Lieber Prinz Waldemar So weit ist 's gekommen zwischen uns beiden , daß ich diese letzte Anrede wage und lieber und naturgemäßer sie finde als die auf der ersten Seite . Ich stehe auf einmal da vor Ihnen , und alle Leute auf dem Markt vernehmen , was ich Ihnen zu sagen habe . Vor so viel Leuten ist man aber nicht aufrichtig , man ist da nur schicklich ; folglich ist 's wohl nicht schicklich , aufrichtig zu sein . Da man aber einem Prinzen gegenüber durchaus schicklich sein muß , Aufrichtigkeit aber Unschicklichkeit ist , so machen sich Euer Hoheit gefaßt , entweder was Unschickliches zu hören oder was Unaufrichtiges . Wenn ich nun meine Zueignung so begönne : Es ist das aufrichtigste Gefühl der Verehrung und Liebe , was mich bewogen hat , Euer Hoheit dies Buch zu widmen . So würden Sie denken : die Freifrau von Arnim redet dies um der Schicklichkeit willen , denn aus welchen Gründen könnte sie mich so stark verehren ? – Daraus müßte ich auf die Bescheidenheit schließen und auf die Einfachheit Ihrer edlen Natur , die größere Forderungen an sich macht . Fahre ich nun fort und sage : In diesem Buch werden Euer Hoheit viel Analoges mit sich finden ! so könnten die Schicklichkeitsmenschen behaupten , dies sei sehr unschicklich einem Prinzen zu sagen , er habe Ähnlichkeit mit einer Volksseele . Ich darf Ihnen daher gar nichts sagen , denn meine Aufrichtigkeit würde entweder von Ihrer Bescheidenheit verneint oder von dem Schicklichkeitsgefühl der Aristokraten mir verwiesen . Dem Publikum , in welchem ich mich heimisch fühle , das mich angeregt durch seinen Beifall und durch sein Einverständnis mich inspiriert , zu dem kann ich doch wohl reden ohne Einwendung , da Aufrichtigkeit bei diesem auch Schicklichkeit ist . Nun also : ihr Leute auf dem Markt ! – Ich hab dies frühlingsduftende Buch nur dem darbieten können , gegen den ich keinen Zweifel hege , der Feldblumenkranz könne ihm zu gering sein . Ich sage euch aber , ihr Leute auf dem Markt , ihr , deren Gewissen Zeugnis gibt von jenen gefürsteten Fürsten , denen der Lorbeer und die Eiche und die Raute Ehrenkränze tragen , daß gleich in der Brust jener großen Männer auch ihm , der die Huldigung im Feldblumenkranz willkommen heißt , das vaterländisch Edle , der Eifer für Wahrheit , der Glaube an göttliche Dinge , die Würdigung der Volkseigentümlichkeit innewohnen , die sein eigenes Streben mit den Kräften des Gemeingeistes zu allen erhabnen Opfern zusammenschmelzen . Bettine Liebe Bettine ! Noch einmal leb wohl . Ich habe wie immer auf meinem Rückweg noch recht mit Liebe an Dich gedacht und bitte Dich innig , indem Du stets Dich selbst veredelst , diese Liebe zu veredlen und zu erhöhen , von der der größte Teil meines Glückes abhängt , ich habe jetzt außer Dir für keinen Menschen ein ganz lebendiges Interesse , das mir selbst Mut geben kann , mich in die Höhe zu arbeiten . Du gibst mir Kraft und Mut und Aussicht , wenn Du in allem Guten gedeihest , denn Du gedeihest meinem wärmeren Anteil an Dir . Suche Dich über das , was man Dir als Pflicht zumutet , zu erheben , mache , daß alles um Dich zufrieden ist . Was Du mehr in Dir fühlst als das gewöhnliche Bravsein , dafür hat die arme Welt ja doch keine Ordnung , das mußt Du still in Dir bilden und Gott selbst dafür Rechnung stehen und mit der ganzen Harmonie der Gefühle dafür dankbar sein . Es ist dem vorzüglichen Menschen gewiß sehr leicht , alle gewöhnlichen Forderungen zufriedenzustellen , bequeme Dich ein wenig nach der Alltäglichkeit , und sie wird mit ihren Klagen Dir nicht mehr zur Last fallen . Sei fleißig in der Musik und Zeichnung , es sind die unschuldigsten Organe der Güte und Schönheit . Sei Deinen Geschwistern duldsam und verschließe , was Du mir bist , still in Deinem Herzen , denn die meisten Menschen verstehen das nicht und ehren es daher nicht . Du kannst so nur Dir und auch mir großen Schmerz ersparen , weil es weh tut , wenn das Bessre in uns mißhandelt wird durch den Unverstand . Lebe wohl ! Sei recht fleißig am Ofenschirm , damit er bald fertig wird , ich freue mich drauf , daß die Flamme durch sein Gewebe schimmert , und ich klimpere dann auf der Gitarre dazu Lieder und Melodien , die Dein sind . Dein Clemens Lieber Clemens ! Dein freundlich Abschiedsblättchen hat mir die Großmama nicht gegeben , ich hätte es vielleicht nie erhalten , wär ich nicht durch Zufall an den Ort gekommen , wo es lag und schon eröffnet war . Sieh , ich hab Dich so lieb – Du bist so gut – ich möchte Dir alles sagen , um daß Du mir lehrtest , was mich gut und Dir lieb machen kann . Der Anfang Deines Briefchens sagt mir zum letztenmal noch einmal Lebewohl ! – Werde ich Dich denn lange , lange nicht wiedersehen ? und stehe weit zurück von allem , was ich liebe ? – Und andre gehen dazwischen hin und her , die gleichgültig sind für Dich und mich ! – Die Frankfurter Allee hat allen Glanz verloren , sie ist ganz öde in der Nebelluft , denn weil Du jetzt nicht mit dem Abend dort mir entgegenkommst ! – So war doch der Morgen immer auch noch schön , wenn Du am Abend dagewesen warst . Weil Du willst , ich soll früh aufstehen wegen dem Gold der Morgenstunde , so wollt ich es ihr aus dem Mund nehmen und lief früh mit der Dämmerung schon durch die Allee , wo all Deine Tritte in den Kies geprägt und schön bereift waren , wär ich später gegangen , so hätten die Marktleute drauf herumgetrampelt . Ach , die langen Winterwege , die Du gemacht hast , mir zulieb alle ! – Aus dem lustigen Haus , wo die Geschwister und Hausfreunde zusammen Witze machten , heraus über die Schneefelder , auf der kalten , einsamen Hoftreppe , wo wir die Winde zusammen flüstern hörten . Und im Schneegestöber bist Du wieder allein in der Nacht den langen Weg nach Haus gewandert ! – Ja , Du willst , daß ich Dich immer so liebe , wie Du mich liebst . Und wärst Du doch ganz nah bei mir und könnt Dich ans Herz drücken dafür , daß ich in Dir finde , was ich vergebens in andern suchte , ein Gespräch , wo die Seele in der Pforte steht , in ruhender Stellung zwar , aber so hingebeugt zum Nachbar , so sanft lockend , daß der auch sich ausspreche . – Ich war in Sorgen um Deinen langen , einsamen Weg in der Nacht , die Sterne haben wohl noch mit Dir fortgeplaudert ! – Adieu , mein Clemens , leide immer , daß ich ein wenig an Dich schreibe , und wenn meine Briefe auch unbedeutend sind , es macht mich doch so froh ! – Kann ich Dir auch abgebrochene Gedanken schreiben , wie wenn ich mit Dir schwätzte , wo Du mir immer Antwort gabst , eh ich 's ausgesagt hatte ? – Ach , wie willst Du mir Deine Briefe schicken , die Großmama gibt sie mir vielleicht gar nicht ! Deine Bettine Liebe Bettine ! Daß die Großmutter Dir den kleinen Brief nicht gab , ist mir sehr leid , es wäre schön von ihr gewesen , hätte sie Dich gebeten , daß Du ihr ihn lesen lassest , das hättest Du denn auch mit Freuden getan , übrigens verzeih es ihr in Deinem Herzen , denn sie hat es gewiß gut gemeint . Diesen Brief schicke ich Dir nun frei mit der Post , es tut mir zwar leid , daß ich Deinen lieben Namen muß so offen auf die Post geben , allein es ist besser als ein andrer Weg , er würde ein Winkelweg sein , da doch sich an Dir zu freuen und Dich zu hüten und verstehen zu lernen dem Bruder ganz naturgemäß ist ! – Schreibe mir auch nicht zu heftig , es ist nicht gut , wenn man sich dran gewöhnt , und man tut 's so leicht , weil es einem wohltut , aber ein solcher Brief ist zu sehr Stimmung , und ein Wort gibt zu sehr das andre , da eigentlich die Seele allein jedes Wort geben soll . Schreibe mir von Euern Scherzen und kindischen Einfällen und kleinen Naseweisheiten . Liebe Deine Geschwister und besonders die um Dich sind , mach Dich ihnen unentbehrlich , mache Dich allen geliebt und geehrt , dann ist Dein Inneres ungestört und Deine äußeren Verhältnisse recht angenehm in der Welt . Spiele brav Klavier , singe , zeichne und lerne , wo Du kannst , nur damit kannst Du Dir Deinen Lebenskreis erweitern . Ich sehe Dich bald wieder , zu Ostern komme ich gewiß , ich bin gar sehr vergnügt hier , und nächstens schreibe ich Dir alles , wie ich hier lebe . Freude , das ist das Höchste , es ist Gesundheit an Leib und Seele , die man gibt und empfängt . Dein Clemens Ob Du mir abgebrochene Gedanken schreiben kannst , wie wenn wir zusammen sprechen ? – Liebes Kind , so gut ich von hier aus Dir nicht ins Wort fallen kann , noch ehe Du's gefunden hast , würde ich Dich wohl auch nicht so gut verstehen von so weit . Und dann ist 's ja auch ein Kunstinteresse , sich voll und bündig ausdrücken zu lernen . Der Schreiber muß zugleich an sich selber schreiben , denn er selbst muß durch den Brief mit sich bekannt werden , Du sagtest mir ja , daß Dir die Welt so unendlich weit vorkomme und Du Dir selber wie verloren darin seist . Und dann sei Dir Dein Lebenskreis wieder so enge , daß Du nur ganz kleine Schritte vorwärts tun könnest . Dies alles kommt daher , daß Du mit Deinem inneren Menschen noch nicht bekannt bist , Du begreifst Dich noch nicht , aber in den Briefen schaust Du in den Spiegel Deiner Seele , darum tut die tiefste Wahrheit Dir selber gegenüber so not , um auf keinen Irrtum zu geraten über Dich selbst . Denn die edle Seele hat eine höchste Bestimmung ! Dieser nachzukommen ist ihre ganze Aufgabe , die Welt ist so voller Ereignisse , ist ein Gewebe , in dem jedes Menschen harmonische Bildung ein notwendiger und haltbarer Faden sein muß . Nicht jeder Faden braucht als sichtbare Figur eingewebt zu sein , aber zur Tüchtigkeit und Festigkeit des Gespinstes trägt jeder bei , der die Wahrheit in sich begründet , ja es ist nicht anders möglich so , als daß er eine Hauptvermittelung aller wesentlichen Entwickelung werde . Doch was ich Dir hier sage , was Deinem Alter und Deinem Gedächtnis nicht angemessen ist , vergiß es wieder , Liebe , und lasse Dir ins Herz geschrieben sein , daß selbst Jugendspiele und Scherze – kurz alles , was Dir hier dem Gesagten gegenüber vielleicht unbedeutend erscheint , nie unbedeutend sein kann , solange es die in überquellender Lebenslust unverwirrten unverwickelten Gedanken hervorsprudeln . An Clemens Clemente ! Zu Ostern willst Du kommen ? Heute haben wir den 22. März ! – Nein , es sind beinah noch vier Wochen . Aber es wird dann schon sehr schön im Garten sein . Ich habe unsre Rasenbank erhöht , das muß früh geschehen , das kurze Gras muß recht dicht wachsen . Unsre Katze hat Junge , sie sind so allerliebst , Clemens , der Frühling ist nicht mehr zu leugnen , die Reben weinen . Es ist ja auch in wenig Zeit schon Mai , aber doch in vier Wochen erst , denn dann ist gewiß das schönste Wetter . Ich soll von meinem Tagewerk Dir schreiben und was wir Geschwister zusammen treiben . Heut war ich den ganzen Tag im Garten , ich hab ja am Tag , wo Du fort bist , am Abend noch ein Beet umgegraben und hab Salat hineingesäet , er ist schon heraus , ich mußte eine Strohdecke drauflegen gegen unzeitigen Frost . Ich will mir doch nichts mehr von den Menschen weismachen lassen ! Und statt am Abend mir Vorwürfe zu machen , daß ich alles besser wissen will , bin ich am frühsten Morgen schon auf , wo die ganze Welt noch schläft , und beobachte sie , erst kommen die Tauben , sie baden sich und trinken am Brunnen zwischen den Steinen das Wasser , ich hab sie gelockt auf der Haustreppe mit gestohlenem Futter ! Morgenstund hat Gold im Mund , darum soll ich früh aufstehen , meinst Du . – Es war noch ganz nebelig und verschlafen , doch bald fiel das Gold der Morgenstunde schräg in die Straße , in den Hausgiebeln gingen die Fenster auf , da wohnen die jungen Mädchen , die wollen auch Morgenluft schlucken , ich ging um die Ecke am Kanal längs den Gärten , da sind so viel Veilchen , man steckt sie in den Busen , sie duften Dir ein Weilchen , es ist ihre Sprache . Als ich vom frühen Spaziergang heimging , sah ich den Bäckerjungen laufen , er schellte am Haus , wo die Emigranten wohnen , der Duc de Choiseul guckte aus dem Fenster und kaufte Milchbrot , ich wollte ihn nicht beschämen und kehrte wieder um ; als ich zum zweitenmal zurückkam , trat die Milchfrau ans Fenster , die ihm die Milch abmaß . Da kamen noch viele Milchtöpfchen zu allen Fenstern heraus ; einer , der sich von Spitzbuben umringt sieht , kann sich nicht ängstlicher durchschleichen als ich zwischen dem Milchhandel dieser vornehmen Emigranten , ehemals waren sie von einer großen Valetaille umringt , die sich wieder bedienen ließ von allerlei Gesindel , und nun sind sie eingerichtet in eigner Person wie kompendiöse englische Reisenecessaire , wo man alles beisammen hat , selbst das Überflüssige . Ist 's möglich , daß man ein Heer von Müßiggängern beschäftige mit Angelegenheiten , die nur der Müßiggang notwendig macht ? Sie malen , sie schleifen in Glas , sie sticken Blumen auf Bandschleifen , sie drechseln , sie überschwemmen das Land mit närrischen Künsten , und die Großmama wundert sich , daß unter allen keine Gelehrten sich finden . Deine Bettine Liebe Bettine ! Ich komme in ein paar Wochen wenigstens auf einige Tage nach Frankfurt , und Du bist eigentlich die Ursache , freue Dich darauf und habe mir recht viel zu sagen . – Was Du einmal in Offenbach schriebst , lese ich noch oft mit vielem Genuß , es ist mir wie ein ewiger Brief von Dir . Ich bitte Dich , bring alle jene Gedanken , die Dir selbst auffallen , zu Papier , es ist eine schöne Gewohnheit , und wenn man einstens in ganz andern Verhältnissen ist , so sind solche Blätter liebliche Andenken verfloßner Frühlinge . Ich kannte ein recht liebes Mädchen , die arm und von geringen Eltern war , sie konnte nicht schreiben und bezeichnete alles , was ihr am meisten auffiel , mit Blumenblättern , die sie zu solchen Zeiten gebrochen hatte , diese Blätter hätte sie nachher um vieles nicht gegeben , als sie schreiben konnte und für eine gescheite Frau galt , ja , diese Blumenblätter sind mir lieber als das , was sie nachher schrieb ; denn an denen kann sie ihre Fortschritte sehen , an dem Folgenden nur , wie sie stehen blieb . Dies letztere wird nun nie bei Dir der Fall sein , Du wirst nie stehenbleiben , Du wirst ewig fortfahren , Deine Seele zu bilden . Diese Bildung besteht nicht sowohl in Kenntnissen , die man uns lehrt , als in der eigentlichen Erkenntnis . Eine gebildete Seele ist die , die alle Kenntnisse , die sie hat , wie der bloße Mensch seine Sinne anwendet , alles um sich herum zu vernehmen und zu beurteilen . Der bloße gesunde Mensch hört , sieht , fühlt , spricht ; dem Gebildeten aber wird das Gehör zur Musik , das Gesicht zur Malerei , das Gefühl zur Gestalt und die Sprache zur schönen gebildeten Sprache , alle seine Bildung und seine Liebe zu verkündigen . Drum sei hübsch fleißig und fröhlich , treibe alles recht so von selbst , ohne irgend gleich darauf zu denken , wie das und jenes , was das eigentliche Ende davon ist , dabei herauskomme ; das Ende einer jeden Kenntnis sind wir selbst , die Menschen und unser erhöhtes Talent , sie zu lieben , zu begreifen und uns ihnen verständlich zu machen . Lebe wohl . Dein Clemens Lieber Clemens ! Clemens , Du hast mich mit Deinem Brief übereilt ; ich wollte Dir ja noch mehr schreiben , letzt am Donnerstag gab ich den Brief so schnell auf die Post , weil ich 's nicht erwarten kann , daß Du meinen Brief hast , er ist ja bloß eine Liebkosung meiner Seele , von der Du willst , daß sie durch ihre harmonische Bildung in das Gewebe der Weltereignisse sich mit als ein notwendiger Faden einwirke , und Du meinst , es ist zu schwer für mich , das zu verstehen ? – Lieber Clemens , dies alles spricht ja laut genug und täglich und stündlich zu mir ! – Aber ! – Freilich , ein großes Aber fährt aus blauer Luft ein Blitz auf mich ein ! Und ich schäme mich , meine Gedanken vor Dir auszusprechen . Wie soll ich denn anfangen ? – Ja , ich müßte Dir von meiner Verwundrung sprechen über alles , was ich sehe und höre in der Welt ! Über die Lehren , die jene Leute mir geben , die mich zu einem angenehmen und liebenswürdigen Mädchen erziehen wollen . Das kommt mir aber gar nicht angenehm , sondern sehr horribel vor , was andre Leute wohlerzogen oder gebildet nennen . Ach , und Du meinst , ich könnte diesen Anstandsforderungen genug tun ? – Ach , Clemens , weißt Du , daß mich dies alles ganz dumm macht ? – Ich verstehe entweder Deine Briefe nicht , oder alles , was Du willst , läuft stracks dem zuwider , was jene heischen ! – Und ist das nicht eine sklavische Art des Seins , vor andern Menschen sich zu benehmen , und wird die Seele sich nicht an das Knechtische gewöhnen , die den Konvenienzen auf Kosten ihrer reineren Gefühle nachgibt ! – Ich bin so ärgerlich , es hat mich was gekränkt . Das junge Mädchen , was uns sticken lehrt , ist eine Jüdin , sie heißt Veilchen , es ist ein recht liebkosender Name , und ich fand letzt das erste Sträußchen ihrer Namensvettern zusammen , da ging ich ganz früh zu ihr , um sie damit zu überraschen , ich fand sie auf der Treppe mit dem Besen in der Hand , sie war beschämt , ich aber gleich nahm ihr den aus der Hand und sagte : » Ach , lassen Sie mich auch ein bißchen kehren . « Da kam so früh schon , denn es war noch nicht sieben Uhr , der Hofmeister vom Eduard Bethmann vorbei , der mußte es der Tante gesagt haben , daß er mich vor der Haustür eines Juden auf offner Straße kehrend fand – ich muß jetzt lachen ; denn es ist auch recht lächerlich – ich will Dir die derbsten Ausdrücke von der Tante ihrer Merkuriale ersparen , sie meinte nur , ich sei verloren , für ein besseres Dasein verloren , ich habe mich gänzlich weggeworfen ! Vous n' avez point de pudeur , point de respect humain , on vous trouve balayer la rue main en main avec une juive ! Ich mußte lachen ! Nein , ich konnte nicht anders . Du weißt , ich fürchte die Tante und mag sie nicht gerne beleidigen oder reizen ! Cachez vous devant le monde , qu' on ne lise point sur votre front les deshonorants signes de votre effronterie . Ach , ich mußte noch einmal lachen , die Tante ging hinaus ! Ich hätte sie gern wieder gutgemacht , keine Möglichkeit , ich fühlte , daß ich mich nicht ernsthaft stimmen konnte . Die Bahn war plötzlich gebrochen , ich glaube , ich werde nie wieder dazu kommen , ihre Anstandsregeln zu respektieren . – Ach , und wenn Du wüßtest , wie hübsch es bei dem lieben Veilchen war ! – Da war alles schon so sauber im Stübchen , ein kleiner Kaminherd , auf dem brannte ein Feuerchen , dabei kochte das Frühstück für den Großvater , der saß dabei und strich seinen langen weißen Bart durch die Finger , Veilchen stickt ein Goldmuster sehr schön in einen rosinfarbenen Sammet , so nennt sie ein sanftes Braunrot in ihrer Judensprache . Die Arbeit ist bestellt , und sie bekommt dann viel