Galle . Der Lärm in der Stadt war heute dem Furchenbauer zu toll . Auf den Nachmittag hieß es , kämen hunderte mit Doppelbüchsen bewaffnete Holzhauer von Wellendingen herüber , wo sie sich beim Apostel unter Anführung des Lenz von Röthhausen sammelten , eine Volksversammlung sei in der Stadt angesagt und jetzt müsse Alles mitthun . Theils um diesen Fährlichkeiten zu entgehen und in solchen Verhältnissen auf seinem Hofe zu sein , theils aber auch aus einer gewissen Bangigkeit um Alban , eilte der Furchenbauer mit Vinzenz vor der Zeit heimwärts . In jedem Dorf , durch das sie fuhren , hieß es , daß sie nicht weiter können , im nächsten Dorf seien Freischärler und raubten Alles und hätten es besonders auf die Pferde abgesehen . Man wollte ganz genauen Bericht haben , und obgleich es sich in jedem Dorfe als unrichtig erwies , glaubte man doch seltsamerweise daran und je weiter man kam , desto tiefer schob sich immer Alles zurück . Eine wunderliche Gespensterfurcht hatte sich der Menschen am hellen Tag bemächtigt . Der Aufstand , durch den der letzte Versuch gemacht werden sollte , die Freiheit zu erobern , erschien zuerst als Gefährdung von Gut und Blut . Der Furchenbauer hatte den Dominik mit dem Fruchtwagen bald eingeholt , und so sehr war er von der allgemeinen Bangigkeit befangen , daß er fürchtete , die Freischärler hätten es auf seinen Fruchtwagen abgesehen . Er befahl daher dem Dominik , langsam weiter zu fahren , bis er Gegenbefehl erhalte . Der Tag hatte sich aufgeklärt , der ganze Himmel war mit rothen Wolken überzogen , als der Furchenbauer mit Vinzenz von der Straße ab in seinen eigenen Weg einlenkte . » Gottlob , da ist der Alban , « rief Vinzenz und der Vater schaute dem neben ihm Sitzenden , der doch seinen Bruder lieben mußte , freudig in's Gesicht . Als aber Vinzenz mit der Miene klugen Einverständnisses hinzusetzte : » Seid nur jetzt auch gut gegen ihn , nur jetzt keine Händel , er ist unser Schutz , « da knirschte der Vater die Zähne zusammen , gerade weil Vinzenz Etwas von seinen Gedanken errathen hatte , und hastig stieß er die Worte hervor : » Ich brauch' Niemand , ihn nicht und dich nicht ; ihr könnet alle Beide zum Teufel gehen , « und gleichsam als Zeichen , daß er selber noch am Platze sei , riß er dem Vinzenz Peitsche und Leitseil aus der Hand und hieb zornig auf die Pferde ein . Dennoch konnte er sich nicht leugnen , daß er eine gewisse Freude hatte , seinen Alban dort zu sehen ; er hatte zuletzt fast selbst an das Gerücht geglaubt und er beklagte schon leise den verloren geglaubten Sohn ; er merkte doch jetzt , wie lieb er eigentlich den Alban hatte , er war stolz und unbeugsam wie er selbst , nur anders , etwas vornehmer , und ein Vater liebt in seinen Kindern selbst seine Fehler , zumal wenn sie zugleich auch als Tugenden oder mindestens als Kraft erscheinen . Der Furchenbauer sagte sich , daß er eigentlich keinen Schutz von seinem Sohn wolle , aber es war ihm doch lieb , ihn in der Unruhe bei sich zu haben , wie man bei einem drohenden Gewitter gern alle Angehörigen wach und um sich versammelt hat . Der Sturm bricht los . Alban mußte gehört haben , daß sich das Gefährte nahe und der Furchenbauer hob mehrmals die Peitsche hoch , um ihm zu winken , ja er knallte ; aber Alban schaute nicht um und in dem Vater stieg plötzlich wieder der ganze Zorn auf , daß dieser Sohn , wie Spitzgäbele erzählte , ihn verhöhnt und verspottet habe und hinterrücks sein Possenspiel mit ihm trieb . Darum faßte er jetzt den Vorsatz , mitten in aller Unruhe , während jetzt die ganze Welt aus Rand und Band ging , in seinem Hause den Meister zu zeigen . Wie er jetzt die Zügel fest anhielt und auf die Pferde loshieb , so mußte es auch im Hause sein : die Zügel fest in der Hand und dann drauf losgehauen , bäumt euch , schnaubt und schlagt aus wie ihr wollt , ihr seid festgebunden . Alban hatte den Pflug draußen im Feld inmitten der Furche liegen lassen , um ihn morgenden Tages wieder aufzunehmen ; wohlgemuth das Schleswig-Holstein-Lied pfeifend , war er mit den ledigen Thieren zurückgekehrt , als er plötzlich mitten im Pfeifen abbrach , er sah von fern den Vater mit Vinzenz daherkommen ; sie fuhren müßig in der Welt umher und thaten sich gütlich , sie waren die Herren , während er daheim sich als Knecht abarbeiten mußte . War er der Knecht und nicht der Erste im Erbgang ? War er nicht der künftige Hofbauer und hatte er nicht aus übermäßiger Nachgiebigkeit sich dem Schimpf blosgestellt , von der Eichbäuerin abgewiesen zu werden ? Nicht eine Handbreit von seinem Recht wollte er künftighin preisgeben , und jetzt da der Vater ihm nahe war , drückte er die Thiere an den Zaun und stellte