Ingo und Ingraban Ingo Im Jahre 357 Auf der Berghöhe stand an dem Verhau , das die Wälder der Thüringe von den Katten schied , der junge Wächter und hütete den steilen Pfad , welcher aus den Gründen der Katten nach der Höhe führte . Über ihm ragte der Wipfel einer mächtigen Buche , nach beiden Seiten lief der Grenzzaun den Kamm der Berge entlang , in dem dichten Gestrüpp blühten die Brombeeren und die wilde Rose . Der Jüngling trug den Wurfspeer in der Hand , auf dem Rücken am Riemen ein langes Horn , nachlässig lehnte er an dem Baum und horchte auf die Stimme des Waldes , den pickenden Specht oder das leise Rasseln in den Zweigen , wenn sich ein Waldtier durch das Dickicht wand . Zuweilen sah er ungeduldig nach der Sonne und wandte den Blick zurück , wo hinter ihm in ferner Tallichtung Blockhäuser und Gehege für Herdenvieh lagen . Plötzlich bog er sich vor und lauschte ; auf dem Pfad vor ihm klang leiser Fußtritt , durch das Baumlaub wurde die Gestalt eines Mannes sichtbar , der mit schnellem Schritt zu ihm heraufstieg . Der Wächter drehte den Riemen des Hornes und faßte den Speer zum Wurfe ; als der Mann aus dem Gehölz auf den freien Grenzrand trat , rief er ihn an , die Spitze des Wurfspeers entgegenhaltend : » Steh , Waldgänger , und singe den Spruch , der dich von meinem Eisen löst ! « Der Fremde schwang sich hinter den letzten Baum seiner Seite , streckte die geöffnete Rechte vor sich und sprach hinüber : » Ich grüße dich friedlich , ein Landfremder bin ich , unkundig der Losung . « Mißtrauisch rief der Wächter ihm entgegen : » Du kommst nicht wie ein Häuptling mit Roß und Gesinde , du trägst nicht den Heerschild eines Kriegers , auch scheinst du nicht ein wandernder Krämer mit Pack und Karren . « Und der Fremde rief zurück : » Weit komme ich her über Berg und Tal , mein Roß verlor ich im Wirbel des Stromes , ich suche das Gastrecht in deinen Höfen . « » Bist du ein wildfremder Mann , so mußt du harren , bis meine Genossen dir das Land öffnen . Unterdes gib mir Frieden und nimm ihn von mir . « Die Männer hatten einander mit scharfen Augen beobachtet , jetzt lehnten sie ihre Speere an die Grenzbäume , traten in den freien Raum und boten die Hände . Beim Handschlag prüfte einer des andern Antlitz und Gebärde . Der Wächter blickte mit ehrlicher Bewunderung auf den mächtigen Arm des Fremden , der wenige Jahre älter war als er selbst , auf die feste Haltung und die stolze Miene . » Nicht mühelos wäre der Schwertkampf mit dir auf grünem Rasen « , sagte er treuherzig , » ich bin fast der längste Mann unserer Metbank , und doch muß ich zu dir hinaufsehen . Sei gegrüßt unter meinem Baum und ruhe , indes ich deine Ankunft verkünde . « Während der Fremde sorglos der Einladung folgte , hob der Wächter sein Horn an den Mund und blies einen lauten Ruf in die Täler seines Volkes . Die wilden Klänge tönten im Widerhall von den Bergen . Der Wächter schaute nach den Hütten der fernen Lichtung und nickte zufrieden mit dem Kopf , denn um die Häuser wurde eine Bewegung sichtbar ; nach kurzer Zeit eilte ein Reiter der Höhe zu . » Nichts über einen starken Hall aus Auerhorn « , sprach er lächelnd und glitt neben dem Fremden in das Heidekraut , während sein schneller Blick den Aushau des Waldes entlang und in das fremde Tal vor ihm flog . » Sprich , Wandrer , ist vielleicht ein Verfolger auf deiner Fährte , oder hast du sonst Krieger im Walde gesehen ? « » Nichts schallt im Walde , als was hineingehört « , versetzte der Fremde , » kein Spürer der Katten achtete auf meinen Pfad seit sechs Nächten und Tagen . « » Die Söhne der Katten kommen blind zur Welt , wie junge Hunde « , rief der Wächter verächtlich . » Dennoch meine ich , daß du dich gut auf Waldversteck verstehst , wenn du ihre Wachen vermieden hast . « » Vor mir war Licht , hinter mir Finsternis « , antwortete stolz der Fremde . Der Wächter sah mit Anteil auf den Mann , in dem gebräunten Antlitz war jetzt deutlich die Erschöpfung zu sehen , der Leib lag schwer gegen den Baumstamm . Eine Weile überlegte der Wächter : » Hattest du die Rache der Katten zu fürchten , so hast du wohl auch tagelang Feuer und Rauch entbehrt und üble Reisekost gefunden , denn der Wald bietet jetzt nicht einmal Beeren und wilde Frucht . Sieh , ich gehöre zur Bank des Häuptlings , nicht weiß ich , ob er dir sein Brot und Salz reichen wird ; aber hungernden Mann im Walde mag ich nicht schauen . Nimm und iß aus meinem Ranzen . « Der Wächter griff hinter den Baum , holte eine Tasche von Dachsfell hervor und bot darin Schwarzbrot und Fleisch . Der Fremde sah ihn dankbar an , aber er schwieg . Da hielt ihm der Wächter ein kleines Horn entgegen , öffnete den Holzdeckel und mahnte freundlich : » Nimm auch das Salz , unter dem Baum ist mein Heimwesen , hier bin ich der Wirt . « Der Fremde faßte danach : » Gesegnet sei dir die Gottesgabe , wir sind Freunde . « Er aß kräftig , der Jüngling sah ihm zufrieden zu . » Wenn die milde Sonne ihre Strahlen durch das Baumlaub sendet , dann ist dein Wächteramt froher Dienst « , begann der Fremde endlich das Gespräch , » wenn aber der Wald tobt in der Sturmnacht , dann bedarf der Waldhüter Mut . « » Der Grenzrain hier ist den guten Göttern des Volkes geweihet « , versetzte der Wächter , » von beiden Seiten rinnen die heiligen Quellen hinab in die Täler , wir Waldleute aber sind vertraut mit dem Nachtgesang der Bäume . « » Du bist jung an Jahren « , fuhr der Fremde fort , » dein Herr schenkt dir großes Vertrauen , daß er dem Einsamen die Sorge um die Landesmark überläßt . « » Es stehen der Männer mehr an dem Grenzzaun « , erklärte der Wächter . » Wir besorgen wenig von einem Einbruch der feindlichen Haufen durch den Bergwald , denn schwer wird es dem Fuß des Fremden , über Fels und Waldbach in die Gehege zu dringen . Aber das Gerücht kündet , daß vor kurzer Zeit ein heißer Krieg an der Römergrenze entbrannt ist zwischen den Alemannen und dem Cäsar , den sie Julianus nennen , und vor zehn Tagen fuhr bei uns zur Nachtzeit das wilde Heer des Gottes durch die Luft « – er sah scheu in die Höhe – » seitdem wahren wir die Landesmark . « Der Fremde wandte das Haupt und blickte jetzt zum erstenmal hinüber nach dem Heimatland seines Gefährten . In vielen Reihen zogen sich die langgeschwungenen Berghöhen hintereinander , querdurch führte ein tiefes Tal , da wo es sich zu der Lichtung erweiterte , glänzte im Sonnenlicht der Schaum des Waldbachs . » Und jetzt laß mich wissen , Gutgesell , wessen Zeichen du trägst , und wohin deine Weisung mich führt . « » In allen Tälern , welche dein Auge sieht , und weiter bis in die Ebene hinab , waltet als Häuptling Herr Answald , der Sohn Irmfrieds , welchem auch ich diene . « » In der Fremde vernahm ich , daß ein großer König über das Volk der Thüringe herrscht , sie nannten ihn König Bisino « , versetzte der Wanderer . » Du hast das Richtige gehört « , bestätigte der Jüngling . » Aber dies Waldland hier ist frei unter seinem eigenen Herrengeschlecht seit alter Zeit , und der große König des Landes ist zufrieden , daß wir ihm die Grenze hüten und jedes Jahr Rosse an seinen Hof senden . Wenig sorgen wir Waldleute um den König , und unser Herr Answald geht nur selten zu Hofe nach der Königsburg . « » Und zählt König Bisino eure Rinderherden nicht , die ich dort bei den Hütten sehe ? « fragte der Fremde wieder . » Hm , es war einmal Waffenlärm in den Dörfern , weil der König seine Eber unter unsern Eichen mästen wollte , auch kam dem König das Gelüst , den wilden Ochs in unsern Wäldern zu jagen , aber man hat nichts mehr davon gehört . « Der Fremde sah ernsthaft in das Tal hinab : » Und wo ist der Hof deines Herrn ? « Der Wächter wies die Tallücke entlang . » Er liegt am Ausgang der Berge , für einen schnellen Wandrer drei Stunden talab , uns aber trägt ein Roß von der Weide in kürzerer Zeit dorthin . Hörst du den Hufschlag ? Das Horn hat meinen Gesellen verkündet , daß ein Fremder zu geleiten ist ; der mich ablöst , kommt . « Den Bergweg trabte ein Reiter herauf , ein stattlicher Jüngling , dem Wächter ähnlich an Antlitz und Gebärde , er schwang sich vom Pferde und sprach leise mit seinem Gefährten . Der Wächter übergab ihm das Horn , warf die Ledertasche über die Schulter und bot das Pferd dem Fremden . » Ich folge deinem Schritt « , sagte dieser ablehnend ; er grüßte mit Hand und Haupt den neuen Wächter , der ihn neugierig betrachtete , und wandte sich mit seinem Führer dem Tale zu . Steilab führte der schmale Pfad zu dem gewundenen Lauf des Gießbaches , zwischen Baumriesen , deren lange Moosbärte grausilbern im Sonnenlicht glänzten , über Wurzeln , die wie riesige Schlangen auf dem Weg lagen und sich in hohem Bogen wanden , wo das Geröll , welches ehedem unter ihnen lag , vom Wasser fortgespült war . Am Rand des Baches hemmte Treibholz und gehäufte Menge trockener Binsen , dort hatte im Frühjahr die Wucht des Wassers geworfene Stämme an die Seite gefegt , daß sie wild durcheinanderlagen mit entlaubten Ästen ; aber das Messer der Waldleute hatte einen schmalen Weg durch das Gewirr der Reiser gehauen . Mit beflügeltem Schritt eilten die Männer talab , sie sprangen in weitem Schwunge von Stein zu Stein , von Baum zu Baum , vorauf der junge Wächter ; oft schwang er sich hoch durch die Luft , wie ein Federball im Wurfe talab gesendet lustig hüpft ; und wo ein breites Rinnsal den Gang hinderte , wiederholte er den Sprung nach rückwärts , um seinem Gefährten Mut zu machen . Dem Roß hatte er den Zügel über den Hals geworfen , folgsam wie ein Hund sprang es dem Manne nach ; auch dem Hengst war der unebene Weg zum Spiele . Zufrieden maß der Wächter mit den Augen einen starken Schwung , den der Fremde über den Gießbach getan hatte , und betrachtete darauf die Fußtritte auf dem weichen Grund . » Du schreitest mächtig für einen müden Mann « , sagte er , » mich dünkt , du hast wohl schon früher weite Sprünge auf blutiger Heide gewagt . An deiner Spur sehe ich , daß du von unserem Volke bist , denn die Spitze des Fußes strebt auswärts , und stark drückt der Ballen . Vordem hielt ich dich nach deiner Rede für einen fremdländischen Mann . Hast du einmal Römertritte geschaut ? « » Sie schreiten mit kleinem Fuß und kurzem Schritt auf ganzer Sohle wie müde Leute . « » So sagen auch unsere Männer , die im Westen waren . Ich habe bisher nur waffenlose Händler des schwarzhaarigen Volkes gesehen « , fügte er entschuldigend hinzu . » Mögen die Schicksalsfrauen den Römerfuß von eurem Grunde fernhalten « , antwortete der Fremde . » Du sprichst wie unsre Alten ; wir Jungen aber denken , kommen sie nicht zu uns , so kommen wir wohl zu ihnen , denn wundervoll soll ihr Land sein , alle Häuser von buntem Stein , das ganze Jahr mildes Sonnenlicht und im Winter grüne Erde ; der süße Wein gemeiner als Dünnbier , von Silber die Sessel und Bänke , die Mädchen tanzen im Goldschmuck und seidenem Gewand , und der Krieger ist ein Herr der ganzen Pracht . « Vergebens erwartete der Wächter die Antwort des Fremden , sie schritten eine Weile stumm nebeneinander , endlich faßte der Jüngling das Roß beim Zügel : » Hier wird die Talfahrt wegsamer , steig auf , daß wir vor abends ans Ziel kommen . « Der Fremde legte die Hand auf den Widerrist des Pferdes und sprang wuchtig in den Sitz , der Führer nickte zufrieden und pfiff leise , das Roß trug den Reiter in großen Sätzen talab , der Jüngling lief zu Fuß nebenher , seinen Speer schwingend und bisweilen dem Roß zujauchzend , welches dann den Kopf zu ihm wandte und zur Antwort wieherte . » Wer sind die Weiber dort in hellen Gewändern ? « fragte der Fremde , als sie nahe der Lichtung auf einer Höhe anhielten und in das Gehege sahen . » Hui ! « rief der Wächter , » die Mägde vom Herrenhofe sind ge kommen , dort ist Fridas braune Kuh , hörst du die schöne Schelle , die ihr am Halse hängt , und dort ist das Mädchen selbst . « Sein gerötetes Gesicht verriet , daß ihm die Begegnung erfreulich war . » Sieh die alten Hütten , in ihnen wohnt der Rinderhirt , im Sommer ziehen die Rinder des Dorfes auf Waldweide , und unsere Mädchen kommen und holen die Arbeit des Kellers nach dem Herrenhofe . Dort drüben aber im Buchenwalde haust der Schweinhirt mit seinem Volk , es gibt nicht schönere Mast im Lande , soweit die Sonne scheint . « Sie betraten die Lichtung , der Wächter entfernte die Stangen , welche den Eingang zum Rinderpferch verlegten , und der Fremde ritt in den umhegten Raum , wo die Kühe brüllend umherliefen , während die Frau des Hirten mit ihren Mägden das Milchgerät zum kühlen Keller trug , der , aus Stein und Moos gefügt , abwärts von der Sonne lange Reihen der Milchschüsseln bewahrte . » Gutes Glück , Fremdling « , rief der Wächter , » unser Herrenkind , Irmgard , ist selbst hier , um nach der Herde zu sehen ; wird sie dir hold , so kannst du guter Pflege gewärtig sein . « » Welche ist es , die du mit Namen nennst ? « fragte der Fremde . » Dort befiehlt sie den Mägden , du kennst sie leicht heraus . « Die Jungfrau stand bei dem Karren , der , mit zwei Stieren bespannt , den Gewinn der Milchkammer zum Herrenhof fahren sollte : festgeschlagene Butter in Fässern vom Holz des wilden Pflaumenbaums und kümmelgewürzten Käse , in grüne Blätter gepackt . Geh zu ihr , Gesell , und künde , daß ein Fremder bittend naht . Ich scheue mich , das Kind deines Herrn anzureden , solange mir der Vater nicht den Herdsitz gestattet hat . Und da du freundlich gesinnt bist , sprich gut von mir , soweit du vermagst . « Der Fremde sprang vom Pferde und neigte sich der Jungfrau aus der Ferne . Frei ringelten die gelben Locken um ihre hohe Gestalt , sie umsäumten die kräftigen Formen des jugendlichen Antlitzes und wallten lang herab bis an die Hüften . Ein silberbeschlagener Gürtel hielt das weiße Linnengewand zusammen , darüber trug sie ein kurzes Oberkleid von feiner Wolle , zierlich mit der Nadel gestickt , über dem Handgelenk der nackten Arme goldene Ringe . Aus großen Augen sah sie nach dem Fremden hinüber und erwiderte mit leisem Kopfnicken den ehrerbietigen Gruß . Der Wächter trat zu dem Herrenkind : » Der Fremde sucht eine Ecke an unserer Bank und eine Herdstelle für sein wegemüdes Haupt ; ich geleite ihn zum Hofe , daß der Herr über sein Schicksal entscheide . « » Wir geben dem Wanderer Rast , den die Götter uns senden . Wer er auch sei , ob gut oder arg , der bittend unserem Herde naht , drei Tage hat er Gemach , dann fragt der Vater , ob er ein gerechter Mann ist und unseres Daches nicht unwert . Denn du weißt es ja selbst , Wolf , viel wildes Volk zieht elend durch das Land und trägt den Fluch , der an seinen Schritten haftet , in das Haus des ehrlichen Mannes . « » Er sieht aus wie einer , der sich ehrlich hält gegen Freund und Feind « , sprach der Wächter . Die Jungfrau warf einen flüchtigen Blick auf den Fremden : » Wenn er sich so bewährt , wie du sagst , so mögen wir uns seiner Ankunft freuen . Reich ihm den Krug mit Milch , Frida ! « Der Fremde trank , und als er den Krug dankend an Frida zurückgab , sagte er : » Segen über deine milde Hand . Der erste Gruß im Lande war willig von warmherzigem Manne geboten , der zweite hier sei mir eine Verkündigung , daß ich auch im Herrenhause den Frieden finde , nach dem ich mich so leidvoll sehne . « Unterdes hatte der Wächter für sich eins von den Rossen eingefangen , welche in besonderem Gehege sprangen . Während er sich anschickte aufzusitzen , trat die rotwangige Frida zu ihm : » Glück hattest du , Wolf , im Schlafe « , spottete sie , » an dem Grenzdorn ist , da du ruhtest , ein fremder Vogel hängengeblieben . Wie war dein Schlummer , Wächter , auf dornigem Lager ? « » Die Eule ließ mich nicht schlafen , sie stöhnte über Frida , die bei Nacht am Zaune steht und rüttelt , um zu erfahren , von wannen ihr ein Hausherr kommen wird . « » Ich aber sah einen Stieglitz auf dürrem Strauch , der sammelte alte Distelwolle zu einem Ehebett für den reichen Wolf . « Und ich weiß eine Stolze « , versetzte Wolf zornig , » welche Veilchen zertrat , die sie suchen sollte , und dabei in die Nesseln fiel . « » In die Nesseln deines Ackers nicht , du dummer Wolf ! « versetzte Frida zornig . » Ich kenne eine , der ich den Ball nicht zuwerfe beim nächsten Reigen « , antwortete Wolf . » Wenn der Wolf tanzt , fliegen die Gänse auf den Baum und lachen « , spottete Frida . » Winde dir ein Kränzlein aus Haferstroh , Jungfer Gans « , rief Wolf vom Pferde zurück und trabte abwärts mit dem Fremden , der sich zartfühlend auf die Länge eines Speerwurfes von diesem Wechselgespräch entfernt hatte . » Er ist ein unartiger Knabe « , klagte Frida der Herrin . » Aus dem Walde schallte zurück , was du hineingerufen « , antwortete diese lachend . Und dem fremden Reiter nachsehend , fuhr sie fort : » Er sieht aus wie ein Herr über viel Volk . « » Und doch war sein Bundschuh zerrissen und die Jacke so reisemüde « , sagte Frida . » Meinst du , daß der Fels nur die Füße des armseligen Wanderers schneidet ? Wer weither kommt , von dem glauben wir , daß er viel gesehen hat und viel gewagt ; es tut uns leid , wenn er ein arger Mann geworden ist aus Begehrlichkeit und Not , und wir wollten ihm gern Frieden geben , wenn wir es vermöchten . « Die Sonne