Erster Teil Schloß Nevershuus lag grau und schwerfällig unter hohen Bäumen mit seinen breiten Seitenflügeln und dem viereckigen Turm , der kaum das Dach überragte . Aber von seiner Plattform aus konnte man weit über Meer und Heide sehen und auf die kleine Küstenstadt hinunter , die sich zwischen Deichen und grünen Wiesen hinzog . In früheren Zeiten sollte es einmal irgendeiner schlimmen Fürstin als Witwensitz gedient haben – von daher stammten wohl die altersschwarzen Ölbilder droben im Rittersaal und allerhand Spukgeschichten , die immer noch im Volksmund fortlebten , obgleich das Gut jetzt schon lange im Besitz der Familie Olestjerne war und die gemalten Damen mit ihren feierlichen Mienen auf die Schicksale und das Treiben einer anderen Zeit herabsahen . Es konnte immer noch einen melancholisch unheimlichen Eindruck machen , das alte Schloß , wenn die Herbststürme durch alle Kamine heulten wie geängstigte arme Seelen , oder wenn der Nebel vom Meer heraufstieg und alles in seine wogenden grauen Schleier einhüllte . Aber es hatte auch seinen Frühling und seinen Sommer , wo die Sonne alles Düstere aus den weiten hohen Räumen herausleuchtete , wo der reiche grüne Garten um die grauen Mauern blühte und drüben in der Ferne das Meer blau und schimmernd dalag . Für die Bewohner von Nevershuus ging die schöne Jahreszeit ebenso still und gleichförmig hin wie der Winter . Der Gutsherr Christian Olestjerne war meist draußen im Felde oder auf der Jagd , und seine Frau saß mit ihrer ältesten Tochter am Steintisch unter den Buchen , wenn sie nicht in Küche und Vorratskammer zu tun hatten . Die Freifrau Anna Juliane war eine schöne , stattliche Frau mit raschen , dunklen Augen und eiserner Tatkraft – von früh bis spät auf den Beinen , um überall nach dem Rechten zu sehen . Aber dabei hatte sie nichts Leichtes in ihrer Art , das Leben zu nehmen , es türmte sich alles vor ihr auf wie ein Berg , über den sie nie hinaussehen konnte – die Wirtschaft , der große Haushalt , die Kinder , tausend Dinge , die täglich zu tun und zu überlegen waren und ihr beständig im Kopf herumgingen . Seit ihre Älteste erwachsen war , hatte sie nun wenigstens jemand , mit dem sie das alles teilen und beraten konnte , während sie des Vormittags im Garten saßen , Wäsche ausbesserten oder Obst zum Einkochen schälten . Wenn nur das Heu von den Strandwiesen hereinkäme , ehe es wieder Regen gab und alles zugrunde ging wie im vorigen Jahr – Gott weiß , der Vater hatte diesen Frühling schon genug Ärger gehabt ; das durfte nicht noch dazu kommen . Wie lange würde sich Nevershuus überhaupt noch halten lassen , bei all den mißlichen Verhältnissen . » Ach Mama « , sagte dann wohl Marianne in ihrer ruhigen Weise , » quäl ' dich doch nicht darum , es hat ja noch Zeit bis zur Heuernte . « Aber die Mutter war schon längst wieder bei anderen Gedanken – ob Marianne meinte , daß das neue Kindermädchen zuverlässig sei ? Ellen und Detlev waren in letzter Zeit gar so unbändig , und sie hatte jetzt doch nur die beiden Kleinen zu hüten . Und wie würde es Erik nun wohl auf der Schule gehen – mit Kai wollte es ja immer noch nicht recht vorwärts , und vor allem war seine Gesundheit eine rechte Sorge . Ja , Sorgen überall , und Sorgen mußten ja sein . Es war ein Wort , das die Freifrau häufig gebrauchte , und wenn sie dabei angekommen war , konnte sie so aus tiefster Seele heraus seufzen . Dann fiel ihr plötzlich wieder ein , daß sie versäumt hatte , irgend etwas anzuordnen , und sie ging mit ihrem raschen Schritt ins Haus hinein , um es nachzuholen . Manchmal seufzte Marianne dann im stillen mit : die Mutter ließ sich und anderen wenig Ruhe , und ihre rastlose Lebhaftigkeit hatte beinahe etwas Aufreibendes – es war keine Kleinigkeit , ihr immer das Gleichgewicht zu halten , besonders , wenn sie sich in Taten umsetzte . Mochten nun die Dienstboten etwas versehen haben , die Jungen mit schlechten Zeugnissen heimkommen , oder die Kleinen irgendein Unheil anrichten – immer war es Marianne , bei der sie Zuflucht suchten , die alles ausgleichen und vermitteln sollte . So atmete sie meist erleichtert auf , wenn der stürmische Vormittag vorüber war und die Mutter sich nach Tisch mit einem Buch ins Wohnzimmer zurückzog . Für Marianne kamen dann die besten Stunden des Tages , wo sie dem Vater bei seinen Schreibereien half , oder ihn bei seinen Rundgängen auf dem Gut begleitete . Auch die jüngeren Geschwister wußten diese häusliche Nachmittagsruhe nach Kräften zu genießen . Es war die Zeit , wo sie ungestört allen möglichen verbotenen Unternehmungen nachgehen konnten – den alten Gärtner drüben im Nebenhaus besuchen , wo sie Kaffee bekamen und an seinen langen Pfeifen rauchen durften , oder die Dorfkinder , die schon lange wartend am Gitter standen , hereinlassen und mit ihnen am Graben Brücken bauen und Schiffe schwimmen lassen . Das Kindermädchen hatte noch zu tun , und wenn Erik dabei war , ließ man die Kinder ruhig eine Zeitlang ohne Aufsicht . Ellen folgte dem älteren Bruder durch dick und dünn und zog den kleinen Detlev an der Hand hinter sich her . Mit vereinter Anstrengung bekamen sie ihn über alle Gitter und Schwierigkeiten weg , und wehe ihm , wenn er schrie oder sie verklagte . In diesem Sommer war das Nachmittagsglück nicht mehr so ungetrübt wie früher , denn seit Erik zur Schule ging , wurde er hochmütig , fing an , Ellen , die sonst seine unzertrennliche Gefährtin war , zu verachten , um sich zu den Großen zu rechnen . Sie hatte jetzt manches auszustehen – zuweilen fiel es ihm ein , ihr Unterricht zu geben , sie sollte ihm Geschichten nacherzählen oder Buchstaben in den Sand schreiben , und lehnte sie sich im Gefühl ihrer Ohnmacht dagegen auf , so wurde sie einfach übergelegt und durchgeprügelt . Manchmal kam dann Lise , das Kindermädchen , ihr zu Hilfe : » Laß doch Ellen in Ruh' , was hat sie dir getan ? « » Da brauchst du dich gar nicht hineinzumischen « , sagte Erik überlegen . » Mama ist immer sehr strenge mit Ellen , und wenn sie nicht da ist , muß ich Ellen verhauen , damit sie sich nichts einbildet . « Im ganzen war das Mädchen recht froh , ihn jetzt für einen Teil des Tages los zu sein ; wenn er wieder zur Schule war , ging sie mit den beiden Kleinen auf die einsame Graskoppel hinter dem Garten , wo Owe Jensen , der lange blonde Knecht , arbeitete . Und die ganze Gesellschaft war dann sehr vergnügt , Owe ließ seine Arbeit liegen und wanderte mit Lise langsam die breiten , grasüberwucherten Wege entlang , während die Kinder Hand in Hand hinterdrein trottelten . Zuweilen brachte er auch seinen Freund mit ; das war Lise zuerst nicht ganz recht gewesen , denn Klaus Sörens war eine Art Räuberberühmtheit in der Umgegend und erst vor kurzem aus dem Zuchthaus entlassen . Aber allmählich fand sie , daß es auch seine Vorteile hatte , wenn er mitkam . Dann konnte sie ungestört mit Owe im Gras liegen und brauchte sich nicht um die Kleinen zu bekümmern . Detlev bekam einen schönen , weichen Platz , wo er schlief oder mit den Beinen im Sonnenschein strampelte , und der Zuchthäusler spielte mit Ellen . Sie liebte ihn leidenschaftlich und war selig , wenn er mit ihr herumjagte oder ihr Blumen und Erdbeeren pflückte . Man hatte ihr wohl eingeschärft , nichts davon zu erzählen , und das tat sie auch nie . Bei Lise und ihren Freunden fühlte sie sich viel wohler wie zu Hause , denn Mama und Prügel kriegen waren so ziemlich die ersten Begriffe , die ihr Bewußtsein zu fassen vermochte und die für sie in eins zusammenfielen . Die kleine Ellen hatte schon frühzeitig ein dunkles Gefühl davon , daß sie mit dem linken Fuß auf die Welt gekommen sein mußte . Sie war ein etwas schwächliches , zurückgebliebenes und dabei scheues , trotziges Kind , an dem niemand besondere Freude hatte , und das zwischen den beiden Brüdern nicht recht zur Geltung kam . Eigentlich war sie überflüssig und wurde fortwährend hin und her geschoben . Wenn Erik ihre Gesellschaft wünschte , durfte sie mit zu Nachbarskindern oder Besuchen , wußte er nichts mehr mit ihr anzufangen , so wanderte sie wieder in die Kinderstube . Und er konnte sie nur brauchen , solange sie sein willenloses Werkzeug und Echo war , Löcher wühlte , wo er Bäume pflanzen wollte , ihm die Bälle aufsammelte oder auch nur dabeistand und seine Taten bewunderte . Aber mit der Zeit bekam sie ihren eignen Kopf , wurde eigensinnig und ungefällig und wandte sich immer mehr dem kleineren Bruder zu . Im Grunde fuhr sie dabei noch schlechter wie früher , denn war schon Erik verzogen und bewundert , so wurde Detlev , das goldhaarige Jüngste , vom ganzen Hause vergöttert und stellte sie völlig in den Schatten . Dazu kam noch , daß sie jetzt die Ältere war und für alles , was sie zusammen verbrachen , die Verantwortung zu tragen hatte . Ellen kam allmählich zu dem Schluß , es läge alles nur daran , daß sie ein Mädchen war ; das bekam sie ja unzählige Male zu hören : Kleine Mädchen dürfen nicht so wild sein – kleine Mädchen klettern nicht auf Bäume – kleine Mädchen müssen ihre Kleider schonen – diese verwünschten rosa und weißen Kleider , die sie zu Tisch anbekam und die immer gleich zerrissen oder schmutzig waren . Manchmal klagte sie dann verzweifelt dem Mädchen ihr Leid : » Wenn ich doch nur ein Junge wäre ! « Und Lise tröstete sie : » Warte nur , bis du sechs Jahre alt bist , dann wirst du einer . « Der sechste Geburtstag kam und brachte ihr die erste , schwere Enttäuschung . Als sie aufwachte , wollte sie Kleider von Erik anziehen , denn jetzt war sie doch ein Junge und wollte auch verzogen und bewundert werden . Aber sie wurde nur entsetzlich ausgelacht , selbst der Vater lachte mit , und dann erfuhr sie , daß sie immer ein Mädchen bleiben müßte . An dem Tage konnte Ellen sich über nichts mehr freuen . Dafür war sie nun sechs Jahre alt und sollte anfangen , lesen zu lernen , neben Mama