sich neben sie , damit das Gefährte bequem vorbei könne . Er rief den Ankommenden keinen Gruß zu und als der Vater neben ihm war , knallte er mit der Peitsche hart an seinem Ohr und höhnte dabei : » Das ist ein Gruß von Spitzgäbele . « Alban hatte nicht Zeit auf diesen Zuruf etwas zu erwidern , denn im raschen Trab fuhr jetzt auf der Hochebene das Gefährte dahin und langsam vor sich hin knirschend trieb Alban die Thiere in den Hof . Beim Abendessen that er , als ob nichts vorgefallen wäre , nach demselben aber blieb er in der Stube und harrte eine Weile , daß der Vater zu reden anfangen werde . Als dies aber nicht geschah , fragte er geradezu : » Was hat denn der Lump , der Spitzgäbele , von mir gesagt ? « » Weil du ihn so heißst , ist Alles wahr , « entgegnete der Vater und erzählte nun mit beißendem Spott und mit einer Zuthat des Ingrimms , wie sehr ihn Alban verhöhnt habe und wie er überhaupt hinterrücks sich als Bauer geberde und alle Maßnahmen des Vaters verhöhne . Vinzenz , der dabei in der Stube war und seine Saat aufgehen sah , setzte sich auf die Ofenbank und spielte mit seinem Lieblingshund , dem Greif , den er sich angeschafft hatte und der fast ausschließlich nur ihm gehorchte . Der Vater hatte heute wieder seine » Flözerstimme « wie sie die Mutter bei sich nannte . Sie wußte zwar schon längst , daß er jedesmal wenn er vom Kornmarkt heimkam , lauter sprach ; er behielt den Ton noch bei , den er dort unter dem Lärm gebrauchte , aber heute war 's doch übermäßig . Sie winkte ihm mit den Augen , ja sie erhob beide Hände flach in der Luft zu begütigenden Zeichen , aber es half nichts . Der Vater erklärte weiter , daß Alban ganz anders werden müsse , ganz anders , wenn Friede im Hause sein solle . Als Alban hierauf entgegnete , daß er nicht wisse , worin er sich ändern solle , er sei gehorsam , fleißig und ehrerbietig , wie Viele Seinesgleichen jetzt nicht wären , da schlug der Vater auf den Tisch und schrie zornig : » Was Deinesgleichen ? Was weißt du wer du bist ? Mein Knecht bist du wenn ich will , und ich will's . Ja , es bleibt dabei , du suchst dir einen andern Hof , denn den kriegt der Vinzenz . Still sag ich ! Was Deinesgleichen ? Meinst du , weil andere Väter jetzt sich von ihren Buben über 's Ohr hauen lassen , meinst ich leid 's auch ? Ich bin Herr und Meister , und mit dir mach' ich was ich will und mit meinem Hof mach' ich was ich will . « » Das könnet Ihr nicht , « rief Alban fest auftretend , » der Hof gehört im Erbgang mir , es wird sich zeigen , ob Ihr mir ihn nehmen könnt ! « » Was wird sich zeigen ? Ich bin noch über dich ' naus studirt . Du meinst weil du herrelen – den vornehmen Mann spielen – kannst , du seist was ? Nichts bist . Ja , reib' nur deinen Bocksbart . Wenn du nicht augenblicklich mich um Verzeihung bittest und mir versprichst , mir in Allem zu folgen , ohne Widerrede , da kannst mein ' Hand auch noch in deinem Gesicht spüren . « Die Mutter und Ameile suchten den heftig Erregten zu beruhigen , auch Vinzenz trat auf den Vater zu und sagte : » Ich bitt' Euch , haltet nur jetzt Friede . Wir werden uns als Brüder vergleichen . « » Du willst mir auch dreinreden ? Wer bist denn du ? Naus sag ich , oder ihr habt die Wahl , ob ihr zu der Thür oder zum Fenster ' nauswollet ; ' naus alle Beide , ihr dürfet mir nicht mehr vor die Augen bis ich euch ruf ' . « Er riß die Thüre auf und schob zuerst Vinzenz hinaus , der nur geringen Widerstand leistete , als er aber auch Alban anfassen wollte , streifte dieser die Hand rasch ab und sagte in scharfem , bestimmtem Tone : » Vater , rühret mich nicht an . Ich geh allein , ich geh von selber , und da schwör' ich 's : nie , nie mehr komm' ich daher vor Eure Augen , wenn Ihr mich nicht selber darum bittet . « Er nahm seinen breitkrämpigen grauen Hut vom Ofenstängele und ging hinaus . Drin in der Stube hörte man noch Schelten zwischen Mann und Frau und dann lautes Weinen , das erst aufhörte , als die Thüre zugeschlagen und dann noch einmal mit dem Fuß darauf getreten wurde . Am Röhrbrunnen stand Alban mit seinem Bruder und dieser sagte : » Alban , ich bin oft neidisch auf dich gewesen , aber jetzt mein' ich 's gut . Du wirst sehen , ich werd' dir Alles geben , was recht ist . « » Ich brauch' nichts von dir , du eher von mir . « » Sei jetzt nicht bös , ich kann nichts dafür . Sieh da , sieh her , siehst das da ? « » Ja , dein blindes Aug ' . « » Und weißt wovon das ist ? « » Wie du vom Wagen gefallen bist . Was geht mich das jetzt an ? « » Es geht dich an . Zum Erstenmal in meinem Leben sag ich das , ich hab 's noch nie über meinen Mund bracht , aber jetzt , jetzt muß es 'raus . Ich bin nicht vom Wagen gefallen . Der Vater hat mir im Zorn das Aug ' ausgeschlagen . « Alban faßte zitternd die beiden Hände seines Bruders . » Ja , « fuhr Vinzenz fort , » es weiß es sonst kein Mensch als er und ich , du bist der Erste , und ich hab ihm einen Eid geschworen , es Niemand zu sagen , aber ich muß ihn jetzt brechen . Und weil mir der Vater das than hat , hat er mir den Hof versprochen und das Abendmahl drauf genommen . « Alban stand still neben dem Bruder . Man hörte lange nichts als das Rauschen des Brunnens und ein sanftes Flüstern des Hollunderbaumes . Plötzlich raffte sich Alban zusammen , reichte dem Bruder die Hand und sagte : » Behüt ' dich Gott . Ich geh fort . « » Wohin ? « » Ich weiß selbst nicht . « » Bleib ' lieber da und geh nur nicht unter die Freischärler . Man sagt , sie sammeln sich jetzt im Thal , und in der Stadt hat 's auch geheißen , du seist schon dabei , und deßwegen ist der Vater auch so bös gewesen . « » So ? « rief Alban gedehnt , rückte den Hut fester in die Stirne und reckte sich mit allen Gliedern , » hauset mit einander wie ihr wollet . Trifft mich ein' Kugel , ist mir 's recht , und komm' ich wieder , wollen wir schon abrechnen . « Ohne nochmals die Hand zu reichen , rannte er zum Thor hinaus und den Berg hinab ; die Augen brannten ihm und es war ihm , als fühlte er an sich den gräßlichen Jähzorn des Vaters , der sein eigenes Kind fast geblendet . Als er auf der Landstraße war , überkam ihn auf Einmal mitten im Jammer ein frohes Gefühl , er war nun frei , frei von der ganzen Welt . Wie oft hatte ihm schon der Ruf nach Freiheit das Herz erfüllt , jetzt endlich konnte er ihm Folge leisten , er durfte für sich handeln und brauchte nicht zu fragen , ob dies der Vater genehm finde ; es war recht , daß er verstoßen war , er hatte zu lange sein eigenes Herz unterdrückt , jetzt war er frei . Er streckte die Arme empor und war bereit zu sterben , damit die ganze Welt frei und glücklich sei . Raschen Laufes schritt er dahin , nur Einmal stand er still , denn ihn hemmte der Gedanke , ob nicht Vinzenz in ausgefeimter Falschheit ihm diesen Weg gezeigt hatte und ihn scheinbar abhielt , um ihn so sicherer darauf zu lenken und seiner entledigt zu werden . Er konnte an solche Bosheit des Menschen nicht glauben . Und war es nicht sein Bruder ? Und zitterte nicht seine Stimme so kläglich , als er die grause That des Vaters erzählte ? Mit neuem Muth schritt Alban dahin . Da begegnete ihm ein Wagen , er kannte den Tritt der Pferde , das Rollen des Wagens und das eigenthümliche Peitschenknallen des Dominik . Er hatte sich nicht getäuscht , Dominik kam mit dem Fruchtwagen . » Wohin noch ? « fragte Dominik erstaunt . » Gen Reichenbach . « Bleib' heut davon , die Freischärler sind dort , ein paar hundert Mann , der Lenz von Röthhausen führt sie an . Ich hab' auch deinen Namen nennen hören . « » So ? Da komm' ich gewiß , « entgegnete Alban und erzählte nun alles Vorgegangene . Alban war erstaunt , als Dominik ohne große Theilnahme sagte : » Ich weiß schon lang , doch du bist auch kein rechter Freisinniger . Hättest du den Hof allein bekommen , es wär' dir nicht eingefallen , daß deine Geschwister durch das alte Herkommen verkürzt werden , du wärst halt ein großer Hofbauer wie Andere , wenn auch ein bisle gutmüthiger . « » Das verstehst du nicht , « entgegnete Alban zornig . » Freilich , ich bin nur als armer Knecht aufgewachsen . Was kann so Einer wissen . « Alban stand betroffen , aber er wollte jetzt von nichts Anderem wissen und ging fast zornig davon . Er hatte Dominik um ein Darlehen bitten wollen , aber jetzt that er ihm diesen Gefallen nicht . In Reichenbach wurde Alban mit großem Jubel bewillkommt . Es klärte sich jetzt Alles auf . Der Lenz hatte dem Alban schon am Morgen einen Boten geschickt , der Bote hatte die Weisung angenommen , war aber wahrscheinlich nach einer andern Gegend entflohen , weil er sich vor der Verantwortlichkeit fürchtete . Mitten im Sturm war Alban für sich plötzlich hoch erfreut . So war es also nicht Lüge und Falschheit von Vinzenz , daß man in der Stadt gesagt hatte , er sei bereits unter den Freischärlern , er bat dem Bruder in Gedanken jeden Zorn ab , den er gegen ihn gehegt hatte ... Der Pflug im Kugelberger Felde blieb lang unberührt liegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monatelang hörte man nichts von Alban , bis auf den Furchenhof plötzlich die Nachricht kam , der Alban habe sich eine Zeitlang beim Hirzenbauer in Nellingen aufgehalten und diene jetzt als Knecht auf dem Sabelsbergischen Gut in Reichenbach . Die Mutter eilte zu ihm , um ihn nach Haus zu bringen , aber er ging nicht und beharrte auf seinem Eid , der Vater müsse ihn