Geld , wenn es fertig sein wird . Sie ernährt ihren Großvater und zwei seiner Urenkel , die Waisen von dem gestorbnen Bruder , denen ist die Veilchen ganz wie eine Mutter , ich half ihr sticken , es ward recht gut , denn ich hab Augenmaß und mache die Stiche sehr egal . Alles , was mit dem Geld angefangen werden soll ! – 20 Louisdor ! – Da ist so viel zu bestreiten in der Haushaltung , vom Hemd bis auf die Schuhe und Schüsselchen und Töpfchen , und der Herd , der eingefallen ist , und die Ofenplatte geplatzt ; das muß geflickt werden und das Wohnzimmerchen frisch geweißt , wo die Leute eintreten , um die Arbeit zu bestellen . Veilchen ist von der Gattung Mädchen , die einen Nelkentopf vor ihrem Fenster pflegen und Absenker machen und endlich einen ganzen Flor daraus ziehen , die auch wohl ein Myrtenbäumchen zur Blüte bringen , aber kein Kränzchen daraus winden . Es wär auch schade , meinte sie heut morgen und lächelte . – Wir waren so vergnügt zusammen beim Sticken , ich fädelte die Flittern und Goldbouillon auf einen langen Faden , da ging die Arbeit viel geschwinder ; wenn sie solche Hilfe hätte , meinte sie , dann würden die Sorgen ihr nicht so leicht über den Kopf wachsen ; ich bat sie , daß sie mich alle Frühmorgen mit soll sticken lassen , dann wird's gewiß acht Tage früher fertig . Früh um vier Uhr geht schon die Sonne auf , da kann ich sticken bis acht Uhr , dann muß ich zur Großmama zum Frühstück – jetzt wird 's aber die Tante nicht erlauben , denn weil ich die Gass ' gekehrt hab – und sollt ich 's heimlich tun , das wirst Du mir nicht erlauben , und sollt ich 's gar unterlassen ? das will ich nicht . Mein Wort brechen , einem Mädchen , was seinen Großvater ernährt und seine Geschwisterkinder ? – Sie weiß nichts davon , zum Tanze zu gehen oder schön geputzt in Kleidern auf den Freier zu warten . Und ich wollte da ein kleines unschuldiges Fädchen anspinnen ins Gewebe der Welt , ein einzig klein Fädchen , und – nein , ich soll's abreißen , weil sich 's nicht schickt . Ach ! wo soll ich in der ereignisvollen Welt meinen Faden anknüpfen , wenn das Einfachste gegen den Anstand ist ! – Wer hat diese Lügen gemacht ? – Denn das sind wirkliche Lügen , nach denen ich mich niemals richten werde ! Ach , wenn Du hier wärst , Clemens , Du würdest vielleicht es der Tante so vernünftig darstellen , daß sie nichts dagegen haben könnte . Ich hab noch viel zu erzählen , aber nicht heut , jetzt lauf ich in den Garten mit dem Spitz , es ist schon Nacht , ich fürcht mich nicht , wenn der Hund bei mir ist . – Am 25. März . Jeden Nachmittag kommt der Herzog , der blinde Herzog von Aremberg , mit einem großen Pack Revolutionsblätter , Sieyès , Mercier , Pétion , noch andre , die mit großem Ernst am Weltgeschick weben . Das klingt ein in meine verneinende Seele gegen alles , was ich in der Welt gewahr werde , sie beweisen und heben den Schleier von aller Verkehrtheit . Abends , wenn alles fort ist , spricht die Großmama mit mir , Mirabeau sei ein Komet , der alles entzündet , was sich ihm nähert . Das Große in ihm verstehen lernen , adle die Seele , sie macht Auszüge aus seinen Briefen , sie gibt mir eine Nadel , damit soll ich ins Heft stechen , welchen Satz ich treffe , den soll ich als Gedenkspruch bewahren , sie hatte diese Sätze selbst alle gesammelt und war überzeugt , ich werde mit der Nadel nicht unrecht stechen , aber ich stach in : » Die Macht der Gewohnheit ist eine Kette , die selbst das größte Genie nur mit vieler Mühe bricht , « und die Großmama stutzt , ob ich den Satz nicht gar selbst erfunden hab . Nein , liebe Großmama , hier steht er , ich bin nicht Mirabeau , aber sein Geist ist mir ins Blut gegangen , er wird mich ewig mahnen , nicht von der Gewohnheit abzuhängen . Die liebe Großmama ! Adieu , mein Clemens , und schreib , daß du kommst . Deine Bettine Liebe Bettine ! Ich kann für Deinen lieben Brief Dir nicht besser danken , als wenn ich Dir sage , daß ich die Woche nach Ostern bei Dir in Offenbach bin , Du kannst Dich insgeheim für Dich drauf freuen , denn Du weißt nur mit mir allein , daß ich komme . Ich habe heute einen Brief von der Großmama erhalten , sie hält viel von Dir und möchte alles auf Dich übertragen , was ihr wünschenswert scheint , sie hat mir wieder ihren Wunsch geäußert , Du möchtest Latein lernen . Du kannst es ja ihr zur Liebe eine Zeitlang lernen . Obschon die Sprache nichts enthält für Menschen und Vieh , sie ist hölzern und eingebildet , mit einer Wohlbeleibtheit , die in ihrer langen Toga sich auf den Bauch schlägt , um auf ihre Würde anzuspielen , und der Klang , der dabei herauskommt , ist ihre ganze Wohlredenheit ; die Großmutter läßt von dem Gedanken nicht los , Deine Sprachfähigkeit durch Latein auszubilden , ich hab ihr vorgeschlagen , sie soll Dich lieber die Derwisch- , Fakiren- , Bonzen- und Brahminensprache lassen lernen , wo so viel grillenhafte Superfeinheit drin ist , die an die mehrere hundertundzweiundneunzigsilbige Wörter grenzt und eine Rangordnung eingeführt hat der Konsonanten als Aristokraten , die den bürgerlichen Vokalen gar den Eintritt nicht gestatten nd lssn ns s ws hnn gfllt xpngrn ns brll , s dß mnchml n Wrrwrr ntstht , dß kn Tfl drs klg wrdn knn . Gib Dir Mühe , der Großmama das Leben so viel als möglich zu versüßen , und lieber als ein bißchen Latein gelernt , ihre Begeisterung dafür kann unmöglich lang dauern , doch ist's schön , daß ihre Seele immer nur im Gewand des Erhabnen sich wohl fühlt , und wir können beide uns drüber freuen . Denn in welcher Luft könntest Du besser atmen als da , wo der Gemeinheit Dorn und die Nessel böser verleumderischer Zungen nicht wachsen kann . Die Großmutter schreibt mir auch von Mirabeau , gegenüber stellt sie den Grandison als Ideal eines sittlich moralischen Charakters , das grenzt ans Komische . Sie läßt sich von Dir die Abhandlung Mirabeaus über Staatsgefängnisse übersetzen und schreibt , daß es Dich sehr interessiere . Das hab ich nicht von Dir geahnt . Aber Kind , ist es nicht etwas Einbildung oder Eitelkeit von Dir ? – So oft haben wir in vertrauten Gesprächen alles vom Herzen weggeplaudert , was uns lieb und leid war ; – und meine Seligkeit war abends auf dem Heimweg , daß ich mich besann über Dich ! – – Wie auf dem Grund eines Sees die Fische mutwillig durcheinanderspielen , so konnt ich Deine Gedanken spielen sehen auf dem klaren Grund Deiner Seele ! Und war mein einzig Glück , und nun klingt's anders . Und ich lausche in die Nacht hinein , und ich höre Mirabeau , Pétion , Mercier ; das lautet ja wie die dumpfe Sturmglocke , nein , das ist ja nicht das sanfte Läuten meiner Abendglocke , wo Du die Gedanken ausfliegen ließest wie Bienen nach den Feldblumen ? – Bedenke , liebstes Kind , daß Denken die Heimat der Seele ist , und suche nicht nach fremden Regionen , wo Dein Schutzengel Dich nicht zu finden ausging . Ein Sichdaheimfühlen im innersten Dasein ist die Region , in der wir in schuldlosem Bewußtsein am Quell des Vertrauens und der Weisheit schöpfen , das heißt : Denken . Es ist Nacht geworden während dem Schreiben , da ging ich noch weit ins Feld , da liegen noch einzelne Schneedecken über der Saat , das Hessenland ist ein rauhes Land . Bei Dir ist alles wohl schon viel frühlingsmäßiger , ich freu mich doch auf Dich recht herzlich und hab auch keine Angst , daß Du nicht dieselbe sein könntest , die Du immer warst . Es ist ein so heller Morgen heute , da sitz ich am Schreibtisch , und der Hahn kräht schon zum drittenmal , das flößt mir ein recht Vertrauen ein in die Zukunft . Ich werde recht oft nach Offenbach kommen und alles tun , um die Zeit recht innig mit Dir zu verbringen . Es wird doch wohl eine Zeit kommen , wo ich selten von Dir entfernt bin und wo wir alles zusammen denken . Denken , was heißt das , es ist die einzige Vermittlung mit dem Göttlichen . Es stellt sich gleich eine Säulenreihe um Dich auf , und ein Tempel wölbt sich über Dir , und Dein Gedanke durchduftet ihn . Das ist Denkseligkeit – Gedankenlosigkeit ist Unseligkeit . Aber Du wirst gewiß noch recht glücklich werden und ich auch , aber das wird nur dann sein , wenn wir dem Bedürfnis genügen unserer Seele , das können wir alleine durch Bildung . Wenn ich was weiß und so in mir gerüstet bin , daß ich auch von jedem Punkte aus , ich mag sein wo ich will , und vom Schicksal eine Aufgabe habe , sie zu lösen verstehe und darin mir selber genüge und der Kunst . Das ist Bildung ! – Der Mensch ist auf Erden , sich zu bilden und dann wieder die Welt . Jetzt kommt der Frühling , da sitze ich abends oft am Fenster , ich wohne in einem Garten , klimpere ein wenig auf der Gitarre und singe auch wohl das Lied vien qua Bettina bella etc . ; in den Garten kommen oft einige Kinder , mit denen ich spiele , die zwar ein bißchen dumm sind , aber doch gesund und treu . – Ehe ich weggehe , werde ich den Kindern ein Fest geben , auch eine Schwägerin von Rossi hat drei artige kleine Mädchen , die gegen die schwarzen Rossibuben wie Engelchen gegen Teufelchen aussehen , so schwarz sind diese kleinen Italiener , besonders ist das älteste Mädchen , etwas jünger als Loulou , sehr sanft und hold ; sie hat den seltsamen Namen Anonciata , Verkündigung . Namen sind oft recht einladend , der Deinige zum Beispiel . Diese Kinder nun , die in einem traurigen schmutzigen Hause wohnen und mit ebensolchen Menschen , haben doch ein kleines Fleckchen rein und schön zu machen gewußt . In dem kleinen Hof steht ein Baum , um den herum haben sie sich ein äußerst niedliches Gärtchen gebaut , so groß wie ein großer Tisch , in diesem Garten nun stehen Butterblumen , Veilchen , Buchs und dergleichen , gleich daneben haben sie sich Tisch und Bank errichtet und sitzen beisammen , wenn die Sonne scheint , unter einer Art Laube , die sie durch in die Mauer gesteckte Tannenzweige zusammengeflochten haben . Ich habe gestern lang mit ihnen gesessen , ihnen erzählt und , während sie allerlei bunte Perlen und Schmelz in Schnüre fädelten , womit sie ein kleines Handelspiel treiben , ihnen Klostereier gemalt . – Das ist so mein Zeitvertreib , und sie wird mir jetzt lange , bis ich bei Dir bin . Nimm dies als eine kleine Gegenerzählung für Deinen Bericht von dem Veilchen , der ist aber schöner , und ich finde es auch ganz natürlich , daß Du gern mit dem Veilchen das Kleid fertigsticken willst , aber ich meine doch , es wird besser sein , wenn Du nicht am Morgen so früh Dich vom Haus entfernst . Hast Du nicht zufällig den Herrn Hofmeister begegnet , der Dir den Verdruß machte bei der Tante , böse über Dich zu reden ? – Nun könnten doch noch andre Leute Dir begegnen , die auch darüber reden könnten . Dein Clemens Weil ich die Ostern nicht komme , sondern erst acht Tage später , so erwarte ich noch einen Brief von Dir , Du wirst ja doch wohl die zwei Sonntage recht still zubringen . Die Leute werden alle spazieren gehen , und Du wirst aus dem Fenster sehen , und sie in ihrem Putz die Straße hinab , dem Tor hinaus wandern und dann auch wieder heimkommen sehen . Aber in der Zwischenzeit kannst Du schreiben bei Deinem Strauß , den Du doch gewiß im Glas stehen hast . Lieber Clemens ! Wenn man aber auf den Barbara-Tag Reiser von den Obstbäumen abschneidet und die ins Wasser stellt , dann blühen sie im März , und das hab ich getan , und sie blühen auch alleweil . Apfelblüten sind zu schön ! – Wär ich als Mädchen , was die Apfelblüte ist , ich wär doch wohl alles Liebe und herzlich Schöne . Was Du von mir denkst , dann könnt ich Dir verzeihen , was Du mir und Dir weismachen willst . Ja , es ist recht schön ; denn ich hab das Plaisir davon , und Dir schadet's nichts . Aber sei nur nicht ängstlich , daß ich keine Apfelblüte bin , weiß und rot und goldner Same drin , sondern daß ich vielleicht gar so eine Nessel bin oder Distel oder Dorn , wie Du meinst , vor denen ich mich soll hüten . Ich hab am Feiertag nicht können schreiben , die drei kleine Katzen auf dem Schoß so kommod ineinandergelegt , alle drei eingeschlafen unter der großmächtigen Pappel im Eckelchen auf der Bank . So viel Blüten tanzten herunter , so viel braune klebrigte Schalen platzten los von den Knospen , ich dachte , was knistert doch im Baum ; und später , wie die Katzen so sanft schliefen , da hatte ich auch ein bißchen geschlafen . – Ach , Clemens wir wollen recht vertrauend einander schreiben , und nichts weismachen einan der ! – Und wenn Du aber frägst , ob das Einbildung sei oder Eitelkeit mit dem Mirabeau , so kann das ja möglich sein und doch auch wahr , ich wehr mich dagegen nicht ! Aber der Mirabeau ! – Ich wollt , ich stünd vor ihm ; weißt Du ? – Denk ich an ihn , ich fühl mein Gesicht brennen . Liebster Clemens , mit aller Sehnsucht meiner Arme , meiner Augen , ja mit allem , was umfassend ist in mir , möcht ich seine Knie umschlingen ! Des großen Helden , der auf seine Lippe nimmt das Geschick des Volkes und entzündet es , mit seines Mundes Hauch facht er es an . Auf meiner Seele klarem Grund die Fischchen herumspielen sehen , das freut Dich ? – Nun , so guck ! Wie sie da fahren wie der Blitz hin und her , sie prallen ans Ufer der allbekannten todbringenden Langenweile , sie stoßen sich den Kopf ein ; und soll ich keine Leuchte anzünden , zwischen diesem klippigten Grund einen Ausweg zu finden aus der Pfütze – ins Weltenmeer ? – Wohin sonst ? – Glaub nicht , daß ich im angenehmen häuslichen Kreis mich gefangen gebe , und auch nicht der Bildungsanstalt schöner edler Ideen . Auch nicht Latein kann ich ein Jahr oder ein halb Jahr der Großmama zu Gefallen lernen ; denn mir kann ich 's nicht zuleid tun . Ich habe ja nicht eine Vernunft , der ich folge , ich bin ja ein elektrischer Funke , und ins Latein kann ich nicht hineinfahren , es stößt ab , sagst Du selbst . Es ist nichts , du Welt , wonach ich die Hand strecke . Wär 's etwas ! – Auf dem Dach vom Taubenschlag die Sonne sinken sehen , das ist meines ganzen Lebens Aussicht . Sie geht dort unter so blutrot , und mein Blut – wallt mit im roten Meer der Sonne , und dort wird's röter , und mein Gesicht wird blässer . Ja , ich glaub , daß der Geist des Blutes mit fortgezogen wird , wenn dort die Sonne ihre letzten Strahlen hineintaucht . Denn denk ich feurig , daß mir's Herz klopft , dann werd ich blaß , lange war 's nicht so schön hier in Offenbach als heute abend , und lange hat mich ein schöner Abend nicht so froh gemacht und so traurig zugleich . Es war da gar niemand , der auch nur den geringsten Anspruch hätte gemacht an meine Seligkeit . Ich wundre mich , daß andre nicht sind wie ich ! Und Du ? – Vielleicht in demselben Augenblick dachtest Du ganz was anders , das geht mir zu Herzen . Die Sonne sank eben in den Main . Ist es Dir nicht auch so , wenn die Sonne sich im Wasser spiegelt , man möchte sich gar zu gerne hineinstürzen und so in dem Glanz untergehen . Aber es wiegte sich noch eine schöne Harmonie von blasenden Instrumenten auf den Wellen ; ein leichtes Schiffchen trug alle die Seligkeit auf seinem Verdeck , still bedachtsam zog's den Strom hinauf . Das Abendrot am Strand hinzieht , Ergibt den Wellen sich mit Lust , Da schwellet die beklemmte Brust Der unbewußten Sehnsucht Lied , So kühn gewaltig zwingt das Lied Die Trauer der beklemmten Brust , In Lebensmut erstrebt sie Lust , In Liebesflut sie Wolken zieht , Und weckt in der beklemmten Brust Der hohen Freiheit kühnes Lied . Sein voller Klang Das Herz durchdrang , Das Lied sich schwang In Liebesdrang . Zu ihm , zu dem ich hin verlang , Dort über die Berge mit der Lerche , Ihm nach der Hymne zu singen dem Volk , Dem von seinen Lippen sie sollte erklingen . O , Clemens , was ist mir doch heute geschehen Sonderbares , da bringt die Großmama heute einen alten Brief vor vom Lavater , der schon drei Jahre alt ist , kurz vor seinem Tod geschrieben , der malt den Mirabeau und recht unglimpflich , und die Großmama holt die Silhouette aus dem Brief hervor , die er mitgeschickt hatte . » Beschauen Sie die Nase « , schreibt er , » diese Nase ist eine Bauern-Nase , die bezeichnet nicht den Helden , der die kühnsten Entwürfe beharrlich ausführt . Seine Freunde glauben , daß er die Tugend liebte , dies kann aber unmöglich mit so schwülstigen Lippen , deren Winkel so matt herabhängen , übereinstimmen , sein Auge ist zwar feurig , aber von finsterer Vermessenheit und hat einen verachtenden Blick , eine schamvergessene Gewaltsamkeit thront auf seiner Stirne , aber kein Heldenmut , ein Zug geht durch die ganze Physiognomie , der zwar die Karikatur des Genies markant ausspricht , nämlich Exaltation , die an Narrheit grenzt . « Und siehst Du , so hat mich die Großmama gequält , ich soll's herausfinden , worin es liege , vergeblich wollt ich sie erinnern , daß sie ja so verleumderische Ansichten über den erhabnen Charakter nicht könne gelten lassen , aber sie wollte ihres Lavaters Schwanengesang ( so nannte sie diesen letzten Brief Lavaters an sie ) nicht als verleumderisch gelten lassen . – Und Du predigst mir immer Pietät gegen die Großmutter ! – Wo und wie soll sich das alles zusammenfinden , ohne daß heuchlerische und kleinliche Furcht sich drein mische ! Ach , Clemens ! vertrauend – und das heißt ganz wahr und offen sein , das verlangt , daß ich stets auch aus der Tiefe meines Herzens mich an den Tag gebe , nicht umsonst will ich alles verstanden haben , nicht umsonst hab ich meine französischen Aufsätze für Herrn L' endroit als geheime Antworten , Fragen und Begeisterungen für diesen Mirabeau geschrieben , habe er meinetwegen Pockengruben , die ihn bis zur Häßlichkeit entstellen , mich geht 's nichts an ; nicht tief genug kann ich mich in die Gruben seines tiefen Denkens alles Reinen und Hohen hineinbetten , ja in diesen Gruben möcht ich begraben sein . Du wirst antworten , daß ich ihn ja nicht verstehe , – ich versteh ihn freilich nicht , wie könnt ich all die großen Beziehungen auffassen , die er durch diese grausame Revolution hindurch mit der größeren Zukunft des Volkes anknüpfte . – Aller Jammer , der seitdem hereingebrochen ist , den würde er mit starker Faust zurückgewiesen haben , so viel versteh ich doch , daß er liebte nämlich : und daher keine gehässige Gewaltsamkeit geduldet hätte . Und ich will lieber schweigen , ich bin noch so jung – und mit jedem Schritt meines Daseins stoß ich auf lauter widerwärtige Ungereimtheiten , ganz in der Stille schlag ich die Hände zusammen über alle Narrheit , – ganz in der Stille bete ich zu dem , der in seinem schmerzvollen Tod noch mit allen Kräften seiner Sinne sich dem Volk zuwendete , für es zu sorgen , ja , ich bete zu ihm , daß er bei mir , mit mir sein möge und mich lehren sprechen zu seiner Zeit . Denn auch ich möchte die Welt umfassen . O , ich weiß , was Du