Rückblick Man ist es gewöhnt , preisend oder spottend , die altsassische Landschaft zwischen Weser und Rhein , die wir unter dem Namen Westfalen zusammenfassen , als eine Provinz strenger , steifer Erhaltung darzustellen . Und in der Tat , so wechselnd die Physiognomie ihres Bodens von den Marschen des Meeres , vorzeiten » das deutsche « geheißen , durch Dünen und Heiden , Moorstich und Sumpf , durch umwallte Korn- und Wiesenbreiten aufwärts zu rauhen Felsengipfeln und wieder abwärts in die Täler des romantischen Waldgebirges , in welchem am frühesten der deutsche Name zu Ehren gebracht worden ist , und so mannigfaltig mit diesem Wechsel des Bodens der Charakter seiner Bewohner uns entgegentritt , vom träumerischen Norden bis zum tatkräftigen Süden : die ursprünglich germanische Art und Bildung hat sich unter der ländlichen Bevölkerung dieser Gegenden unverwischt und unvermischt erhalten wie in keinem andern umfänglichen Gebiete unseres Vaterlandes . Ja , schon ehe wir gen Morgen die breite Wasserscheide überschreiten und durch das Felsentor der letzten Berge die eigentliche Rote Erde betreten , da wo das baumreiche Schaumburger Ländchen in die westfälische Vorebene übergeht , bewundern wir an Männern wie Frauen die deutsche Kraft und Schönheit der Gestalten und stoßen nicht selten auf einen Kunstjünger östlicher wie westlicher Akademien , der unter diesen urwüchsigen Bäumen und Menschen nach einem Vorwurf sucht . Wer jene Bauern hinter ihren stattlichen Gespannen aus den Waldgehegen treten sieht , unter deren Eichen und Buchen die noch immer mit Vorliebe gezüchteten Sauenherden weiden , wer sie sieht mit schwerfälligem Gerät , langsam , harttrittig die Furche durch ihre Korn- und Flachsfelder ziehen , oder die Weiber , den Wocken im Rockgurt , selber im Gehen unermüdlich , aber gelassen die Spindel drehen , wer im umwallten Kamp ihre Höfe sieht , vereinzelt , dunkel aus Eichenholz nach unvordenklicher Weise aufgerichtet , Mundart , Hausbrauch , Hausrecht , Erbrecht , Tracht und Kost , Sitte und Unsitte unerschütterlich nach Vätertreiben ; wer sie beobachtet in ihrer schweigsamen Stetigkeit , selten , aber unzähmbar von auflodernder Jachheit durchbrochen , der vermag ohne Anstrengung sich in die Anfänge unserer nationalen Kultur zurückzuversetzen , er glaubt die nämlichen alten Sassen zu finden , die vor einem Jahrtausend dem Christentum gegen einen Carolus Magnus widerstanden , deren trotzige Treue aber das widerwillig angenommene Evangelium am zähesten vielleicht unter den deutschen Stämmen gegen ein modernes Heidentum verteidigen würde . Er konnte sie finden mindestens vor einem Menschenalter noch . Seitdem hat die Neuzeit ihr wechselndes Gepräge auch dieser Landschaft aufgedrückt , Boden wie Köpfe nach lange brachliegenden Schätzen durchwühlend , fördernd , schmelzend , bildend und zerstörend ; den Hauch der heimischen Heimlichkeit verwehend . – Ein Merkmal dieses umwandelnden Geistes durfte schon vor länger denn dreißig Jahren der Wanderer auf dem nördlichen Heerwege an einem ländlichen Hause wahrnehmen , das in neusächsischer Gestalt , von Bruchsteinen aufgerichtet , hellfarbig getüncht , mit Ziegeln gedeckt und die räumlichen Fenster durch grüne Läden geschützt , seine breite , glatte Flucht der Straßenseite zukehrte . Eine Schenke , ein Krug , mitten zwischen der östlichen Grenze und der ersten namhaften preußischen Stadt , eine Viertelstunde abseit von den Nachbargehöften , bildete es den Schluß eines sich lang am waldigen Bergkamm hinziehenden Dorfes und hieß , wie manche andere des Landes , » die Klus « . Die Insassen jenes Dorfes hatten seit Menschengedenken nach abendlicher Rast auf der Klus ihren Krug geleert , oder rückkehrend vom städtischen Markte , selten mit Maß , sich am