holen . Es war unerhört , daß der Sohn des Furchenbauern bei dessen Lebzeiten Knecht sein , an der Schwelle des väterlichen Hofes fremden Leuten dienen sollte . Alban war unnachgiebig , als auch Ameile und Dominik nach einander zu ihm kamen , er wiederholte Beiden : er wolle dem Vater zeigen , daß er Knecht sein könne , aber nur bei fremden Leuten , nicht auf dem väterlichen Hof , dazu werde er sich nie verstehen ; der Vater , der ja für seine Nachkommen sorgen wolle , könne jetzt bei Lebzeiten an ihm sehen , wie es ihnen einst ergehe . Es war ein strenger Befehl des Vaters , daß in seinem Beisein Niemand von Alban reden durfte , auch die Mutter nicht ; ja sie hatte es so weit gebracht , selbst ihren Gedanken zu wehren , daß sie zu ihm hingingen . Ueber ihre Träume aber hatte sie keine Macht .... Ein Sohn und ein Knecht . Heute waren alle die stürmischen und trüben Erinnerungen in der Seele der Mutter erwacht , und als sie endlich eingeschlafen , schrak sie plötzlich auf und rief laut den Namen Albans , von dem sie seit länger als einem Jahre ihre Lippen entwöhnen mußte . Sie horchte still , ob ihr Mann nichts gehört habe , der aber schlief ruhig . Die ganze Welt war wieder in ihr altes Geleise zurückgekehrt , die gerade gestreckten Sensen waren wieder umgebogen und einzelne , bei denen sich das nicht mehr thun ließ , waren zum alten Eisen geworfen ; die Gemeinden , die auf allgemeine Kosten Waffen angeschafft , hatten diese wieder verkauft und nur hier und da sah man noch einen einzelnen Heckerhut mit schlaffer Krempe , der allmälig zertragen wurde . Die Jahre der Bewegung , die auch in der entlegensten Hütte eine Erschütterung hervorgebracht , schienen jetzt vergessen wie ein Traum . Auf dem Furchenhofe war auch Alles wieder wie ehedem , ja der Furchenbauer war wieder einer der Liberalen , die man freilich jetzt anders nannte , denn bei der Einführung der Geschwornengerichte hatte man ihn , der doch auf der Liste der Höchstbesteuerten stand , eben wegen seiner ehemaligen Gesinnung nicht zum Geschwornen er nannt , vielmehr waren viel Geringere aus der Gemeinde dazu berufen . Alles war wieder in's alte Gleise zurückgekehrt , nur mit Alban war dies nicht der Fall . Trotz aller Ruhe und gewohnten Ordnung , die auf dem Furchenhofe herrschte , war es doch immer , als fehlte Etwas und als könnte eine plötzlich eintretende Erscheinung Alles ändern . Das ganze Leben , das sonst so stetig erschien wie das Wachsen von Baum und Pflanze , hatte jetzt etwas Einstweiliges , morgen rundum zu Verkehrendes . Die Dienstleute standen oft bei einander und plauderten und wenn der Meister zu ihnen trat , verstummte plötzlich das Gespräch ; es hatte gewiß wieder vom Alban gehandelt und wie der mit dem Meister entzweit sei , weil er die Eichbäuerin abgewiesen habe und lieber des Nagelschmieds Vreni heirathe , und darin geben sie ihm gewiß Alle Recht , denn jeder Knecht und jede Magd fühlte sich damit erhoben , daß Eines ihresgleichen zu hohen Ehren kommen sollte . Der alte Furchenbauer schien sich seit dem Streit mit seinem Alban verjüngt zu haben , er stand Allem vor wie der jüngste Mann ; nur die Bäuerin merkte oft an seinem stillen Brüten , daß ihm Etwas im Gemüthe saß , das er nicht verwinden konnte : sie durfte aber nicht davon sprechen , denn er wurde immer heftig gegen sie und verbot ihr zuletzt , je vor ihm den Namen Albans zu nennen . Nur Einmal , und das vor wenigen Wochen , sprach er selbst von ihm und mit einer gewissen verhaltenen Freude . Er erzählte , wie ihm der Rentamtmann im Vertrauen mitgetheilt habe , Alban habe sich eigentlich nicht als Knecht verdingt , er habe sich ausdrücklich wöchentliche Kündigung bedungen , auch seinen Genossen erklärt , er diene nur hier , um die höhere Ackerwirthschaft noch besser zu erlernen . Dieser Stolz Albans , der zugleich die Ehre des Vaters wahrte , gefiel diesem ; er widersprach nicht , als die Mutter hinzusetzte , der Alban gleiche ganz ihrem eigenen Vater , der habe auch so was Adeliges gehabt , darum habe man ihn auch spottweise den Schmalzgrafen geheißen . Als die Mutter aber weitergehen und eine Versöhnung daran knüpfen wollte , wurde der Furchenbauer plötzlich wieder voll Ingrimm und betheuerte , daß das nie geschehe , bis Alban bittend vor ihn hintrete . Sprach der alte Furchenbauer nur äußerst selten mit seiner Frau von Alban , so that er dies um so öfter mit Dominik . Dieser war eine treue Stütze des Hauses , und wenn gleich nur Knecht , doch wohl angesehen . Der Bauer wußte , that aber als ob er Nichts davon gemerkt habe , daß ihn die Mutter schon mehrmals zu Alban geschickt hatte ; er suchte daher von ihm zu erfahren , was denn eigentlich