sagst , Du tadelst mich . – Du sagst , ich sei überspannt , ich wolle affektieren . – Ich beweise schon darin meinen Heldenmut , auf einmal so aufrichtig meine Seele vor Dir auszusprechen ? – Ja , wenn Du von offnem Vertrauen sprichst – damals auf der Hoftreppe war ich ja gar nicht aufrichtig ! – ich schwieg mit meiner tieferen Seele . – Denn Du hättest sie getadelt . – Aber doppelt kann ich nicht die Wahrheit verleugnen . Wenn Du sagst , ich soll recht vertrauend gegen Dich sein , da muß der tiefste Quell meines Herzens hervorsprudeln . – Gestern hab ich bei Arenswald eine ganze Stunde Lektion gehabt über Elektrizität , mir flimmert's vor den Augen wie tausend elektrische Funken . Wenn Du ein Stück Papier verbrennst , dann laufen diese Funken alle durcheinander wie bei einer Revolution , als wenn sie allesamt die wichtigsten Geschäfte hätten , so geht 's in meinem Kopf ; wenn 's nur nicht so traurig ausging , zuletzt bleibt einer nur übrig , oder zwei , das ist noch melancholischer – der läuft ganz allein durch die schwarzen verlaßnen Finsternissen ; – flipps ist er weg ! – Der andre dort , weg ist er . Gestern Abend hab ich immer wieder ein Papier angezündet , um diesen beiden Fünkchen auf ihrem Aschenweg nachzusehen . Die alte Cordel war auf ihrem ledernen Sessel eingeschlafen , sie mußte husten vom Qualm und erwachte mit sehr schlimmem Humor , sie sperrte Laden und Fenster auf , da schien der Mond herein , mir was ganz Neues , ich hatte nicht gedacht , daß der scheinen sollte ; ich lief in den Garten , der Spitz , der ist mein Geisterbanner , oder vielmehr bewacht er meine Zusammenkünfte mit den Geistern ; denn weil ich die Geister nicht fürchte , wenn er bei mir ist , so ruf ich mir sie herbei und rede mit ihnen , ich würde das allein nicht wagen ohne den Spitz . Lieber Clemens , ich hab Dir alles geschrieben , ich weiß , Du würdest zanken , wenn Du schriebst – aber Du schreibst ja nicht , Du kommst ja selbst , da kannst Du nicht , mit meinem Mund geb ich Dir einen Kuß auf Deinen , in welcher Sprache kann ich gebieterischer ausrufen : » Halt's Maul , geliebter Bruder ! « O , mein lieber Clemens , wie freu ich mich darauf . – Die Sonne scheint mir eben ins Bett und läßt mich nicht länger träumen von Dir . Ich kann mich mit dem Kritzlen nicht aufhalten , sieh , wie das schöne Wetter mich schnöde macht . Lieber Clemens , die Sonne ist eben wieder weg , da wollt ich gern weiter schreiben . Aber adieu , Clemens , sie ist schon wieder da , es geht gleich in den Wald , da wollen wir frühstücken , ich will sehen , ob ich ein Veilchen für Dich finde , komm bald , daß es noch blüht , ich bewahr Dir 's am Herzen , und wenn ich dann so redselig mit Dir bin , dann duftet Dir 's aus meiner Brust . Deine Bettine An Bettine Frankfurt Sei nicht traurig , liebe Bettine , daß ich nicht mehr hinaus komme , es ist besser so , mir selber tut's leid , und es ist wahrlich keine Trägheit von mir ; denn laufe ich doch gern viele Meilen um Deinetwegen , da mich nichts herzieht als Du , ja alles andre mich vertreibt . Es würde uns beide traurig gemacht haben , wenn ich noch zu Dir gekommen wär , und hätte nichts genützt . Du bist mir immer nah , und allen meinen frohen und guten Stunden wohnst Du bei , so soll Dir auch sein , drum freue Dich und sei gut . Die Freundschaft heißt nicht zusammenhängen und zusammensitzen , Freundschaft ist groß und frei und liegt im Gedanken , für den jeder Raum gleich nah ist . Jemehr Du mir ähnlich fühlst , wo ich gut fühle , jemehr Du mir ähnlich denkst , wo ich groß und edel denke , je mehr bist Du mein Freund , je näher bist Du mir , auch liebe ich nicht Dich hier in Frankfurt noch in Offenbach zu sehen ; denn wir sind dann beide durch unsre Umgebung gedrückt , und wir müßten , wenn wir nebeneinanderstehen , immer so stolz , so glücklich und so edel sein , als wir es können . Wenn ich nicht hier bin , bin ich viel besser und kann viel reiner und freudiger mit Dir umgehen . Ich kann Dir nichts zurücklassen und Dir nichts mehr sagen , Du weißt , was schön und gut ist , ich hab es oft in Dir gefunden , wolle es eifrig und mit Ernst ; und wo Dich die Menschen drücken , so hasse sie nicht , sehe sie an wie Pflanzen , die vielleicht auch in einem Boden stehen , der ihnen nicht gerecht ist . Menschen , die sich selbst nicht kennen und nicht wissen , wo hinaus sie sollen , sind wie Pflanzen , die nicht zum Blühen kommen . Das Blühen des Menschen ist das innere Bewußtsein ; dieses aber ist zugleich auch der Begriff der ganzen Menschheit , wie sie in ihrer Irrungen umherschwankt , wie sie in ihrer Blindheit und krüppelhaften Verbildung oft das Bessre zurückweist oder zerstört , aber der bewußte Mensch , das heißt der Liebende , muß diese Störungen umgehen können , er muß das Zurückweisen überwinden und muß grade diese Menschen pflegen , denen so vieles mangelt , deren innerem , geistigem Lebenskeim so unendlich vieles im Wege steht ; er muß ihnen sein wie Dein Gärtner aus dem Boskett , den Du so lieb hast , weil er ein so gesellschaftliches Leben führt mit den Blumen ; vom frühen Tag an ist er in fortwährendem Verkehr mit ihnen , und noch spät in die Nacht hinein macht er sich mit ihnen zu schaffen und bringt sie alle zum Blühen , die einen durch Kühle und Schatten , die andren durch Licht und Wärme . Immer geht er um sie her und läßt sie doch in ihrer Freiheit gedeihen , sie empfinden keinen Zuchtmeister in ihm , sie schmiegen sich willig am Stab , an dem er sie in die Höhe richtet . Nun aber ist jenen Menschen , die uns oft mißverstanden haben und haben geglaubt , sie müßten unsern Umgang stören , eine solche Pflege nie geworden , wie der Gärtner Deinem Nelkenstock schenkt , der ihn begießt , wenn er Durst hat , und läßt ihn von der heißen Sonne nicht versengen , nur am Abend darf sie mit ihm spielen . – Die Tante weiß zum Beispiel von solcher Pflege nichts . Ihr hartes Schicksal bei einem ganz verwilderten Mann hat ihr das Heimliche im Lebensumgang ganz versagt , sie ist dadurch selbst weniger gefühlig geworden für das , was die Seele angeht , sie hat eine lange Zeit in ihren Jugendjahren zwar sich müssen stählen gegen diesen Mann , der wie ein grobes Ungeheuer vor der Pforte aller Lebensgenüsse lag , und hätte sie auch nur selbst im besten Willen gewagt , ihm nah zu treten , so war das Ungeheuer gleich wach ; das heißt : mit Bosheit beschlich und mit Wut überwältigte er sie , ich hab in meinen Kinderjahren oft ihn sehen halbtrunken hinter der Tür lauern mit einem Messer in der Hand . Die Tante hat damals sich so ernst zusammengenommen , daß jeder in Koblenz die größte Ehrfurcht vor ihr hegte , obschon man von der Grausamkeit des Herrn von Möhn sich leicht eine Idee machen konnte , der mit lauter Postillionen von morgens bis abends im Wirtshaus lag , ohne der Frau je zu gedenken , ein Vermögen verzettelte und verschleuderte von mehreren Millionen . Das Herz durfte dieser Tante nie aufgehen – sie mußte mit der Form alles bekämpfen , und so ist ihr auch nur die Form im Umgang mit Menschen geblieben . Hätte sie je mit sich selber Mitleid gefühlt , so wär die Festung der Konvenienz , in der sie sich verschanzt hielt , wie Schnee geschmolzen , dann war sie dem Mitleid ausgesetzt oder auch der Verachtung , beides ist gleich in gewissem Sinn und soll in allen Lagen des Lebens gemieden werden . Man soll Mitleid mit niemand haben , man soll sich vielmehr schämen , daß es so werden konnte . Der Unglückliche steht immer groß dem gegenüber , der sich im Hafen des Glückes wähnt und wohl befindet , da doch wahrscheinlich ihm die bessere Tendenz ganz ermangelt , also den Unglücklichen bemitleiden heißt dumm sein , nein , vielmehr soll man vor dem Unglücklichen sich schämen glücklich sein zu können auf eigne Faust ; sich irgendeinen Lebensgenuß aneignen zu können oder zu wollen , der nur Beraubung dessen ist , der nicht mitgenießt . Hat der Mensch irgendein Weh , so fühlt er sich krank , ist aber ein Teil der Menschheit gedrückt und bedürftig , so tanzt der übrige Teil mit einer Art Wollust ihm auf dem Kopf herum , so lang er 's zu tragen vermag , hat er ihn gänzlich zusammengetreten , dann fällt's ihm wohl ein , durch Mitleid die arme Seele zu kitzeln , die aber gar nicht mehr wirklich , sondern schon lange zum Gespenst geworden ist . Gespenster fühlen ein Behagen an solchem Tugendgekitzel , sie schmeicheln sich selbst , sie tragen sich auf Händen , sie haben einen faktizen Verkehr mit Gott , der aber nur Götzendienerei ist , sie belämmern alle Menschen mit ihren Anstalten der Menschenliebe ; es fällt ihnen gar nicht ein , daß sie selber die bösen Schicksalsdämonen sind , deren Grausamkeit sie gerührt beweinen , und der sie steuern wollen mit einem Stück Englisch-Pflaster von dem sie mit der feinen englischen Schere der Mildtätigkeit Schnippelchen abschneiden , um damit den aufgesperrten Rachen der entsetzlichen Wunden zu verkleben , aus denen das warme Blut an die Erde quillt . – Ich möchte wohl aufhören , noch weiter darüber zu sagen , denn Du fühlst alles , und besser . Mitleid ist aus Verachtung geboren und ist auch eigentlich Verachtung , und edelgeborne Menschen werden durch Mitleid sich entwürdigt fühlen , sie wollen lieber die eignen Kräfte dran setzen , als vom Mitleid sich betauen lassen , und so kommt es oft , daß diese große Helden werden , die dem Mitleid ausweichen ; denn natürlich liegt der Keim des Helden in ihnen . Jene andern aber , die dem Mitleid erlauben , mit Schmarotzerliebe sich an ihnen zu mästen , die werden verkümmern und menschlicher Würde untauglich sein . Gewiß ist dies eine , daß Mitleid , welches aus Verachtung entspringt , auch wieder die Quelle der Verachtung wird . Der Mildtätige hält sich hoch über dem Bedürftigen . Der Habende dünkt sich in Bildung und Streben weit über dem Nehmenden , und doch sollte er vielmehr ihn über sich stellen . Wie die Indianer , die einen Menschen , der nichts Irdisches sein nennt , für göttlich halten , dem sie ihre Gaben als Opfer darbringen und ihn bitten , ihnen nicht zu zürnen , daß sie nicht so heilig sind wie er . Was machst Du mit Deinem Gelde ? – Die Geschwister sagen , Du habest nie welches , und doch wissen sie nicht , wohin es kommt . Sei fleißig und mache , daß Dir das bürgerliche Mechanische im Leben nicht verächtlich wird , es ist die Quelle von viel Geistigem , und bestrebe Dich einer schönen Sparsamkeit . Du glaubst nicht , wie glücklich es Dich machen wird , wenn Du fortfährst , den Luxus und die augenblickliche Mode zu verachten , und bloße Reinlichkeit und das Gefällige Dich reizt , Du kannst mit allem , was Du ersparst , einstens vieles Schöne und Vortreffliche erschaffen . So sollte Dir auch die Zeit sein , – geteilt in unschuldigem Genuß und in ernstem seelenvollen Geschäft ! Um was ich Dich aber noch bitte , so sehr ich Dich liebe , lerne schweigen , für Dich selbst bestehen , und sei in der Würdigung eines jeden gerecht . Nur , was ewig gefallen oder mißfallen kann , dem ergib Dich , von dem wende Dich . Sei fleißig in Deinen Gedanken , daß heißt , sei lebendig im Geist , sehne Dich nach keiner andern Welt als nach jener andern , die in dieser schon lebt für den , der sie findet , und Du wirst sie finden , denn allen Wesen , die mit einem edlen Durst nach dem Ewigen um sich blicken , denen gestaltet sich das Unsichtbare ; der Geist aller Dinge erblühet in schöner Form um sie , und das ist jene bessere Welt , nach der man sich sehnt , sie ist um uns . – Die Kunst und ihr stiller einziger Tempel : ein reines unschuldiges und stolzes Herz . Ich schicke Dir hier Moritzens Götterlehre und wünsche , daß Du sie mit Ruhe , ohne Mühe und mit Genuß durchlesest . Du mußt nicht drin herumhüpfen und ein Anekdotenbuch draus machen ; denn diese Götterlehre ist eine solche andre Welt , die sich das gebildetste Volk , die Griechen , erschaffen hatten , und kann Dir selbst und Deinem Geiste nur wohltätig werden , wenn sie in Dir , in ihrer großen edlen Folge gleichsam während dem Lesen entsteht . Du sollst besonders suchen den Gesichtspunkt für die mythologischen Dichtungen zu begreifen , das wird Dich aus Deinem Emigrantenverhängnis hoffentlich ein bißchen ablösen . Ich will Dich in Deinen Begeisterungen ja nicht tadeln für alles , was Dein Verstand zu fassen und in Dir selber zu verdauen versucht . Weltgeschicke liegen jedem gleich nah und wirken in ihm , sowie er dadurch auch berufen ist , in ihnen zu wirken . Also studiere in Gottesnamen mit der Großmama alle fliegenden Blätter und Reden der Nationalversammlung durch , wähle Dir Deinen Helden unter ihnen , bete zu ihm und für ihn und vergiß Deinen Clemens , er wird doch Dich nicht aus den Augen lassen . Aber bedenke , daß Reife , Sachkenntnis und Neuheit ein Berg sind , der oft nur eine Maus gebärt ; Du aber bist diese kleine Maus und wirst nicht ein Fädenchen an den Weltgeschicken zernagen , obschon es Dein Auge schärft zu überblicken , zu durchschauen und vielleicht auch manches zu durchdringen ; und vergiß die Muse nicht über der Tonleiter der Revolutionshelden . Schreibe mir öfter und schicke mir Deine Aufsätze dabei , auch die über die Revolution . Der letzte Sur la volonté de la France war schön , und ich finde mich hinein , weil er das Allgemeine in sich enthält . Lebe wohl , und nochmals herzlich bitte ich Deine besondre Aufmerksamkeit auf Schweigen – auf für Dich selbst bestehen und innere Kraft zu wenden und recht froh und gesund zu bleiben . Dein Clemens An Clemens Clemente ! Die Sonne hat Kräuter und Sträucher in sich verliebt gemacht , sie schwellen vor Verlangen und werden ehestens in Blüte ausbrechen , eine Knospe strebt der andern vor , doch sind sie nicht eifersüchtig , so viel ihrer sind . Clemens , wenn 's die Blumen tun , so will ich auch meine Liebeserklärung machen , aber wem ? – Ich lege sie in Dein Herz nieder , bewahre mir sie , und wenn Du einmal auf einen hohen Berg kommst , wo man eine weite Aussicht hat , geliebter Clemens , so kannst Du sie als Denkmal unsrer Eintracht stiften , aber eine weite Aussicht muß meine Liebe haben , dann übersehen wir beide alles zugleich und fühlen Übereinstimmung in allem , wenn wir auch in manchem verschieden denken , und Deine griechischen Götter und meine französischen Helden bilden eine Welt . Du frägst mich so viel in Deinem Abschiedsschreiben , Du belehrst mich , Du zankst mich verborgen unter heimlicher Decke , und noch so viel Fragen weckst Du mir im Gewissen ; – und voll ist die Brust von der Fülle , die Du mir all in Deinem Brief spendest , daß ich auch wie die Rosenknospen angeschwellt bin und möchte aufbrechen dem Licht und gar keine andre Rechenschaft mehr geben als den Duft , den gleich der Rose meine Seele aushaucht , weil Du sie wie die Sonne wärmst und reizest . – Aber doch wend ich zur einfachsten Frage mich , » was ich mit meinem Geld anfange « , und gebe Dir die dummste Antwort , wo Du gleich meinen wirst , ich wär närrisch . Ich habe das Geld verschatzgräbert ! – Ja , Clemente , ich hab 's in ein klein leinenes Beutelchen gesteckt , worauf ich mit Goldfaden und roter Seide meinen Namen gestickt hab und noch allerlei kabbalistische Zeichen ; ich hab's zugesiegelt mit einem schwarzen Siegel , einem grünen und einem roten , dann hab ich ein Loch gegraben zwischen den zwei starken Wurzeln der Pappel an der Rosenwand , da hab ich 's in einen ledernen Schuh hineingeschoben und einen Topf mit einem Basilikumstrauch drauf gestellt , und allemal , wenn ich Geld kriegte , wechselte ich davon in Gold um und allemal , wenn der Mond schien , ging ich mit dem Spitz hin und legte es dazu , und dabei hab ich das Gelübde getan , ich wolle es verschweigen , und weil Du mir das Schweigen so sehr anempfiehlst , so erzähle ich Dir das einzige Geheimnis , was ich hätte verschweigen können , und nun ist alles leer an Geheimnis , und ich kann also nichts mehr verschweigen ! – Denn sonst , – mit dem Mund bloß nicht reden , das ist 's doch nicht , was Du meinst , da die Tante sich alle Mühe gibt , mir abzugewöhnen , daß ich nicht wie ein stummer Ölgötze den Leuten in den Mund gucke , die mich etwas fragen . – Ja , mit meiner Schatzvergrabung , davon will ich Dir noch forterzählen , weil ich's nun doch schon gesagt hab . Ich habe dies Geld der Selene gewidmet , der Himmelsschwester des Hesperus , diese beiden sind unsre Schutzpatrone , der Stern ist der meinige als Bruder , der mich abends immer besuchte , der Mond ist der Deine , der Dein Andenken oft mit seinem Schein in mir erhellt . Nun hab ich aber dieses Opfer doch der Selene wieder geraubt , mit Zagen zwar – ich habe das Geld eilig am Abend ausgegraben und hab 's über die Gartenmauer geworfen , in den Garten vom Magnetiseur nebenan , ich hörte es klingeln , wie's hinabfiel , und ich rief dazu so laut als ich konnte , ohne daß man 's im Haus hätte hören können : » Da ist Reisegeld ! « Und dann war mir auch , als hörte ich das Geld rappeln beim Aufheben , aber ich lief fort . – Denn die Tante hatte am Tag vorher bei Tisch erzählt , der Magnetiseur möchte gern abreisen , aber es fehle ihm am Reisegeld . Aber er ist doch noch da , denn ich seh ihn alle Abend noch im Garten gehen und beobacht ihn vom Hoffenster , ich schäme mich so sehr und traue mich gar nicht mehr in den Garten , wo wir sonst als über die Wand allerlei Merkwürdiges verhandelten . Aber nun kommt was Schreckliches , was da passiert ist , mir ist's passiert . – Denk Dir , der alte Schuh , in den ich mein Geld hineingesteckt hatte , um den schönen Beutel zu schützen , war eigentlich ein neuer Schuh , sein Kompagnon stand ganz vergnügt in dem kleinen Kasten bei den andern Schuhen ; ich soll abgeholt werden nach Frankfurt morgen früh , die Tante frägt : » Wo ist denn der andre neue Schuh ? Das ist große Schlamperei von Dir , einen Schuh zu verlieren , ich muß Dich sehr bitten , strenge Dich an , ihn zu finden , « ich lief in den Garten , ich holte meinen Schuh unter der Pappel hervor , ich wollt ihn ein bißchen reinigen an der Pumpe und versuchte ihm ein Ansehen zu geben , da fällt was heraus , das glänzt in der Dämmerung , ein Ring , ich lass den Schuh stehen , ein dunkler Stein , der funkelt so nächtlich schwarz wie der Blitz des Räubers oder wie Mirabeaus Auge vielleicht , und inwendig im Schild steht ein schwarzes M. Wir gehen morgen auf die grüne Burg zu den Geschwistern , acht Tage bleiben wir dort , die Götterlehre nehm ich mit und den Ring , wo soll ich ihn lassen , ich glaub , er ist ein Talisman , ich hab schon allerlei Fragen und Befehle um Mitternacht an ihn ergehen lassen , aber der Geist ist nicht erschienen , der mir vielleicht beistehen wollte , dumme Streiche zu machen . Adieu , Clemens , ich hab