auf der grünen Gartenbank stillsitzen mit den schrecklichen Buchstaben vor sich , die man nie behalten konnte . Die Buchen waren eben erst grün geworden , die Luft voller Bienensummen und sommerlichem Gezwitscher . Das machte Ellen so zerstreut , daß es mit dem Lesen durchaus nicht gehen wollte . Drüben schaufelte Detlev in dem großen , weißen Sandhaufen , jeden Augenblick schielte sie sehnsüchtig zu ihm hinüber . Aber die Mutter ließ nicht aus , sie nähte und schalt , während Ellen wahre Fieberphantasien buchstabierte . Fast regelmäßig endete es mit Klapsen und Tränen , und dann kam das Allerschlimmste : der lange , graue Strumpf , an dem sie zur Strafe stricken mußte , – der Strumpf , der nie ein Ende nahm und auf den viele , viele Tränen hinunterliefen , während Detlev im Sand spielte und die Sonne schien . War Ellen dann endlich entlassen , so ließ die Mutter einen Augenblick ihre Näherei sinken und seufzte : » Es ist doch wirklich ein Kreuz mit dem Kind ! « Gegen Ende des Sommers wurde der fünfzehnjährige Kai schwer krank . Die Mutter war Tag und Nacht bei ihm , und die anderen Kinder bekamen sie kaum mehr zu sehen . Marianne mußte für den Haushalt sorgen , und so gab es einmal wieder Freiheit , denn diese hatte alle Hände voll zu tun und konnte sich nicht viel um die Kleinen kümmern . Während dieser Zeit schlief auch Ellens Unterricht fast ganz ein , statt dessen entstand ein erbitterter Wettkampf zwischen Erik und ihr , wer die schönsten Teufel zeichnen könnte . Da kam eines Tages Mariannes Freundin Hedwig Janssen dazu , die eine Pastorentochter war , und sagte mit ihrer etwas heiseren Stimme : » Du solltest doch den Kindern verbieten , immerfort Teufel zu malen , ich finde es wirklich nicht recht . « Marianne verbot es , und nun hatte das Zeichnen allen Reiz verloren . Abends lag Ellen lange wach im Bett , drüben am Tisch saß das Kindermädchen und nähte . » Du , Lise , wer ist eigentlich der Teufel ? « » Warum willst du das wissen ? « » Weil Hedwig gesagt hat , es wäre nicht recht , wenn wir ihn immer zeichneten . « Lise versuchte ihr zu erklären : Ein böser Geist , von dem alles Schlimme herkam und der große Macht besaß . Das Kind setzte sich im Bett auf und horchte gespannt . Zuletzt erzählte Lise ihr die Geschichte von einem Mann , der sich dem Teufel verschrieben hatte mit Leib und Seele . Dafür bekam er alles , was er wollte , aber zuletzt , als er sterben sollte , erschien der Böse , um ihn zu holen , und er mußte mit in die Hölle . » So , aber jetzt sollst du schlafen , Ellen . « Kais Krankheit dauerte sehr lange , und selbst die Kleinen fühlten die trübe , lastende Stimmung , die über dem ganzen Hause lag . Sie suchten sich alles mögliche auszudenken , was ihm Freude machte , denn sie hatten ihn alle sehr lieb . Kai wollte Naturforscher werden , sein ganzes Zimmer war voll von Steinen , Schmetterlingen , ausgestopften Vögeln , und hinten im Garten stand ein verdorrter Baum , wo er tote Tiere für seine Skelettsammlung aufhängte . Was die Geschwister jetzt an verendeten Katzen , ertränkten jungen Hunden und anderem Getier fanden , kam an den Baum , und sie freuten sich heimlich auf die Überraschung , wenn er wieder aufstand . Aber Kai stand nicht wieder auf – – die Großen wußten es schon lange , daß er sterben mußte . Mama war blaß , sie hatte tiefe Ringe um die Augen und schalt nicht mehr so viel , und der Vater sprach kaum ein Wort . Eines Vormittags spielten die beiden Jüngsten im Garten . Seit dem Frühstück hatten sie niemand von den anderen gesehen , und unten im Schloß war alles still . Gegen Mittag kam Erik aus dem Haus , er setzte sich auf die eiserne Treppe , und Ellen hörte , daß er laut weinte . Sie rannten zu ihm hin und quälten ihn mit Fragen , aber er schluchzte nur immer lauter . » Kai ist tot ! « Tot – Ellen empfand nur einen furchtbaren Schrecken , ein Gefühl von kalter , beklemmender Angst , wie sie es noch nie am hellen Tage gehabt hatte . Sie klammerte sich fest an Erik und weinte entsetzt mit . Detlev wurde auch bange , er wußte nicht , was das alles bedeuten sollte , und rief laut nach Mama . Statt dessen kam die alte Stina heraus , ihr Gesicht war ganz verstört und zusammengefallen – die Kinder hatten sie noch nie in Tränen gesehen . » Ihr müßt ganz ruhig sein , ihr könnt jetzt nicht zu Mama . « Dann ging sie mit ihnen durch den Garten . Sie saßen am Abhang dicht beim Schloßgraben , und Stina und Erik sprachen darüber , ob Kai wohl in den Himmel gekommen sei : ja , gewiß war er das – Kai war ja ein so guter Junge , hatte so viel gebetet , noch in den letzten Tagen – denn er wußte ja selbst , daß er nicht wieder gesund würde . Ellen hörte schweigend zu : wie konnten sie das so sicher wissen – und wie war es wohl im Himmel ? Sie wußte sich nichts darunter vorzustellen , und dann kamen andere bange Gedanken : wenn sie selbst stürbe – sie käme gewiß nicht in den Himmel , weil sie so schlecht war . Später kam Marianne und holte die Kinder ins Wohnzimmer . Dann gingen alle zusammen hinauf . – Alles war so still und unheimlich , Kai lag im Bett wie sonst , wie er die ganze Zeit dagelegen hatte , nur etwas blasser und mit gefalteten Händen . Ellen hatte ihren Vater an der Hand gefaßt ; es war so sonderbar und so schrecklich , daß die Erwachsenen alle weinten und daß Kai wirklich tot war . Und wie konnte er im Himmel sein , wenn er doch hier tot auf dem Bett lag ? Die Mutter wußte den Tod ihres ältesten Jungen kaum zu verwinden . Lange Zeit hindurch war sie leidend und schwermütig und konnte es nicht ertragen , die Kinder viel um sich zu haben , die immer wieder von Kai sprachen und nach ihm fragten . So wurde für die beiden Kleinen eine Gouvernante ins Haus genommen , und Ellen bekam nun regelmäßige Stunden , Tag für Tag , unerbittlich . Sie mochte immer noch nicht lernen , und es wurde ihr bitterschwer stillzusitzen . Einförmig liefen die Tage hin unter vielen Tränen und ewigem Nachsitzen . Als Detlev größer wurde , fing er an mitzulernen ; er war auffallend begabt und hatte die Schwester bald eingeholt . Man wurde sich nun darüber klar , daß Ellen wirklich dumm sei , und sie tröstete sich selbst damit : ich kann nun einmal nicht lernen . Aber im ganzen war Fräulein Anna gutmütig und hatte viel Geduld . Sie kam bald dahinter , daß Ellen für freundliche Worte zugänglicher war wie für Schelte , und sie vertrugen sich ganz gut miteinander . Das Kind fühlte sich wie geborgen , wenn es nur dem Bereich der Mutter entfliehen konnte – mit Mama war es beständig , als ob man auf Eiern tanzte , jeden Augenblick ging eins kaputt . Wenn sie sich alle Mühe gab , nicht ungezogen zu sein , tat sie unfehlbar irgend etwas , was verboten war oder sich für ein kleines Mädchen nicht schickte . Öfters waren es allerdings auch schwerere Verbrechen , wo Ellen sich schuldig fühlte ; aber um Verzeihung bitten und Reue zeigen waren Dinge , die sie nicht über sich gewann , wenn Mama böse war . So war sie eines schönen Tages mit Detlev verschwunden , und stundenlang wurde nach den beiden Kindern gesucht . Gleich nach Mittag waren sie in den Garten gelaufen und von da auf die Koppeln . Drüben auf der » Freiheit « war Schützenfest , die Musik und die vielen Leinwandzelte lockten unwiderstehlich . Über den Wall , der nach dieser Seite hin das Gut abgrenzte , durften sie nicht hinaus , es war streng verboten , aber Ellen hatte bei dem verlangenden Hinüberschauen alles vergessen . Sie kletterte hinüber und wagte sich mit Detlev an der Hand in das Gewühl . Vor einer Schießbude traf sie ihren alten Freund Klaus Sörens , und das Wiedersehen erfüllte sie mit großer Seligkeit . Er kaufte ihnen Lebkuchenherzen , ließ sie Karussell fahren und zeigte ihnen alles , was zu sehen war . Besonders von den Seiltänzern waren sie nicht wieder wegzubringen , denn da waren fünf kleine Jungen , die sich in der Luft überschlugen und auf Kniestelzen tanzten . Neben dem Zelt stand ein grüner Wagen mit Blumenstöcken in den Fenstern – darin wohnten sie , sagte Klaus , und fuhren von einem Ort zum andern . In Ellen zuckte es förmlich – wie mußten die glücklich sein ! Die ganze übrige Welt war für sie versunken und vergessen ; es war nur gut , daß Klaus sie schließlich nach Hause schickte . Und nun kam ein jäher Sturz aus allen Himmeln . Vor der Gartentür stand Mama : » Um Gottes willen , wo habt ihr die ganze Zeit gesteckt ? « Detlev war so begeistert , daß er sich gleich verschwätzte , und Ellen sah ein , daß lügen nichts half . Aber erzählen wollte sie auch nicht , es war nichts aus ihr herauszubringen , nicht einmal mit Schlägen . Wie immer , mußte sie selbst die Rute holen , die unter dem Klavier auf einem niedrigen Notenpult lag . Während sie in das Halbdunkel unter dem Instrument hinein kroch , tanzten immer noch die bunten Bilder von der » Freiheit « vor ihren Augen . Dann ließ sie die Strafe über sich ergehen und biß die Zähne zusammen , um nicht zu schreien . Den Triumph sollte Mama nicht haben , die jedesmal ganz außer sich geriet über diesen stummen Eigensinn . Für den Rest des Tages wurde Ellen in die Kinderstube geschickt . Das Mädchen war ausgegangen , sie saß ganz allein in einer Ecke und sann Rache . Sie war wütend auf Detlev , der nie den Mund halten konnte – und daß immer alles Schöne verboten war – und Mama – nicht einmal die Hunde bekamen so viel Prügel . – Mama hatte wohl die Hunde auch viel lieber . Das war nicht mehr auszuhalten , ihr Gesicht glühte vor Zorn und Aufregung . Immer nur Schelte und Schläge – nein , sie wollte lieber fortlaufen , gleich morgen früh fortlaufen . Und dann malte sich Ellen aus , wie sie immer den Deich entlang gehen würde , der sich so endlos in die Ferne schlängelte . Denn da mußte es hinausgehen in die Welt . – In eine große Pappschachtel packte sie ihre liebsten Sachen zusammen , um sie auf der Flucht mitzunehmen . Dann dachte sie wieder an die Akrobaten , sie hatte Geschichten gelesen von Zigeunern , die Kinder raubten und zu Kunststücken abrichteten . Die würden sie gewiß mitnehmen , und was für ein wundervolles Leben mußte das sein , ohne Stunden und Eltern und Gouvernanten . Dazwischen fiel ihr plötzlich ein , was Lise vom Teufel erzählt hatte : wer sich ihm verschrieb , dem konnte er alles verschaffen , was er sich nur wünschte . Es wurde Abend , die alten Marmorreliefs am Kamin schimmerten matt durch die Dämmerung , aber heute fürchtete Ellen sich nicht . Sie saß tief in Gedanken und rang mit einem großen Entschluß . Schließlich suchte sie sich einen von ihren schönsten bunten Briefbogen aus der Schublade , ging damit ans Fenster , wo es noch etwas hell war , und verschrieb sich dem Teufel mit Leib und Seele , wenn er ihr helfen wollte , zu den Zigeunern zu kommen . Ellen steckte den Brief in ein Kuvert und legte ihn oben auf das Kaminsims , dann ging sie verstockt zu Bett . Das Fortlaufen wollte sie nun einstweilen noch aufschieben . Als sie ein paar Tage später nachsah , war der Brief verschwunden , der Teufel hatte ihn also wohl gefunden und mitgenommen . – Ellen erschrak furchtbar , ihr Trotz war inzwischen schon wieder etwas abgesunken , aber nun gab es keine Rückkehr mehr . Die Mutter und Fräulein Anna waren in der folgenden Zeit manchmal der Verzweiflung nahe , denn mit Ellen war nichts mehr anzufangen , sie wurde von Tag zu Tag ungezogener . Wozu sollte sie sich jetzt noch Mühe geben , wenn sie doch dem Teufel gehörte . Sie wartete nur darauf , daß er sich irgendwie betätigen würde , und fühlte sich einsam und verwegen , als ob die ganze Welt gegen sie stände . Inzwischen überfiel sie manchmal eine furchtbare Angst – wenn er nun kam und sie holte , wenn er jetzt auf einmal hinter der Tür herausschaute ! Ellen wagte kaum mehr , durch ein dunkles Zimmer zu gehen . Wenn sie ihre Aufgaben lernte , sah sie nach der Uhr : bis dahin muß ich fertig sein , sonst kommt er . Sie zählte im Gehen Pflastersteine , Treppenstufen , Korridorfliesen und gelobte sich , nur auf jede vierte zu treten , dann sollte er keine Macht mehr über sie haben . Manchmal konnte sie es aber nicht lassen , absichtlich falsch zu treten , um ihn herauszufordern , und dann berauschte sie sich an ihrem schlechten Gewissen – wenn Mama und die andern wüßten , daß sie sich dem Teufel verschrieben hatte und er jeden Augenblick kommen konnte , sie zu holen . Ein Jahr später kam Ellen am Weihnachtsabend zum erstenmal mit in die Kirche , und nun gab es eine große Umwälzung in ihrem Innern . Der schmucklose weiße Raum mit dem blaugemalten Sternenhimmel und den zwei brennenden Christbäumen neben dem Altar kam ihr unsagbar schön vor . Auf der vergoldeten Kanzel stand der Propst mit seiner mächtigen , kahlen Stirn und der tiefen Friedensstimme : Siehe , ich verkündige euch große Freude , die allem Volke widerfahren wird , denn euch ist heute der Heiland geboren ! Ellen war geblendet und überwältigt , es schien ihr , daß der liebe Gott selbst da oben stände und zu ihr redete , und als ob sie ihn vorher noch gar nicht gekannt hätte . Und jetzt mit einemmal glaubte sie an Gott , glaubte an das Wunder : der Heiland war auch für sie geboren , um sie zu erlösen von der finstern Macht der Sünde . Als der Propst von der Kanzel verschwand , war sie ganz unglücklich . Aber dann erschien er wieder vor dem Altar und sagte etwas , die Orgel setzte ein , und der Chor antwortete . Musik hatte Ellen fast noch nie gehört , und es kam ihr vor wie Engelsstimmen , die aus dem Himmel herabtönten . Als sie hinter der Mutter aus der Kirche ging , sah sie sich noch einmal um ; ihr war , als ob der liebe Gott da drinnen in all dem Lichterglanz zurückbliebe . Dann der Heimweg durch die schmalen Straßen und die lange Kastanienallee , die nach Nevershuus führte , – hinter den erleuchteten Gangfenstern sah man die Dienstboten eilig hin und her laufen . Die Eltern verschwanden gleich in den » grünen Saal « , um die Lichter anzuzünden . Oben in Mariannes Zimmer warteten die Geschwister im Dunkeln . Die Stühle wurden dicht an die Tür geschoben , damit man rasch hinunter könnte , wenn es klingelte . Leise sprachen sie von Kai , nun waren es schon vier Jahre , daß er unter ihnen fehlte , und sie dachten daran , wie lustig der große , blasse Bruder an solchen Tagen gewesen war . Endlich wurde geschellt , und nun stürzten sie die Treppe hinunter , jeder wollte zuerst kommen . Im Eßzimmer standen die Leute in ihrem Sonntagszeug , die Mädchen mit weißen Schürzen und Hauben , die uralte bucklige Köchin , der Gärtner , all die langjährigen Getreuen , die eng zum Schloß und zur Familie gehörten . Die Flügeltüren gingen auf , im Saal wogte es von Lichtern und Tannenduft , im ersten Augenblick waren alle wie geblendet . Ellen stand vor ihrem Tisch , sie fand alles , was sie sich wünschte , und dazu noch ein Buch , das Kai gehört hatte . Mama kam und küßte sie . Freust du dich , mein Kind – das ist ein Andenken an Kai – ihr müßt ihn nie vergessen . « Mama sah verweint aus . Es war selten , daß sie so gut mit Ellen sprach , und Ellen hätte sich für sie kreuzigen lassen in diesem Augenblick . Das Herz wurde ihr voll von Weihnachtsseligkeit , am liebsten hätte sie laut geweint . Neujahr war sie wieder in der Kirche . Neben dem Altar brannten noch einmal die Christbäume , und der Propst redete , aber diesmal war es nicht der wundergläubige Festjubel , den er verkündete , sondern ernste , beinahe drohende Worte von Sterben und Vergehen , von der kurzen Gnadenfrist , die dem Menschen gegeben ist , um sich zu bessern . Ellen faßte tausend gute Vorsätze , sie wollte von nun an jeden Tag beten und so vollkommen werden , daß niemand mehr über sie schelten konnte . Auf ihren früheren Bundesgenossen , den Teufel , blickte sie jetzt mit großer Verachtung herab – er hatte ihr ja nicht einmal geholfen ; aber sie fürchtete sich auch nicht mehr vor ihm . Er konnte ihr nichts mehr anhaben , wenn sie betete : Gott war mächtiger . Eine Zeitlang strengte sie sich nun wirklich an und betete mit großem Eifer , aber es war so schwer , man fiel doch immer wieder in Sünde . Gegen Ostern ging Fräulein Anna fort , um eine Stellung im Ausland anzunehmen . Die beiden Kleinen hatten lange Ferien , während die Mutter eine neue Lehrerin suchte . Allmählich fingen sie an zu hoffen , es würde sich überhaupt keine finden , und sie hatten jetzt so viel andere Dinge im Kopf , daß sie ihre Freiheit sehr gut brauchen konnten . Eine Jugendbekannte der Baronin Olestjerne hatte ihren Sohn drunten in der Stadt zur Schule gegeben , und dieser schmächtige , schwarzäugige Junge , der Geerd hieß , war ein großes Ereignis im Leben der beiden Geschwister . Sie hatten jetzt einen Freund , den sie mit wetteifernder Leidenschaft liebten und in ihre Geheimnisse einweihten , in alles Verbotene und Verlockende : wie man das verrostete Türschloß zum Turm und zum alten Gefängnis aufbrachte , oder durch eine Luke vom Garten aus in die dunkeln , gewölbten Keller einstieg – in alle verstohlenen Winkel von Schloß und Garten , von denen sie Besitz ergriffen hatten und jeder seinen Namen und seine Geschichte besaß . Geerd war entzückt von alledem , die drei Kinder schlossen sich immer feuriger zusammen und kamen schließlich auf die Idee , ihre Freundschaft durch einen Blutbund zu besiegeln . Ein Abend , wo die Eltern in Gesellschaft waren , wurde dazu ausersehen , denn diese heilige Handlung konnte nur ganz im geheimen , bei Nacht und Nebel vor sich gehen . Als der Wagen aus dem Hof rollte , stürmten sie rasch in die Kinderstube , wickelten sich in phantastische Gewänder aus weißen Bettüchern , zündeten die heimlich erbeuteten Wachskerzen an und wallfahrteten mit dumpfem Gemurmel , in dem immer wieder das Wort » Blut ! « vorkam , durch den Rittersaal , durch die weiten , dunkeln Bodenräume , die sich über das ganze Schloß hinzogen , und dann die schmale Wendeltreppe hinab in die frühere Kapelle . Unwillkürlich hörten sie auf zu murmeln , auf dem glatten Fliesenboden hallte jeder Schritt laut wider , und die tiefen Nischen rings an der Wand waren unheimlich dunkel . An der Stelle , wo der Altar gestanden , war noch eine viereckig aufgemauerte Erhöhung , da stellten sie ihre Lichter hin . Keines von ihnen sprach ein Wort , während sie sich mit einem stumpfen Messer Arme und Beine ritzten und das Blut in einem Glase sammelten . Weil es nicht genug war , kam noch etwas Wasser dazu , dann tranken sie es aus , schwuren sich ewige Treue und furchtbare Rache dem , der zum Verräter würde . Als das geschehen war , wurde die Stimmung etwas leichter . Geerd , der über Taschengeld verfügte , hatte Kuchen und eine Flasche Wein beschafft , und sie lagerten sich zum Mahl um den Altar . Verspätet und mit erhitzten Köpfen erschienen die drei an diesem Abend im Eßzimmer , und während sie bei Tisch saßen , gingen immer wieder geheimnisvolle Blicke und Anspielungen zwischen ihnen hin und her . Wenn es irgend anging , feierten sie jetzt jeden Sonntagabend ein heimliches Bundesmahl in der Kapelle , im Keller oder auf dem Turmboden – aber dunkel mußte es sein , und niemand durfte darum wissen , sonst wäre alles entweiht gewesen . Als aber der Winter zu Ende und es draußen wieder schön und trocken war , fanden sie , daß nun etwas Neues kommen müsse . Anfang April , an einem warmen , lichten Tage , durchstreiften sie den ganzen Garten , diese unerschöpfliche Märchenwelt von Abhängen , Gebüschen und halbverwachsenen Wegen , wo man immer wieder etwas entdeckte : Plätze , wo sie noch nie gewesen waren , Pflanzen , die sie nicht kannten , Ameisenhaufen , Vogelnester und so vieles andere . Besonders war es der breite Schloßgraben , der sie anzog , mit seinem geheimnisvollen , grünen Wasser , auf dem sonderbare