Alban vorhabe , aber Dominik war behutsam und klug und gab nur knappe Antworten . Der Vater , der seinem Sohn keine unmittelbare Nachricht gab , wollte doch , wie man sagt , es seine Meinung auf die Post geben ; er that , als ob er nur Dominik mittheilte , daß er den Hof diesmal höher schätzen lasse als es von Alters her bräuchlich sei , damit die abgefundenen Kinder auch ein Erkleckliches hätten , daß er aber Alban ganz enterbe , wenn er nicht von des Nagelschmieds Vreni lasse . Dominik hörte das ruhig an und erwiderte in der Regel nichts , nur manchmal fragte er geradezu , ob er das Gehörte dem Alban im Namen des Vaters mittheilen solle , was der Furchenbauer streng verneinte ; er durfte sich weder vor seinem Sohn noch vor dem Knecht eine Blöße geben . Das gesetzte Benehmen des Dominik machte auf den Furchenbauer einen bedeutsamen Eindruck . Er ehrte den Dominik damit , daß er ihn mehrmals geradezu fragte : ob er denn nicht Recht habe , ob denn ein Vater nicht schalten und walten dürfe wie er wolle , ob sich ein Kind dagegen auflehnen dürfe und ob nicht Kindeskinder Dem danken müssen , der die Größe und die Ehre der Familie fest gewahrt habe . Aber auch hierauf gab Dominik nur wenig entsprechende Antworten , er sprach davon , daß der kindliche Gehorsam , aber auch daß der Friede über Alles gehe , lehnte indeß jede Selbstentscheidung ab , mit dem Bedeuten , daß er diese Sachen nicht verstehe . Der Bauer war mehrmals versucht , den Dominik für dumm zu halten ; aber aus einzelnen Worten entnahm er doch wieder wie klug er war , hatte er ja einmal geäußert : » Es ist wahrscheinlich dumm was ich sag' , aber ich weiß nicht , der Pfarrer sagt doch immer , Gott allein sei die Vorsehung und ich weiß jetzt nicht : wollet Ihr nicht mit dem was Ihr vorhabet , wie man bei uns in Nellingen sagt , in Gottes Kanzlei steigen und Vorsehung spielen ? Kann man da nicht auch zu viel thun und muß man nicht unserm Herrgott die Hauptsach ' überlassen , was er für künftige Zeiten vorhat ? « » Du bist gar nicht so dumm , gar nicht , aber du verstehst die Sach nicht , « hatte darauf der Bauer erwidert und Dominik war mit dieser Antwort mehr als zufrieden und blieb doppelt bestärkt in seinem gehaltenen Benehmen . Er mischte sich trotz aller geheimen und offenen Aufforderungen nicht eigentlich in die Sache , er verdarb es weder mit dem Bauer noch mit Alban , wenn dieser einst doch den Hof bekomme , und solche weise Zurückhaltung eines Dienstboten verfehlte nicht , dem Bauer einen gewissen nachhaltigen Respect abzunöthigen . Minder war das bei Alban der Fall ; dem Dominik , als er ihn einst im Auftrag der Mutter besuchte , gesagt hatte : » Ich bin auch ein Häuslerkind , mein Großvater war auch ein reicher Bauernsohn , den man nebenausgesetzt hat . Man muß sich drein finden ... « Als jetzt die Furchenbäuerin in der Nacht erwachte und hörte , wie der Dominik das Schwärzle aus dem Stall zog , däuchte es ihr eine Ahnung , daß sie erwacht war ; jetzt zog ja ihre Botschaft zu ihrem Alban , denn sie hoffte , daß Dominik dem Willen des Bauern ungetreu über Reichenbach fahren werde . Ein nächtiger Gang bis daß es tagt . Der Kühbub hatte Dominik zur Zeit geweckt und Dominik war bald zur Abfahrt bereit , er war aber entschlossen , mindestens auf dem Hinweg dem ausdrücklichen Befehl des Bauern zu gehorchen ; wenn er ihm zuwiderhandelte , wollte er es lieber zu eigenem Nutzen thun und eine halbe Stunde ab des Wegs zu seiner Mutter nach Nellingen gehen . Er war darüber noch nicht mit sich einig , als er von der Landstraße ab den Waldweg einschlug . Das Schwärzle brummte vor sich hin , als man in den nächtig säuselnden Wald eintrat , wo die dunklen Wipfel rauschten , obgleich man keinen Wind verspürte ; es stand oft still und nur den freundlichen Ermahnungen oder auch dem Schelten des Dominik folgte es und schritt fürbaß . Die Gelehrten haben vielleicht nicht unrecht , daß sie den Hennenweg eigentlich Hünenweg nennen , ungeheuerlich genug ist er und die Felsblöcke und seltsamen Erdwälle , die hüben und drüben sind , können wohl für Hünengräber gelten ; die Volksmeinung aber bleibt dabei , der Weg gleiche einer Hühnersteige und darum heißt er der Hennenweg . Das Schwärzle , einmal im frischen Lauf , konnte klettern wie eine Ziege und das war natürlich ; das Schwärzle war von echter Schwyzerrasse , die Mutter war unmittelbar aus dem Appenzell gekommen und unter der Obhut des Dominik war das Schwärzle aufgewachsen und so gediehen , daß ihm der Preis nicht fehlen konnte . Wie ein Hund seinem Herrn , folgte das Schwärzle dem Dominik , und erst als man auf der Anhöhe war , hielten Beide an , Dominik stopfte sich eine Pfeife