Melodie gemacht auf ein Lied aus dem Sänger . Deine BettineGöttingen Liebe Schwester ! Ich öffne wie eine Pflanze mein Herz und rolle alle Blätter auseinander , wenn Du herüberscheinst . Dein Brief ist mir von Marburg aus zuvorgeeilt und hat mich hier empfangen . Ich will , daß Du so vernünftig werdest , daß alle Welt einst ihre Zuflucht zu Dir nehme und Dich hochstelle , und dann will ich Dir 's wieder ablernen . Hast Du Lust , dumme Streiche zu machen , so warte , bis ich komme , und mache sie ganz heimlich mir alleine , ich kann mich an Deinem ganzen Leben ergötzen , lese brav , schreibe viel , alles , was Du empfindest , schreibe nieder , denn das Ausgesprochene ist lebendig wie meine Liebe zu Dir . Weil Du nun einmal mein guter Engel bist , so mußt Du auch Dein Amt mit Treue verwalten , mein guter Engel muß immer heiter sein und meiner mit Hoffnung und Segen gedenken und auch mich strafen mit Worten und mich anmahnen in Deinen Briefen , daß ich mein Ziel nicht aus den Augen lasse , Du mußt mit Deiner Lebensfreude die meine anfachen , Du mußt meinem Enthusiasmus die Flügel lösen , mit Deinem Ernst , mit Deiner Güte und Wahrheit . Willst Du das ? – Sei recht fleißig und fröhlich , und ehre und achte , was Du tust . – Den Herbst besuch ich Dich , am End werd ich Dich kaum noch kennen , so wirst Du gewachsen sein , an Geist und Leib ; und fröhlich , und so schön wirst Du zeichnen . – Ach , Du weißt nicht , was Du mir bist ? Was ich liebe , das bist Du , Du hast es also in Händen , kannst es mir hegen und pflegen . Wirst Du das ? – O fasse ein recht lebendiges Interesse an allem und dringe tief ein in das , was Du lernst , nicht oberflächlich , lieb Kind , Du glaubst nicht , wie unendlich wohl es Dir tun wird , wenn Du in ein paar Jahren etwas besitzest , dem Du Dich ganz hingeben kannst , lasse Dir 's daher recht angelegen sein , zeichne recht mutig , mach Dir nichts daraus , ein Bildchen fertig zu haben , sondern eine Gewalt zu haben im Geist , die Du mit Deinem Talent auszusprechen vermagst , wenn Du über das Gewöhnliche hinauskämst , ich würde glücklicher werden als Du , schicke mir Deine Melodie , schreibe mir und halte Wort und – fasle nicht mit Ring und Talisman und Mirabeau usw . Dein Clemens An Clemens Clemente ! Hättest Du das letzte nicht geschrieben , so hätte ich Dir das erste nachgesehen , daß Du mich vernünftig machen willst für die Welt – und denn am Rand , daß ich nicht faslen soll mit dem Mirabeau ; in der Mitte die große Philisterglosse , wie ich mich und Dich soll bessern . Und der Sommer steht inmitten seiner Glut , wo jeder faul sein mag , und ich soll fleißig sein und gewachsen , wenn Du kommst , auf den Grasplatz hab ich mich gelegt unter die Leinwand , vielleicht vom Begießen , daß ich wachse ; aber ich kann in der Sonnenhitze nur herumschlendern . Ach , Clemente ! Wenn ich mich hinsetze zum Zeichnen – weißt Du , wie mir's da geht ? Es wühlt mir im Kopf , ich muß mir Luft machen mit einem Lied , ich muß ein neues Harpegge erfinden . Nein , das auch nicht , es schwärmen mir Gedanken im Kopf , wie soll ich Dir sagen ? – Schmetterlinge sind's , ich muß ihnen nachjagen , aber dazwischen jagt 's mich selbst wie einen Schmetterling davon , und die Bohnen in meinem Gartenbeet muß ich erst am Bindfaden hinaufschlängeln . Und will ich mir nicht davonlaufen , dann kribbelt's mir im Kopf und in den Füßen , ich kann nicht sitzen bleiben , es fällt mir das dummste Zeug ein . Meine alte Puppe vor zwei Jahren ! Heut hat 's mich geplagt , ich mußte sie wieder einmal betrachten , mit der ich mich zum letztenmal unterhalten hatte , als Du zum erstenmal hierherkamst , Clemente ! Du weißt noch , wie ich sie geschwind unter den Tisch warf , als Du hereintratst , und ich sah Dich an und kannte Dich nicht und hielt Dich für einen fremden Mann , der mir aber so wohlgefiel mit seiner blendenden Stirne und Dein schwarz Haar so dicht und so weich , und Du setztest Dich auf den Stuhl und nahmst mich auf einmal in Deine zwei Arme und sagtest : » Weißt Du , wer ich bin ? Ich bin der Clemens ! « Und da klammerte ich mich an Dich , aber gleich darauf hattest Du die Puppe unter dem Tisch hervorgeholt und mir in den Arm gelegt , ich wollte aber die nicht mehr , ich wollte nur Dich . Ach , das war eine große Wendung in meinem Schicksal , gleich denselben Augenblick , wie ich statt der Puppe Dich umhalste . – – Ich habe meinen angefangnen Brief mitgenommen , hierher auf die grüne Burg . Die Schwestern sind auf einem weiten Spaziergang , ich war auf einem Nebenweg so ins hohe Gras gekommen , daß ich nicht mehr drüber hinaussehen konnte , wo die geblieben sind , da bin ich ein wenig liegengeblieben zwischen Gras und Kräutern und hab ins Abendrot geguckt , wie das den blauen Himmel bewältigte , und die Lerchen fielen nieder , gar nicht weit von mir , und die Frösche im Burggraben untereinander halten ein Gered von der Moral , durch die ganze Froschtonleiter hör ich vernehmlich krächzen : » Moral , Moral , Moral . « – Die Linden blühen , Clemente , und der Abendwind schüttelt sich in ihren Zweigen . Wer bin ich , daß ihr mir all euren Duft zuweht , ihr Linden ? Ach ! sagen die Linden , Du gehst so einsam zwischen unsern Stämmen herum und umfaßt unsre Stämme als wenn wir Menschen wären , da sprechen wir Dich an mit unserm Duft . Adieu , Clemens ! Es ist schon spät ! – Ich konnte noch sehen , wie ich Dir von den Linden schrieb , sie haben mir ihren Atem zum Fenster hereingehaucht , ich mußte sie wieder anduften mit meinen Gedanken , da kamen die Vögel zur Nachtherberg in ihr Gezweig , und ich hätt auch da schlafen mögen , sanft bebend umschmeichelt vom flüsternden Laub , wie angenehm da schlafen . Schreib nach Offenbach , übermorgen gehen wir drei Schwestern schon wieder zurück . Da schick ich Dir das Blatt , worauf ich eben mit den Linden mich unterhalten hab . Ich will in die Wolken schauen und in den Mond , von dem eben der Tag Abschied nimmt , und ich will solang hineinsehen , bis ich eine andre Welt entdecke , und wenn ich sie gefunden hab , dann soll keine Träne mehr neidisch mir den Glanz verdunklen , in dem meine Seele ihre Farben spiegelt ! – Und was flüsterst du , Linde , mir ins Ohr ? – » Grün , grün ist die zarte Farbe der Seelenruh , grün im Abendschein ist die Wiege der Träume ! Und jeder Halm wiegt einen Traum , und mein Geblätter raschelt im Netz der Träume , und es winkt dir ! « – Ach , schweig du , Linde , es ist Nachtzeit , die Sterne glitzern durch dein Laub und reden anderes ; und das rieselt mir durchs Gebein ! – Ahnung soll künftig meine Seherin sein , und wenn ich ihr die Töne meiner liebenden Trauer geliehen hab , um das Schwellen zu malen und das Sinken ihrer sehnenden Gewalt , so soll sie mich wieder trösten , die , ein ewiges Meer , alle Wehmutstränen in ihren Wogen fortwälzt , bis sie vom Trübsinn gereinigt aufsteigen als elektrisch Feuer aus ihrem Wellenschoß . – » Ach du ! « – flüstert die Linde – » sei nicht hoffärtig , das löst nicht den Zauber . « Ich horche auf dich nicht , Linde , ich lausche den Sternen da oben ! – ich hör Musik , sie schmelzen ihr Licht ins dunkle Nachtblau , ihre Strahlen klirren im Tanz aneinander . » Was du nur willst mit deinen hochstrebenden Gefühlen « , sagt wieder die Linde ; » sie langen ja nicht hinauf , komm unter meine Krone , sie schüttelt ihren Tau auf dich , damit fühl ich dich gesegnet . « Ach nein , immer lauter und klarer klingen die Sterne , ich hör , wie sie freudig ihre harmonische Verwandtschaft in die freien Lüfte tönen . » O wehre meinem Flüstern nicht , « sagt wieder die Linde und schmeichelt – und meint , » was ist denn Musik der Sterne dagegen ? – Wolle mich denken , du schaffest meinen Geist durch dein Begreifen meiner Natur , daß der wieder sich um dich winde , wie jetzt der deinige sich um mich windet , er soll dich berühren und immer , bis deine Seele leicht und kühn sich aufschwingen lernt zu eigner Freude , in einem Zug lieblich sprechender Töne ! « Was sagst du , Linde ? – Ist mein Begreifen deines Geistes spielende Seele ? – Linde sagt : » Meine Seele rieselt mit Schauern zu dir hinüber , weil du sie denken magst . Denken beseelt , alle Wesen färben sich im Gedankenlicht . Was ist der Abendschein deinen Gedanken , daß sie weit über Feld mit ihm fliegen , und weil du ihn fühlst . Und wäre Denken nicht , so würde kein Wesen mehr beseelt sein , und die Schöpfung würde stumm in sich versinken . Denken beseelt , und alles Wesen erklingt in eigner spielender Farbe in seinem Licht , wodurch alles lebt und sich unsterblich glaubt , und doch hängen sie nur vom Geiste ab , der das Denken ist . Wir glauben uns selbst zu erkennen als lebend , und die geheime Freude des Werdens in uns ist doch , weil wir erklingen im Geist , der uns denkt ! « – Sag ich wieder : So denke mich , Linde , denn schöner möcht ich nicht im Gedanken reifen als in dem grünen Schimmer deiner Blätter , den der Abendschein küßt , und möcht nicht edler meinen Geist hinaufgetragen wissen als im Duft deiner Blüten . Die Linde rauscht im Wind und schüttelt sich , es kitzelt sie , daß ich so artige Worte mit ihr geredet hab , es passiert ihr nicht alle Tag . Deine Bettine An Bettine Am Rhein , Rüdesheim Dein Gespräch mit der Linde und der herrliche Abendschein über dem Rhein und das schöne Mädchen Walpurgis hier im Wirtshause , haben vor wenig Minuten rings um mein Herz gebuhlt . Ich bin in das Mädchen verliebt wie ein guter Junge , und wenn sie das Papier geschrieben hätte oder den Abendschein und die Linde verstände wie Du , so wäre kein Treiben und kein Sehnen mehr auf Erden für mich . Aber so ist 's nicht , ich werde nicht von ihr verstanden , denn ich verstehe den Abendschein ; und sie , die sich und ihn nicht versteht , ist wunderschön , und der liebe Gott hat Schätze in ihre Augen gelegt und einen Liebreiz in ihren Mund , daß man einen Tempel mit diesen Schätzen könnte errichten und Gebet von diesen Lippen wie Honig von süßen Blumen sammeln könnte , aber sie ist in einer sehr unschönen Umgebung von Eltern und Geschwistern , und Gott segne Dich , daß Du so bist , wie Du bist . Es ist ein alt Sprichwort , wo Schätze liegen , stellt der Regenbogen seinen Fuß auf , aber es ist böse , es ist ein Aberglaube . Und wenn ich dies Mädchen ansehe , bin ich so abergläubisch ; der alte Bettler , der hier in der alten Ruine vom Schloß der Gisela Brömserin wohnt , das dicht am Rhein steht , hat seinen Herd auf dem Altar der Kapelle und schläft in steinernen Gewölben , durch die das Himmelsgewölk herabsieht , und seine Begeisterung , die er trefflich auf seiner Pfeife auszudrücken versteht , wenn er viele Heller beisammen hat , hallt zwischen den vielen Pfeilern durch recht lustig , ich gehe da abends in dem lauen Wind auf und ab und höre , wie er aus einem raschen Walzer in den andern sich hineinpfeift , und dabei schlägt er so munter den Takt , als ob er im Tanze mit einer schönen Walpurgis sich drehe . Ich rede oft mit ihm , und er hat mir 's gar nicht geleugnet , daß er auch noch oft sich verliebt . Am End kam's heraus , daß wir Nebenbuhler sind , und daß die Walpurgis der eigentliche Reiz seiner musikalischen Belustigungen ist , denn sie hat nicht weit davon einen Weingarten , wo sie den Gästen abends ihren Weinschoppen reicht , in Krügen mit Deckeln von blankem Zinn , und da tun ihr die Gäste schön mit Reden und verlangen auch wohl einen Kuß , sie läßt sich 's gefallen , das ärgert mich . Ich hab den Bettler damit eifersüchtig machen wollen , und der hat mich ausgelacht , wir hörten das Gelächter aus der Weinlaube herüberschallen , er trällerte auf seiner Pfeife dazu , und darauf ging er eine Wette mit mir ein , daß wenn ich ihm eine Kanne Wein dort bezahle , so wolle er von der Walpurgis einen Kuß erwischen , in Gegenwart aller Gäste . Anstatt drüber zu lachen , machte mich 's verdrießlich , er zog aber ungeheuer fix die herunterhängenden Strümpfe und Beinkleider auf , die Jacke hing er an den Pfeiler und klopfte eine Staubwolke heraus , dazu bellte der Hund , den er im Zwinger eingesperrt hat , der merkte , es solle auf Abenteuer ausgehen , und wollte mit . – Wie er sich aber seinen staubigen Bart wusch und dann mit der Schuhbürste wichste und dann vor die Haustüre trat und bemerkte , wie der Mond sich drin spiegle ? Ich dachte , der böse Feind lache mich aus . Der Mann sah seltsam heimlich anziehend und stolz auf mich herab , und was tat der Mann , er legte seine Hand auf meine Schulter und ging mit einem Schritt , als ob er ein spanischer Grande sei , in die offne Weinlaube . Ich forderte Wein für uns ; vom besten , sagte er , im Vorübergehen gab ihm das Mädchen einen Handschlag . – Und denk Dir , er hat die Wette gewonnen ! – Und mir hat sie nie einen Kuß gegeben , so sehr ich auch drum bat , ich vergesse diesen Mann nie , wie er beide Ellenbogen aufgestützt , die Hände über die offne Weinkanne gefaltet hielt , dann und wann einen Zug draus schlürfte , ohne sich aus der Position zu rücken , mit seltsamen Trinksprüchen jeden Trunk würzte ; das gefiel ihr , er sah ihr tief unter die Augen , goß die Kanne in einem Glucks hinunter , und das gefiel ihr auch . Und kurz , sie gab ihm unaufgefordert den Kuß . In ihren Zügen spiegelte sich eine wunderbare Schönheit , ihre Lippen zuckten und ihre Augen glänzten ihn so freundlich an , als fließe ihre Seele über in Großmut , einen unschätzbaren Schatz geben zu können . Der Mann , der nicht einmal aufgestanden war , sondern sitzend den hinabgereichten Kuß von der schlanken Walpurgis ihren Lippen nahm , hielt sie noch eine Weile so im Arm . Kein Fürst konnte freudig kühner sein Anlitz über die Menge erheben . Alle Gäste waren still geworden ; denn alle sind in das Mädchen verliebt ; er genoß noch einen Augenblick seinen Triumph , dann stand er auf und bot gute Nacht . Die Walpurgis stand an der Gartenhecke und grüßte , indem wir vorübergingen ; und das ist's , was mir am meisten ins Herz schnitt . Ach , es ist wahrlich alleins , ob man bettelt oder gut lebt , wem das Herz freundlich ist zu geben und seine Liebe widerwillig zu empfangen , der allein ist reich . Wo ist Reichtum ? – Auf Erden nicht ! Gold ist Sonnenschein , und Rubin ist Abendrot , aber Liebe ist alles . Aber die Erde ist nicht alles , denn es ist wenig Liebe in ihr ; sie ist in der Liebe ! – Es tut mir leid , daß Du das alles nicht auch sahst , Du würdest schöner davon sprechen , und schön sprechen soll man , damit das Schöne immer lebendiger wird und mehr . Denn die Liebe hat nimmer des Schönen genug . Savigny hat alles auch mit mir gesehen , ich dachte , hier , wo seine Studiermaschine nicht fortwährend im Gange ist , werde endlich einmal sein Inneres zu Wort kommen ; doch stumm wie immer marschiert er neben mir die Natur auf und ab , und das verdirbt mir alles Genießen . Morgens kommt der Barbier aus dem Dorf , der sein Antlitz ziemlich barsch behandelt , um ihm den Bart abzunehmen , er läßt's geschehen ; wenn Walpurgis zufällig hereinkommt , stelle ich mich vor ihn , weil ich mich schäme , daß dies schöne Mädchen sieht , wie er den Barbier damit umgehen läßt , und dann ! – Wie geht er mit mir um ? – Viel ärger wie der Barbier . Er belächelt meine Reden , er belächelt meine Gedichte , er belächelt auch meine Verliebtheiten , und kurz sein Wesen wird mir eben nicht klar , und wenn ich darüber klage , so meint er , alles sei ja unendlich klar . Etwas ist's , was mir ihn unverdaulich macht ; vielleicht ist die Schuld mein , trotz meinem besten Willen . Walpurgis hat einige Züge von Dir , und die ziehen mich vielleicht am meisten an , die übrigen , die Du nicht hast , hast Du in der Seele und sie im Gesicht . Ich denke immer an Deine Seele bei diesen Zügen und sage dem Mädchen schöne Sachen , wenn ich an Dich schreibe , und rede Dich an , wenn ich ihr Schönes vorsage . Werde nicht bös , ich will ein bißchen hinuntergehen , vielleicht sehe ich sie , aber sie weicht mir aus , sie weiß nicht mit mir zu sprechen , so Du nicht . Ach , weißt Du , was sie eben mir sagte , als ich fragte , warum sie den Bettelmann geküßt habe ? – er gefalle ihr – und ob ich ihr denn gar nicht gefalle ? – sie sagte nichts darauf . – Aber wenn sie mir auch einen Kuß gäbe , so würde ich auf alle andre eifersüchtig werden , und dann würde das ein groß Gezänk geben im Wirtshaus , und das wolle sie aber nicht haben . Mit wem sollte ich in Zank geraten , es ist ja niemand im Wirtshaus wie Savigny und ich , und der ist ja gar kein Kenner von deiner Schönheit ; ich plaudre dir auf der Gitarre so schöne Abendlieder vor , ich erzähle dir so hübsche Geschichten , ich bin früher auf als du und guck dir zu , wenn du in den Hof herunterkommst , das rührt dich nicht ? – Sie sagt selbst : Gar nicht ! Du bist nicht so , mein einzig Kind , mein Schutzengel , was ich Dir zulieb tue , das tust Du gern und verdienst Dir einen Dank ab , wenn es auch noch so gering ist . Wenn ich nun auch herumschweife und mich in Liebeshändel einlasse , wenn ich 's tue , so ist 's doch immer , weil ich weiß , daß ich meine Heimat habe in Dir . Ich hab dem Savigny gesagt , er soll ein bißchen hier dran schreiben , aber der arme Mensch ist froh , daß er lesen kann . Es ist wieder Abend , er hüllt die Welt in wild zerstreute Farben , der Umriß meiner Tage spricht mich dagegen so farbenlos an , wie wenn ein Geist mich anredete . Die Natur kommt uns armen unnatürlichen Menschen so oft übernatürlich vor . Walpurgis hing heut an meinem Arme , ihr Anblick , die ganze Reihe von Bergen umher , deren Häupter unsre Nachbarn waren , erfüllte mich wie ein Traum . Die Täler waren versunken im Nebel , und ein so lebhafter Spiegel aller Dinge in meiner Brust , für die ich keine Stelle mehr sah , um sie mir zu bewahren . Alles dies , was ich Dir hier deutlich hinschreibe , war Verwirrung in mir , und ich sah träumend in den Wald hinein , während ich mit vollem Bewußtsein eine der reinsten und entsprechendsten Umgebungen meines Lebens hätte genießen sollen , hätte sie Herz oder Sinn für mich gehabt . Dort sah ich ein Licht , was im Grunde des Holzes wankte , und erinnerte mich der behaglichen Gefühle , die uns beiden so oft die erleuchteten Hütten gaben , wenn Du mit mir am Abend durch die Dörfer gingst . Die Ruhe nach der Ermüdung ; und wir sahen da die Kinder rund um den Ofen , die Spinnräder und die Lampe nach der Reihe einschlafen . Ach , es ist sehr traurig , wie ungeschickt einen das macht , was man im Leben die Konvenienz nennt , vielleicht hätte sie meine Empfindungen ganz auf die verkehrte Seite verstanden . Eine auswendig gelernte Mannigfaltigkeit und geschraubte Konsequenz , die , sobald wir in die Natur treten , zu höchst verderblicher