große Spinnen wie auf Schlittschuhen hinglitten . An den Abhängen blühten schon die weißen Sternblumen und die Weidenzweige hingen tief herunter . Zuletzt kamen sie in die verwilderte Schlucht , die zwischen Garten und Koppel lag , mit einem schmalen Fußweg mitten durch und ein paar krummen Holunderbäumen . Geerd ging wie immer zwischen den beiden andern , die sich so ähnlich sahen , daß man sie in gleichen Kleidern fast für Zwillinge halten konnte . Trotz der zwei Jahre , die zwischen ihnen lagen , waren sie fast gleich groß , beide mit kurzem , blondem Haar und den scharfen Olestjerneschen Familienzügen . Ellen war im Lauf der Jahre kräftig und gesund geworden und stolz darauf , daß sie es mit jedem gleichaltrigen Jungen aufnehmen konnte . Es war Bundestag heute , und sie ratschlagten gewaltige Pläne , gingen ernst prüfend umher und maßen die Schlucht mit den Augen . Dann wurde Geerd das Wort zuerteilt , und er schwang sich in einen Baum , um seiner Rede mehr Nachdruck zu verleihen : » Bundesgenossen , hier wollen wir unser Reich gründen – unser Königtum – , von hier aus soll es wachsen , sich ausbreiten und die Nebenreiche verschlingen , wo jetzt noch unsere Feindin , die grimme Fürstin Anna Juliane , herrscht . Wir wollen sie entthronen und uns zinsbar machen . « Die beiden andern stimmten ein furchtbares Kriegsgeheul an und schwangen ihre hölzernen Speere . Von früh bis spät waren sie jetzt draußen an der Arbeit , rammten Pfähle in die Erde , schleppten Tannenzweige und Moos herbei und bauten Hütten . Mit vieler Mühe hatten sie sich die Erlaubnis errungen . Die Mutter wollte erst nichts davon wissen , aber Detlev hörte nicht auf , sie zu bestürmen , und schließlich erfuhr der Vater von der Sache und kam ihnen zu Hilfe . Er nahm sogar lebhaftes Interesse daran und ging selbst mit hinaus , um ihnen die Grenzen ihres Gebietes anzuweisen . Das Königreich wuchs nun rasch empor , es wurden Straßen gelegt , Felder und Bauplätze abgemessen . Auf dem freien Platz in der Mitte erhob sich eine große Hütte aus Brettern und Backsteinen , das war der Tempel , denn sie hatten sich heimlich vom Christentum losgesagt und eine neue Religion erdacht . Im Tempel stand die Bundeslade , in der geraubte Schätze verborgen wurden , und ein unförmlicher Götze aus Holz , den hatten sie selbst in vielen mühsamen Stunden geschnitzt und angemalt . Er hieß der Mohu und wurde mit Opfern , Gesängen und wilden Tänzen gefeiert . Vier Wochen lang hatten sie unermüdlich geschafft , da kam plötzlich ein Blitz aus heiterem Himmel – Ellen und Detlev wurden eines Morgens zu Mama gerufen : im Wohnzimmer saß eine blasse Dame mit schwarzem , glattem Haar . Die Geschwister sahen sich erschrocken an , das konnte nur die neue Gouvernante sein , an die sie schon längst nicht mehr geglaubt hatten . Sie mußten ihr guten Tag sagen und erfuhren , daß sie Cläre Huhn hieß ; darüber wären sie beinah ins Lachen geraten und vermieden ängstlich , sich anzusehen . Fräulein Huhn war sehr freundlich und hatte feuchtkalte Hände . » Nicht wahr , wir wollen jetzt recht fleißig zusammen sein ? Ihr müßt mich aber auch etwas lieb haben und mich du nennen . « Dann wurden sie wieder entlassen . Zum Draußenarbeiten hatten sie heute die Lust verloren , und als Geerd am Nachmittag kam , fand er die beiden melancholisch neben einer angefangenen Hütte sitzen . Ellen war verzweifelt : nun sollte das Jammerleben wieder anfangen – Stunden – Schelte – Nachsitzen , und hinter all diesen Schrecknissen stand Mama und die Ecke im Wohnzimmer , wo sie stricken mußte . Geerd versuchte sie mit Bonbons zu trösten , und allmählich wurde der Schmerz etwas milder . Dann schlug er einen Trauergottesdienst vor , – alle drei rauften sich die Haare und schlugen sich an die Brust , während sie den Mohu umtanzten und seinen Fluch auf Cläre Huhn herabriefen . Sie sollte ihm zu Ehren geschlachtet und verbrannt werden , wenn er seinen treuen Dienern zu Hilfe kam . Danach lag jeder vor seiner Hütte , und sie pflogen Rat , was jetzt zu tun sei . Alle drei waren in kriegerischer Stimmung und verlangten danach , sie auszutoben . Detlev kroch vorsichtig den Abhang hinauf , um zu sehen , ob nicht etwa wieder die Dorfkinder zum Blumenpflücken in die Koppel eingebrochen wären . Und richtig , da war eine ganze Rotte , raufte Feldblumen und trat das Gras nieder . Nun erhoben sich auch die beiden andern , sie schlichen geduckt am Wall entlang und umzingelten den Feind . Bald war eine wütende Prügelei im Gang , die Bundesgenossen trugen trotz ihrer geringen Zahl den Sieg davon und machten ein paar Gefangene , die übrigen entflohen unter zornigen Drohreden . Nun hielten sie Gericht : den Mädchen banden sie mit Taschentüchern die Augen zu und stürzten sie vom Wall herab . Ein Junge , der sich heftig zur Wehr setzte , sollte mit in ihre Stadt geschleppt werden . Sie warfen ihn nieder , zogen ihn an Armen und Beinen über das Gras hin zu den Hütten , wo er dann noch ein paarmal hin- und hergeschwenkt und in einen großen Brennesselbusch geworfen wurde . Damit war ihr Blutdurst gestillt , und der Gerichtete durfte mit ziemlich zerrissenen Kleidern heimgehen , während das Geschwisterpaar mit seinem Freunde frohlockend den Mohu umtanzte . Nach diesem stolzen Tage fing das Schulleben für Ellen und Detlev wieder an . Es war wenigstens ein Glück , daß die neue Lehrerin nicht im Hause wohnte und nur zu den Stunden kam . Die Kinder wußten bald , daß mit ihr nicht so leicht fertig zu werden war wie mit der früheren , die sie jetzt in der Erinnerung mit einem förmlichen Nimbus umgaben . Die Mutter hatte eingehend mit ihr über Ellen gesprochen , und das Fräulein nahm sich vor , das unmögliche Kind mit gütiger Strenge zu zähmen . Dadurch hatte sie von vornherein verloren ; Ellen wand sich geradezu vor diesen eindringlichen Blicken und feuchten , ermahnenden Händedrücken , die an ihre Seele heranwollten . – Draußen blühte der Sommer , der Rasen vor dem Fenster wuchs immer höher empor , so daß man gerade in das bunte Gewoge von Gras und Blumen hineinsah . Dahinter breiteten die Kastanienbäume ihre grünen Gewölbe mit den weißen Blütenkerzen bis auf den Boden nieder . – Ellen und Detlev saßen sich gelangweilt gegenüber , platzten manchmal zur Unzeit in Gelächter aus und widerstrebten aus tiefstem Herzen jedem Wort , das die schwarze , glattgescheitelte Lehrerin sagte . Kaum war die Stunde zu Ende , so rannten sie wie kopflos davon und mußten zehnmal zurückgerufen werden , um das Tintenfaß , ihre Bücher oder sonst etwas wegzuräumen . Dann stürzten sie zu den Hütten und warteten auf Geerd . Jeder Tag brachte neue Gedanken , neue Pläne und Taten . Sie gruben Kanäle , legten Inseln drunten im Graben an und befuhren das schlammige , grüne Wasser in einem alten Backtrog oder auf Bretterflößen . Das war die stolze Flotte , die von fernen Gestaden unermeßliche Schätze brachte und mehr wie einmal strandete . Jeden Monat wurden die Ämter und Würden neu verteilt , so waren sie abwechselnd Könige , Minister und hohe Kirchenfürsten in prunkvollen Gewändern aus farbigem Glanzkattun , mit Kronen und Bischofsmützen aus Goldpapier . Dann legten sie sich Namen und Wappen bei , und jeder erdachte sich eine verwickelte Sage über die Abstammung seines Geschlechtes , die mit gemalten Anfangsbuchstaben und absonderlichen Ungeheuern geschmückt , niedergeschrieben und in der Bundeslade aufbewahrt wurde , neben den langen Papierrollen mit Gesetzen . Dann ging der Sommer herum , das Moos an den Hütten vermoderte , und draußen mußte die Arbeit ruhen . Dafür gab es nun Reichstage , Kunstausstellungen von selbstgemalten Bildern , glänzende Mohufeste mit Prozessionen durch das ganze Schloß und Turniere im Rittersaal . Grüngestrichene , hölzerne Gartenstühle waren die stolzen Rosse , die sich hoch auf bäumten , während die Recken sich mit höhnischen Reden zum Kampf herausforderten und mit eingelegter Lanze aus dem Sattel zu heben suchten . An einem Sonntagabend im Winter saßen die drei Kinder allein im Eßzimmer . Es war heute nichts Rechtes mehr anzufangen , Ellen mußte noch für morgen lernen , und Geerd sprach ein paarmal davon , jetzt nach Hause zu gehen . Aber jedesmal suchte Detlev wieder etwas Neues hervor , um ihn festzuhalten . Schließlich wühlte er den ganzen Bücherschrank durch und kam mit einem Stoß von alten Bilderbüchern wieder , die von irgendeiner Großmutter stammten . Sie blätterten darin herum und sahen gelangweilt auf all die ausländischen Tiere , Pflanzen und Völkertrachten . » Jetzt kommen Eingeweide und Gerippe « , kündigte Geerd an . Ellen sah über ihre biblische Geschichte weg : » Was ist das für ein Buch , das haben wir noch nie gesehen , glaube ich ? « » Es lag auch ganz zuunterst « , sagte Detlev . » Eure Mutter hat es wohl vor euch versteckt , da sind Sachen drin , die ihr noch nicht sehen dürft . « Geerd wollte das Buch zumachen , aber nun fielen die beiden darüber her . » Was dürfen wir nicht sehen ? – Gib doch her . – Was ist denn das , ein Embryo ? – Weißt du das , Geerd ? « » Ja , ich weiß schon – das ist ein Kind , ehe es geboren wird . Du bist auch mal einer gewesen . « Die Geschwister sahen die Illustrationen an und versanken in staunendes Schweigen . Dann wollten sie sich totlachen . » Gibt es denn schon Kinder , ehe sie geboren sind ? « » Seid doch nicht so albern « , sagte Geerd und fing an , ihnen mit wissenschaftlichem Ernst den Zusammenhang zu erklären . Die Kinder hörten auf zu lachen , es erwachte zum erstenmal die Ahnung in ihnen , daß das Leben auch drohende , dunkle Tiefen barg , und es schien ihnen seltsam und entsetzlich . Von diesem Abend an drehten sich ihre Gedanken und Gespräche fast ausschließlich um das große Geheimnis , das sie zu begreifen suchten und doch nicht ganz begriffen . Sie nahmen es alle drei sehr ernst – die ganze Welt verwandelte