ging zur Rüste , und die Bäume warfen lange Schatten auf den Weg , als die Reiter das Ende des Talgrundes erreichten . An beiden Seiten wichen die Berge zurück , längs dem Bache breiteten sich helles Gras und bunte Wiesenblumen , ein rothaariger Fuchs fuhr vor ihnen über den Pfad . » Der Rotkopf weiß , daß die Menschenwohnungen nahe sind « , sagte der Wächter , » er schleicht am liebsten , wo er den Hofgesang der Hähne hören kann . « Vor ihnen lag im Abendlicht das Dorf , von Graben und baumbesetztem Wall umschlossen , durch die Lücken der Bäume sah man hier und da die weißen Giebel unter braunem Strohdach , und kleine Rauchwölkchen , die aus den Dächern aufstiegen . Seitwärts vom Dorfe erhob sich auf kleiner Anhöhe der Herrenhof , mit besonderem Pfahlwerk und Graben umgeben , über die zahlreichen Häuser und Ställe des Hofes ragte hoch das Dach des Saals , der First mit schön geschnitzten Hörnern . Auf dem Wiesengrund vor ihnen übte sich eine Schar Knaben im Kampfspiel , sie hatten ein hohes Gerüst gestellt und schwangen sich der Reihe nach hinauf und jauchzend wieder herab . Als die Reiter nahten , rannte der Haufe an den Weg und starrte trotzig auf den fremden Mann . Der Wächter rief einen Knaben und sprach leise zu ihm ; der Knabe flog wie ein junger Hirsch in großen Sprüngen dem Herrenhofe zu , während die Reiter mit Mühe den Schritt ihrer unruhigen Pferde bändigten . Auf der Dorfstraße tanzten im Staube die kleinen Kinder den Ringelreigen , die Knaben nackt bis auf die Wolljacke , die kleinen Mädchen im weißen Hemde , sie stapften barbeinig im Staube und sangen . Der Ring löste sich , als die Reiter herankamen , an den Luken der Dorfhäuser wurden Frauenköpfe sichtbar , aus jeder Tür sprang eine Schar blauäugiger Kinder ; auch Männer traten an die Tür und musterten mit Falkenblick das Aussehen des Fremden , und der Wächter verfehlte nicht , seinen Begleiter zu ermahnen , daß er hierhin und dorthin schaue und die Hausbewohner vom Pferde grüße , » denn « , sagte er » freundlicher Gruß öffnet die Herzen und du magst die Gunst der Nachbarn bald gebrauchen . « Unterdes war der Knabe in den Herrenhof gelaufen . Fürst Answald saß in der Holzlaube , dem schattigen Vorbau des Herrenhauses ; er selbst war ein hoher Mann , breitschultrig , mit offenem Antlitz unter seinem grauen Haar , er trug die wollene Hausjacke über dem Hemde mit Biberfell besetzt , seine Lederstrümpfe mit bunten Riemen geschnürt , und nur die würdige Haltung und die Ehrfurcht , mit welcher die anderen zu ihm sprachen , ließen erkennen , daß er der Wirt war . So saß er umgeben von seinen Bankgenossen und schaute zufrieden auf zwei wohlgenährte Stiere , welche von den Knechten vorbeigetrieben wurden , weil sie zu Opfertieren ausgewählt waren für ein bevorstehendes Festmahl der Landgenossen . Der Knabe drängte sich behend an einen alten Mann mit klugem Gesichte , der zur Linken des Häuptlings stand und den Worten des Herrn höflich Antwort zu geben wußte , und kündete leise seine Botschaft . » Der junge Wolf führt einen Fremden her « , berichtete der Alte auf den fragenden Blick des Herrn , » der Mann kam ohne Geleit der Katten , ohne Roß und Kriegskleid , ein einzelner Mann aus dem Elend , er sucht das Gastrecht . « » Bereitet ihm den Gruß in der Halle « , befahl Herr Answald gleichmütig und gab seinen Mannen ein Zeichen , daß sie sich entfernten . Und zu seinem Vertrauten sprach er : » Mit Sorgen seh' ich die fremden Strolche . Seit am Rhein der Römerkrieg aufgebrannt ist , fliegen heiße Funken durch das Land , und mancher Gesell , der Gewalttat gelitten , schweift durch die Länder und übt Frevel in bitterem Hasse . « » Kommt er als Flüchtling aus dem Süden , so mag er Kunde wissen von dem Römerkrieg . « » Er mag auch römische Untreue in das Land tragen . Die welsche Sitte schleicht wie eine Pest durch unsere Täler , sie hat die Burgen der Könige mit Übermut gefüllt . Auch unsere Herren möchten im Purpurkleide prangen und schurkische Leibwächter füttern , die ihr Messer dem freien Mann in den Rücken stoßen , wenn sein Antlitz ihrem Herrn verleidet ist . Doch komm , wer auch der Fremde sei : was einem darbenden Mann gebührt , soll ihm werden . Du aber sorge , durch kluge Rede sein Geheimnis zu ergründen . « Der Häuptling trat in das Haus und setzte sich auf den Herrensitz , der , geschnitzt aus Eichenholz , der Tür gegenüberstand , belegt mit dem schwarzen Fell eines jungen Bären . Die Füße des Herrn ruhten auf einem Schemel , in der Hand hielt er den weißen Herrenstab . Draußen am Hoftor stiegen die Reiter ab , der Fremde lehnte seinen Speer an den Pfosten und setzte sich schweigend auf den Sitz außerhalb des Tores . Der Sprecher trat heraus und lud ihn mit feierlichem Gruß vor den Herrensitz . Der Fremde trat hoch aufgerichtet auf die Schwelle des Hauses , er und der Häuptling blickten einander einen Augenblick forschend an und beiden gefiel , was sie sahen . » Heil dir , Fürst Answald , Irmfrieds Sohn ! « » Heil sei auch dir ! « klang es vom Herrensitz zu rück . » Spende wegemüdem Mann den Trunk aus deinem Born , die Frucht von deiner Flur , den Schirm deines Daches . Ich komme freundlos , heimatlos und schutzlos zu deinem Herde ; verleihe mir , was dem Wanderer das Gastrecht deines Volkes gewährt . « Hildebrand trat vor und sprach : » Der Fürst verleiht dir nach des Volkes Brauch drei Tage Rast , drei Tage Kost , dann fragt der Fürst das Volk nach seinem Willen . – Tragt ihm den Sitz zum Herd , ihr Knaben , und bietet ihm die Gaben der Götter . « Drei Jünglinge trugen das Gerät , der eine den Schemel , auf dem der Fremde niedersaß , der andere in zwei Schalen Brot und Salz , der dritte einen Holzkrug , mit dunklem Bier gefüllt . Dieser bot den Trunk zuerst dem Fürsten , der den Krug mit den Lippen berührte , dann dem Fremden . Darauf gab der Sprecher dem Gefolge einen Wink und alle verließen den Raum . » Und jetzt , Wanderer « , begann Hildebrand , zu den Füßen des Fürsten niedersitzend , mit vertraulichen Worten , » da du Sicherheit gewonnen hast für Leib und Glieder , so gib auch uns Bericht , soweit du vermagst , wenn du etwas hinter unseren Bergen geschaut und gehört hast , was uns zum Nutzen sein kann und dir nicht zum Schaden . Denn es ist sorgenvolle Zeit , und der vorsichtige Wirt müht sich , Kunde zu holen von bewanderten Männern . Willst du erzählen , wenn die Götter dir verliehen haben , daß sich deine Worte willig auf der Zunge zueinander fügen ; oder soll ich fragen , was zu erfahren uns not tut ? « Der Fremde erhob sich : » Ich trage Kunde , die das Herz der Männer bewegt , nicht weiß ich , ob sie euch Freude bereitet oder Trauer . Eine Schlacht ist geschlagen , die größte seit Menschengedenken . Die Wölfe heulen auf der Walstatt , und die Raben fliegen über das Gebein der Alemannen , denen unser Gott den Sieg versagt hat . Die Franken haben dem Römer die Schlacht gewonnen , die Könige der Alemannen Hnodomar und Athanarich sind gefangen , mit ihnen viele Königskinder ; die Heerscharen des Cäsar brennen in den Tälern des Schwarzwaldes bis an den Main und treiben die Gefangenen zu Hauf . Der Cäsar ist mächtig geworden über das Grenzland , man sagt , daß die Katten Gesandte in sein Lager geschickt haben , um ein Bündnis zu bieten . « Ein tiefes Schweigen folgte diesen aufregenden Worten . Fürst Answald sah finster vor sich nieder , auch Hildebrand hatte Mühe , seine Bewegung zu verbergen . » Wir haben Frieden mit Römern und Alemannen « , sagte er endlich vorsichtig ; » und der Thüring fürchtet nicht die Macht des Cäsar . Du selbst aber warst , wie ich erkenne , in der Nähe , als die Schlacht geschlagen wurde , und du hast seitdem die Dörfer der Katten gemieden , die doch , wie du sagst , den Römern wohlgeneigt sind . Ich frage dich nicht , wem du den Sieg gewünscht hast . « » Ich gebe Bescheid ohne Frage « , rief der Fremde stolz , » ich habe nicht Römersold genommen . « Ein Strahl von Wohlwollen brach aus den Augen des Häuptlings . » Du bist kein Alemanne « , sagte er , » du bist nach deiner Sprache von den Kindern unseres Gottes , die fern im Osten wohnen . « » Ein Vandale von der Oder « , versetzte der Fremde rasch . » Es ist ein weiter Weg von deinem Heimatland bis zu der Walstatt am Rhein , Wanderer . Hat auch dein Volk seine Krieger in den Streit gesendet ? « » Ich kam an den Rhein ohne meine Landgenossen , ein schweres Geschick trieb mich aus meiner Heimat Flur . « » Ein schweres Geschick bereitet ein Gott oder des Mannes trotziger Mut . Möge dein Herz nicht bedrücken , was dich aus der Heimat gescheucht hat . « Der Fremde neigte dankend das Haupt . » Des Gastes Sorge ist , daß er seinem Wirt gefalle ; verzeih , wenn ich suche , was dir den Fremden vertraulich macht . Ich habe in meiner Heimat ein Lied des Sängers gehört , daß zu der Väter Zeit ein Held aus Thüringeland unter den Kriegern meines Volks gegen die Römer kämpfte , weit südwärts an der Donau . Irmfried war sein Name . « Der Fürst richtete sich im Sessel hoch auf und sprach : » Seine Hand lag segnend auf meinem Haupt , er war mein Vater . « » Blutbruder wurde er einem Krieger meines Volkes . Als der Fürst aus meiner Heimat schied , zerbrach er mit starker Hand ein römisches Goldstück und ließ die Hälfte zurück , daß sie ein Zeichen der Gastfreundschaft für spätere Geschlechter sei . Ist die eine Hälfte des Goldstücks dein , so ist die andere mein . « Er hielt das helle Goldblech dem Fürsten hin . Herr Answald fuhr heftig vom Stuhle und prüfte das Stück am Licht . » Still « , rief er gebietend , » keiner spreche ein Wort . Geh , Hildebrand , und trage deiner Herrin das Wahrzeichen , daß sie es an die andere Hälfte halte ; und sage ihr , daß sie allein sei , wenn ich einen Fremden zu ihr führe . « Hildebrand eilte hinaus , der Wirt trat nahe an den Gast und betrachtete ihn erstaunt vom Kopf bis zum Fuß : » Wer bist du , Mann , der mir so hohen Gruß in das Haus trägt ? « und freudig fuhr er fort : » Nicht tut es not , das Zeichen zu suchen , seit du die Schwelle betratest , hast du mir das Herz erregt . Komm , Held , daß du mir da deinen Namen kündest , wo die beiden Hälften des geheimen Zeichens sich zusammenfügen . « Er schritt eilig voran , der Fremde folgte . In ihrem Gemach stand Frau Gundrun , die Fürstin , und hielt die beiden Hälften des Goldstücks aneinander . » Hier sind zwei Ähren von einem Halme « , rief sie dem Gemahl entgegen , » was du mir sandtest , ist König Ingberts Zeichen . « » Und der sich dem Knie der Herrin naht « , sprach der Fremde , » ist Ingo , Konig Ingberts Sohn . « Langes Schweigen folgte dem Ausruf , die Hausfrau sah scheu auf den stolzen Krieger , auf das edle Antlitz , die königliche Gestalt , und sie neigte sich tief zum Gruß ; der Fürst aber rief bekümmert : » Oft habe ich gewünscht , das Antlitz der Gastfreunde zu sehen , der erlauchten Helden aus Göttergeschlecht ; von reichem Hofhalt hat mir der Vater erzählt , von mächtigem Gefolge in glänzendem Stahlhemd . Aber anders fügten die hohen Gewalten das Wiedersehen . Im Wanderkleide , als werbenden Fremdling schau' ich den großen Volkskönig , und Schrecken fühle ich im Herzen . Gutes bedeute die Stunde , wo ich dein Antlitz schaue . Dennoch gedenke ich , daß ich dir ehrbar meine Treue erweise . « » Ich aber komme nicht als Glücklicher zu dir und der Herrin « , sprach Ingo ernsthaft , » ein Flüchtling bin ich , und nicht will ich , mein Schicksal hehlend , deinen Schutz erschleichen . Aus der Heimat bin ich getrieben von dem eigenen Ohm , der nach des Vaters Tode dem Knaben die Krone nahm , mühsam haben getreue Männer mich geborgen , bis ich zum Manne wuchs ; Gefahr ist mein Los , des Königs Boten sind mir gefolgt von Volk zu Volk , sie boten Geschenke und forderten meinen Leib . Mit dem kleinen Haufen der Getreuen fuhr ich zum Kampf der Alemannen , ihre großen Könige waren mir hold , am Schlachttag führte ich einen Haufen ihres Volks . Jetzt sucht der Cäsar siegesstolz nach denen , die sich ihm nicht barfuß unterwerfen . Weit reicht seine Macht in den Königsburgen , ich sah die Boten deiner Nachbarn , der Katten , mit dem Friedenszeichen zum Rhein reiten , und ich bin darum sechs Tage und Nächte heimlich auf Wolfespfad durch ihre Gaue gezogen , fast ein Wunder war's , daß ich ihnen entrann . Das sollst du wissen , bevor du sprichst : Sei Ingo mir willkommen . « Der Wirt stand unsicher und suchte das Auge seiner Hausfrau , welche in dem Sessel saß und vor sich niederblickte : » Was ehrlich ist und was die Eide gebieten , das tu' ich « , sagte Herr Answald endlich , und die Wolke wich von seinem Antlitz : » Sei mir willkommen , Ingo , Königssohn . « » Edlen Sinn verrätst du , Held « , begann die Fürstin , » daß du dich scheust , Gefahr in den Hof deines Gastfreundes zu leiten . Uns aber ziemt zu erwägen , wie wir zugleich dir Treue erweisen und unsere Höfe vor der Gefahr beschützen . Weit schallt der Name eines Königs durch die Lande , und viele Feinde umlauern den Helden , der unter Krone geht , du selbst hast es leidvoll erfahren . Drum meine ich , nur Vorsicht hilft dir und uns zum Heile . Und darf ich meinem Hausherrn treue Meinung sagen , so dünkt mir gut , daß dein Gast unbekannt in deinem Hause weile und keiner von seiner Herkunft wisse , als du und ich allein . « » Soll ich im eigenen Hause den werten Gast verstecken ? « rief der Wirt unwillig , » ich bin kein Diener , nicht des Cäsars , nicht der Katten . « » Auch der König der Thüringe speist seine Mahlzeit gern aus den goldenen Schüsseln , welche Römerkunst gefertigt hat « , fuhr die Hausfrau fort , » hüte dich , des Königs Argwohn zu wecken . « Der Gast stand unbeweglich , und vergebens suchte die Fürstin seine Meinung zu erkennen . » Schwer ist es , edles Blut im Dienerkleid zu bergen « , wandte Herr Answald ein . » Auch Held Siegfried , von dem der Sänger meldet , stand im Knechtsgewand am Amboß . « » Und schlug zuletzt den Amboß in den Grund und den Schmied dazu « , rief der Wirt . » Sprich , Ingo , selbst , wie willst du , daß wir dich halten ? « » Ich bin der Flehende « , antwortete der Gast mit Selbstüberwindung , » und darf nicht hadern , ob du hoch , ob du niedrig mich reihen willst unter den Genossen deiner Bank . Meines Namens berühme ich mich nicht , aber ich berge ihn nicht , und zu ruhmloser Arbeit wirst du mich nicht stellen . « » Er meint wie ich « , rief der Fürst . » Stets fürchten die Helden Minderung ihrer Ehre « , sprach lächelnd die Fürstin . » Was ich bitte , ist leicht gewährt , nur kurze Zeit laß dir das Gewand gefallen , welches wir dem Fremdling im Hofe spenden ; unterdes wirbt dir mein Herr im Volk gute Meinung . – Nicht ewig währt der Kriegsruf an der Grenze , dem Cäsar wird 's an neuem Streit nicht fehlen , in wenig Monden ist das Geräusch verhallt , indes gelingt's wohl auch , den König zu gewinnen . « » Ich will's bedenken bis zur Nacht « , sprach der Wirt , » denn klug rät meine Hausfrau , und oft habe ich ihren Rat erprobt . Bis dahin hülle dich , o Held , in demutsvolles Wesen , denn vertraue mir , mit bedrängtem Herzen ersehne ich den Tag , wo ich in offener Halle künden kann , was deine und meine Ehre fordert . « So verließen die Männer der Herrin Kammer . Als aber am Abend der Hauswirt auf seinem Lager niedersaß , rief er unwillig : » Mir frißt's am Herzen , daß ich ihn sehen soll zuunterst an der Bank . « Aber die Fürstin antwortete leise : » Erst prüfe doch , ob er auch wert ist deines Schutzes . Denn ungewöhnlich ist des Fremden Art und freudenlos sein Schicksal . Sein Geheimnis bergen wir vor jedem , und auch vor Irmgard , unserem Kind . « Das Festmahl Im Hofe des Fürsten wurde den Landgenossen das Fest gerüstet . Die Hausfrau schritt mit den Mägden durch die Räume , wo die Vorräte der Küche bewahrt wurden , in langer Reihe hingen dort die Schinken , runde Würste und in Rauch gedörrte Zungen der Rinder ; sie freute sich des guten Vorrats , ließ abheben für die Küche und befahl den Mägden , in die besten Stücke ein Zeichen zu ritzen , damit der Vorschneider diese den Tischen der Ältesten aufsetze . Dann ging sie in den kühlen Keller , der , von Stein gewölbt , in einer Ecke lag , wo das Sonnenlicht wenig hinkam , hochbedeckt mit Erde und Rasen , dort wählte sie die Fässer mit starkem Biere und die Krüge mit Met und sah zweifelhaft auf einige große fremdartige Tongefäße , die halb im Boden vergraben in einer Ecke standen . » Ich meine nicht , daß mein Herr des Weines begehren wird , doch wenn er danach ruft , so sagt dem Schenken , daß sie das kleine nehmen , denn die anderen stehen und harren auf einen größeren Festtag . Und sehet zu , daß die ungeschickten Gesellen mir den teuern Ton nicht zerschlagen , denn was mühsam im Stroh durch Rosse und Männer hergeführt wurde aus dem welschen Land , dem könnte die lange Reise durch das Ungeschick der metgefüllten Knaben wohl verdorben werden . « Ernsthaft blickte sie noch einmal durch den großen Raum : » Es ist Vorrat genug für eines Häuptlings Haus , und manches Jahr mag der Met das Herz der Männer erfreuen , mögen die Götter uns schaffen , daß unsere Helden alles fröhlich und in Ehren leeren . Und höre , Frida , man weiß ja wohl , was die