Ungeschmeidigkeit und Einseitigkeit führen . Mit meiner Rückkehr zu mir selber versammelten sich nach und nach allerlei heterogene Empfindungen , und ich fand mich endlich in einer so wunderlichen Gemütslage , wie wenn ein Weltmann einen französischen Pas und einen munteren natürlichen Sprung in der Mitte vereinigen müßte . Die Wolken drängten sich wie wilde Heere , Gestalt und Stellung wechselnd in dem Streite , Der Sonne Strahlen schienen blut'ge Speere , Es rollet leiser Donner in der Weite , Noch unentschieden schwankt des Kampfes Ehre ; Von Tag zur Nacht neigt sich 's zu jeder Seite . Bald sinkt die Glut , es brechen sich die Glieder , Es drückt die Nacht den schwarzen Schild hernieder , Doch , teilst du froh mit mir , was du gegeben , Durch die allein von Schmerzen ich genas , Dann wirst du auch mich über alles heben , Was ich , in deine Seele blickend , gern vergaß ; Und kannst du mir auf diesen Höhen trauen , So werd ich bald das Höchste überschauen . Bald werd ich die Gärten der Armide fliehen , bald bin ich bei Dir . Clemens An Clemens Liebster Clemens , ich hab was von meinen Klosterarbeiten hervorgesucht , ein Sträußchen von Seide gewickelt , die alte Laienschwester Monika , wie die das Sträußchen mir wickeln lehrte , kam es mir so allerliebst vor , und nun seh ich , daß es doch nur ein allerliebstes Nichtschen ist , aber vielleicht macht 's der Walpurgis Spaß . Die Monika hatte einen Bierkrug auf ihrem Tisch stehen , von dem erzählte sie mir damals , als wir die seidnen Blumen wickelten , der Geist ihres verstorbenen Vetters sei gekommen und habe den Deckel vom Krug aufgemacht und aus dem Krug getrunken , um ihr anzuzeigen , daß er tot sei . Ist es denn nur bei solchen Gelegenheiten , daß sich ein Geist auf die Beine macht ? Ich frage , weil , ach weil ich in Gedanken so sehr , so ganz wahr und wirklich bei Dir bin , weil ich Deine Gitarre höre im Geist und Deine Stimme ihre feurigen Lieder dazu dichten . Clemens , Du bist so gut und so schön , wenn Du singst , bist Du so besonders liebend noch dazu , und mir der Liebste , der Trefflichste , nicht aller Menschen , denn Menschen kenne ich , glaub ich , gar nicht , mir sind sie nicht aufgestoßen , das lieblichste Du selbst bist Du mir , die andern sind mir kein Selbst , sie sind zusammengeliehene , durch Umstände und Eigenheiten , die ich besser noch Verkehrtheiten nenne , entstandne Unselbstheiten . Eine grüne Wiese mit tausend goldnen Blumen , die all auf ihren feinen Stielen im Abendschein wanken , und ein Clemens , der über die grüne Wiese so stolz am Ufer vom stolzen Rhein hingeht und fährt so rasch über die Saiten und singt so feurig und weich seine Liebe . Ich möchte ihr Hohn sprechen , daß sie Dich nicht küßt , lieber als hüben den Bettelmann , der über Dich lacht , und drüben den Savigny , der über Dich lächelt , und der sich so offenherzig rasieren läßt . Clemente , die ungeheuren Stricke , mit denen Du gebunden Dich wähnst , sind nur Spinnweb . Und Du fürchtest , daß wenn Du einen Ruck tust , so reißt das ganze liebesgewebte Netz , Du willst's aber gar nicht zerreißen . Gäb sie Dir einen solchen Rheingauer Schmatz , so fiel die Lieb Dir nicht mit der Tür ins Haus . Was solltest Du damit , Du fühlst es selbst . Der Savigny mag sie meinetwegen schon geküßt haben , im Weingarten oder am Brunnen oder sonstwo , er kommt herbei , man sieht 's ihm nicht an , er macht einen ganz trocknen Mund . Du aber , Clemente , würdest mit allen Sternen Dich darüber besprechen und Echo würde es Dir abluchsen , um es durchs ganze Donnergebirg zu widerhallen , und Du selbst würdest schwanken wie ein Trunkner , des süßesten Weines voll . – Und Walpurgis hat recht , daß es würde Streit setzen im Wirtshaus . Denn das Wirtshaus würde alles entgelten müssen , und wenn das Dachfenster nachts im Winde klapperte , so wär 's ein Eingriff in Deine Träume , grade da , wo Du vielleicht gewünscht hättest , das Dachfenster hätte Dich um alles nicht geweckt , und wär die Walpurgis zutunlich mit dem Pommer oder mit dem Spitz , so würdest Du ihr vorwerfen , daß sie freundlicher mit den Hofhunden sei wie mit Dir , und würdest dabei ungerecht sein , denn ein Hündchen , das man hat aufgefüttert , und das einem so absichtslos treu ist , das kann einem wohl näher am Herzen liegen als ein durchreisender Liebhaber . Und sei doch ein kaltblütiger Dichter , der gern eine Rolle übernimmt in dem eignen Lustspiel , was er dichtet . Du und der gelehrte Jurist , der so ernsthaft jung ist , und der Bettelmann , der so lustig alt ist , und das Mädchen , das nach den Äpfeln und Birnen sieht , ob sie heuer reifen , und dabei den Liebhabern zublinzelt , nun würde ich , wenn ich der Dichter wär , das Stück oder auch den Akt so enden , daß ich den kräftigen Bettelmann und den schmächtigen Gelehrten dem zurückgesetzten Studenten recht übermütig gegenüberstellte , der sich eben auf seinen Philistergaul schwingt , weil die Ferien aus sind und die beiden Nebenbuhler spottend von ihm Abschied nehmen ; allein wie er eben auf dem trägen Klepper den kotigen Dorfweg nehmen will , siehe da , gleichwie im Homer die alte Bettlerin am Wege sitzend ihre Kleider von sich abwirft , um plötzlich als blendende Göttin Minerva in die Wolken zu steigen , wirft dieser Schimmel auch plötzlich die alte Stalldecke ab und schüttelt seine blendende Flügelmähne und steigt in die Wolken so hoch mit meinem Clemens , und der wirft Kränze herab von seiner himmelansteigenden Bahn und schenkt den beiden Nebenbuhlern , was sie ohne ihn nicht fassen konnten , nämlich , daß es lebende schwebende Natur ist , ihr himmlischer Sinnenreiz – der zu Füßen der schönen Rheingauerin sich entfaltet und mit reinem Lebensodem sie anhaucht im jungen Grün in der tausendfältigen Blumenflur , im klaren Rhein sich spiegelt und wie Tau von der Sonne wird geküßt , und dann , lieber Clemens , lebst Du ja nicht Deine eigensüchtige kleine Liebschaft , nein , den ganzen liebenden Frühling von 1804 , und träufelst ihn herab von den fünf Saiten Deiner Leier und betäubst Deine Nebenbuhler , daß sie schlummern und Wunder träumen von Seligkeit , die Du ihnen zumessest . Das wär nun das Ende von dem Melodrama , das hab ich mir erdacht am Pfingsttag in der Liebfraukirch , wo vom Heiligen Geist gepredigt wurde , wie es mich fürchterlich langweilte , und ich konnte meine Füße nicht ruhig halten vor Ungeduld , ich mußte immer einen über den andern stellen , und in Gedanken war ich am Rhein bei Dir und bei dem Bettelmann , der gar nicht unfreundlich gegen mich war , denn wenn Du meinst , daß ich manche Züge ähnlich mit der Walpurgis ihrem Gesicht habe , so fühl ich , daß ich wieder sehr viel Ähnlichkeit hab mit ihrem Naturell , und ich glaube , der Bettelmann hätte auch bei mir den Sieg davongetragen , wenn nicht ! – Ja , wie soll ich Dir 's beschreiben ? – nämlich , als ich eben von meiner Vision im Rheingau zurück in meiner Kirchenbank ankam , da war der Kaplan noch immer dran , als Pfingsttaube aus seinem Kröpfchen die Gemeine mit dem Heiligen Geist zu füttern . Der Bettelmann also hätte auch bei mir den Sieg davongetragen , wenn meine Vision nicht plötzlich mir den lieben Bruder Clemens daherzauberte , wie der plötzlich statt der Taube im feurigen Galopp aus dem Schalloch herabgeflogen kam mitten in die Kirche ! Der Prediger auf der Kanzel erstarrt , die Gemeine in ihrem Gesang verstummt , der herrliche Clemens aber auf seinem Pegasus karakoliert gleich einem englischen Reiter und macht wunderschöne Künste auf seinem Wolkenstampfer ; und auf dem Gewölk , was seinem herrlich melodischen Ritt zum Tanzboden dient , schweben wunderschöne Rosenkränze von einer Wolkenstufe zur andern und blühen und duften immer schöner , und die Menschen haben das Beten vergessen , alle fangen sie die Rosen auf , und das war Dir ein Getümmel in der Kirche und ein Jauchzen über die aufgefangnen Kränze ! Ach , ich könnte Dir noch mehr erzählen , wenn 's nicht zu lang dauerte für ein Rosenfest , dessen höchster Reiz ist , daß er bald verblüht . Die Kirche war aus , eh ich 's dachte , die Leute tummelten sich zur Kirchtür hinaus . Die Bäcker liefen mit weißgepuderten Kuchen , es war so heißer Sonnenschein . Den zweiten Pfingsttag ganz früh war ich mit dem Dominicus und Anton auf der Pfingstweide , da wurde unter den großen Linden ein großer Kranz gemacht für den Pfingstochsen , die Kinder gingen bei den Gärtnern herum und bettelten Blumen dazu , sie hatten die Blumen alle zusammengebündelt und so mancher den Stiel abgeschnürt , daß ihr der Kopf abfiel , wie ich aber am Kranz flechten half , da ward er viel schöner , um acht Uhr war der Kranz fertig und der Brummelochs ward mit angetan , am Nachmittag waren wir vor Bethmanns Garten auf einem Floß , das schwamm mit uns ein Stückchen den Main hinunter , es war auch schön auf dem Main , und wie wird 's doch den Tag Dir gewesen sein , Du bist wohl einsam da herumgewandert , ich weiß , am Feiertag ist 's oft gar zu wehmütig , je schöner die Natur ist , je schauriger belagern einen die langen Schatten des vergehenden Tages , und die Menschen sind auch alle wie Schemen ; sie flirren umher , man sieht kaum sie an , und kein Nachgedanke über sie kommt uns in den Kopf , ach und dann , wenn man vom Spaziergang nach Haus über die Schwelle tritt , da legt man den Blumenstrauß hin , den man gepflückt hatte , er sollte so schön im Glase blühen , er muß welken auf dem Tisch , denn die Seele ist gar zu müde . – So wird Dir 's gewesen sein , Clemens . Aber wenn nun die Sterne aufgehen und winken , sie hätten was mit Dir zu flüstern , dann vergißt Du der stummen Schatten , die neben Dir hergingen , das helle Sternenlicht ist allein Dir geltend , so war's gewiß vorgestern abend ; denn ich hab Dich sehen heimgehen über die Wiesen und hab als in mir verborgen mit Dir geredet und Dich bei der Hand genommen , und es war gewiß eine Stunde , daß ich bloß mit Dir geredet habe in mir , und als ich schlafen ging , da war's , als habe ich recht was Angenehmes erlebt mit Dir . Das ist meine Pfingsttagsgeschichte in Frankfurt , ich bin jetzt wieder hier in Offenbach , wo ich tausend Federnelkchen aufgeplatzt fand , und der Abendwind jagt sich mit ihrem Duft . Adieu , Clemens , die Federnelkchen werden auch bald alle geplatzt sein . Dann kommst Du zurück . Bettine An Bettine Ich sollte schon bei Dir sein , liebe Bettine , ich hatte mir gelobt , daß ich nicht wolle nach den Pfingsttagen hier verweilen , und war auch schon in Mainz , und jetzt bin ich doch wieder auf dem alten Fleck , Savigny ist allein zurück , ich will ja nur noch ein Weilchen mich sammlen und so manches Lied , was ich der Gegend und der geschäftigen Natur in ihr abgelauscht habe , noch einmal durchgehen , damit es Dir rechte Freude machen soll . O kühler Wald , Wo rauschest du , In dem mein Liebchen geht , O Widerhall , Wo lauschest du , Der gern mein Lied versteht . O Widerhall O sängst du ihr Die süßen Träume vor , Die Lieder all , O bring sie ihr , Die ich so früh verlor . – Im Herzen tief , Da rauscht der Wald , In dem mein Liebchen geht , In Schmerzen schlief Der Widerhall , Die Lieder sind verweht . Im Walde bin Ich so allein , O Liebchen wandre hier , Verschallet auch Manch Lied so rein , Ich singe andre dir . Ja , liebe Bettine , da hast Du wieder einmal durch die Ferne herübergesehen recht scharf , grad wie Du mir schreibst , so war mein zweiter Pfingstabend . – Sie war fortgefahren , sehr schön geputzt , über Land mit der ganzen Familie , ich und der Hausknecht waren allein zurückgeblieben ; ich sagte dem Hausknecht , er solle nur auch ein wenig zu seinen Bekannten gehen , wenn Gäste kommen , so wolle ich ihn rufen , so war ich den ganzen Vormittag allein , so still wie es im Weingarten war , man konnte hören das Gras wachsen . Da kam mancher Wagen vorbeigefahren mit lustigen Leuten , und wenn ihr Räderlauf in der Ferne sich verlor , da fingen die Glocken aus den Ortschaften rundum an zu läuten , so ist mir der Morgen vergangen von früh vier Uhr , wo die Walpurgis abgefahren war , bis um elf Uhr , wo sie wieder heimkehrte . – Da kamen so viel Gäste von Bingen herüber , und so viele schifften hinüber nach Bingen , daß der Rhein ein groß Spektakelstück gab von Jauchzen und Musik auf den Schiffen , die sich bombardierten mit Trompetenstößen und allerlei verschiedner Tanzmusik und Lieder , die sich einer über den andern hinaus wollten vernehmen lassen , ich habe auch mit Link , der von Frankfurt gekommen war , den Savigny bis Mainz begleitet . Link ist dort zu einer Frau gegangen , von der er mir Wunderdinge erzählt , sie ist eine Französin aus der Vendée , war in Jena bis jetzt , hat dort mit den größten Gelehrten eine Zeitlang zugebracht , allerlei wissenschaftliche Experimente gemacht . – Sie sei , sagt Link , eine Heldin , eine ganz unerschrockne Seele , die in der Terroristenzeit durch ihre Kühnheit Unendliches gewirkt hat , – und namentlich in der Vendée , sie soll so schön sein , so vollkommen wohlgebildet wie ein Weib aus den Nibelungen , sie reitet das wildeste Pferd . – Ich stand vor ihrer Tür mit Link , er ging zu ihr mit einem Empfehlungsbrief aus Weimar , ich kehrte um mit dem Marktschiff , in Rüdesheim bin ich erst mit Sonnenuntergang zurückgekommen , alle Wirtshäuser tobten ganz ausgelassen ; da hab ich in meinem Giebelstübchen über das Gelärm hinaus mich recht einsamlich in alles , was das Leben mir bietet , hineingedacht , nur Deiner hoffe ich gewiß zu sein , daß auf allen meinen Irrwegen , wo vielleicht keiner mir begegnen mag , Du aber mir nachgehen wirst , und wenn ich mich verlassen wähne , ich dennoch die edelste Wohnung besitze , in Deinem Herzen nämlich . – So war mein Abend beschlossen ; getanzt und gejubelt unter mir , ich hörte das Lachen und dann leise klopfen an meiner Tür , als ich aufmachte , fand ich einen Krug mit Maitrank – rheinischer Hippokras – auf der Schwelle und ein Stück Festkuchen ; wärst Du hier , so würde ich geglaubt haben , Du hättest es mir vor die Tür gestellt . Aber wer soll 's nun gewesen sein ? – Es war ja die Walpurg , ich hörte sie am End vom Gang laufen . Du schreibst mir in Deinem Brief , daß Du selbst eine gewisse Hinneigung zum Bettelmann empfindest . – Wenn ich ein Bettelmann wär , Käm ich zu dir , Säh dich gar bittend an , Was gäbst du mir ? – Der Pfennig hilft mir nicht , Nimm ihn zurück , Goldner als golden glänzt Allen dein Blick ; Und was du allen gibst , Gebe nicht mir , Nur was mein Aug begehrt , Will ich von dir . Bettler , wie helf ich dir ? – Sprächst du nur so , Dann wär im Herzen ich Glücklich und froh . Laufst auf dein Kämmerlein , Holst ein Paar Schuh , Die sind mir viel zu klein , Sieh einmal zu . – Sieh nur , wie klein sie sind , Drücken mich sehr , Jungfrau , süß lächelst du , O gib mir mehr . An Bettine Mainz Liebe Schwester , Du wirst mir's verzeihen , daß ich nicht Abschied von Dir nehme , aber ich gebe Dir nicht etwas , ich bin Dir gegeben . Du weißt nicht , wie glücklich ich bin , daß ich Dir dies durch die liebenswürdigste Frau sagen kann , die durch ihr Geschick schon über den gewöhnlichen Kreis der Menschen hinausragt , noch mehr aber durch ihre Selbständigkeit , durch den festen ernsten Willen , mit dem sie dies Geschick bekämpfte und heldenmäßig ertrug , indem sie ruhig und allein zwischen den Schrecken der Blutgerichte hindurchwandelte . Mit solchen Naturen sich berühren zu dürfen , ist eine Auszeichnung für den , dessen Seele und Geist vielleicht darauf angewiesen ist , durch solche Naturen sich selbst zu bilden und durch sie zum Erhabenen gelenkt zu werden . Wie sehr ich für Dich immer Sorge trage , das Edle und Schöne , was ich auffinde , was mir seine Macht fühlen lässet , mit Dir zu teilen , davon mag Dir hierin der Beweis gegeben sein , daß ich ihr , die ein so großes Herz hat , die mit diesem Herzen ausreichte , wo so viele verzagt sein würden , auch Dich und meine Liebe zu Dir empfohlen habe . Ja , ich hab ihr alles mitgeteilt , daß ich nämlich die besten Kräfte meines Lebens dran wen den möchte , um Dir eine würdige Zukunft zu bereiten . – Sie hat mir in diesen Stunden , so einfach , als sei es nur ganz gewöhnlich , von sich erzählt . Durch die Vendée ist sie oft auf wilden Pferden , die kaum den geübten Reiter trugen , auf Kreuz- und Querwegen geritten , um mit den großen Helden dort sich zu treffen , denen sie oft auf nächtlichen gefahrvollen Wegen voraneilte , manchen jener armen Landleute ( Chouans ) hat sie gerettet mit Gefahr ihres Lebens , ihre ganze Familie aber hat die Guillotine gefressen . Nur sie , geleitet durch ihren guten Stern , der ja auch von ihrer Stirne glänzt , ist glücklich nach Deutschland gekommen . In Jena hat sie eine geraume Zeit geweilt und war in einer wissenschaftlichen Verbindung mit meinem Freund , dem großen Physiker Ritter , von dem Goethe sagt : » Wir alle sind nur Knappen gegen ihn . « – Durch einen Brief von ihm hab ich sie hier in Mainz getroffen , wo ich seit gestern bin und von hier nach Jena zurückgehe . Was kann ich Dir je sagen , was an dieses Weib heranreicht , da ich nie einen bessern Gedanken hatte , als sie zu begreifen . Du sollst sie lieben wie mich und mehr wie mich . Du sollst ihr vertrauen und sie mit allen Deinen Armen umschlingen , mit Wurzeln und Gezweig , denn sie ist Himmel und Erde , sie ist ein Weib , an dem die Vortrefflichkeit und Barbarei du jour ( das heißt , wie es heutzutage hergeht ) gescheitert ist , sie allein kann Deine Ideen über Revolution und Volksglück aufklären , oh sie kann Unendliches für Dich , sie ist ein Geschöpf aus Gotteshand , ein gewöhnliches Weib wie Eva und wie sie aus dem Herzen jedes Mannes heraussteigen soll . Wundre Dich nicht , daß ich so über sie disponiere , da ich sie nur eine Stunde gesprochen habe , aber das organisch Vortreffliche spricht sich in der Sekunde aus , und verhüllst Du die Venus in die dichtesten Schleier , und der unschuldige Mensch merkt nur die Bewegung ihres Atems , so wird er mit seiner Seele dafür haften , daß dieser Mantel die Schönheit und die Liebe verberge . Schenk ihr die Geheimnisse Deiner Seele , alle Deine Phantasien ergieße ihr , sie muß sie aufnehmen und würdigen und muß Dich beglücken , denn es ist in ihrem Wesen wie das Empfangen des Weines im Kelch . Sprich von allem dem gegen niemand . Es ist ein glückversprechender Lebensmoment für Dich , denn der großen Seelen sind nur wenige , sich aber mit ihnen in so voller Unschuld geistig zu berühren , ist auch nur wenigen geworden . Schreibe mir bei Friedrich Schlegel in Jena . Dein Clemens Liebe Bettine ! Madame de Gachet bringt Dir einen offnen Brief von mir , ich habe aber manches währenddem gedacht . – Herzlich offenbaren