und das Schwärzle fand in der Nacht ein thaufeuchtes Maulvoll Gras am Wege , das war für den Hunger und für den Durst . » Vorwärts in Gottes Namen « sagte jetzt Dominik und mit einem schnell erhaschten Vorrath für den Weg folgte das Schwärzle . Dominik fürchtete weder Gespenster noch lauernde Uebelthäter , aber der Ruf , den er vorhin gethan , erlöste ihn doch von einem gewissen Gefühl der bangen Einsamkeit und dabei schlug er sich an die Hüfte und überzeugte sich , daß sein im Hirschhorngriffe feststehendes Messer dort sicher ruhte . Der Meister hatte Recht , der Weg war von jetzt an bequem und lind , er zog sich auf einem Walddurchschlag hin , auf dem bis zum Jahre 1848 die gräflich Sabelsbergischen Schafe weideten , das Gras war jetzt in die Höhe geschossen , denn der Furchenbauer hatte sich nicht entschließen können , nach dem Rathe Albans selber Schafe einzuthun und eine mehrmalige Ausschreibung der Schafweideverpachtung hatte bis jetzt zu keinem Erfolge geführt . Dominik dachte in sich hinein , wie manches Erträgniß doch auch auf solch einem großen Bauernhofe verloren gehe , er dachte , wie es einem rechtschaffenen Knechte zukommt , zunächst an den Vortheil seines Meisters , dann aber auch an sich selber ; er verstand die Schäferei , und hätte er nicht sein ganzes Geld an Alban verliehen gehabt , er hätte sich selber Schafe eingethan und den Weidgang gepachtet . Es giebt ja hier zu Lande viele Eigenthümer von Schafheerden , die keinen Grundbesitz haben . Dominik war in die Jahre getreten , wo er allzeit ausschaute nach einem selbständigen Anwesen und sei es auch noch so klein . Er gedachte jetzt , wie Manches von einem großen Hof doch noch ganz anders ausgenutzt werden könnte , wenn es in fleißige Hand gegeben wäre , die nur das allein hätte . Immer kam Dominik wieder auf die Ueberlegung zurück , wie es einem noch so Fleißigen hier zu Lande nicht möglich sei , Etwas vor sich zu bringen . Drüben im Gäu , wo es wenig geschlossene Güter giebt , die auf ewige Zeiten in Einer Hand bleiben , da ist es einem sparsamen Knecht , der von Haus aus Nichts hat , doch möglich , mit der Zeit ein gut Stück Feld zu erwerben , er heirathet noch Etwas dazu und wenn die Gemeinde sieht , daß das junge Paar fleißig und sparsam , läßt sie ihm bei einem schicklichen Kauf die Vorhand und nach und nach zahlt man jedes Jahr ein Ziel ab und hat mit der Zeit ein schönes Bauerngütle und die Aecker sind alle das Doppelte werth . Hier zu Land aber ist Grund und Boden in fester Hand und es bleibt Nichts , als Häusler werden und wie der Spatz auf dem Dach leben . Das aber wollte Dominik nicht , lieber ledig sterben ; er hatte im elterlichen Hause zu bitter erfahren , welch ein elendes Leben das ist . An einer starken Lichtung , die jetzt am Wege war , erkannte Dominik den Grenzstein vom Gute seines Herrn . Wer wird doch noch Recht behalten ? Alban oder der Vater ? Wer weiß , es kann noch bös werden , zwei harte Mühlsteine mahlen nicht gut , sagt das Sprüchwort . Es raschelte Etwas im Walde , das allgemein bewaffnete Jahr muß doch noch nicht alles Wild weggepirscht haben , das Schwärzle brummte leise und drängte sich näher an Dominik . Gen Morgen zeigte sich allmälig ein lichteres Grau , die Nebel senkten sich , das Schwärzle begrüßte durch lautes Schreien den jungen Tag . Ein Rabe hockt noch verschlafen auf einem Baumast , er hat den Kopf unter den Flügeln , jetzt erwacht er , schüttelt sträubend sein Gefieder , öffnet den Schnabel wie gähnend und fliegt krächzend waldaus . Ein enges grünes Thal thut sich auf , über den Waldbergen jagen die Nebel in zerrissenen Wolken dahin , die Elstern schnattern und fliegen von Baum zu Baum , auf einem blätterlosen Kirschbaum klagt der Fink regenverkündend : es gießt ! es gießt ! und hoch oben schwebt ein Raubvogel , es ist die Hühnerweihe , sie stößt ihr jauchzendes Geschrei aus : Gujah ! Gujah ! Hähne krähen , Hühner gackern , der Taktschlag der Drescher tönt herauf , das ist das arme , von Waldarbeitern bewohnte Dorf Klurrenbühl , aber man sieht nichts davon , Alles ist in Nebel gehüllt , die Wälder tauchen daraus auf , eine heisere Morgenglocke ertönt wie weit verloren , jetzt erscheinen die Häuser des Dorfes bis zur Dachfirste , hell und darüber die Nebelwolken , von den Bäumen am Weg tropft es leise , die breiten Blätter des Kohls tragen schwere Tropfen , die manchmal in der Mitte des Blattes wie von einander angezogen zusammenrinnen und je näher sie sich kommen , immer hastiger . Da und dort fällt ein einzelner Apfel schwer vom Baume . Dominik hatte für Alles Aug und Ohr , denn er wünschte sich doch einen hellen Tag , heute da er und das Schwärzle gekrönt