Männer zumal gebrauchen , aber beim Trunk trügt der Anschlag , auch wenn er reichlich war . Laß noch drei Krüge von altem Met in Vorrat herausheben , und sage dem Schenken , wenn die Männer friedlich sind und in ehrlichem Gespräch , so wird ihnen am Ende noch dies geboten , wenn sie aber widereinander eifern und zwieträchtig hadern , so soll er vorsichtig sein mit dem Gießen , daß uns kein großes Unheil entstehe . « Die Herrin schritt zu dem Küchenhause , darin brannten mächtige Feuer auf steinernen Platten . Die Jünglinge waren vor dem Hause beschäftigt , die Opfertiere zu zerlegen , große Hirsche und drei Eber des Waldes , und das Fleisch an lange Spieße zu stecken . Die Mägde aber saßen in langer Reihe , vieles Geflügel rupfend , oder sie rundeten mit den Händen gewürzten Weizenteig zu ansehnlichen Bällen . Und Knaben des Dorfes warteten mit lachendem Antlitz auf die Zeit , wo sie die Spieße drehen würden , damit auch ihnen vom Fest der Helden ein wohlschmeckender Anteil werde . Unterdes schafften die Mannen des Häuptlings um die große Halle . In der Mitte des Hofes stand der mächtige Bau , aus dicken Fichtenbalken gefügt , eine Treppe führte zu dem geöffneten Tor , im Innern trugen zwei Reihen hoher Holzsäulen die Balken des Daches , von den Säulen bis zu den Wänden liefen auf drei Seiten erhöhte Bühnen ; in der Mitte , gegenüber der Tür , stand darauf der Ehrensitz des Wirtes und der vornehmsten Gäste , daneben ein schön geschmückter Raum , einer Laube gleich , für die Frauen des Hauses , damit sie dem Festmahl der Männer zuschauen konnten , solange sie begehrten . Und die jüngsten der Mannen schmückten die Holzlaube mit blühenden Zweigen , die sie in der Flur abgehauen . Draußen aber fuhr Wolf einen großen Wagen mit Binsen und Kalmus heran , den er am Ufer des nahen Teiches geschnitten , um den Fußboden zu bestreuen . » Hier ist gut sein , Gast « , begann Wolf grüßend zu Ingo , » auch dir war die Herrin gnädig , du wandelst in neuem Gewande , das unsere Weiber gewebt ; wie trägt sich das Tuch der Mädchen aus Thüringeland ? « » Was gern geboten wird , sitzt dem Empfänger bequem « , antwortete der Fremde lächelnd , » ich freue mich , deine Stimme wieder zu hören , denn tagelang warst du auswärts . « » Wir Herdgesellen holten mit den Hunden die Festbraten aus dem Wald « , versetzte der Mann . » Hilf , Theodulf « , rief er einem Gefährten zu , » soll ich allein den Wagen räumen ? « Theodulf , ein stolzer Mann aus dem Gefolge , griff steifarmig in die Binsen und sprach über die Schulter zu dem Fremden : » Wer gewöhnt ist , fremdes Gewand zu bitten , der soll nicht müßig stehen , wenn bessere Männer die Hände rühren . « Ingo sah finster auf den Sprecher , eine hohe Kriegergestalt , breitbrustig , mit einer langen Narbe auf der Wange ; dem Fremden begegnete mit gleichem Trotz der Mann des Fürsten , an den Augen des einen entzündete sich der Zorn des anderen , bis die Blicke beider Gegner wie Flammen gegeneinander sprühten . Aber mit Selbstbeherrschung bändigte Ingo seinen Grimm und versetzte , den Rücken kehrend : » Hättest du gutherzig gemahnt , folgte ich williger deiner Weisung . « Der Wächter aber raunte ihm zu : » Hüte dich , den zu reizen , er ist ein unwirscher Gesell , der gern Eisen beißt , er stammt aus der Freundschaft der Herrin , und er dient nicht wie wir , denn er ist aus edlem Geschlecht , hat sich nur auf Zeit gelobt , und wird einst im reichen Erbe seiner Väter stehen . Kein Wunder , daß ihn die Binsen stechen , wenn er sie tragen soll . « » Wer dient , muß tragen « , versetzte Ingo finster . Aber auch die Mädchen sorgten um das Festkleid des Fremden . » Sieh , Herrin , wie stolz der Fremde in dem Wams schreitet , das ihm die Fürstin gespendet hat « , sagte Frida zu Irmgard . » Wackerer Sinn adelt geringes Kleid « , versetzte Irmgard . » Gering ? « rief Frida , » die Jacke ist vom allerbesten Tuch aus unseren Truhen , ich muß sie doch kennen , denn ich selbst habe sie einst genäht . Seltsam ist es , daß die Herrin so feines Gewand an fahrenden Mann wendet . « » Auch der Mann ist ja wohl kein Alltagssohn « , antwortete Irmgard . » Das meine ich auch « , bestätigte Frida neugierig , » denn ich sah , wie die Fürstin ihn vorher im Hofe anredete , da er ihr in den Weg trat ; von beiden Seiten war's ein Herrengruß , sie lachte ihm zu und strich mit der Hand an seine Kleider , als ob er ein vertrauter Mann aus der Freundschaft wäre . « » Als der Fremde gestern abend an den Herd trat , wo die Männer versammelt saßen « , versetzte Irmgard , » da hatte vorher der Vater sorglos gescherzt mit dem Gesinde , doch als er den Fremden sah , wandelte sich ihm die Gebärde , er hob sich , um dem Fremden entgegenzugehen , tat es aber nicht ; doch feierlich war fortan sein Wesen und das Mahl so still , als ob ein Bote vom Königshofe am Herrentisch säße . « » Auch der Fremde schritt « , fuhr Frida eifrig fort , » da er eintrat , kräftig auf den Herrn zu , als wollte er sich bei dem Herrensitz lagern , und einer von den Knaben mußte ihn an der Jacke zurückziehen auf sei nen Platz , daß er die Ehrfurcht nicht vergaß . « » Ich sah 's « , nickte Irmgard , » er lachte dazu « , und bei der Erinnerung lachte sie selbst . » Und doch sitzt er ganz unten an der Bank « , rief Frida , » und jetzt , wo der witzige Wolf wieder seine große Zunge rührt , hat er des Knaben Weisheit anzuhören . « » Ist's ein Geheimnis « , sagte Irmgard leise , » so wird es uns Mädchen wohl zuletzt verkündet . « » Du selber aber , Herrin « , mahnte Frida , » hast ihm seither wenig Huld erwiesen . Die ersten waren wir doch , die er ehrbar grüßte , und drei Tage lang hast du ihm jede Rede geweigert . Unfreundlich wird der Mann dich schelten und hartmutig , nicht wagt er , dich anzureden , da er aus dem Elend kommt ; darum biete du ihm endlich den Gruß . « » So laß uns tun , was sich gebührt « , antwortete Irmgard . Sie trat mit Überwindung zu dem Haufen der stolzen Knaben , welche dem Fürsten folgten , wenn dieser durch die Dörfer ritt oder in den Vorkampf der Schlacht trat . Aber als sie dem Fremden nahe kam , scheute sie sich vor den anderen zu ihm zu reden , sie hielt bei Theodulf an und sprach : » Spät ertönte gestern dein Hifthorn am Tore , wie war die Jagdbeute , Vetter ? « Theodulf errötete vor Freude , weil das Herrenkind ihn eher als die anderen begrüßte , er erzählte ihr von seinem Jagdglück und führte sie zu einem Holzverschlag , wo ein zweijähriger Bär unzufrieden saß . » Die Hunde zausten ihm das Fell , ich band ihn mit Riemen und trug ihn lebend zum Hofe , er wird wohl ein Spielgesell für die Kinder im Dorfe . « Als Irmgard den Braunen betrachtet hatte und sich mit Frida entfernte , rief diese unwillig : » Fürwahr , mit artigen Worten hast du dem Fremdling zugesprochen . « » Nahe genug war ich bei ihm « , antwortete Irmgard , » und er schwieg doch . « » Er weiß besser , was dem Herrenkinde geziemt « , versetzte Frida . Aber Irmgard achtete seitdem auf den Fremden , und als sie ihn abseit von den anderen am Zaun des Hofes lehnen sah , ging sie allein bei ihm vorüber , hielt wie zufällig an und sprach : » Auf dem Holunderbaum über deinem Haupt wohnt ein kleiner Grauvogel , der Nachtsänger . Die Mädchen beschwören jeden Abend das Wiesel und den Kauz , damit sie ihm nicht das Nest zerstoßen . Singt er dir , so höre ihm gütig zu , daß er sich deines wohlmeinenden Sinnes freue . Sie sagen , er mahnt im Sange jeden an das , was ihm lieb ist . « Ingo antwortete treuherzig : » Alles Geflügel , der Habicht in der Luft und der Sänger im Busch , singen dem fremden Mann dasselbe Lied in das Ohr , sie mahnen ihn an die Heimat . Dort streute einst die liebe Mutter den Vögeln Winterkost , damit sie ihrem Sohne in seinem Leben gute Vorbedeutung sängen . Die Treue haben sie seitdem bewährt . Manches Mal haben die wilden Boten im Federkleid den unsteten Mann auf der Heide und im Holz vor Gefahr gewarnt . Sie sind die Genossen seines Schicksals geblieben ; wie er wandern sie heimatlos über die Menschenerde , und wie er nähren sie sich vom Raub , den sie greifen , oder von der Gabe , die ihnen ein Gastfreund spendet . « » Und doch finden sie überall Flocken , aus denen sie ihr Nest bauen « , versetzte Irmgard . » Wo aber darf der Heimatlose sein Haus zimmern ? « fragte ernsthaft der Gast . » Wer bei der Schwelle seines Hauses steht und die Rosse auf dem Erbe der Väter zählt , der weiß nicht , wie die Bedürftigkeit am Herzen des stolzen Mannes nagt , wenn er Gabe nehmen muß , der selbst anderen spenden möchte . « » Du klagst über die Gastspenden im Hause , das dich an seinem Herd aufgenommen hat ? « antwortete Irmgard vorwurfsvoll . Selig preise ich den Wirt und die Herrin , die im ansehnlichen Hause dem Landfremden huldreich sind « , versetzte der Gast . » Aber unsicher schweifen die Gedanken des Mannes , dem sie eine Ecke an ihrer Bank vergönnen . Denn immer späht der Fremdling sorgenvoll nach der Miene des Wirtes , ob dieser ihm auch die Gunst bewahre . Jeder im Hofe steht sicher auf seinem Recht , nur dem wildfremden Wanderer ist der Grund , auf dem er schreitet , wie dünne Eisdecke , die vielleicht morgen unter ihm bricht , und sooft sich ein Mund gegen ihn öffnet , weiß er nicht , ob die Worte ihm Ehre bedeuten oder Schmach . Zürne mir nicht um diese Klagen « , bat er . » Deine Augen und deine Worte haben geheime Sorgen meiner Brust herausgelockt , und zu dreist wagte ich vertrauliche Rede . Mir wäre leidvoll , dir zu mißfallen . « » An deine Worte gedenke ich in Zukunft « , antwortete Irmgard leise , » sooft ich einsame Wanderer in unserem Hofe sehe . Du aber vertraue , daß du manchem hier willkommen bist . Die Thüringe lieben freudigen Mut und gesellige Rede , erweise dich heut so unter den Nachbarn , und wenn ich dir Gutes raten darf , so weiche nicht abseit von den jungen Männern , wenn sie die Kampfspiele üben . Denn ich meine , daß es dir auch im Kampfe wohl gelingen mag . Gewinnst du Lob unter den Landsleuten , so freut sich unser Hof , denn dem Wirt ist es Ehre , wenn der Gast Ruhm erwirbt . Und ich merke , auch der Vater will dir wohl . « Sie neigte errötend das Haupt und entwich aus der Nähe des Fremden ; er aber sah ihr freudig nach . Der Fürst stand vor dem Herrenhause und empfing dort die Edlen und die freien Bauern , welche auf allen Wegen zu Fuß und Roß heranzogen und am geöffneten Tor von Hildebrand , dem Sprecher , begrüßt wurden . Wer zu Roß nahte , der stieg dort ab , und die Jungen führten sein Pferd in ein weites Gehege und banden es fest , damit die Knechte ihm den Schaum mit Stroh abrieben und alten Hafer in die Krippe schütteten . Würdig war Gruß und Anrede , in weitem Ringe standen die Gäste auf dem Hofe , eine stolze Genossenschaft , ansehnliche Männer aus zwanzig Dörfern der Gegend , alle in ihrem Kriegsschmuck , den Eschenspeer in der Hand , Schwert und Dolch an der Seite , in schöner Lederkappe , die mit Zähnen und Ohren des wilden Ebers geschmückt war ; mancher ragte unter dem Eisenhut , in einem Lederkoller oder Kettenpanzer über dem weißen Hemd und in hohen Lederstrümpfen , die bis zum Leibe reichten , mancher auch , der reich war und die Ware der rheinischen Krämer beachtete , trug einen Überwurf von fremdem Zeug , das feine Haare von bunter Farbe hatte und wie das zarte Fell eines Raubtiers glänzte . Schweigend standen die Männer und freuten sich der Versammlung , nur einige , die zueinander traten , tauschten leise Worte über die Gerüchte , welche durch das Land flogen von der großen Schlacht im Westen und von bedrohlicher Zeit . Aber wer die Meinung der Menschen kannte , wie Hildebrand , der Sprecher , der merkte wohl , daß ihr Sinn kraus war und ihre Gedanken ungleich . Lange währte die Begrüßung , denn immer noch kamen einzelne , die sich verspätet hatten , bis der Sprecher an den Häuptling trat und auf den Stand der Sonne wies . Da führte der Wirt seine Gäste vor die Halle , feierlich betraten sie im Zuge die Stufen ; am Eingang empfing sie die Hausfrau , neben ihr stand die Tochter mit den Mägden . Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen ; die Fürstin reichte allen die Hand und fragte gebührlich nach ihren Frauen und dem Hausstand , den Männern von der Freundschaft bot sie die Wange zum Kuß . Die Häupter des Volks nahmen gewichtig Platz auf den Sesseln der Bühne und begannen ernstes Männergespräch , während der Schenk und die Diener in langer Reihe einzogen ; diese trugen in Holzkannen den Frühtrunk und behagliche Zukost , weiße gewürzte Brotkuchen und Fleisch aus dem Rauchfang . Unterdessen rüsteten die Jungen ungeduldig auf dem Rasengrund vor dem Hofe die Bahn zu kriegerischem Spiel . Die Knaben des Dorfes begannen den Kampf , damit auch sie das Lob der Krieger erwarben , sie rannten nach dem Ziel , sprangen über ein Roß und schossen mit dem Rohrpfeil nach der Stange . Bald aber ergriff der Eifer die Jünglinge , sie warfen die Speere , sie schleuderten den schweren Felsstein und sprangen ihm nach , und als Theodulf in mächtigem Schwunge den schwersten Stein geworfen und den weitesten Sprung getan , klafterweit über die anderen hinaus , da erscholl lautes Jauchzen bis zur Halle . Und die Alten und Weisen des Volkes behielt es nicht länger auf ihren Sitzen , auch sie eilten zur Schau auf den Rasen . Groß wurde der Ring der Zuschauer , die Weiber des Dorfes standen in ihrem Festschmuck , gesondert die Männer , und im Umkreis klang immer lauter der Zuruf und das Lob der Sieger . Unter den Schauenden stand Ingo und achtete schweigend auf die behende Kraft . Da trat zu ihm Isanbart , ein alter Häuptling des Gaues , betrachtete ihn prüfend und begann feierlich , so daß die Rede der anderen verstummte : » Auch in deinem Volke , Fremdling , woher du auch stammst , übt sich wohl der junge Krieger in Sprung und Waffen . An deinem Auge und Arm sehe ich , daß du des Spiels nicht ganz unkundig bist ; vielleicht gefällt dir's , unseren jungen Männern zu zeigen , was in deiner Heimat Brauch ist , wenn du auch nicht die Kunst eines Häuptlings verstehst . Bist du aus dem Ostlande , wie ich vernehme , so vermagst du wenigstens die Holzkeule zu schwingen , auch dieser Wurf erweist die Kraft des Mannes , obgleich meine Landgenossen ihn wenig üben . In der Halle sah ich über dem Sitz des Wirtes ein solches Holz . « Ingo antwortete dem ehrbaren Greise : » Wenn mir's der Fürst gestattet und die Häupter des Volkes , so will ich versuchen , was ich ehedem gelernt . « Der Fürst winkte , einer aus dem Gefolge sprang nach dem Hofe und trug die Waffe aus Eichenholz herzu , vom Griffe nach rückwärts gekrümmt , vorn mit scharfer Schneide . Die Keule ging von Hand zu Hand , lachend wogen die Männer das leichte Werkzeug . » Eine Waffe dieser ähnlich trägt unser Sauhirt , um Wölfe zu schlagen « , rief Theodulf verächtlich , aber Isanbart der Greis entgegnete strafend : » Du sprichst töricht , ich sah von solchem Holz , nicht so schwer als dies , einen Schädel brechen wie einen Tonkrug . « Und er legte die Keule dem Wirt in die Hand . » Wer jemals in den Ostmarken über eine Walstatt geritten ist « , sprach der Fürst , » der kennt die Wunden , welche dieser Knorren schlägt . Doch von alten Kriegern habe ich gehört , daß ein Geheimnis in dem Holze liegt und daß man schwer des Wurfes mächtig wird , denn tückisch soll es dem Unvorsichtigen das eigene Haupt treffen . Nicht unwert ist dieses Holz der Hand eines Edlen , denn es war vorzeiten eines Königs Waffe , und mein Vater brachte sie aus der Fremde heim . « » Dann soll sie ihre Kunst dem Sohn erweisen « , rief Ingo freudig und faßte danach . Mit kurzem Armschwung warf er die Keule , sie flog in krausem Bogen durch die Luft , doch als alle meinten , daß sie zu Boden schlagen würde , fuhr sie wie durch eine Schnur gezogen wieder nach dem Manne zurück ; er packte sie in der Luft am Griff und warf sie wieder hierhin und dahin , immer schneller , und immer kehrte sie gehorsam vom Schwunge in seine Hand . So mühelos und lustig schien das Spiel mit dem Eichenkolben , daß die Zuschauer näher traten und lautes Gelächter durch den Kreis ging . » Das ist ein Gaukelspiel des fahrenden Mannes « , rief Theodulf verachtend . » Es ist eines Mannes Handwehr « , versetzte der Fremde entgegen , » schwerlich ist dein Schädel fester als diese Eisenkappe . « Er sprach zu Wolf , und dieser legte in Weite eines Speerwurfs einen alten Eisenhelm auf einen Pfahl . Der Fremde maß das Ziel , wog die Waffe in schwingender Hand , warf sie im Bogen nach dem Helm und sprang in gewaltigem Satze nach . Laut krachte das berstende Metall , und doch fuhr die Keule wieder zurück , und wieder packte sie Ingo mit starker Hand und hielt sie hoch . Ein Ruf des Erstaunens scholl in dem Ringe , ein Haufe sammelte sich neugierig um den zerschlagenen Helm . » Wohlan « , begann Theodulf herablassend , » hast du uns deine Gewohnheit gezeigt , so versuch es auch mit unserem Brauch . Führt den Springern die Rosse heran . « Zuerst wurden zwei Rosse nebeneinander gestellt , Kopf an Kopf und Schweif an Schweif . Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlauf hinüber ; fast allen glückte der Sprung , aber bei drei Rossen gelang es nur einer kleinen Zahl , und über vier sprang Theodulf allein , und als er hinter den Rossen zum Haufen der anderen zurücktrat , sah er herausfordernd den Fremden an und winkte mit der Hand zur Folge . Der Fremde neigte das Haupt ein wenig und tat denselben Sprung so sicher , daß das Feld vom Beifall widerhallte . Da rief Theodulf das fünfte Roß heran zum schweren Sprung , nur selten vollbrachte ihn einer der Behendsten . Aber der Thüring war gereizt und entschlossen , das Äußerste zu tun . Er selbst ordnete die Pferde anders , daß der Schimmel als fünfter stand , dann sah er um sich , empfing den Zuruf seiner Freunde und wagte den mächtigen Sprung . Und er kam hinüber , nur daß er beim Niedertauchen mit seinem Rücken den Schimmel streifte . Aber während er vortrat und sich über das Jauchzen des Volkes freute , tönte noch lauterer Zuruf hinter ihm und umgewandt sah er den Fremden , der diesmal schnell und mühelos in seinem Rücken den Sprung vollbrachte . Der Thüring erblich vor Zorn , er ging schweigend an seinen Platz und mühte sich vergebens , den Neid herabzudrücken , der ihm aus den Augen brach . Die Alten aber traten zu dem Fremden und rühmten seine Kunst , und der alte Häuptling begann : » Ich erkenne , Fremder , wenn mich nicht deine Gebärde täuscht , du bist nicht unkundig des Schwunges auch über sechs Rosse , den sie Königssprung nennen , und der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt . Ich sah ihn einmal , da ich jung war , mein Volk niemals . « Und er rief laut : » Führt das sechste Roß heran ! « Da erhob sich im Kreise Gemurmel , und die Entfernten drängten näher herzu , während die Jünglinge eilten , das Roß zu stellen . Neben Ingo aber trat die Fürstin , sie war bekümmert um die Niederlage ihres Verwandten und sprach leise zu dem Gaste : » Erwäge , Held , leicht trifft der Pfeil des Jägers den Auerhahn , wenn er die Flügel breitend seine Stimme erhebt . « Aber Ingo sah auf Irmgard , welche in froher Erwartung hinter der Mutter stand und ihn freundlich anlachte , und er antwortete mit heißen Wangen : » Zürne mir nicht , Herrin , ich bin gefordert , nicht habe ich mich in den Kampf gedrängt ; ungern entsagt der Mann der angebotenen Ehre . « Er trat rückwärts zum Sprunge , hob sich gewaltig in die Luft und vollbrachte den Schwung , daß alles Volk jauchzte , und da er zurückkehrte , achtete er nicht auf die unwillige Miene der Fürstin , er freute sich , daß ihm die Kunst gelungen war und daß Irmgards Angesicht rosig erglänzte . Lange wogten die Zuschauer durcheinander , sprachen über die Kühnheit des Fremdlings und rühmten ihn , bis dem Wettkampf der Männer andere Ziele gesetzt wurden . Ingo stand fortan still neben den Häuptlingen , und niemand forderte ihn zu neuem Streit . Schon neigte sich die Sonne von ihrer Höhe , da nahte der Sprecher dem Fürsten und lud die Gesellschaft zum Mahle . In fröhlicher Erwartung folgten die Männer dem Rufe , sie wandten sich im Zuge nach dem Hofe zurück und schritten die Stufen der Halle hinauf . Der Sprecher und der Truchseß traten ihnen vor und ordneten an den Tafeln der Halle jeden nach Rang und Gebühr . Dies war eine sorgliche Arbeit , denn jeder begehrte den Platz , der ihm geziemte :entweder am Tisch des Häuptlings , oder nahe bei ihm , lieber auf der rechten Seite als auf der linken . Es war eine lange Reihe von Tischen , die Sitze daran für die Vornehmsten mit einer Armstütze und für die Ansehnlichen immer noch mit hoher Lehne , für die Jüngeren ein schöner Schemel . Schwer war's , allen mit dem Ehrensitz Genüge zu tun , aber der Sprecher verstand sein Amt und wußte manchem seinen Platz zu loben wegen der Nachbarn und der Nähe der Frauen und wegen gutem Überblick über den Saal . Zunächst der Tür lagerten die Bankgenossen des Hausherrn in langer Reihe , dort hatte den Ehrenplatz Theodulf und ihm gegenüber saß ganz unten der Fremde . Da alle erwartend saßen , trat der Schenk mit den Dienern ein und trug in schönen Holzbechern den Begrüßungstrank ; der Wirt erhob sich , trank den Gästen gutes Heil zu , und alle standen auf und leerten die Becher . Darauf kam der Truchseß mit seinem Stabe und hinter ihm eine lange Reihe Diener , welche die erste Tracht auf die Tische setzten ; da ergriff jeder sein Messer , das er an der Seite trug , und begann rüstig das Mahl . Im Anfang war es schweigsam um die Bänke , denn allen störte die Rede der eigene Hunger und sie rühmten nur mit leisem Dank die reichliche Fürsorge der Herrin . Doch die Ältesten in der Nähe des Fürsten tauschten ernsthafte Worte , sie dachten an vergangene Taten der Helden und lobten die Tugenden ihrer Rosse . Die anderen aber horchten essend gern auf ihr Gespräch . Und ein Edler an der Seite des Fürsten begann laut : » Das liebste fürwahr im Sommer ist mir ein solches Hochfest , wo die Landgenossen einander auf grüner Wiese im Heergewand grüßen , die grauen Häupter erinnern sich alter Kriegsreisen , die schlachtenfrohe Jugend erweist im Spiele , daß ihre Kraft dereinst die Ehren der Väter mehren wird . Die Sonne scheint warm , und das Antlitz des Wirtes lacht den Gästen entgegen ; auch das Herdenvieh springt umher , und die Ähren der Gerste bräunen sich im Südwind ; fröhlich wird des Mannes Herz in solcher Zeit und ungern gedenkt er der Sorgen . Dennoch ziemt dem Manne , auch beim Mahle das Schwert nicht weiter von sich zu legen , als der Arm reicht , denn wechselvoll ist alles Leben in den Tälern der Menschen , bald wohl verdeckt schwarzgrauer Wolkenschild den Himmel , ein weißes Schneetuch den Grund ; kein Glück der Menschenerde dauert und der nächste Tag mag neues Schicksal bringen . So geht auch jetzt durch das Volk eine Kunde aus dem Römerland , manche sorgen darum und ihre Gedanken fragen unsern Wirt , ob er Botschaft erhielt , die uns zu wissen frommt . « Diese Rede sprach die Meinung aller aus und von allen Tafeln klang Beistimmung , dann wurde es sehr still ; der Fürst aber antwortete mit Vorsicht : » Von großem Schlachtendrang vernahmen wir alle und erwägen , ob er uns zum Heile sein werde . Dennoch rate ich nicht , daß wir Waldmänner heut von dem Trinkhorn abwärts spähen mit sorgenvollem Blick . Noch wissen wir nur , was die Wanderer zutrugen aus der Fremde , vielleicht was sie selbst geschaut , vielleicht undeutliches Gerücht . Darum ritten unsere Boten über den Wald südwärts nach neuer Kunde . Wir harren ihrer Heimkehr , dann prüfen die Weisen , ob die Botschaft wert ist , daß das Volk darum sorge . « Da diese Worte kundgaben , daß der Wirt nichts über den Römerkrieg berichten wollte , so entstand undeutliches Gemurr , und Herr Answald merkte , daß die Gäste gern mehr vernommen hätten und daß sie seines Schweigens nicht froh waren . Darum trat jetzt auf ein stilles Zeichen des Herrn der Sprecher vor und rief mit lauter Stimme : » Die Schwerttänzer nahen und erbitten sich Gunst . « Da schwieg jeder und rückte den Sessel zum Schauen zurecht , die Frauen erhoben sich von den Sitzen . Ein Pfeifer und ein Sackbläser schritten voran , hinter ihnen zwölf Tänzer , junge Krieger aus dem Volk und von des Häuptlings Bank im weißen Unterkleid mit buntem Gürtel , das blitzende Schwert in der Hand ; vor ihnen als dreizehnter Wolf , der Schwertkönig , in rotem Gewande . Sie hielten am Eingang und grüßten , die Waffen senkend , darauf begannen sie den Sang des Reigens und schwebten in langsamem Schritt nach dem freien Raum vor der Herrenbank . In der Mitte hielt der Schwertkönig , die zwölf Genossen umkreisten ihn feierlich mit gehobenem Schwert . Er gab ein Zeichen , die Pfeifer bliesen , schneller wurden die Bewegungen , nach rechts schwang sich die Hälfte im inneren Ringe , die andere von außen entgegengesetzt und jeder tauschte mit allen , denen er begegnete , Schwertschlag nach Ordnung der Hiebe . Dann tauchte zwischen den blinkenden Schwertern der König hindurch , bald nach außen , bald nach innen im Kreise schwebend , mit seiner Waffe fing und erwiderte er die Schläge der anderen . Kunstvoller wurden die Verschlingungen , heftiger die Bewegungen , einer nach dem anderen wand sich wie im Kampf durch die kreisende Reihe der übrigen . Dann teilten sie sich in Haufen im Takte gegeneinander eilend und mit den Waffen streitend , bis sie zugleich je drei und je vier in der Kämpferstellung sich verflochten . Plötzlich senkten alle im großen Kreise die Schwerter zur Erde und verschränkten sie im Nu am Boden zu einem künstlichen Geflecht , das aussah wie ein Schild . Der Schwertkönig trat darauf , und die zwölf Genossen verstanden ihn auf dem Schilde aus Schwertern geformt vom Boden heraufzuheben bis über ihre Schultern , wo er stand und mit seinem Schwert den Fürsten , die Gäste und die Frauen grüßte . In gleicher Weise ließen sie ihn langsam zu Boden , lösten Eisen von Eisen und begannen aufs neue im Kreise gegeneinander zu springen , jetzt Sprünge und Schwertschläge schnell wie der Blitz , kaum vermochte das Auge den einzelnen Streichen zu folgen , im Wirbel flirrte der blanke Stahl und schwangen sich die Leiber der Männer unter den scharfen Waffen , die Pfeife gellte , das Sackrohr summte in wilden Klängen , die Funken sprühten von den Schwertern . So lief das Spiel der Helden in des Fürsten Halle , bis die Tänzer anhielten , wie durch Zauber gebannt , in der Stellung von Kämpfern je zwei gegenüber . Darauf begann wieder der Reigensang der Tänzer , und langsamen Schrittes , feierlich grüßend , schwebten sie beieinander vorüber und schritten im Zuge zum Saale hinaus . Um die Sitze dröhnte der Beifallssturm , die Gäste sprangen begeistert auf und riefen den Tänzern fröhlichen Dank . In der Nähe des Fürsten erhob sich Rothari , ein Edler , und begann : » Ich rede , wie ich denke , kunstvolleres Schwertspiel sahen meine Augen niemals bei anderen Leuten , und wir Thüringe sind auf der Männererde gerühmt wegen solcher Kunst . Dort unten aber an der Bank des Fürsten sitzt ein Fremdling , kriegerischer Werke wohl mächtig . Und wenn ich ihn nach der Tüchtigkeit schätze , die er heute erprobt hat , so würde ich ihm seinen Stuhl hoch herauf unter die Starken setzen . Doch ungleich verteilen die Götter ihre Gaben , auch ein Fremder , der seine Ahnen nicht kennt , mag ein achtbarer Kriegsmann werden . Die Leute sagen , daß zuerst aus dem Hof des Fürsten die Kunde von der Römerschlacht in unser Land geflogen sei , und da ich den Fremden sah , hielt ich ihn für den Boten ; doch der Keulenwurf erwies , daß er aus dem Ostland stammt . Ich bringe dem Gaste in der Halle den Heilgruß . « Ingo erhob sich und dankte . Da rief Theodulf laut : » Manchen sah ich springen und schwingen auf weichem Rasen , der hoher Sprünge in der Feldschlacht vergißt . « » Recht mahnst du « , versetzte Ingo kalt , » doch manchem nagt auch Neid in der Seele , weil er selbst nicht als Höchster auf dem Rasen sich schwang . « » Für ehrenwerter als ein Springer gilt bei uns der Mann , der seine Narben vorn am Leibe trägt « , versetzte Theodulf . » Ich aber lernte von Alten und Weisen , daß nicht unrühmlicher sei , tiefe Wunden zu geben als zu erleiden . « » Sicher gebührt dir die Würde eines Häuptlings , dem sein Gefolge die Schilde vorhält gegen feindliche Speere , damit sein Antlitz mairötlich daure zur Freude des Volks « , höhnte wieder der Mann des Fürsten . » Und ich hörte manchen , der einen Schwertschlag empfangen , darüber glucksen wie ein Huhn über ein Ei « , versetzte Ingo verächtlich . » Ruhmlose Wunden auch birgt das Hemde , die Spuren der Streiche , die den Rücken bedrängten « , rief Theodulf mit flammendem Angesicht . Ruhmlos nenne aber ich die boshafte Zunge , die in der Halle nach dem Gastfreund sticht . Nicht ehrenwert dünkt mir solche Rede , dem Thüring geziemt nicht der falschen Römer Brauch . « » Kennst du so gut den Brauch der Römer « , rief vom andern Tisch ein wilder Kriegsmann aus Theodulfs Freundschaft , » so hast du auch wohl ihre Streiche gefühlt . « » Im Kampfe stand ich den Römerkriegern « , rief Ingo , sich vergessend . » Frag dort im Lager nach deinen Gesippen , nicht jeder gibt dir Antwort , der meinem Schwerte genaht . « Laute Schreie füllten die Halle , als der Fremde verriet , daß er gegen die Römer gestanden hatte . » Gut sprachst du , Fremder « , schrie es von allen Seiten , und wieder an anderen Tafeln : » Übel prahlt der Fremde , hoch Theodulf ! « Der Fürst erhob sich und rief mit mächtiger Stimme : » Den Wortkampf stille ich , an den Frieden mahne ich im festlichen Saal . « Da verstummten die lauten Rufe , aber der Streit der Meinungen schwebte geräuschvoll um alle Tische , die Augen flammten und starke Hände hoben sich . Während dem Gewirr sprang ein Jüngling aus dem Gefolge des Häuptlings die Stufen herauf und schrie in die Halle : » Volkmar , der Sänger , reitet in den Hof . « » Er sei willkommen « , rief der Fürst . Und zu dem Sitz der Frauen gewandt , fuhr er fort : » Irmgard , mein Kind , begrüße deinen Lehrer und geleite ihn zu unserem Tisch . « So befahl der kluge Wirt , um die Hadernden an die Gegenwart der Frauen zu mahnen . Seine Worte wirkten wie eine Beschwörung auf die brausende Menge , die düstern Mienen wurden hell und mancher ergriff den Krug und tat einen tiefen Trunk , um ein Ende zu machen mit seinen Gedanken und sich vorzubereiten auf das Lied des Sängers . Irmgard aber trat aus der Laube und schritt durch die Reihen der Männer zu der Schwelle . Auf den Stufen des Saals stand gedrängt die Jugend des Dorfes und starrte neugierig in die Halle . Da durchschritt Irmgard den Haufen und erwartete im Hofe den Sänger , der sich unter einem der Dächer zum Fest gerüstet hatte . Mit ehrbarem Gruß kam er auf sie zu , ein Mann von mäßiger Größe mit leuchtenden Augen , das krause Goldhaar mit Grau durchzogen , zierlich trug er seinen Überwurf von buntem Tuch , die nackten Arme mit Goldringen geschmückt , eine Kette um den Hals , das Saitenspiel in der Hand . » Du kommst zu guter Stunde , Volkmar « , rief ihm die Jungfrau zu , » sie sträuben sich gegeneinander , es tut not , daß dein Lied ihnen das Herz erhebt . Bewähre heut deine Kunst , und wenn du kannst , singe ihnen Frohes . « » Was hat ihnen den Sinn verstört ? « fragte der Sänger , der gewöhnt war , seine Kunst wie ein kluger Arzt zu spenden . » Ist's wieder der wilde Hofhalt des Königs Bisino , dem sie grollen , oder streiten sie um die Römerfahrt ? « Die jungen Männer halten nicht Frieden « , antwortete das Herrenkind . » Ist's nichts weiter ? « versetzte der Sänger gleichgültig . » Es wäre vergebene Müh' , ihre Waffengänge auf grüner Heide zu hindern . « Da er aber die ernste Miene der Jungfrau erkannte , fügte er hinzu : » Sind 's die Tollköpfe vom Hofe , dann , Herrin , fürchte ich , daß mein Lied ihren Neid nicht zu tilgen vermag . Könnte ich dein freundliches Lachen in ein Lied fassen und jedem in das Ohr singen , so würden sie alle mir folgen wie die Lämmer . Doch was ich heute bringe « , setzte er mit verändertem Tone hinzu , » ist so schwer , daß sie darüber ihren Streit sicher vergessen . Es ist üble Zukost für ein Festmahl . Dennoch muß ich hinein , ihnen die Mär verkünden , ich weiß nicht , ob sie sich dann noch Sang begehren . « » Willst du beim Mahl die Trauerbotschaft sagen ? « fragte die Jungfrau sorglich , » das macht ihnen den Mut vollends schwer und empört sie in Zorn . « » Du kennst mich ja doch « , versetzte der Sänger , » ich gebe ihnen nur so viel , als sie vertragen können . Wen hat der Fürst zur Halle geladen ? « » Es sind unsere alten Landgenossen . « » Sind Fremde darunter ? « » Niemand « , versetzte die Jungfrau zögernd , » als ein armer Wanderer . « » Dann sei ohne Sorgen « , schloß der Sänger , » das Gemüt der Unseren kenne ich und wie man ihnen den Abendtrunk mischt . « Während die Jungfrau durch eine Seitentür in die Laube stieg , betrat der Sänger die Halle . Als er auf der Schwelle stand , erscholl ein Zuruf und Gruß , der laut von der Decke widertönte . Stolz empfand Volkmar , daß er ein Günstling war , er trat mit behendem Schritt in den freien Raum vor den Tisch des Häuptlings und verneigte sich tief gegen ihn und die Herrin . » Sei tausendmal gegrüßt , du Geliebter des Volkes ! « rief ihm der Fürst entgegen , » die Vögel unseres Gaues , die im Winter geschieden waren , singen längst ihr Sommerlied , nur den Sänger der Helden haben wir vergeblich ersehnt . « » Nicht die Vögel hörte ich in der Luft den Sommer verkünden , die Kriegshunde des Gottes hörte ich heulen im Winde und die bunte Wolkenbrücke erblickte ich , auf der die Helden in endloser Schar zu der Halle der Götter hinaufzogen . Den Rheinstrom sah ich dahinfließen in roten Wellen , bedeckt mit Leibern der Männer und Rosse , die Walstatt schaute ich und das blutige Tal , wo die Hügel der Erschlagenen liegen zum Fraß für die Raben , und Könige weiß ich mit gefesselten Gliedern im Römerlager den Beilschlag erwartend . « Ein lauter Aufschrei folgte diesen Worten . » Erzähle , Volkmar , wir hören « , sagte der Fürst . Der Sänger fuhr durch die Saiten , und es ward so still in dem Raum , daß man die tiefen Atemzüge der Gäste vernahm . Darauf rührte er die Saiten und begann zuerst erzählend , dann mit gehobener Stimme und melodischem Tonfall