kannst Du Dich ihr , denn sie versteht Dich , und der gute Mensch hat keine Geheimnisse , auch sollst Du sie lieben wie den geistreichen Menschen , doch nur ihren Geist und Herz , die Narben aber , die ihr Erfahrung und Geschick geschlagen , das männliche Wilde ihres Seins und Verstandes sollst Du übersehen , überhaupt Dich ihr nicht hingeben ; mein bleiben und Gott . – Unschuldig sein neben ihr , von ihr lernen ohne Absicht , denn die Absicht überhaupt ist's , die solche Narben zurückläßt . Ich traue Dir unendlich viel zu , wenn ich Dich denke mit ihr umgehend , ohne von ihr hingerissen zu werden ; Dich immer selbst besitzend und doch ganz aufrichtig , denke immer an mich dabei , hüte Dich , wenn Du sie verehrst , daß nicht Dein eigener Genius den obersten Platz verliere . Schreibe mir nach Jena bei Friedrich Schlegel , aber bald , in einigen Wochen bin ich in Marburg . Liebe Bettine ! Und immer noch von dieser de Gachet , aber Gott weiß , es jagt mich wieder aus dem Bette heraus , ich muß Dir noch einmal von ihr sprechen , denn es kann bei ihr viel zu gewinnen und zu verlieren sein , und ich könnte keine Minute ruhen , wenn ich nicht wüßte , daß Du sicher wärst . Ich weiß von dieser Frau nichts , als daß sie mit einem der geistreichsten Menschen , einem Freunde von mir , genau verbunden ist , daß sie jetzt die einzige Französin ist , die auf der Höhe der deutschen Wissenschaft steht , das ist ungeheuer viel , aber um dies zu erringen , was hat sie vielleicht erfahren müssen , und wieviel zarten Sinn haben ihr diese widerspenstigen Wissenschaften wie kostbaren Hausrat erst zerschlagen , eh sie sich besiegt gaben . Sie ist voll Enthusiasmus , und es ist ihr in allem Ernst auf Leben und Tod , auch hat sie die Mittel dazu , Du wirst Dir leicht denken können , der Mensch sei ein Turm , der in der Erde wurzle und in den Himmel rage , und in dessen Mitte eigentlich das schöne liebe Menschenleben zwischen Himmel und Erde ist , viele Menschen steigen in die Tiefe und kehren nicht zurück und vergessen der Mitte , die allein lebendig ist , viele steigen in den Himmel und vergessen diese Mitte , in der doch Himmel und Erde sich umarmen , und diese sind zwar große Menschen , aber nach meiner Ansicht werden sie doch nur als Mittel von Gott gebraucht , er belohnt sie mit berauschendem Stolze für ihre Mühe mit den Wissenschaften und lehrt sie die schöne Mitte verachten , um sie zu verführen nicht zurückzukehren . Ich bitte Dich , bleibe in dieser Mitte und steige nur in die Höhe , um zu beten , sonst wird das Gebet ein Handwerk . Da ich der de Gachet von Dir erzählte , war es ihr sogleich so ernst mit Dir , daß sie vielleicht gar nach Offenbach ziehen wollte , wenn Du ihr gefielst , um mit Dir umzugehen , es wäre schön , wenn Du etwas Chemie von ihr lernen könntest und durch ihre herrlichen Gedanken Deinen Geist erweitern , überhaupt durch sie einen Begriff von vielem erhalten , doch bitte ich Dich recht herzlich , es nur zu tun , wenn es der Zufall erlauben sollte . Ich bereue es sehr , und es ist eine Übereilung , daß ich ihr den Brief an Dich gab , ich kenne sie doch zu wenig dazu , doch hoffte ich , Du wirst beide morgen schon haben und eher als ihren und darum durch jenen heftigen nicht verwundert werden , den sie Dir bringt , Du kannst alles , was drinne steht , solltest Du sie näher kennenlernen , an ihr erproben , ob es so ist , das meiste ist vermutlich so , aber ich will nur nicht , daß Du sie gar für unsern Herrgott hältst , ich habe es unstreitig zu arg gemacht , daher meine liebe Schwester , werfe Dich ihr weder zu Füßen , noch um den Hals , sondern estimiere sie und profitiere von ihr , ich will , Du sollst mir sogleich umständlich schreiben , wenn Du sie zum erstenmal sahst , wie 's dabei herging , alles , was an ihr wissenschaftlich ist , mag vortrefflich sein , aber ihre Grundsätze , da glaube ich , brauchen wir zwei keine andre als unsre . Lieb gut Kind , ich habe Dir da eine rechte Seelenschererei mit meinem hitzigen guten Willen gemacht , so geht es , wenn der Bruder ein Poet ist . Du sollst Deine Singstunde immer in Gegenwart eines dritten oder der Tante nehmen , denn Koch ist doch etwas gemein , setze alle Deine Arbeiten fleißig fort , und behalte mich lieb . Du kannst die de Gachet etwa fragen , was Du wohl lesen sollest , aber schreibe mir alles , was sie zu Dir sagt und Du zu ihr , soviel als möglich . – Adies – Adies – die großen dummen breiten Ausdrücke in meinem Briefe , den die de Gachet bringt , kommen mir jetzt so komisch vor , ich glaube und schäme mich drüber , ich wollte ihr damit schmeicheln , sehe selbst zu , wie sie Dir gefällt . Clemens Adresse Jena bei Friedr. Schlegel , schreibe bald . An Clemens Geliebter Clemens ! Was ist doch alles widerfahren in diesen wenigen Tagen , die Du der Bettine nennst ! – Ein Südwind auf brennenden Sohlen , in einer Wirbelwolke von Staub , wehte mir ins Gesicht . Von einem Tag zum andern hat die Welt hier in Offenbach einen Purzelbaum geschlagen . Denn erstens las ich im grünen Zimmer auf der Fensterbank vor dem Herzog von Aremberg über die Volksmajestät ein französisches Aktenstück , worüber ich Unendliches hätte den Herzog zu fragen gehabt , der schlief aber , ich wollte nur allmählich aufhören zu lesen , damit er nicht wach werde , ich fing schon an ganz stille zu werden , ich hatte ausprobiert , daß er fest schlief . Siehe , da kam im Sturm dahergebraust ein Kabriolet wie ein abgeschoßner Pfeil vor die Haustür , herabspringt der Wagenlenker , ein jugendlich voller schöner Mannjüngling mit klirrenden Sporen , zwei Reiter , die ihn begleiten , treten mit ihm ein , ich war , ich weiß nicht wie , nicht warum , von Schrecken durchgriffen , daß ich vergaß zu reden , und besann mich nicht , die Großmama zu rufen , die im Garten war . Der Herzog fragte , wer da sei , ich deutete den Fremden an , er sei blind , und sagte : » C'est un jeune cavalier , Monseigneur , avec deux messieurs . « » Au contraire c'est une femme , « sagte der Jüngling und näherte sich . Der Herzog wußte gleich , wer sie war , denn er ergriff ihre Hand und äußerte ein sehr warmes Interesse . Ich lief in den Garten , die Großmama zu holen . Die sagte gleich von Madame de Gachet einer Prinzeß aus der Vendée , und bis wir ins Haus eintraten , schwindelte ihr der Kopf vor Begeistrung . Ich besann mich unterdessen und wollte gern unbefangner Zuschauer sein . Hinter der Tür vor der Großmama ihrem Schreibzimmer blieb ich stehen , wo ich einstens schon Herder , Boonstedten , Friderike Brunn , die Krüdner und andere närrische Erscheinungen berühmter Leute angestaunt hatte . Es war ein Verbeugen und Neigen der beiden Frauen und ein Beteuern , und ich hätte gern alles behalten , um Dir 's zu erzählen , es war ein zu groß Geschwirr von lauten Stimmen ; ich konnte nur den Herzog verstehen , der zu ihr sagte : » Vous êtes la plus respectable des ennemies de la France « , sie nannte die assemblée nationale , › le dépôt de la confience de tout un peuple ‹ , und redete , als ob sie die Welt erneuere . » Le peuple n'est plus livré aux intrigues de cour ni aux incertitudes ministerielles « , und meinte , damit sei ihr ganzes tragisches Schicksal ausgewetzt , und dann sprachen sie über Krieg zu Wasser und zu Land , von Vaisseaux de guerre und Kavallerie und Infanterie , und sie redete davon , als wär sie bei allen Schlachten mitgewesen . Liebster Clemens , wenn Du mir freundlich bist , dann bin ich , wo nicht ruhig , doch zufrieden . Ruhig sein heißt bei mir die Händ in den Schoß legen und sich auf den Kindchesbrei freuen , den wir heut abend essen . Ruhig sein kann ich nicht , ich freu mich auf alles , was grade das Ruhigsein ausschließt , ich muß jauchzen vor Vergnügen über ein unbestimmtes Etwas . Was mag es sein ? Das macht mich auch wieder unruhig , ich nehme drei Treppen unter die Füße bis zum Dachgiebel hinauf , ich guck zum Gaubloch hinaus , was doch herkommen mag , worauf ich so sehr mich freue , und weiß doch nicht was , und ich sah doch auch gar nichts , soweit der Blick trägt ; aber nichts ! – Aber meine Seele ist eine leidenschaftliche Tänzerin , sie springt herum nach einer innern Tanzmusik , die nur ich höre und die andern nicht . Alle schreien , ich soll ruhig werden , und Du auch , aber vor Tanzlust hört meine Seele nicht auf Euch , und wenn der Tanz aus wär , dann wär 's aus mit mir . Und was hab ich denn von allen , die sich witzig genug meinen , mich zu lenken und zu zügeln ? Sie reden von Dingen , die meine Seele nicht achtet , sie reden in den Wind . Das gelob ich vor Dir , daß ich nicht mich will züglen lassen , ich will auf das Etwas vertrauen , was so jubelt in mir , denn am End ist 's nichts anders als das Gefühl der Eigenmacht , man nennt das eine schlechte Seite , die Eigenmacht . Es ist ja aber auch Eigenmacht , daß man lebt ! – Wir haben in dem Kloster ein Gebet gehabt , daß uns Gott hat das Leben neu geschenkt jeden Morgen . Ich hab 's nicht geachtet , jetzt mache ich eine andre Betrachtung darüber , daß wir für unser täglich erneutes Leben dem Gott danken , das macht uns feige , dem Leben zu entsagen ! – Aber auch noch Schlimmeres entsteht daraus , wir schließen die Grenze des Lebens so sehr eng ab . Wir steigen so allmählich den Berg hinab und sagen : mein Leben geht schon abwärts , wir setzen die Nachtmütze auf , wir räumen auf und halten an eine kleinliche Ordnung , kurz wir haben in einemfort mit der Kreide zu tun , mit der wir alle zufällige Flecke unserer Seelenmontur zudecken , weil wir uns auf die himmlische Parade vorbereiten . Wenn alles so ziemlich instand ist , setzen wir uns hin und seufzen und schwitzen als noch die paar Lebenstägelchen fort , die uns der Herrgott zugemessen hat , in lauter Angst , daß die Kreide auch hafte auf den Flecken , und daß kein neuer Schmutz dazu komme , und da wird denn das Leben so ledern , daß man dem Gott den ärgsten Schimpf antun würde , es als Geschenk von ihm zu achten . Es ist aber noch mehr und ein viel größerer Irrtum dabei . – Nämlich die närrische Idee , daß Leben enden könne , Leben kann wohl verlassen , was nicht vermag , Leben zu fassen , aber es kann nie enden . – Und kurz , ich finde diese Anstalten fürs ewige Leben so , daß es Reißaus nehmen muß vor dem Tod in uns . Aber nicht wie ihr fälschlich meint , daß der Tod über einen komme wie der Dieb in der Nacht . Und wenn er käme , wer wird denn Anstalten machen für diesen Esel , der so schlecht das Lautenspiel versteht , daß er damit schon einer schwachen Seele den Garaus macht ! Nein ! Wie ich Dir hier noch einmal sage , das Leben flieht die Wüste des Todes , aber dem Tod eine Macht zuschreiben über das Leben , das ist Unsinn . Es ist aber noch ebenso dumm , irgendeine Macht anzuerkennen über uns als nur das Leben selbst , und leg Dir 's zurecht wie Du willst , ich kann 's nicht weiter ausdrücken , ich kann nur sagen , was auch in der Welt für Polizei der Seele herrscht , ich folg ihr nicht , ich stürze mich als brausender Lebensstrom in die Tiefe , wohin mich 's lockt . – Ich ! Ich ! Ich ! – Ich greife um mich mit meinen Fluten , ich eile in stolzen Wogen durch die Triften . Ich durchziehe euch , ihr Haiden , – dort kommen die Berge , die Welt ist rund , mir ist jedes Tal die Höhe , die mir zu durchbrausen beliebt , denn eben weil die Welt rund ist . – Clemens ! Ich weiß , daß Du diese Wellen des Vertrauens gerne aufnimmst , und ich weiß , daß bei Dir gut weilen ist , drum wird der Lebensstrom auch nur ganz langsam fließen , solang er durch Deine Lebensgegenden zieht , aber über meine Neigungen kannst Du nicht disponieren . Weiß ich doch nicht , was mich Dich lieben heißt , ich gehe Dir nach , ohne zu wissen , warum , wenn 's nicht der Lebensstrom wäre , der eigenmächtig durch Deine Fluren wallet und sich wohl befindet so , ja , es ist sein selbstherrschender Wille , der sich durch Deine Lebensgebiete drängt , ach und er strömt so voll , so selbstgefühlig in diesem reinen edlen Bett , über Perlen und Goldsand , und die Ufer so blütenreich gratulieren meinem stolzen Wogengang . – Heut bin ich närrisch , Clemente ! – Der Frau Gachet kann ich auch nur im Vorüberströmen günstig sein , aber sie lieben wie Dich selber , liebes Flußbett , was fällt Dir ein . – Der Fluß strömt nur Dir freundlich und gutwillig , gegen andre ist er rebellisch und rauh , ich will wohl mit der Gachet umgehen und ein bißchen an ihr nagen mit meinen Wellen , aber mich ihr hingeben , von ihr mich leiten lassen , was fällt Dir ein ? – Ich brause vor Zorn , daß einer etwas über mich vermögen soll , was nicht ich selber bin ? – Nein , Clemens ! Welches Menschenschicksal auch über mich komme , das ist mir so jetzt ganz nicht von Gewicht , aber mich durchreißen , Ich selber zu bleiben , das sei meines Lebens Gewinn , und sonst gar nichts will ich von allen irdischen Glücksgütern . Gute Nacht für heute . Eben jetzt bekomme ich Deinen letzten Brief und bin froh , daß Du selbst bekennst , ein wenig übereilt geschrieben zu haben . – Sie hat gar nichts mit mir gesprochen und Deinen Brief mir sehr freundlich in die Hand gedrückt , sie sah mich oft ganz starr an , als wolle sie mir etwas sagen , Du kannst überzeugt sein , daß ich mich ihr nicht zu Füßen und auch nicht um den Hals werfen werde , ich werde alles , was ich von ihrem Geist begreife und erlerne , Deinem Urteil unterwerfen , mein Leben und mein Glaube und die Lust , zu bekennen , was ich will und suche , sind ja Dein , und was meine Sprache nicht auszudrücken vermag , Du mußt's finden in mir , die Dir nicht fremd ist . – Unter allen frohen Stunden bleibt die mir am lebendigsten , wo Du mich zur Lust am Leben angemahnt . Ich begreif doppelt rasch , ich weiß , wo mir's herkommt , daß ich in den nächsten Lebensmoment schaue als in einen reichen Schatz , der mir wie ein Demant entgegenblitzt und mich begierig macht auf ihn . Der ungehemmte Lebensatem , von dem das volle Herz getragen wird . Vernähme der Mensch besser , was ihm die Sterne zuwinken , so würde er sich im Flug entfalten , und könnt ich 's besser sagen , so sähest Du deutlich und klar , der Sinn kann sich nicht ändern , er dient Dir so willig , um treu bleiben zu dürfen , so kann er keinem andern sich zuwenden wollen , um's besser zu haben . Adieu , lieber Clemens , Du bist mir den Abschiedskuß noch schuldig . Deine Bettine Wo bleibt denn nun jetzt die Walpurgis und die schönen Lieder der Liebe ? – Nicht wahr , jetzt bist Du nicht mehr eifersüchtig auf den Bettelmann ! Liebe Bettine ! Ich danke von ganzer Seele für den beruhigenden Klang Deines Briefes , in dem sich Selbstgefühl und Liebe so schön durchdringen . Ich weiß nun mehr über die de Gachet , Du kannst mit ihr sein und kannst sie auch vermeiden , wenn sie Dir nicht zusagt , denn ein Herz , was so herrlich grünt und blüht wie Deines , bedarf keiner Seele als nur der Liebe ; die hast Du von mir . Bleibe über alles Zufällige erhaben , folge Deinem inneren Ruf , er ist zu stark in Dir , wer wollte Dich ihm entziehen ? – Es wäre Frevel , es zu wollen , da wir alle noch nicht da sind , wo wir mit uns selbst rechten können , ob wir irgend etwas wollen sollen oder nicht , so würde der rein als Natur hervortretende Instinkt ja nur in sich selbst erkranken , sollte er bezwungen werden durch Reflexion , und sein Genie , die Rettungskraft aus dem Irrtum heraus , wär ihm dadurch gebrochen . Daß die Welt den großen Kreislauf macht durch Irrtum und leidenschaftliche Verkehrtheit , hat Dir selbst ja bei Deinem ersten Blick in die Welt eingeleuchtet , daß sie aber zu ihrer Ursprünglichkeit zurückkehren solle in vollem Bewußtsein und mit aller Gewalt , die dieses Bewußtsein gibt , das soll in jedem einzelnen wahr werden , oder er wär dieser Welt verloren . Und außer ihr sein wollen ist Vernichtung . Nein ! Jede individuelle Kraft kann nur durch und in der Allgemeinheit Wurzel fassen , kann nur in ihr sich selbst verstehen lernen ; und kann nur an ihr sich erproben . Drum ist die Geschichte der Dinge das wahre Element der Geister , und darum hat diese de Gachet eine elektrische Wirkung auf die Menschen , weil ihre Eigentümlichkeit sogleich an der Geschichte sich entzündet und drin aufleuchtet , ja wenn der Mensch erst da steht ( das heißt oben ansteht ) , dann ist sein Leben ein fortwährendes Weltwirken . Alle kühnen Taten großer Menschen sind ein unwillkürliches , aber ganz naturgemäßes Mitwirken der Gesamtheit , oder der Geschichte der Dinge , deren Erzeugnis ja auch der Geist ist ; und Mirabeau würde nicht so Schlag auf Schlag getan haben mit jedem Worte , wäre seine Eigentümlichkeit nicht fortwährend elektrisch eben von dieser Geschichte seiner Zeit entzündet worden . Man beurteilt zwar oft die Menschen nach einem sittlichen Wert oder Unwert , dieser ist aber im allgemeinen Weltgeschick nicht mehr zu rechnen . Wer wird dem Mirabeau seine moralische Vergehen anrechnen ? – Sie sind geschleuderte Blitze seiner Sinne und seines Geistes , je nachdem sie in fortwährender elektrischer Reibung mit der Geschichte der Dinge sich entladen . Die Revolution hat unendliche derartige Charaktere hervorgebracht , sie haben alle geleuchtet , sind scheinbar wieder verschwunden , ob sie noch wirken ? – Daß sie noch wirken , das weißt Du wohl am besten , da Du oft Deine höchste Begeisterung für sie ausgesprochen hast und hierdurch die erste und tiefste Grundlage Deines Begriffes in Dir geworden ist . Ganze Generationen sind vorübergegangen , wo gar kein Weltbegriff in den Nationen hervorgetreten war , und das ganze Menschengeschlecht im Willen und im Geist am Boden verkeimte , darum war aber auch keine Geschichte , erst indem sie sich zum wirklichen Leben entzündete , regte sich diese Saat selbstwirkender Eigentümlichkeiten ; und diese Gachet – was auch von der Philisterzunft ihr Nachteiliges möchte nachgesagt werden , war doch von ihrem Zeitalter tief bewegt ; sie zählte mit , sie hatte ein Geschick , und dies webte sie kühn und lebenskräftig in die grausamen überwältigenden Weltgeschicke mit ein . – So manches Wagnis führte sie oft nur aus um eines einzigen armen Bauern willen , dem sie nachts vielleicht ein Brot brachte in seinen Versteck , oder dessen Kinder und Weib sie nährte , während der Mann nicht für sie sorgen konnte . Authentische Papiere , meinem Freund Ritter von ihr mitgeteilt , legen es dar . In einer wilden , nicht geheuren Zeit – was wir unendlich menschliches Elend nennen würden , das wurde dort nicht geachtet , nicht empfunden , es war angemeßnes Tagwerk , diesem Elend der Lebensbedürfnisse zu steuern ; – waren sie in etwas befriedigt , so sprühte auch gleich wieder jener elektrische Funke , der die Weltgeschicke durch große Charaktere