würden . Als er jetzt am ersten Haus unter dem Geläute der Glocke , die so armselig und wie bescheiden bittend ertönte , den Hut abzog , mischte sich in sein Gebet der Dank , daß er nicht dazu bestimmt sei , in einer Einöde wie dieses Dorf war , sieben Stunden hinterm Elend wie man sagt , sein Leben zu verbringen ; er war auf dem Furchenhof an Besseres gewöhnt . Lieber lebenslang auf dem Furchenhof als Bürger in so einem armseligen Nebensausorte , dachte Dominik . Auf einem » abscheinigen « Hauswesen bauern , wo Einen die Schulden morgen wie der Wind wegblasen können – da ist Knecht sein besser ; und doch : ein eigen Leben geht wieder über Alles . Im Dorfe zeigte sich schon frühes Leben , dort ging einer mit der Peitsche knallend , gleichsam sich und die Thiere erweckend , nach der Stallthüre , dort öffnete sich eine Stallthüre von innen und die Kühe schreien – der hat seinen Thieren schlecht über Nacht aufgesteckt ; ein Mann , der in dürftigem Kleide über die Straße ging , schaute den Dominik verwundert an und vergaß seinem freundlichen Gruße zu danken . Wer weiß , mit welchen bösen oder traurigen Gedanken Der seinen Tag anfängt . Auf einen Ehrenpreis hofft der wenigstens heute nicht . Diese Aussicht , die gestern den Dominik noch grimmig gemacht , ward ihm jetzt im frischen Morgen zu einer lichten Freude ; er fühlte sich so lustig wie seit lange nicht und etwas Anderes konnte es doch nicht sein . Mit frischer Kraft wanderte er , das Schwärzle am Seile führend , dahin , und selbst das wohlbekannte Thier erschien ihm jetzt so schön wie noch nie . Wie prächtig schwarz war die Farbe , die durch einen kaum merklich lichteren Streif auf dem Rücken noch gehoben war ; nur wenig überbaut , wie war es so fest und doch fein , der Kopf mit den weißen Hörnern , dem weißen Maul und den hellen Haarbüscheln in den Ohren – wie verständig sah das Thier aus . Es mag wohl von dem ehemaligen Hirtenleben des Dominik herkommen , daß er nie ein rechtes Auge für die Schönheiten des Pferdes hatte , um so mehr aber für die des Rindviehs , und er erquickte sich wahrhaft daran . » Du verdienst auch den Preis , « sagte Dominik fast laut , dem Thier auf den Bug klatschend » friß jetzt nicht , du kriegst was Besseres , ich vergeß dich nicht wenn ich was zu mir nehm ' . « Das Schwärzle schien aber eine Vertröstung auf die Zukunft nicht zu verstehen , es bog den Kopf noch mehrmals nach dem Gras am Wege und Dominik mußte es kurz halten . Auf den Wiesen wurde es nun lebhaft . Die Kühe , die den ganzen Sommer im Stall gehalten wurden , sprangen jetzt auf der Weide lustig klingend hin und her und die Hütenden rannten hin und wieder , knallten und jodelten und sangen bei dem Feuer , in dem sie ihre Kartoffeln brieten . Dominik gedachte , wie auch er einst ein armer Hirtenbub war und jetzt hatte er 's doch so weit gebracht . Dieses stete Untersichschauen , dieses beständige Erwägen was er einst gewesen und wie weit er 's gebracht , machte ihn weniger kühn und muthig und mehr bescheiden und demüthig als eigentlich seine Natur mit sich brachte . Jetzt sang ein Hirtenbub dasselbe Lied , das Ameile gestern ihm nachgesungen und das Antlitz des Dominik erleuchtete plötzlich in Freude . Nun wußte er 's : nicht der Ehrenpreis war es , der ihn so innerlichst fröhlich machte , das Lied lag ihm im Sinn und weiterschreitend sang er : » Schätzele , Engele Laß mi e wengele – Schätzele , wasele ? Nur mit dir basele . « Das Lied verließ ihn auf dem ganzen Weg nicht mehr und hob seine Schritte und lachte ihn aus mit all seinem Denken und gab ihm auf Alles Antwort . Ich bin neun Jahre älter als das Ameile – das ist ja kein Fehler , das ist ja grad recht ... Das Ameile ist ein anvertrautes Gut von meinem Herrn , ich darf nicht falsch damit gegen ihn sein – er muß dir noch Dank sagen , daß du ihm so einen rechten Tochtermann giebst . Was fehlt dir denn zu einem rechten Bauer als Geld und Gut ? Und das hat sie ... Ich mag mich nicht so hoch versteigen , ich plumps sonst so arg 'runter – das ist Feigheit von dir und du wirst's bereuen , wenn 's zu spät ist . – Es war merkwürdig , wie sich in Dominik Alles Red' und Antwort gab , als wären zwei Seelen in ihm , und das war wohl auch , denn er trug Ameile im Herzen . Schon vor elf Jahren , als der Hirzenbauer von Nellingen , der Klein-Rotteck genannt , dem Dominik den Dienst auf dem Furchenhof verschaffte , schon damals gewann der hochaufgeschossene Bub das kleine Kind besonders lieb . Ameile stand am ersten Abend am Brunnen und schaute Dominik zu , der sich die Hände wusch ; das Kind aß von einem großen Apfel , den es mit beiden Händen hielt , es mochte den zutraulichen Blick des Dominik , der