sich ihnen in einen Abgrund von unausdenkbaren Greueln , sie schämten sich ihrer Mitmenschen und verachteten sie . » Wie waren die nur imstande – fast alle Erwachsenen « , sagte Geerd – » sich mit solchen sinnlosen Widerwärtigkeiten abzugeben ? Die Verheirateten , um Kinder zu bekommen , das ging ja wohl nicht anders , aber die übrigen ? Zum bloßen Vergnügen ? – Aber wie konnte ihnen das Vergnügen machen ? Und warum bekamen die keine Kinder ? « So drängte sich ihnen Rätsel auf Rätsel , und alle wußte Geerd auch nicht zu lösen . » Woher weißt du eigentlich das alles ? « fragten sie einmal . » Von meiner Mutter – sie sagt mir alles , was ich wissen will . « Ellen und Detlev waren sehr erstaunt und beneideten ihn um seine Mutter . Bei ihnen war das ganz anders , sie gingen beinah schuldbewußt herum , seit sie so viel erfahren hatten , und zitterten , daß die Eltern es merken könnten . Das Königreich geriet darüber mehr und mehr in Vergessenheit , wenigstens waren sie nicht mehr mit demselben Eifer dabei wie früher , und als die schöne Zeit wiederkam , machten sie lieber weite Spaziergänge miteinander . Der Mutter war es ein Dorn im Auge , daß Ellen immer nur mit den Jungen zusammen sein wollte , aber Geerd und Detlev ließen nicht nach , bis sie mitdurfte . » Meinetwegen diesen einen Sommer noch « , sagte sie schließlich , » aber dann hat es ein Ende . Dann muß sie wirklich einmal anfangen , ein vernünftiges Mädchen zu werden . « Davon war bis jetzt noch wenig zu merken , immer war es gerade Ellen , die mit zerrissenen Kleidern , mit Schrammen und Beulen heimkam oder schlammbedeckt und bis an den Hals durchnäßt . Woher hatte das Kind nur diese unbändige Wildheit im Leibe ? Kein Baum war ihr zu hoch , kein Graben zu breit , und wurde sie dafür gescholten , so brach sie jedesmal in schmerzliche Verwünschungen aus , daß sie kein Junge war . Trotz all dieser Bitternisse war es noch ein wunderbar schöner Sommer , den die drei Freunde zusammen verlebten . Lange Nachmittage lagen sie draußen am Strand in dem kurzen , harten Deichgras , wenn die Luft so klar war , daß man die Inseln deutlich sehen konnte und weitum nichts hörte , wie den langgezogenen , sehnsüchtigen Schrei der Seevögel . Und der Rückweg durch den grünen Koog , wo es große Gefahren und Hindernisse mit Gräben und losgerissenen Bullen gab . Oder sie gingen weit in die Heide hinein zum » Galgenberg « . – Vor vierzig Jahren sollte dort die letzte Hinrichtung gewesen sein , jetzt stand nur noch ein einziger alter Pfosten da . Die Kinder saßen im roten Heidekraut und schauderten , wenn eine Krähe aufflog . Oft sprachen sie dann von ihrem späteren Leben – Geerd sollte zum Herbst auf eine andere Schule , und das war ein furchtbarer Schlag für sie alle . Wie sollten sie ohne einander fortleben , bis sie groß waren und tun konnten , was sie wollten . Denn dann wollten sie wieder zusammenkommen , das stand fest . » Ja , und du wirst wohl auch später einmal heiraten müssen , Ellen , und Kinder kriegen « , sagte Geerd manchmal . Ellen sträubte sich wütend dagegen , es war ein schrecklicher Gedanke , daß sie eine Frau werden sollte , sie suchte sich dann durch doppelte Kraftleistungen hervorzutun und redete wilde Zukunftspläne . Sie dachte immer noch daran , einmal fortzulaufen zu den Zigeunern , hatte sich heimlich beim Tischler Kniestelzen machen lassen und übte sich in Purzelbäumen , um bereit zu sein , wenn der Augenblick kam . Ach , und dann im grünen Wagen von Jahrmarkt zu Jahrmarkt , konnte es wohl etwas Schöneres geben ? Oder wenn das nicht ging , als Schiffsjunge verkleidet zur See gehen ; kein Mensch hielt sie für ein Mädchen , wenn sie Detlevs Kleider anhatte . » Ellens Vogelbauer « , sagte der Bruder überlegen , wenn sie so sprach , und dann lachten die beiden Jungen sie aus . Ellen arbeitete nun schon seit mindestens zwei Jahren daran , einen ungeheuren Käfig für ihre Kanarienvögel zu bauen , der immer wieder mißlang , und jedesmal versuchte sie es dann auf andere Weise . Einmal hatte sie schon einen zustande gebracht aus zerspaltenen Zigarrenkisten , aber es war so dunkel darin , daß die Vögel melancholisch wurden und nicht mehr sangen . Und nun hatte sie natürlich wieder einen neuen angefangen . » Du hast gut reden « , sagte Ellen geärgert , denn Detlev wollte Philosoph werden und große Werke schreiben . Das war in ihren Augen kein Kunststück , und sie fand es sehr langwellig . Die Herbsttage kamen , im Garten wurde es feucht , alles versank in welken Blättern , und der Sturm riß große Äste von den Bäumen . Die Kinder gingen nur noch engumschlungen und waren traurig – ihnen war zumut , als ob eines von ihnen sterben sollte . An Geerds letztem Tage rissen sie die Hütten und den Mohutempel nieder und versenkten ihren Götzen in den Graben – mit bittrer Wehmut – was sollte das alles jetzt noch ? Und dabei kam es ihnen vor , als ob sie seit dem letzten Jahr unendlich viel älter geworden wären . Gegen Abend gingen sie zusammen hinauf , um Geerds Sachen aus der Kinderstube zu holen . Während Detlev noch im Zimmer kramte , standen die beiden andern Hand in Hand auf der Diele neben der großen Stehuhr , die immer so unheimlich laut tickte und beim Schlagen wie ein Uhu heulte . Es war schon halbdunkel . Ellen sah nur Geerds weißen Strohhut und seine weiten , schwarzen Augen , sie sehnte sich heimlich danach , ihm um den Hals zu fallen und ihn viele Male zu küssen , fand aber nicht den Mut dazu . Dann kam Detlev , und sie begleiteten ihren Freund zum letztenmal durch den dunklen Rittersaal , die Treppe hinunter und über den Hof bis zur ersten Laterne . Die Geschwister wohnten nebeneinander und die Tür zwischen ihren Zimmern stand immer offen . Wenn sie im Bett waren , kam die Mutter herauf und betete mit ihnen . An diesem Abend konnte Ellen kaum ein Wort herausbringen und war in Todesangst , daß Mama böse würde . Die sagte aber nur : » Ich finde es auch schade , daß Geerd fort ist , aber nun muß das viele Herumtoben wirklich aufhören . « Mama fand es auch schade – das rührte Ellen so , daß sie sich nur mit Mühe beherrschte . Als die Mutter wieder hinunterging , schlich sie sich leise zu Detlev hinein und setzte sich auf sein Bett . Sie umarmten sich immer wieder und weinten zusammen , dann sprachen sie noch lange von Geerd und wie nun alles verödet war ohne ihn . Seit Geerd fortging , war für Ellens Kinderzeit die beste Freude verloschen , und sie suchte mit tiefem Verlangen nach etwas , das ihr Leben wieder so ausfüllen sollte . Detlev kam nun auch aufs Gymnasium , er fand neue Freunde , die meistens rasch wechselten ; die alte Kameradschaft zu dreien kam mit keinem mehr recht zustande . Die Mutter schränkte Ellens Freiheit auch immer mehr ein , sie fand jetzt mit einemmal , daß sie sich früher zu wenig um das Mädchen gekümmert hatte , und zwang sie , viele von den schönen freien Nachmittagen mit einer Näharbeit im Wohnzimmer zu sitzen . Und Ellen haßte diese Art von Beschäftigung mit verzweifelter Unlust , es war fast noch schlimmer wie Lernen . Ihr ganzer Tag bestand aus immer neuen Versuchen , diesen beiden Übeln zu entrinnen . Wo sie nur konnte , stahl sie sich fort auf die Koppel hinaus , wo der Wind durch die mächtigen Baumkronen strich . Da hörte sie nicht , wenn die Mutter sie rief , und fühlte sich eine kurze Weile sicher vor ihr . Und ihre Seele klammerte sich leidenschaftlich an diese ganze Heimatswelt , die in tausend vertrauten Tönen zu ihr sprach ; sie dachte an all die langen Sommerstunden , wo sie hier gespielt hatten mit soviel Freude und Mut , weil jeder Tag und jede Jahreszeit immer wieder etwas brachte , daß Geerd kam , oder bald Ferien waren , oder das Obst reif wurde . So unendlich viel hatten sie immer vorgehabt und sich ausgemalt für die nächsten Jahre und für später , als ob überall große Schätze und Reichtümer lägen , die man nur zu heben brauchte . Aber auch durch all diese frohen Zeiten ging doch immer ein bittrer Grundton – Mama ! Seit sie denken konnte , fühlte Ellen sich wie verfolgt von ihr und warum ? Warum bekamen Mamas Augen immer diesen sonderbaren , bösen Blick und ihre Stimme den zornigen , fast pfeifenden Ton , wenn Ellen nur zur Tür hereinkam ? War sie allein mit der Mutter im Zimmer , so wehte es sie eisig an , als ob jeden Augenblick etwas Furchtbares geschehen könnte , und nachts träumte sie manchmal , daß die Mutter mit der großen Schere hinter ihr herlief und sie umbringen wollte . Sie hatte sich ja beinahe daran gewöhnt , wie an ein Gebrechen , mit dem man geboren wird und weiß , daß es auf Lebzeiten nicht wieder abzuschütteln ist . Aber woher die Kraft nehmen , es zu tragen ? Ellen fing an , wieder fromm zu werden – der liebe Gott war der Einzige , der ihr helfen konnte , aber er war so weit weg . Sie versuchte es förmlich mit Sturm , ihm wieder nah zu kommen . Es war ihr nicht mehr genug , jeden Sonntag zur Kirche zu gehen , sie betete beim Aufstehen und beim Schlafengehen alles , was sie auswendig wußte , lange Gesänge , Katechismusstücke , und immer auf den Knien . Das bloße Dasitzen mit gefalteten Händen , wie bei der Hausandacht , war ihr nicht feierlich genug . Oft stand sie auch nachts wieder auf , zog den Vorhang in die Höhe , um die Sterne zu sehen , und hielt ihren einsamen Gottesdienst . Oder bei Tage , wenn sie sich ungestört wußte , errichtete sie eine Art Altar , um davor zu beten , stellte ihren liebsten Kanarienvogel mit seinem Käfig auf einen Stuhl und Blumen ringsherum . Nach solchen Stunden fühlte sie einen fanatischen Mut , alles zu ertragen , und es konnte ihr dann beinah Freude machen , wenn sie un gerecht gescholten wurde . Als Ellen vierzehn Jahre alt war , kam wieder etwas Abwechslung in ihr Dasein : sie sollte Tanzstunde bekommen . Das gehörte ebenso unabänderlich in das Erziehungsprogramm wie längere Kleider und reine