herausbildet und aufbaut , oder sie reinigt oder erzeugt . – Wem hat diese Frau gedient in jedem Bauern , dem sie Hilfe leistete ? – Einem vertriebenen König , sie konnte das nicht anders wollen , obschon auch ihr die Not und die Berechtigung und die Würde der Nation heilig waren . Und nachdem nun dies schauerhafte Gewitter , was den ganzen Erdenhimmel entzündete , wo kein Blitz aus den Wolken fuhr , der nicht traf , allmählich ausgerollt und sich entladen hat , – da sind alle die Ihren vom Blitz getroffen , sie bleibt allein stehen und ergreift die Wissenschaft zu ihrem Freundesstab und sucht die edelsten Geister auf in Deutschland , weil ihr der Vaterlandsboden durch unendlich schwere Jammerszenen unerträglich und auch verpönt ist . Dies alles ist schön und edel , und es ist beglückend , mit solchen Menschen sich berühren dürfen ! Das mußte ich Dir sagen , auf Deine Verteidigung Deiner Lebenseigenmacht ; sie sei Dir ganz individuell , unverletzt , so kann sie doch nur als gesamtmitwirkend Dir selber wieder zugute kommen . Das ganze Du der Mensch heit muß ein Ich werden , große Menschen denken und fühlen nicht anders . Und so sollst Du auch sein mit ihr , die ein Du für Dich ist , in der schönen und edlen Seite aber dein eignes Ich sein muß . Es wird Dir vielleicht seltsam deuchten , als ob ich Dich von der einen Seite warne , auf der andern aber sie Dir im verklärten Lichte zeige , und so ist es auch . Ich will nämlich nicht , daß Dein eigner Charakter , der so fest und so entschieden sich schon ausspricht , sich allenfalls einem andern , der so mächtig einzuwirken vermag , sich unterwerfe , ich will aber auch nicht , daß den Handlungen , die nur der wirklich große Mensch begehen kann , ein schlechtes Urteil gesprochen werde . Was ich Dir übrigens über die de Gachet hier schrieb , ist teilweise aus dem Brief meines Freundes Ritter an mich , dieser große Mensch , der in seinem innern Wissen und Wirken die Zeiten überragt , hat eigentlich hierin den Begriff von sich selber niedergelegt . Ihn mußt Du auch noch kennen lernen , es kann sich Dir nichts Schöneres enthüllen von Menschensinn als dies kindliche , bis ins Antike hinaufragende Gemüt . Wenn ich von der gewohnten Weise , mich mit Dir zu verständigen , hier abgewichen bin , so ist's , weil ich die reine Menschlichkeit in Ritters Begriff in keine andre Sprache übertragen konnte . Ich möchte Dir alles zuwenden , was mich je gerührt und bewegt hat . Lerne , wenn Du auch nur dabei begreifst , wie man Dich nicht lehren sollte . Dein Bestreben sei , Dich so mit Deiner Vorzüglichkeit zu durchdringen , daß kein Mensch merke , wo Du es bist . Antworte mir und bleibe bei dem , was Deine Seele nähren kann . Ich werde Dir bald allerlei Bücher schicken . Vor allem bewaffne Dich gegen jeden Mißbrauch , den man von Deiner Zukunft machen könnte , gebe niemand auch nur das geringste davon in die Hände . Lasse nur Dir selber die Herrschaft in Deinem Gemüt , und lasse mich einen geringen Anteil dran haben , wir sind ja keine zwei ! – Adieu , Du edles geliebtes Kind . Dein Clemens Lieber Clemens ! Jetzt schreib ich gleich weiter von allem , was ich über Deine Warnungssorgen vergessen hatte . Diese Frau hat mich in einem fortwährenden Schauerriesel erhalten , und denke Dir , während ich in die Türe gelehnt sie ansah , verstummte sie oft mitten in ihrer Rede und sah sich nach mir um , keine Goldfrucht winkt lockender aus dem dunklen Grün als ihr lächelnder Blick nach mir , ich fühlte mich beschämt . Bei der Heimfahrt nahm der eine ihrer Begleiter den Platz im Whiski ein , sie schwang sich mit selbstgefälliger Anmut aufs Pferd , sie grüßte mich , als wolle sie mir sagen : schwing dich auch aufs Roß , aus allem heraus , was dich beengt , komm , vertrau mir , ich will dir die Hand reichen . – Und fort war sie ; und ich lief in den Garten und stieg auf die Pappel , wo hätt ich hingesollt , so sehnsüchtig in die Weite ? – Auf dem Gaul die Abendlüfte durchsausen im Galopp ! – Und hätt ich das gekonnt , mein ganz Glück würd ich darin finden und muß Dir alles sagen , was ich hierbei denke . Man muß doch wohl wissen , was das Gegenteil ist von aller Verkehrtheit , denn nur in dieses hinüber kann man sich vor ihr flüchten , und doch wenn sie mich wie Lüge und Gespensterwesen anschauderte und ich glaubte ihr Gegenteil , die Wahrheit , zu empfinden , so war keine Gewalt in mir dazu . Die erste Melancholie , die erste Träne , die wie eine Frage mir ins Gewissen fiel , war der Art . Ich ging einmal in so unklarer Stimmung über den Hühnermarkt in Frankfurt , auf einmal befand ich mich wie im Traum , aus einem Weltenraum in den andern hineingerissen , aus der kalten mit spazierengehenden Philistern besetzten Straße unter die befiederten , also zur Freiheit geschaffnen Tiere . Die Tauben , die man im Abendschein in Herden die sonnevergoldeten Wetterfahnen der Kirchtürme umschwingen sieht , waren hier in schmutzige Körbe eingesperrt , wo sie ihr reines Gefieder besudelten bei kargem Futter . Und morgen sollten sie von der Hand und für den Magen eben dieser Philister geschlachtet werden , in denen nie ein Naturgefühl den Lebensreiz erhöht hatte . – Es machte mich traurig , ich fühlte mich hier besser und weniger beschämt als unter den Menschen . Diese Tiere sind ein Liebreiz der Natur , sie haben Mut , sie schwingen den wolkenbringenden Winden sich nach in die Lüfte , und alle Lebensgeister in ihnen sind angefacht . So wie ich mich sehnte damals , mit den Tauben unter Gewittern die Türme zu umkreisen , so hätte ich gestern auf dem Gaul im Galopp dem gewohnten Schlendrian mich entreißen mögen . Ich hab es sehr deutlich gefühlt , was diese Frau voraus hat , dadurch daß sie so einem Reiz kann genügen . Freiheit fühlt sie in allen Gliedern auf dem Pferd , das sie zu lenken versteht , und wenn es sich bäumt und steigt und sie läßt so ruhig es gewähren , denn sie weiß , es wird sich gleich fügen , und jetzt ist sie aufgeregt durch einen Gedanken , so setzt sie dem Gaul die Sporen in die Seite , und er fliegt wie ihr Geist mit ihr zugleich dem entgegen , was sie erringen möchte . Ach , wie muß das die Kraft fördern Leibes und der Seele , wie muß das den Gedanken treiben , daß er gepanzert hervorspringt gleich und drein schlägt in den Begriff , und wie muß es das Herz heben , das Reiten ? – Nur edlen Naturen gehört das Pferd , kein Vorsatz konnte mich bewegen , auch keine Vorstellung , keine Belehrung , keine christliche Moral irgend mich selber im Zaum zu halten , das Gute zu tun , das Böse zu lassen . Aber auf einem Pferd , da würde ich zu jeder kühnen Tat , auch noch im letzten Augenblick herangesprengt kommen , denn das würde genievolle Begeisterung in mir anregen . Was ist der Unterschied zwischen Gott und Menschen ? – Daß in ihm alle Lebensreize wach sind , und aber im Menschen schlafen sie . – Er hebt das Haupt , der Mensch , weil ihm irgend etwas deucht , – er sucht seine Meinung , er glaubt sie gefunden zu haben ; er paßt sie den unbegriffnen Dingen an , die müssen sich danach zurechtsetzen lassen , und den nennt man einen Weisen , der das Ursprüngliche so lange verkehrt und das Göttliche durch Schein und Trug ersetzt , damit er sagen könne , von mir geht der Begriff aus . Und seinen verrückten Plänen fügt man sich denn , er sitzt tief im Philisterstuhl , aber von dem Feuer eines kühnen Pferdes träumt ihm nichts . Ebensowenig von der Wahrheit , die ein so lustiger und rascher Gaul ist , der über Stock und Stein hinaussetzt und ums Ziel siegend herum sich tummelt . Und da schreien die Leute über den Tollkühnen , der wie wahnsinnig über die Barriere sprengt , verbotne Wege reitet durch die gefahrvollen brausenden Wellen hinauf zum steilsten Ufer , gleich wird er verunglücken ! Die Feigen wissen nicht , daß diese tollkühnen Sätze abgemessen sind nach ewigen Gesetzen der Begeisterung , sie sind gewagt , aber in ihrem Wagen liegt ihr Gelingen . Wär ich König , ich würde die Welt untertauchen und sie gereinigt aus den Zeitenwogen hervorgehen lassen . – Was ich sage , sei es Frevel , o so ist mir dieser Frevel lieb . Wo war je ein Gebet stolz genug , daß ich gern es nachgesprochen hätte ? – Hier liegen wir im Staube vor dir , Gott Zebaoth . So mußten wir im Kloster singen und nachdem ich 's jedesmal mitgesungen hatte , besann ich mich eines Tags , was es denn wohl heißen möge , es schwante mir , als ob dem Gott der Menschheit ein Götze gegenüber stehe , der Zebaoth heiße , denn Gott und Mensch konnte ich nicht trennen und kann es noch nicht , und Staub lecken vor dem Zebaoth , das heißt mich eine innere Stimme bleiben lassen , wenn ich Frieden haben wolle mit dem rechten Gott , der in den mondverklärten Wolken abends sich ins Gespräch mit mir einließ über allerlei und mir recht gab , wo aberwitzige Menschen es besser wissen wollten . Und wie wunderliche Reden führte mit mir oft dies oder jenes auch in der Natur . Was hab ich alles erfahren in jenen Kinderjahren ; – Wurzeln und Kräuter , eine Blumendolde , aus der bei leisem Druck der Same aufsprang – die waren mir Unterpfand und Beteurung vom Gegenteil alles Aberglaubens , sie sagen mir immer dasselbe : Frei sein , und jeder Glaubensbefehl leugnet mir das , und endlich , da die Überschwemmung der ganzen Erdenkultur auf mich losgeschwemmt kommt , da strecke ich die Hand allem Unschuldigen entgegen , um es zu retten in meinen Busen . Und jeder Begriff des Großen , Kühnen , der Lüge zum Trotz Reinen , – das ist mir ein Lebendiges , das mich anwirbt mit schmeichelnder Verheißung . Und was war dagegen , was man mich lehrte ? – Ach so unfaßlich , daß man eine Maschine sein mußte , um es nachzusprechen . Du hast mir oft gesagt , ich solle meine Erinnerungen aufschreiben aus der Klosterzeit , über die ich nun schon mehr als drei Jahre hinaus bin . Es ist alles noch lebendig in mir , ich kann aber nicht die Blütenäste vom Baum abbrechen , der ich selbst bin . Dies Klosterleben hat Knospen in mir angesetzt , Ahnungen , die zur Wahrheit müssen reifen . Denn der Baum kann nicht selber sich berauben seiner Düfte , die noch verschlossen sind . – Denn alles ist mir ja nicht ein Gegenstand , ich bin es selber . Weil es aber heute in so nächtlicher Zeit ganz toll in mir hergeht , daß ich nicht schlafen kann vor dem Gaul , der Schimmel , der mir im Kopf herumtrabt , – so weckt er mir ja ganz leidige Erinnerungen , über die ich gleich damals als junges Kind schon den Bann ausgesprochen habe . Ach ich bin doppelt froh des Lichtes , das ich in Dir sehe , denn alles , was ich Dir schreibe und sage , kommt mir vor , als gehe es von Dir aus , und ich bin so stolz in Dir , weil Du oft mich anredest , als ob es die Stimme der Weisheit sei , auf die ich lange gehorcht habe in die Ferne , und jetzt ist sie mir so nah in Dir , daß ich sie von mir selber nicht unterscheide . Aber ach ! hege keine zu großen Erwartungen von mir , bedenk , daß ja Deine Liebe mir keinen Wert mehr läßt , ich hab ihn alle für sie hingegeben . Und heut schreib ich nun nichts mehr , aber morgen . Nun ist's Morgen , Clemente , aber welch ein Morgen ? – Die Gachet hat sich ansagen lassen mit noch merkwürdigen Begleitern , ein Chemiker Buch , ein Gottesgelahrter Maijer , ein Pferdemaler Dalton . Dies Pferdegenie soll sehr interessant sein , der blinde Dux wird auch da sein . Ich freu mich schon auf alles , und mir klopft das Herz , aber ich werde mich doch auch selbst fühlen gegenüber der Frau , die ein Pferd regiert wie ein Mann ! – Denn kann ich nicht vielleicht auch etwas regieren , was dem Gaul gleich ist , oder mehr noch ? – Eben ruft die Großmama , wir sollen ihr Blumen holen im Garten und die Urnen frisch mit Sträußen versehen . Ich werde alle Blumenbeete rasieren , ich muß fort . Clemente , sie ist da gewesen , wie ist doch alles durcheinandergegangen . – Nach dem ganzen Abenteuer haben die Franzosen im Garten einen fürchterlichen Äpfelkrieg geführt , ich kann Dir 's heute nicht mehr schreiben , ich muß erst noch eine Nacht drauf schlafen . Aber morgen kommt sie wieder , sie hat mir 's im Vorübergehen ins Ohr geflüstert , sie ist des Teufels , aber ich bin auch des Teufels , ich will keine Freundschaft mit ihr , ich bin zu jung . Wär ich schon so , wie es in mir werden will , dann ritt ich stehend auf zwei Gäulen und spränge dazu durch den Reif . Mit Kunststreichen und Übermut wollt ich ihren kühnen Ritt ausparieren . Lieber Clemens , heut am Montag erzähl ich fort vom Samstag und Sonntag , diesmal gingen hexenmäßige , die Großmama in höchster Spannung haltende Dinge vor , eine galvanische Batterie ! – Der kleine rotwangige Apotheker Buch trug Blumenkörbe und Urnen hinaus auf den Hausflur . Mit Salzwasser in einer großen erdnen Schüssel wurde ein groß Geplätscher gemacht , runde Filzlappen und Taler und Kupferplatten aufeinander gelegt , viele Stimmen und Hände gingen durcheinander bei dem Aufbau der Säule . Der Herzog im Hintergrund hielt mich bei der Hand , ich mußte ihm erzählen , was vorgehe . Nachdem die Säule unter den Händen der Gelehrten mehr wie einmal umgestürzt war , baute die Vendéerin sie selbst auf , und sie blieb stehen ; es wurden negative und positive Versuche gemacht , davon kann ich nichts sagen , als daß es nicht ganz so ausfiel , wie man wollte . Die de Gachet verlangte feingesponnene Glasfäden , die Frau Wrede uns gegenüber hat eine Sultansfeder von gesponnen Glas , sie sagte mir , daß sie der Sultan dem Magnetiseur geschenkt habe , der ihn auch zu seinen Versuchen braucht , ich klingelte an seiner Haustür , wie ich den Schall der Glocke hörte , mußte ich mich fürchten , aber ich war schon im Haus die Treppe hinauf und stand schon vor ihm und wußte nicht , wie ich's ihm sagen solle , er kam mir aber zuvor , wie ich von gesponnen Glas anfing und gab mir den Sultan in die Hand , da sah er an meinem Finger den Ring aus dem ledernen Schuh , den Stein nach inwendig mit roter Seide umwickelt und mit Harz verklebt , ich schämte mich , ich wickelte den Faden los und reichte ihm den Ring , er besah ihn und sagte : Ein Talisman ! – und steckt ihn mir wieder an den Finger . Das war alles , was er mit mir sprach , mit dem ich doch manches schon gesprochen hatte über die Gartenwand ; ich nahm mir auch vor , gleich den Abend noch auf die Gartenbank zu steigen und mit ihm zu sprechen , ich werde Dir gleich erzählen , wie das aber nicht gegangen ist . Erst wurden mit den Glasfäden Schmelzversuche gemacht , die nicht gelungen sind , drum sollte die Säule ein paar Tage unberührt stehen und sich verstärken , die Großmama war in großer Angst , es könne daran gestoßen werden , und ließ , nachdem die de Gachet fort war , niemand ins Zimmer , die französischen Herren hatten sich im Garten versammelt , es war schon dämmerig , ich kam dazu , sie sprangen wie toll herum , machten große Sätze über die Blumenbeete , rissen die Stäbe von den Pflanzen los und schlugen aufeinander und rissen vom Spalier die gezählten noch unreifen Äpfel zum Bombardieren . – Ich war ja wie versteinert . Denk , sie hatten ihre Röcke ausgezogen und auf die Sträucher gehängt , die waren krumm gebogen von der Last , der ganze Garten war verwandelt , ich konnte keinen erwischen , so war er gleich hinter einem andern drein , und wollt ich den wieder um Gotteswillen bitten , so hatte er eins zwei drei Äpfel abgerissen und setzte über die Rabatten hinaus , um einen zu treffen , sie waren wie toll gewordne Geister , sie flüsterten und kicherten und gaben keinen Laut von sich , in der Verzweiflung rief ich : » Grand-Mama vient ! « da warfen sie ihre Munition auf gut Glück dem nächsten an den Kopf , und mit ihren Röcken wie der Wind zur Gartentür hinaus . Verwundert , daß diese alten Herren mit ihrem Podagra und Asthma so ungeheure Bocksprünge machen konnten , nahm ich den Rechen und harkte die Wege , ich steckte die weggeworfenen Blumenstäbe wieder in die Sträucher , es war schon dunkel , da suchte ich noch die abgerissenen Äpfel zusammen und legte sie an die Erde , als wären sie von selbst abgefallen , vielleicht vom Wind . Im Hof des Magnetiseurs sah ich die Leute bei einem Packwagen beschäftigt , und denk Dir , er ist fort , heute morgen , noch ehe die Sonne aufging . Das ganze Haus öde ! – Es sieht so traurig aus , der Wind spielt mit den Dachluken . – Ich hab ihn also zum letztenmal gesehen , wie er mir die Glasfäden gab . – Wie leid tut mir das ! – Die de Gachet war auch noch am Sonntag nachmittag hier , kein Mensch hatte sie erwartet und ich auch nicht , obschon sie mir es zugeflüstert hatte , so war ich ein Weilchen allein mit ihr . Wie ängstlich war mir das ! – Ach Clemens , laß uns lieber allein alles vertrauen , alles miteinander erleben und nicht mit andern . Dieser große Planet , die Gachet , erschüttert mich zu sehr , wenn er mir so nah rückt . – Sie redete von den Himmelskörpern , ihrem subtilen Ausströmen und von wechselseitiger Anziehung der Planeten in ihre Kreise , und vom innerlichen Sinn im Ozean der Gefühle , und ich war ganz betäubt . Wie komme ich ihr vor , daß sie mir so was sagt ! – Sie hielt mich fest in ihren Armen , ich hätte des Teufels werden mögen ; ich schämte mich , daß ich ihr zuhören mußte , gefangen in ihren Armen , und nichts verstand ; sie ließ mich los , wie die Großmama hereinkam ; ich wie ein entwischter Vogel sprang in den Garten auf die Bank und sah recht sehnsüchtig in den verlassenen Garten vom Magnetiseur . Da war er aber doch nicht fort , er wandelte noch ganz allein und kam gleich an die Gartenwand ; er sagte mir , seine Leute seien schon seit gestern fort , er reise in der Nacht ihnen nach . Ich habe ihm rechte Vorwürfe gemacht , daß er so fortgehe , ohne mir davon zu sagen , da fing er an zu lachen und sagte , ich hätte ihm ja Reisegeld geschickt , ich lachte auch , weil ich mich schämte zu weinen . Ach , dieser Mann war mein bester Freund . Er hat mir nie gute Lehren gegeben , aber er hat mich belehrt . Ach Clemens , leb wohl , jetzt ist's aus mit der Gachet , denn sie sagte der Großmama , daß sie an den Rhein wieder geht . Bettine An Clemens Es ist aus mit den Blumen , die letzten Asternsträuße waren die , womit wir in voriger Woche die Blumenurnen schmückten , und die wegen der Batterie vor die Tür gesetzt wurden . Gestern haben wir den letzten Herbst gemacht , nur noch die Winterbirnen hängen , von denen meint die Großmama , wir wollten sie hängen lassen , bis erst Reif kommt , der war heut nacht , und nun frag ich : » Wollen wir heut die Birnen abmachen , es war heut nacht Reif . « Großer Schrecken der Großmama , sie hatte so in den Tag hineingelebt und gemeint , es sei noch lang nicht Winter . Und wie sehen die Blumen aus ? Wir müssen heute noch Kränze haben , es