nach ihm umschaute , wohl anders deuten , denn es trat auf ihn zu , streckte ihm den Apfel entgegen und sagte : » Beiß auch ab . « Dominik war selber noch kindisch genug , um mit diesem Anerbieten so weit Ernst zu machen , daß das Kind eine Weile verblüfft auf seinen so sehr verminderten Apfel sah , dann aber doch wieder Dominik anlachte . Von jenem Abend an hatte Dominik eine besondere Liebe zu dem Kinde und suchte ihm auf jede Weise Freude zu machen . Im Winter trug er es oft den größten Theil des Weges auf seinen Armen nach der eine Stunde weit entfernten Schule , und wenn Schneebahn war , führte er es auf einem Handschlitten . Als Dominik Soldat werden mußte und nach halbjährigem Verweilen in der Garnison wieder in seinen alten Dienst zurückkehrte , gewahrte er plötzlich , daß das Kind eine Jungfrau zu werden begann . Der Abstand ihrer Lebensverhältnisse wurde ihm immer klarer und selbst in die Herzen voll Einfalt finden oft verschlungene , sich selbst verhüllende Gedanken ihren Weg . Dominik war jung genug , daß ihm die unverkennbare Liebe Ameile's die tiefste Seele erquickte ; er lächelte oft still vor sich hin , aber wenn er Ameile begegnete , ihr etwas zu bringen oder zu sagen hatte , machte er immer ein finsteres , ja fast zorniges Gesicht und war wortkarg , er bangte vor dieser Liebe , die ihm nur Unglück bringen konnte , er wollte sie bezwingen , aber es gelang ihm nicht . Da fand sich eine glückliche Aushülfe : nicht um seinetwillen , sondern um Ameile mußte er jede Neigung ausreißen und zerstören , das gute harmlose Kind , das durfte nicht in's Elend kommen , es mußte behütet und beschirmt werden . Dominik erschien sich groß in dieser Entsagung um der Geliebten willen , die ihm jetzt zu gelingen schien ; er war nun auch oftmals freundlicher gegen Ameile , nur um ihr zu zeigen , wie gut er 's mit ihr meine und bald schien es wieder , daß sie von Allem nichts wisse , sie war allezeit gleich fröhlich und behend , lustig wie ein Vogel auf dem Zweige . Dominik däuchte es , daß er sich getäuscht habe ; er hatte mit Schmerzen und Kämpfen eine Liebe ausgerottet , die gar nicht da war . Und so seltsam ist das Menschenherz : statt daß Dominik sich dabei beruhigte und zufrieden war , daß Alles sich fügte , wie er wünschen mußte , wollte er jetzt mindestens eine Erkenntlichkeit für seine Aufopferung , und er sagte es einst Ameile was er für sie gethan . Ameile stand betroffen dabei und redete kein Wort . Wochenlang sah sie ihn kaum an wenn sie ihm begegnete und huschte vorbei , als fliehe sie vor ihm . Hatte Dominik erst geweckt was er tödten wollte ? Es schien nicht der Fall . Einst als sie ihm nicht mehr ausweichen konnte und er sie fragte , warum sie so trotzig gegen ihn sei , sagte sie mit keckem Antlitz lächelnd : » Es hat einmal Einer einen Bärenpelz verkauft , ehe er den Bären geschossen hat . « » Wie ? Was meinst ? « » Es hat einmal Einer ein Mädle aufgeben , bevor er 's gehabt hat . So ist's . « Der Mädchenstolz schien beleidigt , daß eine Liebe preisgegeben wurde , um die noch gar nicht geworben war . Wollte sie ihn zurückweisen , wenn dies geschehen war ? Ameile schien nun ein grausames Spiel mit Dominik zu treiben , sie ging allezeit trällernd und lachend umher und die Natur selber mußte ihr helfen , denn sie wurde mit jedem Tag schöner und liebreizender . Wo sie nur konnte , hänselte sie den Dominik , und die Mutter selber schalt sie oft darüber , der Vater aber hatte seine heimliche Freude an dem lustigen Kind und seinen Scherzen und es war nicht uneben , als er einmal sagte : » Sie ist grad wie ein Kanarienvogel , je mehr Lärm und Untereinander im Haus ist , je lustiger ist sie , grad wie ein Kanarienvogel , der schlagt auch immer heller , wenn 's recht toll hergeht in der Stub ' . « Auch Dominik hatte nach dem anfänglichen Aerger seine Lust an dem Uebermuth Ameile's , es wäre ihm gar nicht lieb gewesen , wenn sie ihn nicht geneckt hätte , sie lachte und jauchzte dabei so grundmäßig ; und daß sie grade immer mit ihm anheftelte , war kein böses Zeichen . Er gab sich nun selber manchmal zum Besten und bot Ameile oft Gelegenheit über ihn zu lachen . Auf dem einsamen Furchenhof war damals eine Bewegung der Gemüther wie sie sich nur selten aufthut , und in Stube und Stall und Scheune sagte man einander , daß es gewiß nirgends lustiger hergehe . Man wußte nicht und wollte nicht wissen , was denn eigentlich vorging und warum Jedes am Morgen so fröhlich aus dem Schlafe sich erhob , man fragte nicht darnach und konnte es nicht sagen und das ist die beste aus innen quillende Freude . So viel aber wußte doch ein Jedes , daß Ameile der Mittelpunkt aller Lustbarkeit war .