heimischen Wacholdergeiste erlabt , die Burschen und Dirnen der Umgegend sich festtägig im » Papen van Istrum « geschwenkt , unbehelligt von dem Qualme des mächtigen Schlotfanges in der Giebeltenne , die zugleich Küche , Räucherkammer und Wohngelaß war und in welche aus den nachbarlichen Koben Pferde , Rinder und Sauen neugierig , oder verdrießlich , oder gleichgültig wie die menschlichen Zuschauer ihre Köpfe streckten . Denn die Klus war ein Bauerngehöft wie alle anderen des Landes , und wie in allen anderen wurden Viehzucht und Feldbestellung als Hauptzweck , das Schenkwesen aber nur als ein von den Altvordern überkommenes Nebenrecht beiläufig und lässig betrieben . Eines Tages brannte die alte Eichenklus ab – wie die Sage geht , durch das Zünden des ersten Schwefelholzes , das ein ketzerischer Wandergesell gleich einem Koboldspuk in die Gegend getragen ; der kinderlos verwitwete Kluswirt starb infolge seiner Brandwunden , und das wohlgeordnete Anwesen fiel seinem Bruder zu , der , obgleich sein Vatererbe freies Eigentum war , sich als jüngerer Sohn willig mit einer schmalen Abfindung begnügt hatte . Ein noch bartloses Bürschchen , war der Frobeljobst der neuentfalteten , in anderthalb Jahrhunderten allmählich seiner Gegend eingewöhnten preußischen Fahne gefolgt , just da der Haß gegen das deutschnapoleonische und die Erhebung gegen das welschnapoleonische Regiment hoch im Schwange gingen ; er hatte in Deutschland und Frankreich wacker mitgekämpft , nach dem Frieden den schmucken Soldatenrock dem seiner harren den Knechtskittel vorgezogen , bis er , als Sergeant einem sächsischen Regiment zugeteilt , Herz und Hand eines munteren thüringischen Wirtstöchterchens erobert und teil an ihrem väterlichen Schenkengeschäfte genommen . Wohlgemut , den Himmel voller Geigen , wie er ihn in fremden Landen schauen gelernt , kehrte er jetzt , da das zerstörende Element ihn so unerwartet zum Erben befördert , in die alte , neugewordene Heimat zurück und baute die Brandstätte wieder auf in dem mitteldeutschen Geschmack , der ihm bequem geworden , so wie wir sie im Vorübergehen angeschaut . Scheuern und Ställe umfaßten zu beiden Seiten den durch das stattliche Vorderhaus abgeschlossenen Hof , hinter welchem , bis zu der Berglehne des Gemeindewaldes , die dunklen Eichen und Rüstern des Kampes einem Obst- und Gemüsegarten Platz machten . Zur Rechten wie Linken setzte der Kamp , das heißt die eingehegte , dem Hofe eignende Flurmark sich fort . Diesseits bis zum nächsten Anwesen die breite Flucht der Felder ; jenseits eine Forstparzelle , die , mit der Zeit gerodet , sich in einen Triftanger verwandelte . Den Raum zwischen Straße und Vorderhaus beschattete eine reinliche Laube von Ligusterhecken , und über der Tür flatterte das Schenkenzeichen des sächsischen Rautenkranzes . Also sein Heimwesen ausstaffiert , taufte der Frobeljobst den Jahrhunderte alten Krug zu einem Wirtshause um , stolz auf die neumodische Art , die er in sich aufgenommen , leider freilich ohne die altväterische Unart in sich auszumerzen . Denn bei Wesen wie in Zeiten , die sich umbilden , gewahren wir häufig das angeborene Schlimme länger haften als das Schätzenswerte , ja wohl auch das fremde Verwerfliche leichter eindringen als das Treffliche ; daher denn alle Übergangszeiten wie Mischrassen eine unbehagliche Periode haben , bis der Neuerungsprozeß vollzogen ist . Der Frobeljobst hatte jenseits des Rheins und der Elbe singen und springen , diskutieren und disputieren , seine Gäste unterhalten und manierlich bedienen lernen , er hatte aber nicht verlernt , dem heimatlichen Unholde des Wacholdergeistes huldigend zuzusprechen , der denn über seine flotte Schenkenlaune eine weit entzündlichere Herrschaft übte , als über die der bedachtsam , schrittmäßig schaffenden und rastenden Nachbarkunden . Und diese Nachbarkunden , unter denen seit unvordenklichen Zeiten die Klus-Frobel zu den ersten und besten gezählt , weit davon entfernt , sich von der neuen Herrlichkeit blenden zu lassen , sahen auf das laute , fremde Wesen mit höhnendem Mißwollen herab . Von vornherein kehrten sie ihm den Rücken . Die Alten tranken , die Jungen tanzten in einem abgelegeneren Krug , bis dann allmählich der Platz , auf welchem schon die Altvorderen sich gelabt und geschwenkt , seine Macht behauptete und die widerborstigen Gäste einen um den andern an sich lockte . Sie kehrten zurück . Der » Steinhäger « Ein vorzüglicher Wacholderbranntwein des Landes . mundete , ob auch die Würze des Schinkenbrodems im Schornstein , wie das Publikum der braven Vierfüßler vermißt wurde ; die Burschen drehten , die Dirnen ließen sich drehen , ohne sich durch blankgescheuerte Dielen und buntbekleisterte Wände die Lust vergällen zu lassen . – Wenn man aber der alten Gewöhnung zuliebe sich die neue Einrichtung gefallen ließ , die neuen Menschen , die sie aufgedrängt , ließ man sich nicht gefallen . Der » Sachsenwirt « war keiner der Ihrigen mehr , und das schwarzäugige Sachsenröschen würde es niemals geworden sein , auch wenn es nicht eine luthersche Ketzerin gewesen wäre . Sie rateten und tateten in der Gemeine ohne den Frobeljobst , keiner warnte ihn , keiner half ihm , keiner lud ihn zu Hochzeitsschmaus und Kindelbier , hinter keinem Leichenzuge sah man den Sachsen oder seine Sippe . Und so überlustig der Frobeljobst sich anstellen mochte , von dem leeren Platze unter seinesgleichen kroch es ihm zu Herzen wie nagendes Gewürm , sooft er die heimliche Galle mit brennenden Tropfen hinunterspülte , immer von neuem wirbelte sie ihm ätzend zu Kopf . Am liebsten hätte er der Acht einen Bann entgegengesetzt und alles , was Bauer und Nachbar hieß , von seiner Schwelle gejagt . Wollten sie ihn nicht neben sich , so wollte er über sie hinaus . Er baute einen Stock auf seine neue Klus und ließ das Wirtshaus zu einem Gasthof in die Höhe steigen . Kärrner und Vorspänner kehrten bei ihm ein ; Lohnkutschen , Extraposten selbst herbergten zur Nacht in der reinlichen , wohlgelegenen Wirtschaft , Spaziergänger aus der Stadt priesen Kaffee und Kuchenwerk , das kein Zuckerbäcker so meisterlich wie das Sachsenröschen zu bereiten verstand . Der Sachsenwirt triumphierte . Er hielt sich zu den Fremden , je vornehmer desto lieber ; er bediente sie halb umsonst , tischte auf nach Noten , traktierte extra , schenkte auf Rechnung , die niemals oder nur gegen teure Advokatensporteln bezahlt wurde ; er kleidete sich herrschaftlich , er kannegießerte , späßelte , schwänzelte hin und her , führte neumodische Tanzweisen auf , krähte wie ein Hahn und stelzte wie ein Storch seinen Gästen zum Pläsier ; er trank Punsch und Grog auf ihr Wohlergehn ; war er aber allein und von den Weiterziehenden verlassen , dann stürzte er Rum und Steinhäger ohne wässerigen Zusatz die Gurgel hinab , um seinen Grimm und Groll zu versengen . Als Schlimmstes des Schlimmen aber stellte es sich heraus , daß der behende , lustige Schenkwirt ein gar schwerfälliger , unlustiger Landwirt geworden war und daß die sächsische Küchenmeisterin glücklicher in der Speisekammer als in Rauch- und Milchkammer zu hantieren verstand . Die fremden Gespanne wurden mit Kraft und Saft , die eignen Stallinsassen mit Trebern gefüttert , die Felder unregelmäßig bestellt , Korn-und Heuböden selten kontrolliert . Das gefällige Wirtspaar schenkte und zechte , backte und brodelte bis in die Nacht und träumte bis in den Tag hinein ; die Tagelöhner , Knechte und Mägde , denen keiner auf die Finger sah , hielten Maulaffen feil oder schafften für den eignen Sack – die