singend seinen Bericht von der Schlacht zwischen den Alemannen und Römern . Er nannte die Namen der Könige und Königskinder , welche mit den Alemannen über den Rhein dem Cäsar entgegenzogen und zuerst die Reiter der Römer in die Flucht schlugen und dann die erste Schlachtreihe . Darauf sang er : » Hinter die zweite Reihe der Römerscharen ritt gebietend auf seinem Rosse der Cäsar , über ihm schwebte als Banner das Drachenbild , der Riesenwurm mit gewundenem Leib , das heilige Schlachtzeichen der Römer , purpurrot war der Wurm und aus dem aufgesperrten Rachen fuhr die züngelnde Flamme . Und der Cäsar rief die Bataver vor und die Franken : › Herauf , ihr Germanenhelden , nicht zwingen meine Welschen den Sturm der Feinde . ‹ Der Herold ritt , und die Franken hoben sich helleuchtend vom Boden , nach Scharen geordnet , mächtig schwang Aimo , Arnfrieds Sohn , das Schwert in dem Vorkampf . « » Das ist mein Bruder ! « rief es von einem Tisch . » Heil Aimo ! « dröhnte es in einer Ecke des Saals . » Sie zogen heran in geraden Reihen , die weißen Schilde mit dem Stierbild geschmückt ; hart war der Drang , wie Feuerflammen den Heidegrund , so räumte ihr Schwert die Walstatt vom Sturm der Alemannen . Doch in neuem Keil sprangen die Alemannen herein , voran die Könige , und wieder wichen die Römer . Da mahnte der Cäsar seine letzte Schar , die im Römerheer der Dornhag des Feldherrn heißt . « » Archimbald ! « rief es wild in dem Saale . » Eggo ! « von einer anderen Seite . » Dort stand als Führer über hundert Mann ein hünenhafter Gesell , der Thüring Archimbald , und Eggo , sein Bruderssohn , wohlerfahren im Kriegsbrauch der Römer . Sie stemmten das Knie im Boden fest , sie deckten den Leib mit dem Lindenschild und wehrten als dreifache Schildburg mit starrenden Speeren . Und wieder brachen die Alemannen heran , die Schilde krachten im Hieb der Äxte , die Speere fuhren durch Rüstung und Leib , die Toten sanken in langen Reihen und über die Leiber der Gefallenen drängte der Schwall , Schild an Schild , und Brust gegen Brust , wie Kampf der Stiere in umhegtem Pferch . Da schied sich das Schlachtenglück von den Alemannen , sie fuhren rückwärts , ihnen graute vor dem Hauf der sterbenden Genossen . Die Sonne sank , und das Kriegsheil schwand . Die gelösten Scharen wälzten sich flüchtig zum Ufer des Stromes , und hinter ihnen stürmten mit Messer und Speer die Römer wie die Meute hinter dem Hirsch ; in den Rhein hinab sprang das flüchtige Volk , die Sieger am Ufer mit lautem Geschrei warfen die Speere in ein wildes Gewühl von Männern und Rossen , von toten Leibern und ertrinkenden Helden . Der Nix des Stromes streckte die Krallenhände umher und zog die Helden zur Tiefe in seine Behausung . « Der Sänger hielt an , ein lautes Stöhnen ging durch die Versammlung , nur einzelne Heilrufe erklangen da zwischen ; der Fürst hörte gespannt auf die Ausbrüche des Schmerzes und der Freude . Dann fuhr Volkmar fort , indem er die Trauerklänge mit kräftiger Weise vertauschte : » Der Cäsar trat an den Uferrand und sah lachend hinab in der Männer Not . Er rief seinem Bannerträger , der den Drachen trug , das rote Scheusal aus Purpur gewirkt , darin ein Gott der Römer gefügt den Siegeszauber , den Tod der Feinde : › Laß schweben den Drachen über der Flut , daß er seine Zähne zeige und die flammende Zunge dem sterbenden Volke . In der Luft hoch fliegt er gegen die Himmelshalle der Toten , wenn sie aufsteigen auf der Wolkenbrücke , so weist er die Zähne ; der Römerdrache hemmt ihnen die Reise , daß sie abwärtsfahren den Weg der Fische , hinab in das Dunkel zu Helas Tor . ‹ Da rächte den Hohn der letzte Held , der mit den Waffen die Römer bestand , Ingo , Ingberts Sohn von Vandalenland , der Königsohn aus Göttergeschlecht . Er hatte gekämpft an König Athanarichs Achsel , voran im Kampfe , ein Schrecken der Römer . Da das Schlachtenglück sich wendete , schritt er zurück mit seinem Gesinde , das ihm folgte auf dem Kriegspfad von Land zu Land , langsam und zornig wie ein brummender Bär wich er zum Ufer , wo am Fuß des Felsens die Kähne lagen . Dort trieb er zusammen die Frauen des Heers , die Schicksalsverkünderinnen , die Blutbesprecherinnen , und zwang sie zur Abfahrt , daß die heiligen Mütter dem Schwerte der Römer entrannen . Auch den Sänger drängte er hinab in den Kahn , und er selbst umschanzte hochherzigen Sinnes die Stelle der Abfahrt mit Waffe und Leib . Gelöst war das Leitseil , die Kähne schwebten , umschwirrt von den Speeren der Römer auf grüner Flut ; die Feinde drängten und mühsam kämpfte die Schar am Fuß des Felsens den letzten Kampf . Da schaute der Held auf dem Steine über seinem Haupt den Drachen des Cäsar , den grimmigen Wurm , und im Sprunge durchbrach er die Wachen des Römers ; er sprang auf den Stein , mit Bärengriff faßte er den Riesen , der das Banner trug , und warf ihn vom Felsen . Leblos tauchte in die Fluten der Römer , und das Banner erhebend , rief der Held gewaltig den Schlachtruf und sprang mit dem Drachen hinab in den Strom . Ein Wutgeschrei gellte aus Römermunde ; die bittere Schmach vor den Augen des Cäsar zu rächen , den Kühnen zu schlagen , das heilige Zeichen der Römer zu retten , warf Mann und Roß sich wie toll in den Strom . Doch abwärts trieb im wirbelnden Strome der rote Drache , der siegreiche Held . Noch einmal sah ich den Arm ihn heben und schütteln das Banner , dann sah ich ihn nimmer . Der Cäsar ließ suchen an des Stromes Rand auf beiden Ufern mit trübem Sinn ; zwei Tage darauf fand weit abwärts ein Späher am Alemannenufer gebrochen den Bannerspeer , den Drachen des Feindes brachte keiner zurück . Da kehrte den Männern an den Ufern des Rheins der Mut in die Seelen , der Siegeszauber des Cäsar war im Strome verloren und vergeltendes Unheil nahte dem Römerheere . Gesandte der Katten , die aufwärts kamen , um dem Römervolk Bündnis zu bieten , sie hemmten die Reise , da sie erfuhren das böse Vorzeichen . Gerochen war der Hohn des Siegers durch starken Arm , und geschwunden von der Männererde König Ingo , der Held . « Der Sänger schwieg und beugte das Haupt über das Saitenspiel , still war es in der Halle , wie nach einer Totenklage , die Augen der Männer glänzten , und in den Gesichtern arbeitete die Bewegung . Aber in keinem mehr als in dem des Fremden . Da der Sänger eintrat und im Vorübergehen sein Gewand berührte , hatte er das Haupt niedergebeugt und , wie sein Nachbar Wolf ohne Freude wahrnahm , an dem Bericht des Sängers weniger teilgenommen , als einem Krieger schicklich war , und die Bankgenossen hatten auf ihn gewiesen und spottende Worte getauscht . Als aber der Sänger von dem Kampf um das Drachenbild begann , da hob er das Antlitz , ein rosiges Licht flog über seine Züge , und so strahlend und verklärt war der Blick , den er nach dem Sänger warf , daß , wer auf ihn sah , die Augen nicht abwenden konnte , wie ein Goldschein hob sich das helle Lockenhaar um das begeisterte Antlitz . Und als der Sänger schwieg , saß er noch unbeweglich . » Sieh dorthin , Volkmar « , rief eine tiefe Frauenstimme vor Bewegung zitternd , und alle Blicke folgten der Richtung , nach welcher die Hand Irmgards wies , die hoch aufgerichtet in der Laube stand . Der Sänger fuhr empor und starrte nach dem Fremden : » Der Geist des Stromes gab den Helden zurück « , rief er entsetzt , doch gleich darauf sprang er vor : » Selig ist der Tag , an dem ich dich schaue , Held Ingo , Ingberts Sohn , du mein Retter , der letzte Kämpfer in der Alemannenschlacht . « Die Gäste fuhren von ihren Sitzen , die Halle erdröhnte vom Jubelruf . Der Sänger stürzte auf Ingo zu , beugte sich auf seine Hand und rief : » Leibhaftig halte ich dich . Niemals ward meinem Liede so schöner Lohn . « So führte er den Fremden an den Tisch des Fürsten , der ihm mit nassen Augen entgegeneilte : » Gesegnet seist du , heldenhafter Mann , heut fällt mir schwere Last vom Herzen , ich wußte wohl , nicht läßt sich bergen des Helden Ruhm . Sei gegrüßt in meinem Hause , du Gastfreund aus der Väter Zeit. Rückt den Sessel , Knaben , daß der Fürst sich den Edlen meines Volks geselle . Trage Wein herzu , Schenk ; im Festbecher , mit dem Römertrank aus Römergolde trinken wir Heil dem königlichen Helden , dem Sohn unserer Götter . « Offene Herzen Am frühen Morgen schritt Irmgard durch das tauige Gras dem Walde zu . Weißer Nebel wallte am Boden und hing wie Gewand der Wassergeister um die Bäume . Aus dem Dampf der Wiese hob sich die helle Gestalt der Jungfrau , sie sang und jauchzte mit geröteter Wange und langflatterndem Haar , selig im Herzen ; so fuhr sie durch die wirbelnden Wolken dahin , einer Göttin der Flur vergleichbar . Denn sie hatte gehört und geschaut , was Heldentum heißt und was den Mann emporhebt aus den Schrecken des Todes in die Gesellschaft der hohen Götter ; alle Landgenossen hatten sich vor der Heldenkraft des einen geneigt , der ihr heimlich gefiel und vertraulich war wie kein anderer . Sie stieg den Bergweg hinauf bis zu der Stelle , wo die Halle des Vaters hinter dem Baumlaub verschwand ; dort stand sie allein zwischen Wald und Fels , unter ihr rauschte der Gießbach , über ihr schwebten die Lichtwolken des kommenden Tages . Sie trat auf den Stein und sang dem Felsen und dem rauschenden Wasser die Weise des Sängers und die Worte des Liedes , die sie in der Halle gehört . Sie kündete freudig , was ihr von der Kunst des Volkmar im Gedächtnis haftete , und als sie zum Sprung in den Rhein kam , gefiel er ihr sehr , sie sang in der Begeisterung : » Ihr klugen Vögel auf den Bäumen , Boten der Götter , und ihr kleinen Elbe unterm Farnstrauch , hört es noch einmal . « Und sie wiederholte die Worte . Und als der Held zuletzt im Strome verschwand , wurde ihr sein Verschwinden traurig , und da sie ein sinnvolles Weib war , so ergoß sich ihre Bewegung in neuen Worten , und sie sang noch eine Klage des Sängers . Über dem Rufen der Waldvögel und dem leisen Klingen des Bergquells tönte das Lied des jungen Weibes mächtig vom Felsen zurück . Da rollte in ihrer Nähe ein Kiesel zum Bach , sie sah zur Seite und erkannte abseit eine Gestalt , die , eingehüllt in das luftige Gewebe der Nixen , unter ihr an einem Baumstamm lehnte ; der Held , dessen Ehre sie dem Walde verkündet , stand leibhaftig in ihrer Nähe , und als sie erschrocken zurücktrat , vernahm sie seine bittende Stimme : » Singe weiter , o Jungfrau , daß ich aus deinem Munde höre , was glücklich macht . Lieber als alle Kunst Volkmars ist mir der Ton aus deiner Kehle . Denn als der Sänger sang und die Halle vom Zuruf der Männer dröhnte , da dachte ich immer an dich , und die stolzeste Freude war mir , daß du die Kunde vernahmst . « » Im Schrecken über deinen Anblick schwinden die Worte « , antwortete Irmgard und suchte sich zu fassen , als er ihr näher trat . » Unter dem Holunderbaum war ich mutiger , dich anzureden « , fuhr sie endlich fort , » doch auch damals bedurftest du , o Held , wenig meines Rates , und wenn ich daran gedenke , muß ich mich über meine Torheit wundern ; verspotte du mich darum nicht . Denn geradeaus geht die Rede unter uns Waldleuten , und einfältig sind unsere Gedanken . Mir aber tut weh , daß du zweimal aus meinem Munde gehört hast , was du schon weißt ; hätte ich dich gekannt , wie du bist , so hätte ich meine gute Meinung ehedem dir besser verborgen , und auch heute bedrückt mich die Scham , weil du mich belauschtest . « » Verhehle mir nicht , Irmgard « , flehte der Gast , » wenn du huldvoll gegen mich gesinnt bist , denn glaube mir , selten hört ein Gebannter herzliche Rede aus dem Mund einer guten Frau . Auch wenn der Sänger ihn preist und der Wirt ihm zutrinkt , dennoch steht er ausgeschlossen vom Geschlecht und der Freundschaft ; schwerlich gewährt dem Güterlosen ein ansehnlicher Mann seine Tochter als Ehegemahl , und keine Söhne läßt der Flüchtling auf der Erde zurück , die seiner Taten sich rühmen . « Irmgard sah ernsthaft vor sich nieder . » Du aber « , fuhr Ingo fort , » dulde , daß ich dir bekenne , was ich Geheimes auf der Seele trage . Verachtest du mein Vertrauen nicht , so sitze hier auf dem Stein , damit ich dir's künde . « Irmgard saß gehorsam nieder , der Mann stand vor ihr und begann : » Vernimm , was mir nach der Alemannenschlacht geschah : Die Sterne schienen , ich lag todmüde am kiesigen Ufer des Stromes , das rote Band des Römers um den kraftlosen Arm geschlungen , der Nachtwind stöhnte die Totenklage , die Wellen rauschten , kalt war der Leib und betäubt das Hirn . Da neigte sich ein gramvolles Antlitz über mich , die Schicksalsverkünderin war es der Alemannen , ein weises Weib , die Vertraute der Götter . › Dich suche ich , Ingo , unter den Leibern der Männer , daß ich dir dein Leben bewahre , wie du mir das meine . ‹ Sie zog mich vom Ufer empor , bedeckte die Glieder mit warmer Hülle und bot mir heilkräftigen Trank ; darauf riß sie den Langspeer vom fremden Banner und warf betend den zerbrochenen Stab zurück in den Strom . Im Waldesdickicht barg sie den Müden und saß bei dem Lager wie eine Mutter Nacht und Tag . Beim Abschied ergriff sie das Purpurzeichen und sprach : › Hier weise ich die Fäden , die dein Schicksal lenken , die Götter lassen dem Helden die Wahl . Wirfst du von dir den Zauber , den Römer gesponnen , so magst du altern in friedlicher Stille , verborgen im Volke , geduldig im Leben und schicksalsfrei . Doch bewahrst du das Purpurbild mit tückischen Augen und feuriger Zunge , dann singt wohl unter den Kriegern der Sänger dein Lob , gewaltig lebt dein Gedächtnis bei andern ; doch fürchte dich , der Drache verbrennt dir dein Glück und den Leib . Wähle jetzt , Ingo , denn die Götter teilen dem Mann sein Schicksal nach seinen Gedanken , und aus seinen Taten fallen die Lose , die schweren und leichten , wie er geworfen , so wird sein Geschick . ‹ Da sprach ich : › Längst , liebe Mutter , warfen die Götter und die Taten der Ahnen mir mein Erdenlos , von den Göttern kam ich zur Menschenerde , ruhmloses Dehnen auf weichen Fellen vermag ich nicht zu küren , du weißt es ja selbst ; im Vorkampf mit meinen Genossen zu schreiten , die Männer der Erde hinaufzuführen zum Wolkensaal der Helden , das ist mein Amt . Bin ich auch ein Fremdling bei fremden Geschlechtern , ich fürchte dennoch nicht den weisenden Finger der Schicksalsfrau , mit festem Herzen will ich unter den Helden schreiten , meinem Mannesmut will ich fröhlich vertrauen . Bringt auch Haß mir der Drache : der Ruhm schafft Freunde , nimmer berge ich mein Haupt vor dem Licht der Sonne . ‹ Da nahm die Mutter den Purpur zur Hand , sie trennte die Häupter des Drachen vom gewundenen Leibe , die Häupter behielt sie , das Gewebe des Leibes warf sie in die Flamme des Herdes . › Vielleicht löse ich so das drohende Unheil von deinen Tagen ‹ , sprach sie am Herde . Die Flamme schlug hoch auf , mißfarbiger Qualm erfüllte den Raum , sie stürzte hinaus und riß mich ins Freie . Dann band sie die Häupter mit biegsamer Weide , knüpfte die Knoten , raunte das Lied und bot mir den Bund in lederner Tasche , damit ich ihn heimlich vor jedem bewahre . › Es schützt vor dem Wasser , nicht wahrt 's vor dem Feuer , dein Leben befehle ich in der Götter Hut . ‹ So wies sie mich nordwärts mit Reisesegen . Dies , Jungfrau , ist das Geheimnis meines Lebens , dir künde ich 's gern . Was die Götter mir fügen wollen , weiß ich nicht , dir aber vertraue ich , was sonst keiner weiß . Denn seit ich in das Land kam und dich schaute , ist mir der Sinn geändert , und mir dünkt besser , neben dir zu sitzen oder zu Roß über die Flur zu reiten , als mit den Geiern dem Schlachtgetümmel nachzuziehen . Sehr gewandelt sind meine Gedanken , und der Mut wird mir schwer bedrückt , weil ich ein unsteter Mann bin , denn sonst kümmerte mich mein Schicksal nicht sehr , meinem Arm vertraute ich und einem günstigen Gott , der den Verbannten vielleicht dereinst in die alte Heimat zurückrufen würde . Jetzt aber sehe ich , daß ich dahinfahre wie dieses Fichtenreis auf seiner Scholle über die rinnende Flut . « Er wies auf einen jungen Fichtenbaum , der vom Bergwasser mit Moos und Erde losgerissen war von seinem Standort und aufrecht durch die Wasserwirbel dahinfuhr . » Kleiner wird die Scholle « , sagte Ingo ernsthaft , » die Erde bröckelt ab , zuletzt vergeht er zwischen den Steinen . « Irmgard erhob sich und folgte mit gespanntem Blick der Bahn des wilden Strauches ; er fuhr talab , drehte sich im Strudel und schnellte vor wärts , bis er zwischen Nebel und Flut fast unsichtbar wurde . » Er steht « , rief sie endlich frohlockend und sprang am Bach hinab , der Stelle zu , wo der Baum an einer vorspringenden Landzunge haftete . » Sieh her « , rief sie dem Mann , » hier grünt er an unserem Ufer , wohl möglich ist es , daß er fest an das Land wächst . « » Du aber « , rief Ingo hingerissen , » sage mir , ob dir das lieb wäre . « Irmgard schwieg . Da brach über der Wolkenwand die Sonne hervor , ihre Strahlen verklärten die helle Gestalt der Jungfrau , das Haar glänzte wie Gold um Haupt und Schultern , während sie mit niedergeschlagenen Augen , die Wangen gerötet , vor dem Manne stand , Ihm hob sich das Herz in Freude und Liebe , ehrfürchtig trat er an sie heran , sie