Hände , die jetzt von ihr verlangt wurden . Es war ihr ganz neu und zuerst etwas beängstigend , mit so vielen Kindern zusammenzukommen . Aber wenn der langbeinige , immer etwas angetrunkene Tanzmeister mit seiner Geige mitten im Saal stand und die ganze Schar um ihn herumwirbelte , kam es wie ein Rausch über sie , und sie vergaß , daß das Leben sonst so schwer war . Den andern Mädchen gegenüber fühlte sie sich etwas zurückgeblieben , vor allem war es unangenehm , als Schloßfräulein so schlecht angezogen zu sein . Dafür hatte ihre Mutter gar keinen Sinn – jahraus , jahrein dieselben alten Kleider , die immer wieder ausgebessert , verlängert oder gewendet wurden und niemals nach der Mode . Ellen hatte sich bisher nicht viel darum gekümmert , aber jetzt konnte sie stundenlang vor dem Spiegel stehen und über ihr Äußeres nachdenken . Wenn Mama sie dabei ertappte , gab es wieder ein Donnerwetter : » Gib dir nur Mühe ordentlich auszusehen und nicht alles zu zerreißen . Das andere ist Nebensache . « Aber das war nicht der einzige Punkt , in dem die Stadtkinder ihr überlegen waren : sie hatten Liebesgeschichten , Rendezvous , gingen mit den Schülern spazieren und zum Konditor . Alle diese lustigen Dinge , von denen Ellen jetzt immer erzählen hörte , schienen ihr so verlockend und begehrenswert , daß sie Detlev verleitete , mitzumachen . Sie erfanden immer neue Vorwände , um in die Stadt zu kommen , und gingen dann mit den andern bummeln . So wundervoll sündig kam man sich vor bei diesen heimlichen Streifzügen unter Lärm und Gelächter , oder in dem dunklen Hinterzimmer der kleinen Konditorei , bei all den Neckereien und Anspielungen , die da hin und her flogen , – bei all dem Herzklopfen vor Entdeckung und den hinterlistigen Verabredungen während der Tanzstunde unter Mamas Augen . Es bekam alles eine andere Perspektive . Ellen hatte bis dahin nur in sich selbst hineingelebt in dem engen Kreise , den man um sie zog . Jetzt fing die Welt an , sich zu weiten , sie sah : es gab noch ein Leben , das jenseits der Mauer lag , das rascher pulsierte und reich an lockenden Erregungen war . Am Ende dieses bewegten Sommers verreisten die Eltern auf längere Zeit . Ellen genoß die Septembertage im Gefühl eines großen Triumphs , denn Cläre Huhn war krank geworden , und das empfand sie als ihr Werk . Vier Jahre hindurch hatten sie sich Tag für Tag an dem großen runden Schultisch gegenübergesessen , und vier Jahre hindurch hatte Ellen das arme , bleichsüchtige Geschöpf buchstäblich gemartert mit allen Schikanen , die der rücksichtslose Haß eines Kindes ersinnen kann . Sie ließ sich kein Lächeln , keinen Fleiß , kein Eingehen auf irgend etwas abgewinnen , begegnete aller Freundlichkeit und aller Strenge mit derselben steinernen , ablehnenden Hartnäckigkeit und betete allabendlich , daß Gott Cläre Huhn mit seinem Zorn treffen möge . Als die Nachricht kam , daß sie erkrankt war , lag Ellen in ihrem Zimmer auf den Knien und dankte Gott . Am Fenster sangen ihre Kanarienvögel , die Sonne lachte , und sie brauchte nicht in die Stunde . Das Werkzeug ihrer Qual war verstummt und unterlegen . Nun kam eine Reihe von Festtagen . Marianne regierte mit Milde und fand , daß die Kinder sich dann auch viel besser lenken ließen . Sie war sich immer gleich geblieben als die sanfte , ruhige Älteste , zu der alle mit ihren Anliegen kamen . Und sie hatte nicht immer einen leichten Stand dabei – die Mutter war hitzig und parteiisch , Papa konnte keinen Ärger vertragen , und die junge Meute stürmte fortwährend dagegen an , mit allen ihren Forderungen , Wünschen und Unbotmäßigkeiten . Jetzt ging jeder seinen Weg und dabei war Frieden . Ellen und Detlev saßen halbe Tage in den Obstbäumen oder lagen im Gras und lasen verbotene Bücher . Sie deklamierten sich gegenseitig die Räuber vor und stritten darum , wer den Faust besser verstände . Hier und da mußten sie auch alle der Schwester bei Gartenarbeiten helfen , und manche Vorübergehende blieben am Gitter stehen und sahen hinein , denn war das heranwachsende Geschlecht der Olestjernes vollzählig beisammen , so konnte man jederzeit ein stürmisches , weithinschallendes Gelächter hören , besonders wenn die » jungen Leute « , wie sie in liebevoller Respektlosigkeit ihre Eltern nannten , nicht dabei waren . In dieser Zeit gab es für Ellen viel Gelegenheit , unbemerkt zu entkommen , und das Herumtreiben hatte jetzt noch einen besonderen Hintergrund . Denn Ellen liebte , und alle ihre Gedanken gingen darauf hin , einem rothaarigen Primaner zu begegnen – an den nebelverschleierten Herbsttagen , wenn die junge Welt in den dämmerigen Gassen oder im Stadtpark auf- und abging . Ellen wußte , daß ihre Liebe unglücklich und hoffnungslos war , denn er stand auf der fernen , unerreichbaren Höhe des Erwachsenseins . Aber es war schon lähmende Seligkeit , ihn nur zu sehen , von ihm gegrüßt zu werden und dann abends an ihn zu denken , wenn sie im Bett lag . In der kleinen Stadt blieb nichts verborgen . Bald nachdem die Freifrau zurückgekehrt war , wurde sie von wohlmeinenden Bekannten darauf aufmerksam gemacht , daß ihre beiden Jüngsten sich eines schlimmen Rufes erfreuten . Nicht einmal Ladenklingeln und Fensterscheiben waren sicher vor ihnen , und was das Ärgste war , Ellen trieb sich mit Jungen in der Stadt herum . Nun wurde Ellen plötzlich aus allen Himmeln geschleudert ; aber diesmal fand sie den Mut zu offener Auflehnung , und es gab eine heiße Szene zwischen ihr und der Mutter . » Zieht mir doch lieber gleich eine Zwangsjacke an « , schrie sie . Ellen hatte gar keine Ahnung , was das eigentlich für ein Ding wäre , aber sie bekam ihre Zwangsjacke . Man ließ sie nicht mehr aus den Augen , und mit dem heimlichen Ausreißen war es ein- für allemal vorbei . Dies Jahr durfte sie nicht einmal mit den Brüdern zum Schlittschuhlaufen . Wehmütig sah sie an Winternachmittagen in den beschneiten Garten hinaus und dachte an ihre unglückliche Liebe – jetzt war er wohl auf dem Eis , und ihr war jede Möglichkeit abgeschnitten , ihn auch nur zu sehen . Die Sehnsucht wurde immer brennender , sie zitterte und wurde rot , wenn Erik zufällig seinen Namen nannte . Die gährende Unruhe , die sie in sich fühlte , machte sich manchmal in überlauter Lustigkeit Luft und häufiger noch in wilden Wutausbrüchen . Ellen fand auch , daß man sie namenlos reizte . Von früh bis spät fuhr die Mutter sie an , jeder Blick sagte : Wozu bist du überhaupt auf der Welt ? Und an Heftigkeit gab Ellen ihr nichts nach . Eine Zeitlang hörte sie schweigend zu , biß die Zähne zusammen , daß sie knirschten , dann stürzte sie hinaus und schlug die Tür zu . Mama war hinter ihr her , ehe sie sich's versah . Plötzlich hatte sie die zornig flammenden Augen dicht vor sich , fühlte einen brennenden Schlag im Gesicht : » Geh mir aus den Augen , ich hab 's satt , mich mit dir zu quälen . « War sie dann allein im Zimmer , so wußte sie nicht , wo hinaus mit der Wut , die in ihr tobte , wußte nicht mehr , was sie tat . Dann rannte sie mit dem Kopf gegen die Wände , bis ihr die Funken vor den Augen sprühten und der Schmerz sie wieder zur Besinnung brachte . An solchen Tagen mußte sie oben bleiben und durfte sich nicht mehr vor der Mutter blicken lassen . Da lag sie dann auf dem Bett und spann endlose Pläne . Wieder und wieder malte sie sich aus , wenn sie nur erst erwachsen wäre und von zu Hause fort könnte . Die Zirkusgedanken hatte sie jetzt allmählich aufgegeben , es war doch wohl zu spät geworden . Aber das stand ihr immer noch fest , irgendwann einmal mußte sie sich freimachen von diesem unerträglichen Leben und in die Welt hinaus , in die unbekannte verheißungsvolle Welt . An einem Sonntagmorgen , als Ellen zum Frühstück hinunterkam , las Mama gerade einen Brief . » Nun ist alles in Ordnung « , sagte sie und legte ihn neben ihren Teller . » Du kommst Ostern in die Pension nach A... , Ellen . « Ellen nahm diese Nachricht mit dumpfer Gleichgültigkeit hin . Von der Pension war schon oft die Rede gewesen , aber sie hatte bisher nie recht daran geglaubt . Es waren nur noch wenige Wochen bis Ostern . Sie machte ihrer Umgebung die letzte Zeit noch so schwer wie möglich . Nur mit Detlev allein war es anders , da taute ihr ganzer Schmerz auf , daß sie fort sollte , von ihm und von der Heimat . Die beiden waren noch nie einen Tag getrennt gewesen , hatten jedes Erlebnis , jede Empfindung geteilt , seit sie denken konnten . Sie wußten es nicht zu fassen , daß sie jetzt voneinander gerissen wurden , daß wirklich einmal der letzte Tag käme . Aber er kam , und er ging vorüber – am Abend sollte Ellen mit ihrer Mutter abreisen . Nach Tisch schlichen sich die beiden Jüngsten hinauf in die alte Kinderstube . Beim Essen hatten sie Wein bekommen , ihre Köpfe brannten , – so hielten sie sich lange umschlungen und weinten ihre bittersten Tränen . – Zwei Jahre – zwei endlose Jahre voneinander getrennt sein und lernen müssen , gequält werden , – sie fühlten beide , daß etwas Unwiderbringliches vorüber war und nie wiederkommen würde . Als man sie rief , kamen sie mit roten , verschwollenen Augen . Dann gingen alle zusammen an die Bahn . Vor den anderen weinten sie nicht mehr und küßten sich nicht . Detlev stand mit zusammengebissenen Zähnen abseits von den Geschwistern auf dem Perron und ließ keinen Blick mehr von Ellen , bis der Zug mit ihr und der Mutter in die weite Marschebene hineinfuhr . » Ellen Olestjerne soll hereinkommen . « Sie kam , machte die drei vorschriftsmäßigen Knickse – einen an der Tür , dann in der Mitte des Zimmers , wo die großen Blumen im Teppich waren , und den letzten , als sie vor der alten Dame stand . Die Pröpstin des freiadligen Stiftes zu A... saß an ihrem Schreibtisch . Sie war schon über sechzig Jahre alt und kannte keine Ruhestunden . Ihr strenges , wie in Stein gehauenes Gesicht mit der hohen , blanken