Klusschenke florierte , während der Klushof verkam . Aber was scherte die Bauernwirtschaft den Herrenwirt ? Er schenkte – sich selber am ersten und vollsten ! – , verschlief seinen Rausch , wachte gähnend auf und warf die Kontobücher in die Ecke , wenn Kredit und Debet nicht stimmen wollten . Hatten andere kein Geld , so hatte er's , und hatte er selber kein Geld , so hatte er Pfand – überflüssiges Geschirr , faules Vieh in Schuppen und Stall , nutzlose Baumriesen und halbreife Ernten in seinem Kamp . Der brachliegende Acker trug seine Last . Allmählich löste sich Scholle um Scholle hinüber in fremde Hand , und ihre kernschweren Ähren nickten höhnend auf die dürren , nachbarlichen Klushalme herab . Der Sachsenwirt saß zwischen den Ligusterhecken , zechte und lachte mit den Fremden . Und das Sachsenröschen lachte nicht weniger , seufzte wohl auch ein » daß Gott erbarm ! « und weinte ein Zährchen , wenn wieder eine Milchkuh vom Hofe getrieben ward oder mit den Jahren ihr Eheliebster auch gar zu toll und töricht ins Poltern geriet ; bald aber rührte sie ihren Fladen ein , tunkte ein Schälchen , trällerte ein Stückchen , band eine weiße Schürze vor , rückte die bunte Bänderhaube zurecht , neckte sich , schwatzte und lachte mit den Fremden . Der Hoferbe aber , Mosjö Gust oder » der junge Herr « , wie er sich titulieren ließ , des Sachsenpaares einziger Sohn , ei , der lachte und jubelte erst recht . Heute aus Herzenslust mit offner Hand , morgen im Ärger mit geballter Faust , am häufigsten aus Schabernack mit einem Schnippchen und fingerndem Nasendrehn . Er lachte über die Säufer von Bauern , die seinen Saufaus von Vater über die Achsel » bekiekten « ; er lachte über den Saufaus von Vater , der ein Bauer war und den Herren zuliebe sein Bauernerbe durch die Gurgel rennen ließ ; und er lachte über das Bauernerbe und den Fremdenschank , über Hausgenossen und Gäste , über Gott und die Welt . Frobel , der Jüngere , wäre er unter Zucht und Beispiel wie die heimischen in jenem südlicheren , beweglicheren Landesteile aufgeschossen , den man das Irland der Roten Erde nennen dürfte , so würde sich für seine Spielart nicht unschwer eine Klasse haben finden lassen . In dem schweren , langsamen Boden des Nordens war er seinerzeit eine Pflanze ohnegleichen . Ein Hälmchen , von jedem Lufthauche hin und her geweht , seicht auf Sande wurzelnd , diesen Augenblick zu Boden knickend und im nächsten wie ein Stehauf emporgeschnellt ; buntscheckig und früh erschlossen seine Blüte , von berauschendem Hauch ; wen ihr Samenstaub berührte , dem juckte die Haut . Windhafer und Taumellolch nannte schon der Schulmeister den fahrigen Schüler , und die Nachbarn warnten ihre Buben vor dem Tollkraut und Teufelsgarn auf der Sachsenklus . Das Sachsenröschen aber hätschelte und tätschelte ihr Wunderhold , und dem Sachsenwirte wirbelte es zu Kopfe wie ein Kitzel der Nieswurz bei seines Sprossen absonderlichem Gebaren . Lernen – Kinderspiel , arbeiten – Unsinn , aber faulenzen , ei beileibe ! Er bekleckste Papier und Wände , kratzte die Geige und krächzte zur Gitarre , er radebrechte alle Mundarten und spielte alle Rollen , die er im Fluge von seinen Gästen aufgeschnappt , er studierte die » Weistümer « seines Landes nicht in langweiliger Chronika , sondern in Ritter- und Räuberromanen , welche einer bereits abgelebten Generation die anmutigen Schauer einer Gänsehaut erregt ; er war ein Reimeschmied aus dem Stegreife , immer im Rausch und niemals betrunken . Das gab ein Juchhei auf der Sachsenklus , als der Hoferbe in die Jahre kam , wo die Nachbarsöhne Wirte und Männer wurden ! Schauspieler , Bereiter , Seiltänzer , Bänkelsänger und ihre Wahlverwandten , das waren die Einkehrer , seitdem das junge Genie unter dem Rautenkranze aufgeblüht . Mit ihnen wurde gezecht daheim oder in den Herbergen der Stadt – nicht in grobem , gebranntem Geist wie die Alten – in reinem , goldnem Wein , in perlendem , schäumendem Wein . Mit ihnen kreuz und quer gezogen und wieder eingesprungen , war der Säckel leer ; mit ihnen gekartelt , gewürfelt , im Inland und Ausland ins Lotto gesetzt ; denn Geld war die Losung , Geld ohne Müh und Hoffnung auf Geld ! Einmal nach der städtischen Jubilatemesse blieb das junge Herrchen aus ; Monate vergingen , und er war fort ohne Spur . Die Mutter weinte ihre Augen wund , der Vater wurde selten mehr nüchtern aus Kummer und Angst . Urplötzlich wie er verschwunden , kehrte er heim , ein dralles Weibsbildchen in die Elternarme führend , das während der Messe im kurzen Röckchen , auf schwankem Seil als Mademoiselle Sylvia gefeiert worden war und jetzt hinter dem Schenktisch als Madame Frobel gefeiert ward . Ein munterer Zeisig Dame Sylvia , des Wanderns müde und wohlgeneigt , im Käfig Zuckerbrot zu naschen ! Kläglich , daß sie , schon ehe der Frühling wiederkam und kaum daß ein armes , nacktes Vögelchen in das Nest gesetzt worden war , unter die dunkle Erde ducken mußte . Der junge Witmann zerschlug sich die Brust und zerraufte seine Locken , er reimte und deklamierte Trauerhymnen voll Schmerz und Herz , schweifte am Tage in Schlucht und Wald und lag um Mitternacht auf seiner Schönen Grabe – eine Woche lang ! Dann tröstete er sich , schäkerte , kartelte , knöchelte , zechte und lachte mit den Fremden querköpfiger denn je zuvor . Der Sachsenwirt lachte hinter seiner Flasche , die Sachsenwirtin hinter ihrem Herd , der Sachsenerbe lachte hinter dem Würfelbrett , die Knechte lachten in volle Töpfe und Säckel , die Fremden lachten sich in den Bart und die Nachbarn in die Faust , alles lachte auf der Sachsenklus . Nur eine lachte nicht : Judith , die Sachsentochter , erst auf dem heimischen Hofe dem Bruder nachgeboren und in jenen Tagen des Übermuts fast noch ein Kind . Schweigend und wenig beachtet , stand sie abseits , blickte , eine Falte zwischen den ernsthaften Augen , mahnend , ja richtend auf den Verfall ihres Vatererbes , und als die Stunde seines Zusammenbruchs ausgehoben , da streckte sie die kräftige Hand , um es zu stützen . Mehr als ein Vierteljahrhundert mochte vergangen sein , seitdem der Frobeljobst mit fremden Sitten in die alte Heimat zurückgekehrt . Der Sachsenwirt war begraben und vergessen , das Sachsenröschen lahm und grau vor der Zeit , der tolle Erbe verschollen überm Meer . Dampfende Rosse hatten den Verkehr auf der Landstraße verschlungen , neue Verbindungswege , Schenken und Gasthäuser sich geöffnet . Der Rautenkranz über der Klustür war verschwunden , die Sachsenwirtschaft keine Herberge mehr , nur noch ein einsames , stilles Gehöft , das seinen Namen , die Klus ( Klause ) mit Recht verdiente und allmählich wiedergewann . Die Neuerung im landschaftlichen Verkehr war mit dem argen Ende , das der Frobeljobst genommen , fast gleichzeitig zusammengefallen ; stillschweigend war das Schenkenzeichen eingezogen worden , fand sich der Bier- und Branntweinkeller in einen Milchkeller , der Tanzboden in einen Fruchtboden , die große Gaststube zum stillen Wohn- und Schlafgelaß umgewandelt . Man hantierte nach Bauernart auf den Feldern , die dem Hofe gerettet oder mit der Zeit wieder zugefügt worden waren . Man wirtschaftete knapp , emsig , stumm und streng nach Urväter Brauch mit einem einzigen Knecht und einer einzigen Magd . Von dem fremden Wesen war nur die Sauberkeit und hin und wieder ein fördernder Kunstgriff beibehalten worden . Wechsellos , klanglos , festlos gingen die Tage hin unter dem Regimente der jungen Wirtin , die zu innerlich ihres Landes Kind geblieben , um nicht zu fühlen , daß nur in