blieb wie festgebannt , regte leise die Hand zur Abwehr und murmelte bittend : » Die liebe Sonne sieht 's . « Er aber küßte sie herzlich und rief der lachenden Sonne zu : » Sei gegrüßt , milde Herrin des Tages , sei uns gnädig und bewahre vertraulich , was du schaust . « Er küßte sie wieder und fühlte ihren warmen Mund gegen den seinen . Doch da er sie umschlingen wollte , hob Irmgard den Arm , sie sah ihn mit heißer Liebe an , aber ihre Wange war erblichen , und sie wies ihn mit einer Handbewegung aufwärts nach den Bergen . Er gehorchte und sprang von ihr , und als er sich rückwärtsschauend nach ihr wandte , hatte die Lichtumflossene sich vor dem Bäumchen auf die Knie geworfen und hielt die Arme flehend zum Himmelsschein empor . An demselben Morgen gesellten sich die Edlen und Weisen , Führer der Gemeinden und bewährte Krieger im Hause des Herrn Answald und saßen nieder auf den Sesseln , die ihnen zu beiden Seiten des Herdes gereiht waren . In der Mitte nahm der Wirt seinen Sitz , hinter seinem Stuhle stand Theodulf . Der Sprecher schloß die Tür , und der Fürst sprach zu der Versammlung : » In mein Haus ist gekommen Ingo , König Ingberts Sohn , durch Gastfreundschaft mir verbunden von den Vätern her . Heut begehre ich für ihn das Gastrecht des Volkes , damit er sicher sei nicht allein in meinem Hause , auch in eurem Lande vor Feinden aus der Fremde und im Volke , daß er Recht finde gegen Missetäter und Schutz durch die Waffen der Nachbarn gegen jeden , der ihm feindlich trachtet nach Ehre und Leben . Als Bittender steh' ich vor euch für den werten Mann , bei euch steht es , zu geben oder zu weigern . « Nach den Worten entstand tiefe Stille ; endlich erhob sich Isanbart , lang hing ihm das schneeweiße Haar um das narbige Antlitz , die hohe Gestalt stützte sich auf den Stab , aber kräftig tönte die Stimme des Greises , und achtungsvoll lauschten die Männer : » Dir , Fürst , ziemt es zu sprechen , wie du getan . Wir sind gewöhnt , daß du dem Volke gibst , und wenn du von dem Volke bittest , so sind unsere Herzen bereit zur Gewährung . Ruhmvoll ist der Mann , und daß er selbst es ist und nicht ein lügender Landfahrer , dafür bürgt das Lied des Sängers , ein gastliches Zeichen , das er mit seinem Wirte verglichen hat , und über dem anderen seine Würde in Antlitz und Gliedern . Aber wir sind zu Wächtern bestellt über das Wohl von vielen , und zur Vorsicht mahnt die sorgliche Zeit , deshalb ziemt uns ernste Beratung und Ausgleich der Meinungen , welche etwa die Helden des Volkes zwiespältig scheiden . « Er setzte sich , und die Nachbarn nickten ihm ehrfürchtig zu . Aber heftig erhob sich Rothari , ein Edler aus dem alten Herrengeschlecht , ein dicker Mann mit rotem Antlitz und rötlichem Haar , ein rühmlicher Zecher , auch wacker im Männerkampf und lustig im Reigen , ihn nannten die Knaben im Spott König Pausback : » Ein Rat am Morgen soll wie ein Frühtrunk sein , kurz und kräftig . Ich meine , hier braucht es nicht lange Erwägung , wir haben ihm neulich beim Weintrunk Heil gerufen , wir werden ihm heute nicht Wasser in seinen Krug schütten , er ist ein Held , der zwei gute Bürgen hat , das Lied des Sängers und unser Wohlgefallen , das ist mir genug , ich gebe ihm mit meiner Stimme das Gastrecht . « Die Alten lächelten über den Eifer des Treuen , und die Jüngeren riefen ihm Beifall zu , da stand Sintram auf , Theodulfs Oheim , ein Mann ohne Brauen , mit bleichem Auge und hagerem Gesicht , ein harter Wirt , gefährlich seinen Feinden , doch von klugem Rat und angesehen am Hofe des Königs . » Du , o Fürst , bist ihm huldreich gesinnt , und er selbst verdient es , so sagt ihr ; das gibt auch mir die Richtung für meinen Wunsch , und willig würde ich ihn als Gast begrüßen , wie wir zuweilen dem fremden Wanderer tun , dessen Lob nicht der Mund des Sängers verkündet . Doch ein Zweifel bändigt mir den Wunsch in der Brust , und ich frage : Kommt er als unser Freund aus der Fremde ? Nicht alle jungen Krieger des Gaues stehen auf der Heimaterde , ich denke auch derer , die nach Ruhm und Glück auswärts zogen . Wer von unseren Blutgenossen hat mit den Alemannen gefochten ? Ich weiß keinen . Im Heere der Römer aber stehen kühne Schwertträger unserer Verwandtschaft , sind diese dem Fremden feind , wie dürfen wir uns seine Freunde nennen ? Sind sie gefallen , so schallt in unseren Dörfern die Totenklage ; wer hat sie gefällt ? Vielleicht der schlachtenkühne Mann , der sich ja selbst beim Mahl dessen rühmte . Wie dürfen wir Gastrecht dem Feinde bieten , der feindlich unser Blut vergossen ? Nicht weiß ich , ob er 's tat , doch wenn er es nicht tat , so war's ein Zufall , seine Absicht war's , da er für den König Athanarich stritt . Im Römerheer , höre ich , rühmt man , daß der Cäsar seine Siege allein den Volksgenossen verdankt , welche unsere Sprache reden ; wie Riesen stehen die rotwangigen Söhne unseres Landes über den schwarzäugigen Fremden . Der Cäsar lohnt ihnen durch Armringe und Ehren , durch die höchsten Ämter . Fragt nach einem gewaltigen Kriegsmann und stolzen Herrn in Rom , dann sagen die römischen Händler mit neidischem Blick : Germanenblut sind sie . Wo soll unsere Jugend des Krieges Ehre finden und Liebe bei den Göttern , wenn friedlich im Lande die Waffen rosten ? Die Überkraft unserer Gaue – wohin soll sie ziehen , damit die Brüder daheim das Erbe genießen , wenn nicht der Cäsar sein Schatzhaus den Wanderern öffnet ? Darum sage ich , nützlich ist uns sein Reich , und wer gegen ihn kämpft , steht auch gegen unseren Vorteil . Sehet zu , daß der Fremde unseren Männern nicht den Pfad sperre , welcher hochsinnige Helden zu Goldschatz und Ehre führt . « Finster saßen die Männer , ihnen war zur Trauer , daß er Wahrheit sprach . Doch das Schweigen brach Bero , der Vater Fridas , ein hartknochiger Bauer , die buschigen Brauen zog er mißvergnügt zusammen : » Du sandtest den Bruder ins Heer der Römer « , sprach er rauhstimmig und langsam , » du sitzest gemächlich auf seinem Erbe , mich wundert nicht , daß du die fremde Brut lobst . Der Bauer aber freut sich nicht der trotzigen Gesellen , die von ihrer Speerreise aus dem Römerland heimkehren , denn üble Landgenossen werden sie , Verächter unserer Sitte , Prahler und Lungerer . Darum sage ich , ein Unheil sind die Römerfahrten unserm Volke . Ziehen unsere jungen Krieger in den Lagerdienst des fremden Feldherrn , sie tun 's auf eigene Gefahr , nicht hat das Volk sie dazu erkoren und geweiht . Ich rühme mir seßhaftes Hausen daheim , ehrlichen Axtschlag und darauf ehrlichen Frieden mit den Nachbarn , welche meine Götter und meine Sprache ehren . Jetzt haben wir Frieden mit jedermann , kommt heut ein Alemanne an unseren Herd , ein wackerer Gesell , wir lagern ihn am Feuer , kommt morgen ein Römerkrieger , der uns ehrlich dünkt , wir tun vielleicht dasselbe . Beide müssen sie bescheiden leben nach unserem Recht , und mögen sie einer dem anderen die Luft und des Herdes Flamme nicht gönnen , so laßt sie ihre Schwerter nehmen und außerhalb des Dorfzaunes ihren Streit auskämpfen . Die Schläge sind ihre Sorge , nicht unsere . Darum spreche ich so , hier ist ein heldenhafter Mann , ob Römer , ob Vandale , er sei willkommen an unserer Bank , die Hauswirte bleiben wir und bändigen ihn , wenn er des Landes Frieden stört . « Er sprach's und setzte sich trotzig auf seinen Schemel , beistimmend murmelten die Alten . Da erhob sich Albwin , ein edler Mann ; sie sagten , daß ein Hausgeist im Balkendach seines Hofes wohne seit der Väterzeit und in der Nacht die Kinder des Geschlechtes wiege , und daß diese darum nicht zu dem Himmel wüchsen , wie die anderen Menschen ; denn zierlich und klein waren alle seines Blutes , doch artig von Gebärden und guter Worte mächtig . Und er sprach : » Vielleicht vermagst du selbst , o Fürst , die Meinung der Herren und Nachbarn zu versöhnen ; sie alle gönnen das Beste dem Helden , der aus dem Kriege zu deinem Herde kam . Sie sorgen nur , daß er vielleicht einst die Landgenossen durch sein Schicksal beschwere . Denn es ist erlauchtem Mann eigen , nicht träg unterm Dach des Wirtes zu liegen , er sammelt sich Anhang und schafft sich Gegner ; je größer eines Mannes Ruf das Land durchdringt , desto gewaltiger zieht er die Genossen in seine Wege . Wir sind nicht so karg , daß wir die Tage zählen , während denen wir einen Wanderer in der Halle bergen , doch kennen wir des Helden Meinung nicht ; und darum sei es mir vergönnt , den Wirt zu fragen . Ist es dem Fremdling nur um kurze Ruhe und Gemach zu tun , dann braucht's nicht der Beratung . Will er die Tage seiner Zukunft in dem Volke beschließen , seinen Saal sich zimmern auf unserem Boden , dann mögen wir nicht nur das Heil des Fremden , auch das unsere klug bedenken . « » Du mahnst mit Grund « , versetzte ernst der Fürst , » und doch muß ich deiner Rede die Antwort weigern ; du selbst weißt , nicht ziemt dem Wirt , die Stunde der Abfahrt aus dem Gast zu spähen , und dürfte ich's , hier würde ich es nimmer tun , denn aus dem Elend kommt der edle Mann , er selbst weiß nicht , ob die Heimkehr ihm bald oder ob sie ihm niemals vergönnt ist . « Wieder hob sich Rothari , der ungefüge Mann , und sprach im Zorn : » Was soll das Markten mit der Zeit , wir Thüringe , wenn wir die Herzen öffnen , tun 's nicht auf Zeit . Gebt ihm das Gastrecht in dem Volk und macht ein Ende . « Laut riefen die Männer Beifall und sprangen von ihren Sitzen . Da sprang Sintram in die Mitte des Kreises und rief mit scharfer Stimme in die aufgeregte Menge : » Sieh zu , Fürst , daß nicht die Führer unseres Gaues wie Knaben hinter dem bunten Vogel hinabspringen in unerforschte Kluft ; ich fordere Schweigen , wenig ist noch bedacht , was unserem Heile frommt . « Der Fürst winkte mit seinem Stabe , unwillig setzten sich die Männer und erhoben drohendes Gemurmel gegen Sintram ; aber ungerührt fuhr er fort : » Mächtig bist du , o Fürst , und scharf ist das Eisen der Landgenossen , aber Thüringe sind wir , und ein König waltet über uns , es ziemt , daß der König dem fremden Königssohne Gastrecht gibt , nicht wir . « » König Bisino , König Blaubeere ? « schrien zornige Stimmen . » Will Sintram , daß ein Bote des Königs die Gelübde vorspreche , die wir am Herdfeuer sagen sollen ? « rief ein finsterer Thüring . » Der König ist der oberste Herr « , sprach Herr Answald bedächtig , » im Rat des Volkes soll sein Name mit Scheu genannt werden . « » Wohl weiß ich « , rief der beharrliche Sintram den Drohenden entgegen , » daß wir den König nicht fragen , wenn ein wegemüder Mann , dessen Name niemand gehört hat , an unserer Bank niedersitzt ; der aber jetzt gekommen , ist ein ruchbarer Krieger , ein Römerfeind . Wir kennen nicht des Königs Sinn , ob ihm der Fremde nütze oder schade , und ob er , der des Volkes Frieden bedenkt , unser Gastrecht lobe oder schelte . « Da erhob sich Turibert , der Opferpriester , der zur Rechten des Fürsten saß , und begann mit lauter Stimme , die mächtig unter dem Balkendach tönte : » Du fragst , ob der König uns huldreich zunicken wird oder sein Antlitz zornig abwenden ? Ich schelte deine Sorge nicht , mancher fragt ja , wie der Hase läuft und was der Uhu schreit . Ich aber künde euch , was Männern kundbar ist auch ohne Vorzeichen . Die Menschengötter haben uns als Gesetz geweiht , daß wir dem schuldlosen Fremdling Erde gönnen und Wasser , Luft und Licht . Zürnt der König , weil wir uns ehrlich halten gegen einen Bittenden , wir müssen's tragen , denn schwerer ist der Götter Zorn als Königs Grimm . Ist jener Mann euch Feind , weil er Römer fällte , so löscht sogleich die Herdflamme , an der er niedersitzt , und führt ihn aufwärts über den Grenzwald . Doch daß er vielleicht leidig werden könnte , vielleicht auch nicht , das zu bedenken ist nicht Landesbrauch und nicht Befehl der Götter . « » Hört auf sein Wort « , begann aufs neue Isanbart . » Ich sah meine Söhne fallen im Schlachtendrang , auch meine Enkel sind geschwunden von der Männererde , ich weiß nicht , warum ich zurückgeblieben bin in dem Kampf zwischen Nacht und Tag , zwischen Sommer und Winter und zwischen Liebe und Zorn in den Seelen der Männer . Vielleicht aber bewahren mich die Gewaltigen hier , damit ich den Jüngeren Bericht gebe von dem Schicksal ihrer Väter . In der Vorzeit , so sagten mir die Alten , bauten alle Thüringe auf ihren Fluren als freie Männer , in Eidgenossenschaft der Gaue . Aber Zwietracht kam in das Volk , die in den Nordgauen kämpften sieglos gegen das Messer der Sachsen . Da kürten die Nordgaue sich einen König , sie richteten den hohen Stuhl auf und legten die Stirnbinde um das Haupt eines Helden , dessen Kriegsruhm kundbar war . Und ein Herrengeschlecht wurde mächtig , es baute aus dem Gestein der Ebene sich eine Steinburg und sammelte Krieger des Volkes in den Mauern . Unsere Vorfahren aber , die Waldmänner , saßen unbotmäßig auf dem Erbe der Väter , unduldsam gegen die Königsherrschaft . Lange währte der Streit unseres Gaues mit den Königsmannen . Wenn des Königs Schar gegen unseren Grenzzaun zog , dann trieben wir die Herren in den Laubwald und sahen finster zu , wie die Talleute unsere Höfe in Flammen setzten . Wir sammelten uns hinter dem Verhau und zählten die Tage , bis wir Vergeltung übten an Herden und Kriegern des Königs . Endlich bot der König gütlichen Vergleich . Ich war ein Knabe , als unsere Gauleute zuerst den Nacken beugten vor des Königs roter Binde . Seitdem sandten wir unsere jungen Männer in seine Kriege , dafür zogen die Königsmannen in unsere Reihen , wenn unser Gau mit den Gemeinden der Katten in Krieg geriet . Ungeduldig ertrugen die Könige unsere laue Huldigung , oft haben ihre Boten versucht , unsere Herden zu schätzen und die Garben unseres Ackers zu zählen , mehr als einmal ist bei euren Lebzeiten die Fehde mit den Leuten des Königs entbrannt . Gemeinsamer Vorteil zwang wieder zum Frieden , aber neidisch spähen die Berater des Königs von den Zinnen der Burg nach unserem freien Wald . Jetzt leben wir noch unversehrt ; Ring und Gewand kommen aus der Königsburg an die Leiber unserer Edlen , und lauter Gruß empfängt unsere Gaugenossen in der Königshalle . Dennoch warne ich , daß wir nicht fügsam uns gewöhnen an Herrendienst , daß wir nicht fragen und König Bisino nicht Antwort sende , daß wir nicht bitten und ein Herr uns Gnade gewähre . Denn jeder Vorwand , die Macht zu zeigen , ist am Königshofe willkommen . Ob den Königsleuten der fremde Mann lieb oder leid sei : wenn wir sie fragen , uns schaffen sie Leid . Fragen wir jetzt wegen des Gastrechtes und erbitten Gewähr , so trägt uns morgen ein Königsbote Befehle zu . Darum deucht mir besser , wir bleiben , so wie wir zuvor gewesen . Den Gast zu befrieden ist unser Hausrecht , nicht Recht des Königs . So sei es geendet . Da ich ein Mann war in der besten Kraft , da ward ich dem Vater unseres Wirtes ein Reisegenosse , ich stand im Kampf an der Schwertseite jenes Helden , dessen Sohn jetzt an unserem Herde harrt . Ein milder Mann , hochmutig und stark war der Vater , und ich sehe , der Sohn ist von gleichem Schlag . Als ich den jungen Helden jüngst beim Spiele fand , da wurde wieder Traum aus alter Zeit lebendig , ein Freundesauge sah ich , nicht das eines Fremden , die Hand des Königs , die ich einst in der Fremde berührt , ich hielt sie aufs neue ; und darum möchte ich ihm werben die Neigung des Volks , den Sitz an unserer Bank . « Der Greis setzte sich langsam nieder , aber um den Herd scholl lauter Ruf , die Schwerter rasselten in den Scheiden : » Heil Isanbart , Ingo Heil ! Wir geben ihm das Gastrecht ! « Der Fürst erhob sich und schloß die Beratung : » Ich danke den Freunden und Landgenossen . Was hier verhandelt wurde , sei gesprochen und abgetan , und keiner trage dem anderen Groll nach um verklungenes Wort ; denn den Häuptern des Volkes ziemt einmütiger Beschluß , damit im Ring der Landgemeinde nicht Zweifel und Zwist den Frieden störe . « Herr Answald ging von Mann zu Mann und nahm von jedem darüber den Handschlag , auch Sintram schlug ein und lächelte vertraulich , als der Fürst ihn ansah . Rothari aber schlug ein , daß es schallte , und rief dabei : » Mich freut 's « , und bei den Worten des rührigen Mannes ging ein Lächeln über die ernsten Gesichter . Der Sprecher öffnete die Tür , und die Helden schritten würdig aus dem Hofe auf die Wiese , wo der Ring der Landgenossen versammelt war . Dort wurde durch Zuruf der Menge dem Fremden das Gastrecht des Volkes erteilt , sie luden ihn in den Ring und geleiteten ihn darauf nach heiligem Brauch zu dem großen Herdkessel des Fürsten . Über dem Kessel sprachen die Häupter des Volkes und Ingo einander den Eidschwur . Der Fürst aber begann zu dem Gaste : » Beschworen ist das Bündnis , und ein Haus in meinem Hofe wird dir , Held Ingo , bereitet , damit du darin Gemach habest , solange es dir gefällt . Du selbst aber bestelle dir den Kämmerer ; wähle dir unter meinen Bankgenossen einen , welcher dir behagt , nur Hildebrand , den Sprecher und Theodulf , der selbst von edlem Geschlechte ist , möchte ich ungern entbehren . Die anderen werden jeder für ehrenwert erachten , dir den Treueid in die Hand zu legen und deinen Schritten zu folgen , solange du unter uns weilst , zumal , wenn sie erfahren , daß es mir lieb ist . « Da trat Ingo zu Wolf und sprach : » Der erste warst du , der dem Fremdling an der Landesmark Brot und Salz bot , und freundlich hast du seither dich erwiesen . Willst du es wagen , Genosse eines Verbannten zu sein ? Keine andere Schatzkammer habe ich als Wald und Heide , wenn der Fürst mir gestattet , dort Beute zu suchen , und die Walstatt mit den Armringen erschlagener Feinde . Einem armen Herrn wirst du folgen , und keinen anderen Lohn vermag ich dir zu bieten als guten Sinn und treue Hilfe mit Speer und Schild . « Wolf antwortete : » Lehre mich , o Herr , deine Kunst , in der Feldschlacht zu stehen , dann bin ich sicher , Goldschatz zu erwerben , wenn die Götter mir gestatten , daß ich im Kampfe dauere . Doch laden sie dich zu ihrer Halle , so weiß ich , daß auch mir der Weg ruhmvoll sein wird , auf dem ich dir folge . « Dies sprach er und gelobte sich dem Gaste in seine Hand . Auch Theodulf hatte die Versöhnung mit Ingo gesucht . Noch am Abend des Gastmahls , als der Fürst den Helden zum Ehrensitz geleitete , war Sintram mit anderen Männern aus der Freundschaft zu Theodulf getreten . Sie hatten im geheim beraten , wie der Kampf zwischen den Gegnern zu hindern sei , und Theodulf war darauf , gefolgt von seinem Geschlechte , vor Ingo getreten und hatte gesprochen : » Anders wird die Schau über das Land , wenn die Sonne aus den Wolken bricht . So habe auch ich deinen Wert nicht gekannt , da ich Ungünstiges zu dir sprach . Nicht dir galt meine Rede , sondern einem ruhmlosen Mann , der jetzt geschwunden ist ; vergiß darum auch du die kränkenden Worte , damit ich nicht der einzige im Saal sei , dem du mit Fug grollst . « Und der Fürst fügte hinzu : » Er spricht gute Worte , keiner von uns wünscht dir noch Übles , Held . Ich selbst begehre für ihn die Versöhnung , denn ich war es , der deinen Namen den Hofgenossen verbarg . « Da antwortete Ingo : » Die Schmähworte vergaß ich , Theodulf , unter dem Liede des Sängers , ungern würde ich noch ferner an die Rache denken . « In rotem Goldglanz stieg ein neuer Morgen für Ingo herauf . Aber im Bergwald folgt auf heißen Morgen ein Wettertag , und auch die Wärme der Herzen schwindet schnell im Sturme zorniger Gedanken . Am Königshofe In der Königsburg der Thüringe saß auf hohem Stuhl Gisela , die Königin , sie stützte das Haupt mit dem weißen Arm , und das Lockenhaar fiel ihr unter der Königsbinde über die Hand und deckte ihr die Augen . Zu ihren Füßen legte eine Dienerin das Goldgerät vom Königsmahl in die Truhe zurück und zählte die Stücke , bevor sie die Truhe verschloß und in das Schatzhaus der Herrin lieferte , sie sah lachend ihr Angesicht verzogen in dem gerundeten Metall und blickte auf die Herrin ; aber die Königin kümmerte der Goldschatz wenig . Einige Schritte davon saß König Bisino , ein tapferer Kriegsmann , vierschrötig von Leibe , mit starken Gliedern und breitem Angesicht , er trug auf seiner Wange ein schwarzes Mal , das erblich war in seinem Geschlecht ; einem Ahnen war 's zum Spott gewesen , jetzt aber galt 's für ein Königszeichen , gab 's auch nicht Schönheit , es gab doch Stolz . Unwirsch war der König , der reichliche Trunk hatte ihm die Stirnadern geschwellt , und er haderte gegen den Sänger Volkmar , der vor ihm stand . » Ich habe dich nach dem Mahle gefordert « , sprach der König , » daß die Königin dich befrage , aber sie scheint nicht zu wissen , daß wir hier sind . « » Was befiehlt mein Herr ? « fragte Frau Gisela , sich stolz aufrichtend . » Es ist traun Grund « , murrte der König , » die Augen zu öffnen , wenn die Könige am Rhein Eisenbänder tragen und im feuchten Kerker liegen . « » Warum boten sie ihre Hände den Fesseln ? « versetzte Gisela kalt . » Wer Tausende seiner Krieger zur Totenhalle führt , dem ziemt übel , anderen den Vortritt zu lassen . Ich sehe die Tapferen mit Todeswunden auf blühender Heide , die blutlosen Gesichter im Kerker kümmern mich nicht . « » Auch tapferen Mann verläßt das Glück « , sprach der König und sah scheu nach seinem Gemahl . » Du aber , Gesell , hast nicht alles gekündet , einer entfloh und kam in mein Land ; in dem Hofe des Fürsten gab 's lautes Getön , vom Heilruf Ingo bebte die Halle , du warst dabei , schnellzüngiger Spielmann , was hast du deinen Gesang getauscht ? Weit anders klang dein Lied in der Waldlaube . « » Schlechter Ruhm wäre dem Sänger , wenn sein Lied eintönig auf einer Saite schwirrte . Mein Amt ist , jedem das Seine zu geben , daß froh sich das Herz des Hörers öffne . Dem König verschwieg ich den Namen der Helden nicht , denn rühmliche Tat lebt durch meinen Mund . Doch ich wußte nicht , daß der Flüchtling dem großen Volksherrn den Sinn beschwert . « » Ich kenne dich « , rief der König in ausbrechendem Zorn , » du tauchst behend wie die Otter im Fluß , hüte dein glattes Fell vor den Streichen meiner Knaben . « » Der Sänger hat Friede auch bei wildem Volk . Deine Knaben , o König , die trotzigen Männer , deren Lärm jetzt aus dem Hofe bis in den Steinturm schallt , auch sie scheuen den Sänger ; denn jede Untat trägt er durch die Länder , und wird ihm sein Mund für immer gestillt , dann rächen den Toten seine wackeren Genossen . Dein Zorn erschreckt mich nicht , doch ungern entbehre ich deine Gnade , denn reich hast du treuen Dienst belohnt . Nicht vermag ich zu erkennen , warum mein Herr den Namen des Fremden ungünstig hört ; der Flüchtling scheint mir ein wackerer Mann , treu seinen Freunden und nicht begehrlich nach fremdem Gut . « » Du sprichst nach Gebühr « , sagte die Königin freundlich , » und der König kennt wohl deinen Wert . Nimm hier für deine Kunde , war sie auch leidvoll , des Königs Botenlohn . « Sie winkte der Dienerin , welche ihr die schwere Truhe vor die Füße schob , sie faßte hinein und bot wahllos dem Sänger ein goldenes Trinkgefäß . Der Sänger sah betreten darauf hin , bis die Königin die Brauen finster zusammenzog , da nahm er den Becher und neigte sich tief auf ihre Hand , die sie ihm reichte . » Hat dein schneller Fuß noch Frist , bei uns zu weilen , so lehre meine Mägde den neuen Tanzreigen , den du das letztemal in unserer Halle aufführtest . Und laß dich alsdann finden in meiner Nähe . « Sie winkte ihm gnädig den Abschied ; der König sah ihm unzufrieden nach . » Du bist freigebig mit dem Gold deiner Truhe « , sagte er finster . » Einen guten Handel macht der König , wenn er mit Gold das Unrecht abkaufen kann , das er einem niederen Mann zugefügt hat . Geringe Ehre ist es meinem Herrn , seine Sorge dem fahrenden Mann zu verraten , der von Halle zu Halle um Lohn singt . Dir bleibt nur die Wahl , den Mund des Mannes durch einen Becher zu schließen , oder für immer durch einen Schwertschlag . Darum gab ich ihm die Sühne , damit er schweige , denn weit berühmt ist der Mann , und gefährlich wäre es , den Zeugen deiner Furcht zu töten . « Der König fuhr kleinlaut fort , bestürzt , wie ihm öfter geschah , durch den hochfahrenden Sinn der Königin : » Was rätst du gegen den Fremden , den die Waldleute sich mir zum Trotz als Gastfreund gesellt haben , soll ich auch ihm Gold bieten oder Eisen ? « » Deine Gunst , König Bisino , denn Ingo , Ingberts Sohn , ist ein erlauchter Mann . « » Ist es besser für mich , daß er den Königssprung vermag ? « fragte der König wieder . Frau Gisela sah ihn an und blieb stumm . » Edlen Sinn bindet nur Vertrauen « , versetzte sie endlich und trat vor den König . » Will mein Herr die Gefahr vermeiden , so lade er selbst den Fremden an seinen Hof und erweise ihm die Ehre , die ihm gebührt . Gefährlich ist der Königssohn vielleicht unter den Bauern am Walde , nicht in deiner Königsburg und in deiner Heerschar . Hier ist er dein Gastfreund , ihn bindet der Schwur und deine Gewalt . « Der König überlegte : » Gut rätst du , Gisela , und du weißt , ich ehre deine Worte . Was die Zukunft bringt , das will ich erwarten . « Er erhob sich , die Königin winkte der Magd , sich zu entfernen . Als sie allein war , ging sie mit heftigem Schritt im Raume auf und ab . » Gisela heiße ich , vergeiselt bin ich in fremdem Land zu freudlosem Lager dem gemeinen Mann . Seit Jahren sitzt das Königskind der Burgunden elend auf dem Thron , und die Gedanken ziehen rückwärts zu dem Land der Meinen und zu der Kinderzeit . Dort sah ich ihn , den einst der Vater mir zum Gemahl bestimmte , da ich ein Kind war und er ein Knabe . Ingo , gebannter Mann , hart war dein Reisebrot und bitter dein Trunk in der Verbannung , bitterer doch mein Gram in der Königsburg . Sooft aus fremdem Lande ein fahrender Krieger kam , forschte ich nach deinem Geschick . Jetzt naht dein Schritt dem Pfad , auf dem ich schreite , sei mir willkommen , ob du mir lieb wirst oder leid ; denn müde bin ich der Einsamkeit . « Draußen klang vielstimmiges Lachen und Gesang der Mägde , die Königin saß nieder und hörte , die Hände über dem Knie geschlungen , auf die Weise des Reigens , die der Sänger sang . Die Dienerin führte den Sänger leise herein . » Du hast vieles erzählt beim Mahle des Königs « , rief sie ihm lächelnd zu , » was meinem Herrn schwere Gedanken gemacht hat ; jetzt laß du mich im Vertrauen wissen , wie du selbst den Banden der Römer entrannst , denn nahe genug war die Gefahr , daß ich einen werten Mann verlor , der mir oft Freude gebracht hat . Hast du ein Lied von der eigenen Not , so will ich's hören . « » Wenig dachte ich an mich selbst in jener Stunde , Herrin , ich sah auf einen anderen , der mich errettete und sich selbst in größeres Leid warf . « » Ich meine , das war jener Fremde « , sprach die Königin , » hebe den Sang an und dämpfe deine Stimme , wenn du kannst , daß nicht unnützes Volk sich an den Pforten dränge . « Volkmar begann mit leiser Stimme seinen Bericht von der Kahnfahrt und dem Sprung in den Rhein . Zu der kleinen Fensteröffnung drang golden der Strahl der Abendsonne herein , er umsäumte die Gestalt des Sängers , der in tiefer Erregung vorsang , was ihm das Herz bewegte ; im Dunkel saß die Königin , und wieder fiel ihr das volle Haar über die Hand , die ihr geneigtes Haupt stützte , unbeweglich saß sie da , in sich selbst versunken , bis der Sänger mit jenem Wiederfinden in der Halle schloß . » Das wird ein rühmlicher Gesang für zwei , für ihn und dich « , sagte die Königin gütig , da der Sänger geendet . » Du ziehe mit dem Segen der Götter zu Halle und Herd , daß die Kunde im Volke sich verbreite . « – Beim Abendtrunk saß der König unter seinen Knappen , das Jauchzen und Lachen der starken Leibwächter umklang den Herd , aus großen Stangen und Bechern schöpften sie den würzigen Trank . » Spiel den Reigen , Sänger « , rief einer der Wilden , » den du heut des Königs Mägde gelehrt , damit auch wir geschickt die Weise springen auf der Heide . « » Laßt ihn « , spottete Hadubald , ein narbiger Kriegsmann , der vorzeiten Trabant am Römerhofe gewesen war und jetzt dem König diente , » sein Lied ist gerade gut genug , daß die Kraniche danach hüpfen im Hühnerhofe . Wer die Tänzerinnen , die schmeichelnden Mädchen aus Alexandrien , geschaut , dem dünkt das Stapfen der Bauern im Grase wie Marsch der Gänse . « » Er ist stolz geworden « , rief ein anderer , » seit er den Goldbecher der Königin im Gewand birgt ; hüte dich , Volkmar , unsicher ist ein Goldschatz dem fahrenden Mann , der über die Heide zieht . « » Wolfgang ist dein Name « , versetzte der Sänger , » und wie der Wolf gehst du selbst lauernd über die Heide ; übel geziemt an der Bank des Königs dein neidvoller Blick auf der Herrin Geschenk . « Er nahm sein Saitenspiel zur Hand , rührte die Saiten und sang die Weise des Reigens . Da zuckte es den Männern in den Gliedern , sie schwenkten die Arme im Takte auf der Tafel und pochten mit den Füßen den Tritt ; auch der König schlug mit der Hand auf den Deckel des Weinkrugs und nickte weinselig mit dem Haupte . Beim zweiten Vers aber erhoben sich die metgefüllten Knaben , nur die Alten widerstanden und umklammerten mit der Hand fest das Trinkhorn , die anderen , aber traten je zwei den Reigen in langer Kette um die Bänke herum , daß der Saal laut ertönte . Der König lachte . » Du weißt sie zu zwingen « , rief er dem Sänger zu , » komm näher , Volkmar , du schlauzüngiger Mann , sitz neben mir , daß ich dir vertraulich meine Meinung künde . Ich war heut unwirsch , es war nicht böse gemeint , mir lag deine Botschaft schwer auf der Seele . Was aber den goldenen Becher betrifft , den die Königin dir gespendet , so war nicht unrecht , was mein alter Knabe dir sagte . Gold ist Herrenmetall und paßt nicht für den Reisesack eines mäßigen Mannes ; du selbst singst ja , daß es den Männern der Erde Unheil bereitet . Weise würdest du handeln , wenn du ganz in der Stille diese Beute mir aus gutem Herzen zurück in das Schatzhaus stelltest . « Gern hätte der Sänger sich das Prachtstück bewahrt , und er antwortete : » Was das Auge des Herrn begehrt , schafft dem Diener kein Glück ; doch bedenke , Herr , auch in des Königs Schatz wird zum Unsegen das Stück , an welchem Trauer und Neid der Menschen hängen , die es verloren . « » Darum sei außer Sorgen « , versetzte der König schmeichelnd , » mir tut das nichts . « » Doch wenn die Herrin erfährt , daß ich ihr Geschenk so gering geachtet , mit Recht wird sie mir zürnen « , sagte der Sänger . » Sie kennt es kaum , Volkmar , glaube mir « , fuhr der König überredend fort . » Ihr ist im Herzen ganz gleich , ob es Gold oder Kupfer ist . Wenn die Waldleute im Herbst ihre Pferde an meinen Hof senden , magst du dir ein gutes Roß aussuchen mit runden Hufen , und mein Kämmerer gibt dir ein schönes Gewand aus den Truhen , das wird dich stattlicher machen im Volk als das runde Blech . Denn ich meine es gut mit dir , Volkmar , ich fürchte für dich den Neid meiner Knappen . « Zuchtlose Worte hörte ich am Herd des Königs « , versetzte der Sänger gekränkt . » Trag sie nicht schwer , Volkmar « , riet der König begütigend , » es ist wahr , ihre Rede ist zuweilen wild , und ich bändige mühsam ihre Gewalttat ; aber des Königs Kunst ist , jeden zu gebrauchen in seiner Weise , sie tun als schnelle Königsboten um Gold und einen warmen Sitz an meiner Bank alles , was ich will , und fragen nicht , ob die Tat blutig sei oder nicht . Wie kann ein König walten im Volk ohne solche Diener ? Denn hochfahrend ist der Männer Sinn , jeder will nur tun , was ihm beliebt , jeder trotzt auf sein Recht und sucht sich Rache , und keiner fügt sich fremdem Willen . Jeder begehrt Kampf und Wunden zu eigenem Ruhm und ist eilig , zu den Göttern hinaufzufahren . Ich meine auch zuletzt einmal einen Sitz zu fordern in der Götterhalle , jetzt aber möchte ich lieber auf der Männererde über gefügige Nacken blicken ; und muß auch ich Männer wegschaffen aus dem Licht , weil sie schädlich sind , so sind es doch nur wenige ; die anderen aber auf ihrem Erbe zu erhalten , ist mein Vorteil und mein Ruhm , daran denke , Volkmar , weil du ein sinnvoller Mann bist . Trotzig ist das Volk und geschwollen sein Sinn , des Königs Sorge aber ist , für alle zu bedenken , was dem Lande frommt . Darum schilt mir nicht meine Getreuen . Es ist besser , sie üben zuweilen eine Nottat , als daß alle anderen Gewalt gegeneinander sinnen und das Volk der Thüringe einem fremden Geschlecht Frondienst leiste . « Der Sänger schwieg . Der König fuhr schlau fort : » Der Wein hat mir das Herz geöffnet , und ich will zu dir reden wie zu einem Freunde . Sage an , wie man zu einem Bruder spricht , welcher Art ist der Fremdling ? Ich möchte ihm gern trauen , aber er ist noch von der ungefügen Art , die sich rühmt , daß einst ein Gott in dem Ehebett ihrer Großmütter gelagert habe . Die Art ist wenig nütze auf der Männererde , ihr Blut ist schwarz geworden , wie alter Met im verpichten Kruge , sie schaffen schweren Rausch im Volke , sie gebärden sich , als ob sie die Vettern des Kriegsgotts wären , und betrachten aller anderen Schicksal wie Spreu , die sie vor sich her blasen . Ist der Fremde ein solcher Gesell ? « » Mich dünkt , sein Mut ist fröhlich und sorglos seine Art , nur daß ein schweres Schicksal auf ihm liegt « , versetzte Volkmar . » Wie hält er sich beim Becher ? « fragte der König , » ich lobe mir einen rotwangigen Knaben , dem der Trunk die Kehle öffnet . « » Er weiß fröhlich Bescheid zu geben bei Trank und Rede « , versetzte der Sänger . » Dann soll er mir willkommen sein auf meiner Bank « , rief der König und schlug auf seinen Trinkkrug . » Dich aber habe ich gewählt zum vertrauten Boten , daß du mir den Fremdling aus den Waldlauben in meine Burg schaffst ; führe ihn vor mein Angesicht . « Volkmar erhob sich und stand überlegend : » Ich will dem Fremden deine Botschaft künden . Doch damit er den gewogenen Sinn meines Herrn erkenne , so flehe ich , daß mein König ihm zuvor Frieden gelobe und sicheres Geleit zum Hofe und vom Hofe , mein König und seine Knaben in der Halle . « » Was fällt dir ein , Sänger ? « rief der König mit aus brechendem Unwillen , » wie kann ich ein Gelöbnis geben dem Wildfremden , dessen Sinn ich nicht kenne ! « » Du willst doch , o Herr , daß er sich in deine Hand gebe . Leicht ist es , von einem einzelnen den Schwur zu fordern . Mein Herr würde selbst den Fremdling für einen Toren halten , wenn er sich unter die Knaben hierher wagte ohne Frieden . « » Was braucht mein König den fahrenden Mann zu solcher Botschaft ? « rief Wolfgang , » er sende uns , wir bringen den Fremden auf seinen Füßen oder in seinem Schild , längst steht uns der Sinn nach einer Reise in die Dörfer der frechen Bauern . « » Still « , sagte der König , » eure grobe Zunge gebrauche ich jetzt nicht , wenn ich mit meinen Waldleuten handeln will . Volkmar soll mein Bote sein , denn heut ist der Tag guter Worte , kommt der Tag für harte Tat , dann rufe ich euch . – Du meinst also , er wird kein solcher Narr sein ? « fragte er lauernd , und aus den schwimmenden Augen brach ein heißer Blick , wie der Feuerstrahl aus einer Dampfwolke , aber er bezwang sich und fuhr gemütlich fort : » Wohlan , ich will ihm alles geloben . Und ihr schweigt dort ! « rief er , seine Stimme erhebend , in den Lärm seiner Mannen . » Tretet heran und gelobt in meine Hand Frieden für Ingo , Ingberts Sohn , zum Hofe , am Hofe und vom Hofe . « Die Männer taten den Schwur . » Und jetzt , Sänger « , schloß der König drohend , » lege ich dir auf deine Seele , daß du ihn herführst ohne Verzug . « » Ich bin nur dein Bote , Herr , nicht vermag ich ihn zu zwingen . « » Bedenke dein eigenes Heil , Volkmar « , rief der König und hob die Faust in die Höhe . » Leid wäre dir , wenn du in Zukunft die Vatererde meiden müßtest . « » Ich will mich halten als ein treuer Bote « , versetzte der Sänger ernst . » So ist es recht , Volkmar « , schloß der König besänftigt und erhob sich . » Geendet sei der Trunk , brecht auf von den Sitzen , und du , Volkmar , sollst mir heut anstatt Kämmerer sein , geleite mich . « Der König stützte sich schwer auf Volkmars Schulter und schritt mit ihm über den Hof zum Schlafhaus der Königin . Unterwegs sagte er ihm lustig ins Ohr : » Nun , Schelm , wo bleibt der Becher ? « Volkmar öffnete den Beutel , den er an seinem Gurt trug , und bot das Goldgefäß dem König dar . » Stecke mir's ins Gewand « , sagte der König , » ich will um deinetwillen sorgen , daß Frau Gisela das Ding nicht erblickt . « Am nächsten Morgen verließ der Sänger die Burg . Der König sah seinem Boten mißtrauisch nach und dachte in seinem Sinn : meine Waldfüchse werden mir den Fremden schwerlich in die Burg senden . Wenn sie ihn meiner Forderung weigern , dann geben sie mir einen Grund , gegen sie zu ziehen , ihren Bauernstolz zu brechen und ein Ende zu machen mit ihrem freien Bunde . Dann aber wählen sie den Ingo zu ihrem Führer , er dünkt mich ein mannhafter Recke , und es könnte einen harten Kampf geben unter Scheitholz und Waldpilzen . Was dann das Ende wird , weiß keiner , und ich habe keine Lust , meinen Leib zum Schemel zu machen , über den ein anderer zum Herrensitz steigt . So trank er sorgenvoll seinen Met , verschlossen auch gegen die Königin , die mit ihren großen Augen forschend auf ihn hinsah und zuweilen seine Gedanken erriet , ohne daß er sie aussprach . Tag auf Tag verrann , Ingo kam nicht . Dagegen pochte eines Abends Sintram , Theodulfs Ohm , an das Tor . Der König empfing ihn mit offenen Armen , er sprach lange heimlich mit ihm , und Frau Gisela merkte , wie der König dem Edlen mit einem Händedruck versicherte : » Dein Vorteil und meiner sollen zusammen in den Wald springen wie zwei Wölfe . « Aber als Held Sintram geschieden war , sah auch ihm der König unzufrieden nach und nannte ihn einen schiefäugigen Fuchs . In den Waldlauben Auf dem Herrenhof und im Dorfe knarrten die Erntewagen , die Mannen des Häuptlings vergaßen im Drange der Arbeit zuweilen ihren Kriegerstolz und halfen den Knechten , die Schnitter banden dem großen Gott des Volkes die letzte Garbe mit frommem Zuruf und brachten , im Reigen springend , den Ährenkranz zur Halle des Fürsten ; die barbeinigen Dorfkinder schwärmten wie Drosseln um das Vorholz und sammelten Beeren und Nüsse in langen Tüten aus Holzspänen . Jeder war eifrig , die Früchte einzuheimsen , welche die Göttin der Flur dem seßhaften Manne spendet . An der Seite des Hofherrn achtete Ingo auf die friedlichen Werke , die er sonst nur vom hohen Kriegsrosse geschaut hatte , er hörte mißfällig , wenn sein Wirt sich wie ein Bauer über die Wölfe ärgerte , weil sie ihm ein junges Rind zerrissen , öfter aber lachte er froh , wenn er Irmgard unter den Mägden sah , denen sie bei der Arbeit gebot . Ihm und der Jungfrau pochte das Herz in Freude , wenn sie vor den anderen im Hofe und auf der Flur höflichen Gruß tauschten und zuweilen wenige Worte . Denn streng war die Hofzucht , gesondert lebten die Männer , und Ingo scheute sich , seit er den Gastschwur getan , durch dreistes Nahen den Frieden des Hofes zu verletzen . Fast alle blickten ihn freundlich an , nur das Auge der Fürstin umwölkte sich , wenn sie ihm nachschaute . Ihr kränkte den stolzen Sinn , daß er gegen ihren Rat einen Mann ihrer Freundschaft im Kampfspiel besiegt hatte , auch daß ihr Wunsch , ihn als fremden Landfahrer zu halten , durch den Sänger vereitelt war . Und noch anderes war ihr beschwerlich . Sie hatte ihren Blutsverwandten , den Theodulf , zum Gemahl der Tochter erkoren , ihr eigenes Geschlecht und Herr Answald hatten schon vor Jahren darum gehandelt . Jetzt beobachtete sie argwöhnisch die Tochter und den Gast . Eines Tages kam ein fahrender Gaukler mit seinem Kasten in die Flur , er blies vor dem Hofe des Fürsten auf der Sackpfeife , bis die Leute aus dem Dorfe herzuliefen ; auch die Mannen und Knechte des Fürsten traten aus dem Hoftor . Als der Ring geschlossen war , begann der Mann in unbehilflicher Sprache seinen Bericht , daß er in dem Kasten einen Römerheld berge , und wenn die Krieger und die schönen Frauen ihre Gunst erweisen wollten , so sei er bereit , ihn zu zeigen . Er pochte auf den Kasten , da hob sich der Deckel und ein kleines häßliches Ungetüm , von Gesicht einem Menschen ähnlich , mit einem Römerhelm über den Ohren , hob seinen Kopf empor und schnitt Gesichter . Viele fuhren zurück , die Beherzten aber lachten über das Wunder . Der Mann öffnete den Kasten und der Affe sprang hervor in einer Panzerjacke wie ein römischer Krieger gekleidet . Er fuhr mit den hageren Beinchen auf dem Grase umher , überschlug sich in der Luft und tanzte . Zuerst entsetzten sich die Landleute , dann erscholl lautes Gelächter und Beifallsruf , so daß Hildebrand in die Laube lief und den Herren verkündete : » Ein Gaukler tanzt vor dem Hoftor mit einem kleinen wilden Mann , den sie einen Affen nennen . « Da trat auch der Fürst mit Ingo und den Frauen heraus und freute sich an den lustigen Sprüngen des Affen . Zuletzt nahm der Affe den Helm ab , lief im Kreise umher , und der Mann rief : » Spendet , ihr Helden , meinem römischen Krieger , was ihr von Römermünzen im Säckel habt , kleine und große , je edler der Held , um so größer das Geldstück . Wer keines hat , lege Wurst und Eier in den Kasten . « Da lachten die Leute , und mancher griff an den Gürtel , andere trugen aus dem Hofe herzu , was dem fahrenden Mann als Reisekost diente . Auch zu den Herren trat der Fremde , und der Fürst und Theodulf holten römisches Kupfer aus den Taschen , und Frida hörte , wie Theodulf , auf Ingo weisend , zu dem Gaukler sagte : » Der große Held dort spendet dir wohl am reichlichsten . « Als der Mann nun mit seinem Affen dem Helden Ingo nahte , da sorgte Frida , ob der Fremde und sein Kämmerer Wolf in den Jacken der Fürstin wohl auch etwas finden würden , was sie austeilen könnten , und um die Beschämung abzuwehren , riß sie schnell eine der kleinen Silberschellen ab , welche ihr das Herrenkind zum Brustschmuck geschenkt hatte , und vorspringend sprach sie : » Dir spendet dieser Held , welcher die Sprünge der Römer besser kennt als du , wenn du ihm Antwort gibst auf eine Frage( Welches Gewand trägt dein Ungetüm , wenn du unter den Römern Gaben begehrst ? « Der Mann nahm das Silber , sah scheu nach Ingo und antwortete dem Mädchen frech : » Den Gruß der Vandalen kenne ich als verfänglich und grob . Dir aber sage ich , wer im Tanze den Römern gefallen will , muß nackt springen . Was mein Affe tut , rate ich auch dir . « Frida rief ihm zornig nach : » Ich meine , unter den Fremden verhöhnt dein tanzender Kater ebenso die Krieger meines Volkes , wie die Fremden bei uns . « Da nickten die Männer und wandten sich lachend von dem Gaukler ab . Ingo aber trat zu ihm und fragte : » Woher weißt du , daß ich von den Vandalen bin ? « » Deutlich genug trägst du 's auf dem Haupte « , versetzte der Mann und wies auf die Kappe Ingos , in welcher drei Schwungfedern des wilden Schwans steckten . » Kaum acht Tage sind es , da erlitt ich bei den Burgunden hartes Fegen von deinen Federn . « Ingos Antlitz wandelte sich , er ergriff den Mann hastig beim Arm und zog ihn zur Seite : » Wieviel waren ihrer , die dieses Zeichen trugen ? « » Mehr als zehn und weniger als dreißig « , versetzte der Mann , » ungefüge Worte gaben sie mir , weil mein Kleiner dort mit Gänsefedern tanzte , und bedrohten mich durch Schläge . « » Der dich schalt , war ein alter Kriegsmann mit grauem Bart und Narben auf der Stirn ? « » Du nennst ihn , wie er war , Herr , und außerdem von groben Sitten . « Irmgard sah , daß der Held Mühe hatte , seine Bewegung zu verbergen , er löste sich von den anderen und ging allein nach dem Hofe zurück . Da kurz darauf Volkmar als Königsbote in den Hof trat , empfing ihn Ingo wie einen Freund , den er sehnsüchtig erwartet hatte , er hörte seine Botschaft und führte ihn zu dem Fürsten( dort hielten die drei vertrauten Rat . » Der König hat mich geladen « , sprach Ingo , » er hat mir Sicherheit gelobt . Was auch die Meinung seines Herzens sei , mir geziemt es , der Ladung zu folgen . Nur eines hemmt mich , und mit Scham spreche ich es aus , nicht wie ein entblößter Mann darf ich zu dem Hof des Königs gehen , du gedenkst wohl , o Herr , wie ich zu dir kam . « Bekümmert versetzte der Fürst : » An Roß und Gewand würde es dir , o Held , nicht fehlen , und Wolf würde dich als Kämmerer geleiten , dennoch rate ich nicht , daß du den Worten des Königs trauest und dich unter die Äxte seiner Leibwächter wagst , denn spurlos möchtest du verschwinden hinter den Steinmauern . Die Reise wäre ein unrühmliches Ende für dein Heldentum . « Auch Volkmar sprach : » Dir , Held Ingo , ziemt es , die Gefahr gering zu achten , du weißt ja , daß dem Mann zuweilen die Kühnheit am besten gedeiht . Wenn du aber der Ladung des Königs folgst , wie du willst , so darfst du das nimmermehr als ein einzelner Wanderer tun . Dem König und seinem Gesinde würdest du verächtlich sein , unwürdig wäre die Behandlung , die sie dir zufügten , auch wenn der König dir nicht an das Leben geht . Denn an Königshöfen ist die Art , nur stattliches Gewand , Rosse und Gesinde geben dem Helden ein Ansehen . Darum , bevor du zu dem König reitest , mußt du das alles erwerben . Folgen dir aber Männer aus diesen Waldlauben , so wirst du dem König gänzlich verhaßt . « » Gut sprichst du , Volkmar , in allem « , versetzte Ingo . » Willst du dich zurück unter die Augen des Königs wagen , so sage ihm , daß ich dankbar bin für die hohe Botschaft und daß ich vor sein Angesicht treten werde , sobald ich gerüstet bin , wie es seine und meine Ehre fordert . « » Ich trage die Antwort « , antwortete Volkmar , » und ich hoffe , mich behend zur Seite zu schwingen , wenn er seinen Trinkkrug nach mir wirft . « Auch Herr Answald gab seine Zustimmung zu diesem Dank , denn ihn bedrückte im geheimen die Forderung des Königs , wenn er die Sorge auch mannhaft barg . Als Ingo und Volkmar allein waren , begann Ingo : » Wer einen guten Rat geschenkt hat , der gibt wohl auch den zweiten . Du siehst , ich bin einem Kinde gleich , das aus dem Wasser geholt und neu in die Welt gesetzt ist . Hier sind die Leute gutherzig , aber Kriegsfahrten beginnen sie selten , spähe , du treuer Gesell , wo irgend im Lande für ein Schwert rühmliche Arbeit zu finden ist . « » Harre nur ein wenig aus « , antwortete Volkmar lachend , » und laß dir unterdes gefallen , wenn die Jungfrau Irmgard vor dir meine Reigen singt , denn wohlgeübt ist sie im Lied und Saitenspiel . Höre ich von ehrlicher Heerfahrt , so sollst du 's erfahren ; doch du weißt , im Herbst lockt den Krieger die Heimat , im Frühjahr die Schwertreise . « » Und jetzt höre weiter « , fuhr Ingo fort , » was mich in der Nacht schlaflos umherwirft . Der Sprung in den Rhein schied mich von meinen Mannen , hinter mir brachen die Heerhaufen der Römer wie ein Wasserschwall in das Land , die Priesterin barg mich mit Sorgen , bis sie mich nordwärts sandte ; beim Abschied verhieß sie mir , nach den Volksgenossen zu suchen , die mit mir bei den Kähnen gestanden hatten . Jüngst aber hörte ich von einem Gaukler , daß Krieger meines Volkes in diesem Mond unter den Burgunden lagerten , einer davon war , wie mir schien , Berthar , den du kennst . Hegst du mir gute Gesinnung , Volkmar , so forsche , wenn du kannst , nach den Treuen ; denn wie hold mir manche sind , die hier um mich leben , ich vermag nicht froh zu werden , bis ich weiß , ob einer von den Meinen dem Eisen der Römer entwichen ist . « Der Sänger nickte und wandte sich zum Abgang . » Der Herr dieses Hofes bewährt dir guten Sinn , aber wandelbar ist der Menschen Gemüt , und leicht wird müde , wer sich nur auf ein Bein stützt . Du hast mich durch dein Vertrauen geehrt , da du vorhin sprachst , wie du aus dem Wasser gehoben wurdest . Darum flehe auch ich um eine Gunst . Einst gabst du mir diesen Goldring , nimm ihn , o Herr , jetzt zurück , damit ich dir meine Treue erweisen kann , du spendest mir später wohl noch mehr , wenn die Götter dir Glück verleihen . Der Ring schafft dir Roß und Gewand oder wirbt dir einen hilfreichen Gefährten . « » Lieber leihe ich von dir als von einem anderen « , versetzte Ingo , » aber du weißt , der Krieger zieht nicht ohne Gold zur Schlacht . Was mir Berthar an jenem Tage zureichte , wo ich ihn verlor , das berge ich noch im Gewande ; damit , wenn mein Leib einsam auf der Heide liegen sollte , alsdann ein anderer das Gold bei mir finde und mich zum Dank ehrlicher Bestattung wert achte . « » Dann , Held , gedenke auch klug der Lebenden ; und wenn ich dir raten darf , so gib davon an die Jungfrau Frida , denn sie raunen im Hofe , daß sie eine Silberschelle für dich abgerissen hat , um ihrer Herrin zu gefallen ; und spende auch an Wolf , deinen Kämmerer , damit ihn die anderen nicht schmähen , weil er einem kahlen Herrn dient . Zürne nicht , daß ich wie dein Vertrauter spreche , aber wer gewöhnt ist , um Huld zu werben , der versteht wohl auch , wie man Gunst gewinnt . « Ingo reichte ihm lachend die Hand . » Nur dir biete ich nichts « , sprach er , » denn gern bleibe ich dir schuldig . « » Und ich dir , solange ich atme « , grüßte Volkmar , sich ehrerbietig auf der Schwelle verneigend . Ingo folgte dem Rat des Treuen . Als er seinem Kämmerer zwei Goldstücke in die Hand legte , auf denen das Bild des großen Römerherrn Constantinus zu sehen war , da merkte er an dem glücklichen Gesicht des Mannes und an dem warmen Dank , wie wertvoll solche Gabe in den Waldlauben war . Und nach der Mahlzeit trat er in Gegenwart der anderen vor Irmgard und sprach : » Deine Gespielin Frida hat für das Silber , das sie dem Gaukler bot , mir eine frohe Botschaft eingehandelt , gern möchte ich ihr dafür meinen Dank erweisen , und ich bitte dich , Jungfrau , daß du ihr in diesen Münzen ihre Spende zurückgibst . « Da ging das fremde Gold auch unter den Frauen von Hand zu Hand , der Fürst und alle Wohlmeinenden waren erfreut , daß der Gast sich so gehalten hatte , wie seiner Würde gebührte , und Ingo merkte aus dem Diensteifer der Männer , daß ihr guter Wille behender wurde , seit sie für sich Gutes hoffen durften ; denn alle gedachten , daß dem Herrn Ehre sei , viel zu geben , dem Dienenden aber , Gabe zu empfangen . Ingo aber suchte auch nach einer Gabe für die , welche ihm lieb war . Als Irmgard im Hofe unweit dem Holunderstrauch stand , da trat er von der Seite eilig auf sie zu , sie hörte seinen Schritt , aber sie kehrte sich nicht um , damit keiner die Freude in ihrem Antlitz erkenne . Abgewandt von den anderen , sahen sie einander in die Augen , und diesmal merkten beide die Nachtsängerin nicht , welche über dem Ast ängstlich ihre Kinder an die Abreise mahnte . Ingo begann die heimliche Rede : » Im Federgewand des Schwans flog einst Schwanhild , die Ahnfrau meines Geschlechtes , über die Männererde , seitdem sind die letzten Schwungfedern des Schwans das heilige Zeichen , welches die Männer und Frauen meines Stammes an Helm oder Stirnbinde tragen , wenn sie sich festlich schmücken . Dem lebenden Vogel suchen wir die Federn zu rauben , denn einen Schwan zu töten , ist meinem Volk Frevel . Heut gelang mir's , einen Schmuck zu gewinnen . Dir , Holde , biete ich ihn , ob du ihn annimmst und dir bewahrst . Auf den Federkiel ritze ich das Zeichen , womit ich zeichne , was mein ist . « Irmgard erschrak , ihr ahnte , daß er durch die Federn bot , was er mit Worten nicht sagen durfte , und sie fragte unsicher : » Wie soll mein sein , was dein ist ? «