ist eine Hochzeit hier im Haus , um drei Uhr wird der Pfarrer hier sein und ein edles Paar zusammengeben . Lieber Clemente , was doch alles hier im närrischen einsamen Haus passiert ! Aber wir drei Geschwister ahneten gleich die Geschichte , ich sprang mit Flügeln die Treppe hinauf , wir kriegten uns alle drei um den Hals und tanzten eine Ronde , daß die Wände zitterten . Auf einmal erscheint die Tante im Negligé , halb frisiert , was das für ein unanständiger Spektakel sei ? – Und was die Hofdame denken solle , die seit acht Tagen im Saal unter uns wohnt , daß wir so ihr auf dem Kopf herumtanzen . Und der Tanzmeister wartet schon eine Viertelstunde . Wir lernen nämlich schon seit vierzehn Tagen bei einem französischen Ballettmeister einen figurierten Tanz , an dem sollen wir fortexerzieren bis zum Neujahrstag , da sollen alle Nationen kommen , dem Fürst Ysenburg gratulieren , die Franzosen haben dazu Madrigale gemacht avec la pointe cachée , sagt Chateaubour , der Hauptdichter . Ich stelle eine Spanierin vor , blau und silbern , und ebenso mein Tänzer , der Prinz Neunzehner , der gar nicht vom Platz zu bringen ist , allemal rechts umdreht , es sei links oder rechts ; so hat der Tanzmeister deswegen die Figur umgeändert , damit er nun rechts auch auf den rechten Platz komme , und nun läuft er wieder allemal links , wir lachten so toll in der Probe , wir waren so ausgelassen , wir wußten , daß die Tante nicht kommen konnte , weil sie Toilette machte , wir sprangen auf Tisch und Stühle , Herr Baleri mit seiner Pochette in einer Staubwolke , die alte Cousine , die hereinkam mit einem Befehl der Großmutter , setzten wir auf ihren ledernen Sessel und trugen sie auf den Köpfen , sie schrie , die andern sangen , und Baleri spielte einen Marsch . – Die Großmama ließ uns in den Garten beordern . Alle Blumen vom Reif verdorben ! – Wir mußten uns an die Hambutten und die herbstlich rote Jungfrauenrebe halten , dazu Tannen und Efeu . Wir waren sehr lustig bei diesem Dekorationsfest , wir machten's wie die Braut und gaben den halb verblühten Astern mit farbigem Papier ein Ansehen . Diese Heirat ist ein Werk der Großmama , vor kurzer Zeit lernte diese Hofdame von Meiningen bei ihr den Herrn von Drais kennen , wie er gerade vor unserm Hause eine Draisine probierte , eine Bank mit Rädern , die Herr von Drais drauf sitzend mit Händen und Füßen fortbewegt . Die Hofdame sah ihn dahergerollt kommen , hinter ihm drein alles , was Beine hatte . – Nachdem sie getraut waren , hielt die Großmama eine bewegliche Rede . Wir spielten abends ein Sprichwort , worin die Draisine eine Hauptrolle hatte . – Heute werden nun die Birnen abgemacht . Da freu ich mich drauf . Das Hochzeitpaar ist nämlich gestern spät noch fortgereist und alles wieder im stillen Geleise . Morgen wird Kartoffelernte gehalten von einem kleinen Feld , worauf die Großmama Musterkartoffeln ziehen läßt , die ihr von allen Enden der Welt , ich glaub sogar von Amerika her , geschickt werden . Da müssen wir ein Register machen , wieviel jede Staude getragen hat , der Großmama ihre höchste Wonne , diese Register zu vergleichen . Nun weiß ich nichts mehr , als daß Du meinen letzten Brief nicht beantwortet hast . Buch sagte der Großmama , Du seist nicht in Marburg und würdest erst am 19. wieder da sein . Das ist mein Namenstag , der nie mit andern Blumen kann gefeiert werden , als die im Eiskristall am Fenster anschießen . Heut ist der 4 . Also 14 Tage soll ich nicht wissen , wo Du bist , da kann der Brief ein Weilchen frieren in Deinem unbewohnten Zimmer . Bettine Liebe Bettine ! Deine Briefe erquicken meine Seele und nähren sie , der Winter ist hier so traurig , und Savigny tief in den Studien , überwintert die Saat seiner großen Zukunft unter einer Schneedecke von Verschlossenheit , die mich verzweiflen macht . Was ich mir auch die liebende Mühe gebe ihm mitzuteilen , er ist stumm dazu , oft denk ich mit Behutsamkeit etwas aus ihm herauszulocken , allein die Erfahrung ist nun in sich vollendet , daß ich nie den geringsten Beweis von ihm erhalten werde , daß , was ich ihm sage , ihn interessiert . Oft in meiner kalten Stube ( was mir nun auch noch den Winter unerträglich macht , daß der Ofen nicht heizt , sondern raucht ) komme ich darüber in Schweiß , ins klare zu kommen über seine Klarheit , mit der bald die Tonie , bald die Gundel oder Du mich plagen . Bin ich denn ganz auf den Kopf gefallen , daß mir diese gepriesne Klarheit und Ruhe den peinlichsten Eindruck macht ? – Also quäl Du mich nicht mit Deinen erhabenen Ansichten , da ich ihn in der Nähe habe und er vielleicht besonders gut fernt . Ich hab dem Buchhändler Guilhomman den Auftrag gegeben , Dir den Homer zu schicken . Hast Du ihn bekommen ? Weiter sollst Du nächstens die Reise des jungen Anarchasis lesen und recht aufmerksam , das wird Dich unterrichten und ergötzen . Doch mußt Du Dir keinen Zwang bei solcher Lektüre antun , Du mußt sie würdigen , indem Du sie liebst . – Die ästhetischen Briefe von Schiller – hast Du sie gelesen ? – , so bedaure ich Dich für die Pein ; sie sind für eine kindliche Seele etwas hölzern . Hiervon schweige gegen die Großmutter , sie tut Wunder der Güte in ihrer Art – und Du sollst sie ehren . Schreibe , wenn es möglich ist , Deine Empfindungen während oder nach der Lektüre nieder und schicke mir so etwas , überhaupt sprich in Deinen Briefen oft mehr über den ganzen Kreis Deiner Empfindungen , wie sie nämlich in die Welt hinausstrahlen , als über ihre Konzentration . Was Du tust , erhalte Deine Seele in reiner jugendlicher Liebe zum Großen und Schönen . Auch die Sinne wollen die Befriedigung in der Schönheit , sie suchen es in sich und in dem , was Einfluß auf sie übt . Du fühlst Dein Ohr beleidigt durch eine klanglose rauhe Stimme , die keinen Geist widerhallt , so Dein Auge lenkt ab von dem , was seinem Schönheitsreiz widerspricht . Oder es forscht nach der tieferen Schönheit des Geistesadels und der Güte , wenn es mit häßlichen Zügen sich bekannt macht . So ist das unschuldige Auge der strengste , aber auch der edelste Richter , ja der König unter den Sinnen , denn es begnadigt den , der unverschuldet gegen die Schönheit sündigt , es erhebt und rächt ihn an den stumpfen Sinnen , die das Tiefe nicht von der Oberfläche unterscheiden . Seelenreinheit im Verkehr mit andern , ohne Vorbedacht , ohne Berechnung , die allein ist der helle Kristall , durch den das Leben in seiner Ursprünglichkeit begriffen wird , und die aus sich selbst die ewigen Motive immer wieder erzeugt , welche eine verwirrte Welt umwälzen und ihre primitive Kraft ihr wieder verleihen . Verstehst Du mich ? – Nur solchen Naturen schließen sich alle Lebenstiefen auf , nur sie werden gesund zwischen Lastern , ansteckenden Krankheiten der verwirrten Zeit hindurchgehen , nur sie werden Heilung ausströmen , nur sie werden taube Ohren hörend und blinde Augen sehend machen . Sei unbekümmert um die Zukunft , es gibt keine ; wenn Du in jeder Minute rein und voll und ohne Langeweile lebst , so gibt es nur eine gegenwärtige Ewigkeit . Es würde mich freuen , wenn Du wolltest Dich mit dem Englischen beschäftigen . Sprachen sind ein großer Gewinn , sie enthalten außer der Verschiedenheit des Ausdrucks auch noch ein melodisches Genie , und dies erzeugt wieder auch ein tanzendes Genie im Geist . Und willst Du hinter alle Geheimnisse des Geistes kommen , so nehme nur Rücksicht auf das Leben , was die Sinne führen , es spricht Dir Befähigung und Kraft und Neigung aus . In unserer äußern Welt konstruieren sie eine erhabne Geisteswelt , die reifen muß in ihr und endlich sich selbständig zur Welt gebären muß . Das ist unsre Erlösung aus dem Irdischen ins Himmlische . – So wie der Tanz Dich lebendiger und rascher macht . – Als ob von frischem Frühlingswind angehaucht die Lebensglut aufflackert und spielend ihre Flamme hier- und dorthin wirft ; so ist's mit dem Geist . Sprachen lernen , ist mit dem Geist der aufregendsten Tanzmusik folgend , sich behagen in harmonischen Beugungen und zierlichen kecken labyrinthischen Tänzen , und dies elektrisiert den Geist , wie die Tanzmusik Deine Sinne elektrisiert . In der Sprache aber vermählen sich die Sinne wirklich mit dem Geist , und aus dieser Verbindung erzeugt sich denn , was die Völker mit Erstaunen als ihr höchstes Kleinod lieben und erheben , und wodurch sie sich erhaben fühlen über andre Völker , was den Charakter ausspricht ihrer Nationalität , nämlich der Dichter . Drum , liebes Kind , ist 's nicht so gemeint , wie die andern es meinen , wenn sie Dich zum Fleiß anmahnen , – wenn ich Dich drum bitte ; es ist wahrhaftig aus einem tieferen Grund ; aus dem heiligen Grund der Vernunft . Diese Vernunft , die immer über uns schwebt , selten den Fuß auf die Erde setzt , nach der schaue ich beständig und flehe sie an , daß sie Deine Muse soll sein. Dir kömmt vielleicht das trocken vor . Ich hab schon oft Dich zürnen hören über Vernunft und vernünftig , Du hast dies Wort bei mir verklagt , daß es so wenig Klang als innerlichen Nachklang habe , und wenn ich Dir auch nachgebe , daß der Klang dieses Wortes nichts Anziehendes habe , was daher rühren mag , weil die Vernunftphilister es in falschem Gold nachmachen , so erinnere Dich nur , was Du mir noch vor einem halben Jahr geschrieben , die Pockengruben , die Lavater dem Mirabeau so bös auslegt , können Dich nicht hindern , in die Gruben seines Geistes und Herzens Dich einzubetten ? – Nun so glaube mir , daß , wer im Begriff der Vernunft , ein edles Lager findet , das mit Rosen und Lorbeern und auch mit Myrten Dir bestreut ist . Das Mißverständnis der Welt ist der wahre Verleumder , sein Lügennetz verwickelt alle Hin- und Widerreden , alle sich aus gegenseitiger Opposition bildenden Meinungen , und wer sich oder seinen Grundsätzen unrecht getan fühlt , tut wieder dem unrecht , den er selbst durch Irritation so weit gebracht hat , daß ihm die Ahnung in der Seele gelöscht ist vom Großen und Schönen , und betäubt nicht mehr das Rechte erkennt . – Aus Empörung gegen diese Mißverständnisse gegenseitiger Opposition ist die Revolution entsprungen , und aus Eigensucht derer , die für die höchste Liberalität zu streiten behaupten , wird sie mit ihren schrecklichen Nachwehen , eine schauerliche Ruine für die Nachwelt , dastehen . Aber gebessert kann nur das ganze Weltverhältnis werden durch die heilige Vernunft , laß sie Dein Mirabeau sein , wenn dieser Name Dir besser klingt . Widme ihm Deine Begeistrungen , da er Dir doch nur aus den Wolken herabpredigen kann , so wird dies leicht mit der Vernunft übereinstimmen , die auch immer über allen Projekten der Menschheit schwebt . Verzeih mir , wenn ich Dinge Dir mitzuteilen versuche , die viel reiner in Deiner Seele wohnen , die ich eigentlich in Dir selber wahrnehme , um sie Dir auszusprechen . Die Hoffnung auf eine köstliche Ernte macht mich so ungeduldig , ich sehe alles hervorsprießen und zur Blüte sich drängen in Dir , und kann es kaum erwarten , daß es der Wahrheit und Schönheit zugunsten reife . Noch einmal führ ich Dich auf Deine Studien zurück . Ach , wenn Du erst den Shakespeare englisch lesen kannst , das ist ein halbes Leben wert . Auch zeichne fort , recht fleißig und mit der Begierde , es zum Selbsterfinden zu bringen . – Die Zeit , die Du nicht arbeitest , liebe Bettine , mußt Du ja doch verlieren . Keine Minute lohnt Dir in Deiner Umgebung . Ja wohntest Du in der freien Natur und könntest in Feld und Tal und Wald und Berg herumlaufen , oder könntest Du mit Menschen sein wie mit Sternen , die ihren Einfluß auf große Charaktere ausübten und sie zu erhabnen Handlungen reizten . Aber leider haben die Sterne ihren Einfluß verloren , ich würde Dir dann nicht sagen : » Arbeite ! « denn dann würde die Ursprünglichkeit aller höheren Anlagen in Dir wie das Wort im Geist Fleisch geworden sein . Aber so kann es nicht sein noch werden , weil der Genius nicht mehr als erste Kraft in uns wirkt und wir uns an die Spekulation verkaufen . Du mußt daher in Deinem Innern Dir einen Schatz sammeln , worin Du Deiner Welt reines Sonnengold einschmelzest , auf daß die lebendige Sonne in Dir selber aufgehe . Ich wollte , mir wäre so in meiner Jugend geworden ! – Doch keine Klagen ! – Nein , so ist mir 's nicht geworden ! – Gott hat mich vieles nur im Bedürfnis kennen gelehrt , damit ich es von Dir fordern könne ; und gern vertrauend , daß Du mir sicher folgst und unbefangen trauest , will ich Dir folgende Zeilen aus einem größeren Gedicht nicht vorenthalten , die ich in einer Stunde geschrieben habe , wo ich recht fest an Dich glaubte und das Leben um Deinetwillen liebte . Kehret Gedanken doch heimwärts , eilet den Tempel zu ordnen , Schafft mir im Herzen Gebet , eh es in Sehnsucht mir bricht , Drei sind ihrer , der Teuern , die weit in der Fremde mir weilen ; Zwei , dem Tode geweiht , grüße noch einmal mein Blick , Daß ich friedlich entsage dem , was die Fremde begehrt . Dann umfasse mich Leben , – denn eine noch weilet , – ich fühle , Daß sie das einzige ist : Leben und Liebe und Zukunft . – Wie mir 's im Herzen , – das hat ihr der Gott in den Busen geschrieben , Wie in der Seele es mir , schrieb ihr der Gott in das Aug. – Schweigend spricht sie das Wort , was meine Lippe nicht redet ; Flieh ich , so ist sie die Flucht ; ruh ich , so ruht sie in mir . Suchst du sie ? – Dort in den Schatten des Waldes , wo sich das Dunkel Tiefer Begeisterung löst , stiller der Himmel sich senkt , Wo an der liebenden Brust , dem Gestade des brausenden Lebens , Des unendlichen Meeres Woge melodisch sich bricht . Dort weilt sie , dichtet fromm , was ihr Geister sie lehret , Begierig , Geheimes zu fassen , Und euch , ihr Götter , in mir , schuf nur des Kindes Gebet . Trösterin ! – Freundliche ! – Dein Seherauge entsiegelt dem Tode , Der dich als Leben umgibt , selbst den geschlossenen Blick . – Alles Bettine ! dem liebend dein schaffender Geist sich genährt , Was deine segnende Hand , was dein Gedanke berührt , Blühet schöner ein Freiheit verklärendes Leben . Bilde in mir deine Welt , du , die den Zweifel nicht kennt , Die aus dem Busen mir zog den vergifteten Pfeil . Alles , was der Genius zu bilden mich drängt , Bilde ich Schwacher es nicht , weilt schon gestaltet in dir . Schützend will ich dir folgen , du Leben , das , wo ich zage , mich schützt ; Das , wo ich welke erblüht , gern mir die Jugend ersetzt . Verwechselt im Herzen , schreitest du kühn auf tobender Woge , Die aufbraust in mir und sänftigst sie , daß sie heller , melodischer klingt . In dir weile ich flammend , du gibst die lindernden Öle , Und so sühnt sich in dir , opfernd den Göttern , der Sturm . Ach , liebes Kind , wie einzig möcht ich Deine Begriffe und Ahnungen so stark machen , daß sie wirklich endlich zum Kern würden , zum reinen Gesetz , an dem alle Verkehrtheit zu scheitern komme . Ach lerne , arbeite , Dich zu bereichern , was es auch sei , nichts ist unbedeutend , alles nährt und weckt und erleuchtet . Aus allem kannst Du weben und flechten einen schattigen Hut , wo die Sonne im Zenit steht , eine Freiheitsmütze , die Deine höheren Anlagen schützt . Ach die Welt ist groß . Es gibt mildere Sonnenhimmel ! – Spanien , wo die Orangen Dir in den Schoß rollen , ich muß Dich hinführen , wo die ganze Natur Dir bestätigt , was Du ahnest , was Du suchst und glaubst , drum lasse Deinen Geist kühn jede Stufe erklimmen , fürchte nicht , daß er ermüde , nein , er kann durch sich selbst nur erstarken , wer von den Banden der Sklaverei sich will befreien , der muß den Geist im Innern befreien . Verberge , was ich Dir hier sage . Es gibt Gedanken , die dem Gott im Menschen allein geweiht sind , und der Geist wird nicht Schöpfer werden , der nicht diese als Geheimnis bewahren kann . Der Geist ist Zauberer , dies ist die Schöpfung , die in sich selbst geheim und heilig ist , eine ewige Tiefe der Freude und des unergründlichen Glückes , fern und unantastbar für die lärmende vernichtende Oberfläche des Lebens . Wieder ein Posttag und nichts von Dir ! – Wie ist das ? – Hindert man Dich ? – Der Buchhändler schreibt mir , er habe Dir den Homer geschickt , hast Du ihn ? – Schreibe und liebeDeinen Clemens Ach manchmal möcht ich verzweiflen , manchmal ist mir's , als müsse dennoch alles im Rauch aufgehen , was mir so gut und so schön in Dir deucht , als könntest Du nicht zu Dir selber kommen , um was hab ich Dich alles gebeten ? – Du hast mir versprochen , was mich so glücklich machen könnte . Versprochen hast Du's , aber wirst Du 's auch halten , wo eine lederne Zeit sich Deiner anmaßet ? – Du könntest – und doch kannst Du nicht . – Warum nicht ? – Frag Dich das ! – Warum hast Du nicht von Deinen Kinderjahren die Erinnerungen aufgeschrieben ? Du hattest mir 's versprochen , Du hattest mir 's gelobt . Werd ich nicht auf Dich zählen dürfen ? Clemens An Clemens Clemente , Du warst bei der de Gachet und nicht zu Hause im Stübchen , und jetzt klagst Du über Deine Einsamkeit , wo Du kaum den Fuß auf die Schwelle gesetzt hast . Und fragst ängstlich , warum ich nicht schreibe . Ei , weil Du nicht da warst . Weil bis zum 19. November keiner wußte , wo Du gewesen bist . Du schreibst mir endlich den schönen langen Brief , den ich nun schon acht Tage mit mir herumtrage , jetzt wirst Du denken , warum ich immer noch nicht antworte ! was da dran schuld sein mag ? – gar nichts ist schuld , als daß Dein Brief mich ganz betäubt hat , und ich hab ihn sehr vielmal gelesen und kann ihn nicht behalten , der Inhalt ist mir immer noch fremd . Ja , Du warst bei der de Gachet , dort hast Du an der galvanischen Batterie Dich elektrisch geladen , und nun fährst Du mit feurigen Zungen auf mich los . Soll ich denn wirklich schreiben heute ? – Oder soll ich wieder den Posttag versäumen ? Denk , es liegt meinem Geist , dem Du die Schöpfung einer neuen Welt zumutest , wie Blei in den Gliedern . Ich mocht lieber nicht schöpfen . Die ästhetischen Briefe von Schiller ? – Freilich hab ich die nicht gelesen , denn ich kann nicht auf Komma und Punkt Achtung geben . Der Großmama hab ich wohl draus vorgelesen , aber in Gedanken war ich wo anders , aber wo , weiß ich nicht ; aber von der Lektüre hab ich nicht profitiert , denn ich weiß nichts davon . Ist es Krankheit , daß ich so zerstreut bin ? Es ist wohl Schwäche in dem geistreichen Kopf , lieber Clemens , dem Du so hohe Würden und Kräfte zuschreibst in Deinem Gedicht . Du schreibst aber von mir nicht , nein , gewiß nicht , ich bin kein solcher Einsamkeitskobold , kein solch Wolkengespenst , noch Schattenriß der Erhabenheiten . Jetzt wirst Du böse , ich merk's . – Macht es Dich böse , Clemens , daß ich so Dir antworte auf Deinen treusten ernstesten Willen für mich ?