dieser schweigenden , nachhaltigen Weise die Ehre ihres Standes und Hauses wiederhergestellt , die eigne Ehre unberührt von dem Moder der Vergangenheit bewahrt werden konnte . Seine Eignerin aber verkehrte mit keinem und sprach mit keinem ein Wort ohne Not . Nur in der Kirche wurde sie allfesttägig gesehen , wenngleich die Gemeinde ohne Ausnahme dem katholischen Glauben angehörte , die Kluswirtin aber auf den mütterlichen protestantischen Glauben getauft und ihm treu geblieben war , sich auch jedes Jahr am Karfreitag samt der kranken Mutter in ihrem Zimmer das heilige Nachtmahl von einem städtischen , protestantischen Geistlichen reichen ließ . Ihren Bruderssohn , der ihr als Pflegling zurückgeblieben , ließ sie hingegen in dem väterlichen katholischen Glauben unterrichten , anfänglich bei dem Lehrer und Pfarrer der Gemeinde , später , da des Knaben stillsinnendes Wesen in einen Lern- und Büchereifer umschlug , der einen geistigen Beruf bekundete , als Kostgänger bei einem Gymnasialprofessor in der Stadt . An den Mitteln für gegenwärtigen wie künftigen Studienaufwand gebrach es bei dem Gedeihen der Wirtschaft und bei dem ledigen Stande der Pflegerin nicht . Denn kein Werber oder Freiersmann hatte sich der Kluswirtin seit der Zeit ihrer Selbstherrschaft zu nahen gewagt , obschon sie ansehnlich von Gestalt und noch lange in den Jahren war , wo eine bäuerliche Jungfrau oder Witfrau begehrenswert gefunden wird ; dazu wohlberufen , unabhängig und eine Hofbesitzerin , freilich eine Ketzerin . Aber wenn auch ihre eigenen Gemeindegenossen der andern Kirche eigneten , so war die Bevölkerung der nördlichen Umgegend doch eine nach Kirchspielen gemischte , und selbst für einen protestantischen Stadtbürger , ja Beamten würde sie nach Bildung und Sitte eine anständige Genossin gewesen sein . Daß die schöne Kluswirtin unnahbar , gleichsam eine Mauer um sich aufgerichtet , das deutete auf einen tiefen , heimlichen Grund . Und ein tiefer Grund , ein Abgrund ist es ja , über welchem das Gewässer sich am stillsten bewegt , bis jäh ein Wettersturm die in der Tiefe verborgenen Schätze oder Schrecken zutage wirbelt . Vorboten Jahr um Jahr war auch über dieser neuesten Wandlung des Klushofes hingegangen , die Maienzeit wiedergekehrt ; die Natur hatte in lachenden Festgewändern ihre Schaffensfreude ausgestrahlt . Die ersten gelblichen Sprossen sprengten die glänzend braunen Blatthülsen des Eichenforstes , die Apfelbäume im Garten strotzten in Blütenübermut , vor dem Hause blähten sich Tulpen und Kaiserkronen über die bescheiden am Boden verduftenden Frühlingskinder ; das Auge ruhte mit Erquickung auf dem saftigen Grün der unübersehbaren Feldgebreite . – Die Nacht hatte die vorzeitige Sommerschwüle der vergangenen Tage kaum abgekühlt , und die Sonne , ohne Taufrische niedersengend , erst den weißen , dann den purpurnen Nebelschleier in die Höhe gezogen , in die sie sich gehüllt ; kein Atemzug bewegte die Luft , selbst die Hausvögel schwiegen beklommen . Nur der Finke in der Buchenhecke zirpte sein Regenlied , und die Maikäfer schwirrten in schläfrigem Taumel von Baum zu Baum . » Sturm , Sturm ! « surrten sie den Schmetterlingen zu . Die leichtfalterigen Luftgesellen aber saugten sich an die Kelche und lispelten : » Lasset uns nippen und naschen , denn morgen sind wir tot ! « Es war Werkeltag , aber eine sabbatliche Stille rings um das Klusgehöft . Kein Dreschflegel oder Seihrad in der Scheuer , nicht Pflug noch Spaten in Garten und Acker regten sich . Die Tiere des Hofes , nach Wirtschaftsbrauch zeitweise ihrer Stallhaft entlassen , weideten im abgeschlossenen Gehege der Waldwiese , die einstmals Forst gewesen war und jetzt ausschließlich » der Kamp « geheißen ward . Oben am Tränkquell lagerte das stattliche Roßgespann .