Stirn hatte einen Zug von eiserner Energie – sie hielt sich sehr gerade , nur in der weißen schmalen Hand , die auf der geschnitzten Stuhllehne lag , war etwas von der Müdigkeit des Alters . » Was sind das für Sachen , Ellen ? Du hast Hedwig Vogt ins Gesicht geschlagen ? « » Ja , weil sie mich geärgert hat , das lasse ich mir nicht gefallen . « Die Pröpstin faßte Ellen ums Handgelenk und führte sie ans Fenster , wo es etwas heller war . » Vor allem , mein Kind , mäßige dich in deiner Art zu reden . « Ellen wollte etwas sagen , aber sie kam nicht zu Wort , die gestrenge Stimme sprach immer weiter mit ihrem harten , scharfklingenden S. » Es schickt sich überhaupt nicht , so aufzubrausen . Mit solchem Benehmen kommst du mir hier nicht durch , Ellen . Wenn du meinst , daß dir unrecht geschieht , kannst du zu mir kommen und dich beschweren . Ihr seid keine Gassenjungen . « » Ich wollte , ich wäre einer « , fuhr Ellen endlich dazwischen . Sie war empört , daß sie sich nicht selbst ihrer Haut wehren sollte . » Was sagst du da ? « die Stimme wurde immer strenger und das S immer schärfer . » Nimm dich in acht , Ellen , ich weiß , wes Geistes Kind du bist . Deine Mutter hat mit mir gesprochen , und wenn ich sehe , daß in Milde mit dir nicht auszukommen ist , so gibt es noch andere Mittel . « Mein liebes Kind – die Frau Pröpstin hat uns wieder geschrieben , daß Du sehr eigensinnig bist und Dich mit den anderen Mädchen schlecht verträgst . Wirst Du denn nie aufhören uns immer neuen Kummer zu machen ? Ich habe die Frau Pröpstin gebeten , Dich in strenge Zucht zu nehmen , und wir verlangen von Dir , daß Du Dir jetzt endlich Mühe gibst , anders zu werden . Mehr will ich heute nicht sagen , ich bete täglich zu Gott , daß er Deinen Sinn ändern möge . Die Geschwister lassen grüßen . Deine Mutter . Geliebtes , vielen Dank für Deinen Brief . Es ist schrecklich öde ohne Dich . In der Schule ziehe ich mich immer mehr zurück und gehe viel allein spazieren . Nachmittags dichte ich gewöhnlich . Dein schwarz und gelber Vogel ist gestorben , aber sei nicht traurig , ich will Dir mein anderes Männchen schenken . Ich habe zwei Photographien von Geerd gekriegt , aber Mama erlaubt nicht , daß ich Dir eine schicke . Jetzt weiß ich nichts mehr . Eure Briefe werden ja auch immer gelesen und da kann man nichts Ordentliches schreiben . Dein Detlev . A... , Juni 1885 – – – morgen darf ich mit den D. 's und ihrer Mutter in die Stadt , da kann ich heimlich einen Brief einstecken und schicke ihn an Jens Ketelsen , der ihn Dir in der Schule geben soll . – Gott , Detlev , Du machst Dir gar keinen Begriff davon , wie schrecklich es hier ist . Man ist eingesperrt wie im Zuchthaus und kommt gar nicht heraus , außer bei dem langweiligen Spaziergang , wo man in Reih und Glied geht und vor jedem Hofwagen knicksen muß . Sonst immer nur lernen , den ganzen Tag , die Fleißigen lernen sogar auch bei der Promenade und im Bett . Ich bin schon sehr oft hereingefallen , gleich in der ersten Zeit , weil ich eine andre geohrfeigt hatte und die Treppe herunterrutschte . Dann waren wir neulich im Garten und haben Stachelbeeren gerappst . Nun dürfen wir in der Freistunde nicht mehr hinunter und kriegen ins Zeugnis , daß wir gestohlen haben . Und so weiter – – Übrigens hab' ich jetzt eine Flamme , sie heißt Editha und ist bei weitem die Hübscheste . Ich schwärme sehr für sie und habe schon viele Gedichte auf sie gemacht . – Hoffentlich komme ich Michaelis in die erste Klasse , dann sind wir immer zusammen . Leider geht sie nächste Ostern schon ab . Ach Du , ich weiß nicht , wie ich es hier noch so lange aushalten soll und dann noch ein ganzes Jahr . Die Pröpstin kann mich nicht ausstehen , gerade wie Mama , und sie können alle nicht begreifen , daß man toben muß , wenn man vergnügt ist . Wir dürfen uns hier nur › sittsam und anständig bewegen ‹ . Ich schicke Dir eine Karikatur von unsrer Mademoiselle , die andern finden sie sehr ähnlich . Ich zeichne überhaupt in allen Freistunden . Aber laß um Gottes willen nichts herumliegen . Deine Ellen . Nevershuus , Oktober 1885 Liebe Ellen , Deine Versetzung in die erste Klasse hat uns sehr gefreut und überrascht . Es ist mir sehr lieb zu hören , daß Du Deine frühere Trägheit abgelegt hast und gut weiterkommst . Nun sorge aber auch das nächste Mal für ein gutes Zeugnis im Betragen . Ich weiß , wie schwer es Dir wird , Deine Lebhaftigkeit zu zügeln , aber bedenke , daß Du jetzt am Konfirmationsunterricht teilnehmen und anfangen sollst , eine junge Dame zu werden . Wir müssen uns alle mehr oder minder in das Leben schicken . Sei herzlichst gegrüßt von Deinem Vater . A... , November 1885 Liebster Detlev , eben hab' ich den Diener auf der Treppe erwischt , und er will mir den Brief besorgen . – Es hat eine große Mordsgeschichte gegeben , und wäre nicht die ganze Klasse dabei gewesen , so hätte man mich und Editha sofort geschwenkt . Die Alte will an all unsre Eltern sofort schreiben , und wir haben schon einen Preis ausgesetzt , wer den ärgsten Brief von zu Hause kriegt . Ich hab' aber doch verfluchte Angst vor den jungen Leuten . Denk' nur , wenn sie mich hier wirklich herausgeworfen hätten , es war nicht mehr weit davon . – Also es war so : Unsre Erste war letzten Sonntag nicht da , Editha als Zweite sollte sie vertreten , und wir überredeten sie , den Abend volle Freiheit zu geben . Als das Mädchen fort war , standen wir wieder auf . Maria Besserer blies die Mundharmonika , und wir sangen und tanzten . Nun ist hinten am Saal eine Tür , die auf den Speicher geht , und da bekamen wir Lust , eine Entdeckungsreise zu machen . Editha ging mit der Nachtlampe voran . Du glaubst nicht , wie schön sie war mit ihren langen , schwarzen Haaren . – Erst hielt sie noch eine Rede über die Mysterien des Stiftes : wir sollten uns gefaßt machen , auf eingetrocknete Blutflecken und Leichen von früheren Stiftskindern zu stoßen . Einige wurden so bange , daß sie wieder in ihre Betten krochen . Dann kamen wir in lauter alte Bodenräume , voll Gerümpel und Spinneweben , und überall schien der Mond herein . Editha und ich stiegen auf die Leitern in den Turm hinauf , durch die Luke hinaus und rutschten das ganze Kapellendach entlang . Das haben die dummen Gänse nachher , als sie ausgefragt wurden , alles erzählt . Nachher stellten wir die Lampe auf den Boden und tanzten einen Indianertanz drum herum . Dabei haben wir so gehopst , daß wir den andern Tag ganz lahm waren . Zuletzt liefen wir noch auf den Korridor hinaus und brachten dem vierten Schlafsaal ein Ständchen und warfen ihnen Stiefel ins Bett . Die haben uns dann angezeigt – ist das nicht eine Gemeinheit ? Die Alte kam selbst in die Klasse , alle sagten , so wütend hätte man sie noch nie gesehen . » Die Sünde ist unter euch wie ein fressender Eiter « , sagte sie einmal – dabei platzte ich heraus , und nun fuhr sie auf mich los : ich wäre die Anstifterin , das wüßte sie ganz genau . Ich hätte die andern verleitet , im Nachthemd auf den Korridor zu gehen , und das wäre unsittlich usw . Es ist immer noch große Aufregung im Stift , denn fortwährend kommen neue Schandtaten heraus , auch von dem vierten Schlafsaal , der uns angezeigt hat . Aber es ist nicht recht dahinterzukommen , was die eigentlich gemacht haben , denn das wird alles bei der Pröpstin im Zimmer verhandelt . Sie hat nur die Erste abgesetzt und alle in andre Schlafsäle verteilt . Na , Gott sei Dank , Weihnachten sehen wir uns wieder , dann hab' ich Dir noch viel zu erzählen . Aber ich werde dann wohl sehr in Ungnade sein . Deine Ellen . Ist Fritz H. noch auf der Schule ? Seit ich Editha habe , bin ich lange nicht mehr so verliebt in ihn . Hier ist überhaupt niemand in Jungens verliebt , wer keine Flamme hat , schwärmt für den Pfarrer . Aber nun leb wohl . Deine Ellen . Am Neujahrstage saß Ellen in ihrer Heimatskirche und legte wie in Kinderzeiten glühende Besserungsgelübde zu Gottes Füßen nieder . Ein furchtbares Unwetter von elterlichem Zorn war über sie hingebraust , und der Vater hatte lange und ernst mit ihr gesprochen . » Was soll denn aus dir werden , wenn sie dich nun fortschicken und es immer so weiter geht ? « Ihr war selbst bange geworden , was aus ihr werden sollte , aber es war ja noch nicht zu spät , sie wollte sich wirklich ändern , sich mehr im Zaume halten . Aber sie fühlte sich doch nicht ganz sicher , und dies Gefühl wurde noch stärker , als sie wieder in der Pension war . Die ersten Wochen ging es ganz gut . Unter den jungen Mädchen war jetzt viel von der Konfirmation die Rede . Der Pfarrer hatte damit angefangen , ihnen die Grundlagen und das Wesen des Christentums zu erzählen , dann kamen die einzelnen Gebote und ihre Beziehung auf das Leben – der ganze schwerwiegende Ernst , der in all den Drohungen und Verheißungen lag – Gottes Zorn und Gottes Gnade . Als die Sünde wider den heiligen Geist besprochen wurde – die Sünde des Gläubigen , der mit vollem Bewußtsein die Gnade verscherzt , die furchtbarste , äußerste Sünde , für die keine Vergebung ist , folgten sie angstvoll jedem seiner Worte und zitterten bis in die tiefste Seele hinein unter demselben Gedanken : und wenn nun ich sie begangen hätte ? Sie sollten nun bald zum erstenmal an den Altar Gottes treten und davor stand das Wort : Wer aber unwürdig isset und trinket , der isset und trinket sich selber das Gericht . Wie ein Schauer lief es durch die Reihe der zwölf jungen Mädchen , die andächtig auf ihrer Schulbank saßen , und zugleich lag ein mächtiger Reiz darin , schuldvoll und niedergeschlagen vor diesem Mann dazustehen , der ihnen bis ins tiefste Innere schauen konnte und wußte , was Sünde war . Für Ellen war der Pfarrer von allen Vorgesetzten der einzige , zu dem sie Vertrauen hatte . Er bekam alles zu wissen , was man tat , und wie oft hatte sie ihm schon nach der Stunde in den großen Saal folgen müssen , um eine Vermahnung zu bekommen , aber er schalt nicht , suchte sie nicht zu beschämen oder zu demütigen wie die Pröpstin , er fand jedesmal ein gutes Wort und ein verstehendes Lächeln . Dafür war Ellen auch in seinen Stunden die Aufmerksamkeit selbst und lernte die längsten Psalmen auswendig , um ihm Freude zu machen . Mit Editha war sie immer noch viel zusammen und schwärmte sie in namenloser Hingebung an . Sie hatte das Herz voller Anbetung und den Kopf voller Verse , bei Tisch , in den Stunden und abends im Bett , immer fand sie wieder neue Reime zusammen , um die Freundin zu besingen . Editha war die Schönste , die Beste , die Unvergleichliche . Wenn sie abends im Schlafsaal das Haar aufmachte , hing es wie ein dichter Mantel um sie her , die Brauen lagen gleich zwei breiten , schwarzen Strichen über den dunklen , schweren Augen . Und ihre Hände und Füße , die so klein und zierlich waren – man konnte kaum begreifen , daß Editha sie wie andere Menschen gebrauchen konnte . Für die alte Vorsteherin gab es viele schwere Stunden . Seit die beiden so eng befreundet waren , schien eine ganze Horde von Teufeln in dem ehrwürdigen alten Gebäude zu spuken . Die ganze erste Klasse war außer Rand und Band , trotz Konfirmationsstunden und quälender Gewissensfragen . Es kam vor , daß den Lehrerinnen Salz ins Bett gestreut wurde , so daß sie die ganze Nacht nicht schlafen konnten , oder dem Kandidaten wurden alle Knöpfe vom Mantel geschnitten und der Hut von oben bis unten mit Kreide bemalt , was dann niemand getan haben wollte . Oder Ellen und Editha wetteten , ob man Tinte trinken und vom höchsten Schrank herunterspringen könnte . Und sie tranken wirklich Tinte und sprangen von den Schränken herunter auf die Fliesen , daß die andern leichenblaß wurden vor Schreck . Anfang Februar war Edithas Geburtstag . Ellen träumte eine Zeitlang davon , der Freundin ihre gesammelten Gedichte zu schenken , mit Druckschrift und schön gebunden . Sie schienen ihr aber schließlich doch nicht gut genug , und so wollte sie denn lieber ein Gedichtbuch kaufen . Wer sie gemacht hatte , war ja einerlei , wenn nur recht viel von Liebe drin stand . Es war nicht so einfach , eins zu bekommen , denn das Taschengeld wurde ihr regelmäßig für Strafen abgezogen , und alle Einkäufe gingen durch die Hand der Vorsteherin . Ellen zerbrach sich nicht lange den Kopf darüber , sie borgte die kleine Summe zusammen , obgleich Geldleihen streng verboten war , und überredete eine von den letzten Neuen , das Buch auf ihren Namen kommen zu lassen . Es war eine Sammlung von 450 Gedichten . Dann lag es eine Nacht unter ihrem Kopfkissen , und sie dachte in fieberhafter Seligkeit daran , wie Editha es morgen an ihrem Platz finden würde . Als Ellen vor der ersten Stunde ihre Bücher zusammensuchte , legten sich plötzlich zwei Hände um sie und es ging wie ein Feuerstrom durch ihr Herz ; Editha küßte sie auf den Mund . » Das war lieb von dir , kleine Ellen , ich hab' mich so gefreut . « In der Arbeitsstunde um Mittag fehlten die beiden Unzertrennlichen . Zufällig kam die Klassenlehrerin herein und fragte nach ihnen , aber niemand hatte sie gesehen . Mademoiselle geriet in Aufregung , suchte und fragte durchs ganze Haus . Um Gottes willen , wo konnten die beiden sein , es war ihnen ja alles zuzutrauen . Die ganze Klasse mußte mitsuchen und es entstand ein förmlicher Tumult . Endlich entdeckte man sie oben im Schlafsaal der Kleinen , auf zwei der entlegensten Betten lagen sie und lasen sich Gedichte vor . Sie machten nicht einmal Miene aufzustehen und wollten sich halb totlachen , als die Mademoiselle wutbleich vor ihnen auftauchte . Dann wurden sie in die Klasse hinuntergeschickt . Das Buch , in dem sie gelesen hatten , nahm die Lehrerin an sich und ging damit zur Pröpstin . Die alte Dame unterzog es einer genauen Prüfung , während sie sich den ganzen Vorfall berichten ließ . Auf dem ersten Blatt stand eine lange Widmung in Versen von Ellens Hand . Wie kam Ellen zu dem Buch , das gestern erst eine andre bestellt hatte ? Nun folgte ein Verhör auf das andre , nur Ellen wurde nicht vorgerufen . Statt dessen erschien die Vorsteherin nach Tisch selbst in der Klasse , um sie vor allen andern niederzuschmettern . Sie war in großer Toilette , weil sie nachmittags an Hof gehen wollte , die lange Seidenschleppe knisterte wie eine zornige , schwarze Schlange hinter ihr her . Ellen stand da , beide Hände in den Schürzenlatz gesteckt und sah ihr gerade in die Augen . Sie wollte zeigen , daß sie sich nicht fürchtete , während die alte Dame mit harten , zischenden Worten auf sie ein sprach : » Mit dir , Ellen Olestjerne , werde ich von jetzt an nicht mehr unter vier Augen reden , denn du verdienst diese Rücksicht nicht mehr . Du hast meine Geduld nun bald ein Jahr lang auf eine harte Probe gestellt ; ich will jetzt nicht davon reden , daß du dich von Anfang an gegen jede Zucht und Ordnung aufgelehnt , dich auch heute noch wieder mit Editha , die ja leider ganz unter deinem Einfluß steht , lachend über alle Regeln hinweggesetzt hast , nur das eine will ich dir sagen : für ehrlich wenigstens habe ich dich bis jetzt gehalten , bis zu dem Augenblick , wo ich erfuhr , auf was für Schleichwegen du dir dieses Buch verschafft hast . Jetzt weiß ich , daß du selbst vor einem gemeinen Betrug nicht zurückschreckst – du , ein Mädchen aus guter , hochgeachteter Familie – eine Konfirmandin . – Und ich sage dir noch einmal , zum letztenmal : halt ein auf der abschüssigen Bahn , die du wandelst . Geh in dich , ehe es zu spät ist , sonst wirst du dermaleinst mit bittrer Reue an meine Worte zurückdenken . « Dann wandte sie sich zu den anderen : » Ellen Olestjerne hat sich eines gemeinen Betruges schuldig gemacht – sie hat den Namen einer Mitschülerin mißbraucht , um sich ein Buch zu verschaffen , das sie nicht bezahlen konnte , und noch zwei andre veranlaßt , ihr Geld zu borgen , um ihre Schuld wenigstens für den Augenblick zu decken . Ihr habt sie von jetzt an als ehrlos zu betrachten und ich warne jede , die noch mit ihr verkehrt . « Damit verließ sie das Zimmer und die schwarze Seidenschlange raschelte ihr nach . Ellen wanderte auf drei Tage in Arrest . Da saß sie in der dämmerigen Turmstube , machte lange Gedichte auf Editha und wartete , wie ihr Schicksal sich entscheiden würde . Als sie am nächsten Sonntag der Reihe nach zur Pröpstin hineinkamen , um ihre Zeugnisse vorzulegen , sagte die verhaßte Stimme : » Ellen Olestjerne , deine Eltern sind von dem Vorgefallenen benachrichtigt . Du kannst noch bis Ostern hierbleiben , weil ich ihnen nicht die Schande antun will , dich vor der Einsegnung fortzuschicken . « Es war doch ein arger Schrecken , als die kalte , unerbittliche Tatsache plötzlich vor ihr stand : fortgejagt – und die Eltern . – Wie in einem bösen Traum ging Ellen hinaus , an den andern vorbei , ohne irgend etwas zu sehen , die Treppe hinauf , oben am letzten Gangfenster blieb sie stehen und legte das Gesicht an die Scheiben . Sie hatte Todesangst vor zu Hause – heute wußten sie es vielleicht schon . Es war nicht auszudenken , wie eine erdrückende Last wälzte es sich von allen Seiten über sie her . Dazwischen glänzte wohl auch etwas Helles , Freudiges auf : heimkommen – fort aus diesen dumpfen Schulstuben , aus der moderigen Kerkerluft . Heimatsvisionen kamen , das Schloß , die sonnigen großen Zimmer , wo abends die Spatzen vor den Fenstern in den Ulmen schwätzten , der sommerliche Garten mit seinem starken Fliederduft – Detlev , die Geschwister alle – und nun schluchzte sie vor Heimweh . Ja sie wollte nach Hause , nur nach Hause , wie schlimm es auch werden mochte . Am Montagmorgen kam Ellen noch halb verschlafen hinunter . Vor ihrem Schrank stand Fräulein Blumener , die Wirtschaftsdame , mit der turbanartigen , punktierten Haube und räumte die Sachen auf . » Was soll das ? « » Fragen Sie nicht so unverschämt – Sie bekommen Ihren Schrank jetzt da oben auf der Treppe , damit die andern nicht mehr wie nötig mit Ihnen in Berührung kommen . Wer so lügt und trügt wie Sie , muß sich auch darauf gefaßt machen , daß man ihn danach behandelt . « Ellen lachte , um ihre Wut zu verbergen , und machte ihr hochmütiges Gesicht . Nachher schrieb sie mit Riesenbuchstaben auf die Innenseite der Schranktür : Ich habe nie das Knie gebogen – den stolzen Nacken nie gebeugt . 17. Februar 1885 . Das brachte ihr wieder einen Tag Arrest ein . Und so ging es nun mit allem ; sie war in Acht und Bann getan , jede von den andern , die sich noch mit ihr sehen ließ , fiel in Ungnade . Aber sie nahm den Fehdehandschuh auf , beging bei jedem Anlaß die größtmöglichen Ungezogenheiten , nahm die Strafe lachend hin und überbot sie durch noch ärgeres Benehmen . Im Schlafsaal gab es fast jeden Tag Skandal . Wenn Ellen sich Wasser holte , balancierte sie die blecherne Waschschüssel auf dem Kopf und behauptete , sie könnte kein Blech anfassen . Beim Mundspülen gurgelte sie nur in Melodien und sagte , es käme ganz von selber , sie könnte es nicht lassen . Und wenn alle im Bett lagen , fing sie an zu heulen wie ein wildes Tier in langgezogenen Tönen die halbe Nacht hindurch , so daß niemand schlafen konnte . » Ellen , sei ruhig « , schrie die Erste , die Aufsicht führen mußte . » Mein Gott , ich bin so traurig , du kannst mir doch nicht verbieten , zu weinen « , und sie heulte weiter . Die andern kamen um vor Lachen , und die Erste war machtlos dagegen . Sie konnte nur anzeigen , immer wieder anzeigen , und das war Ellen jetzt ganz gleichgültig , sie lebte in einem förmlichen Rausch von Auflehnung . Ein paarmal ging sie zur Pröpstin , um sich selbst anzuzeigen , wenn sie fand , daß man zu nachsichtig gegen sie war . » Miß Collins hat wohl vergessen zu melden , daß ich gestern in der Stunde gelacht habe . « Die Pröpstin geriet außer sich vor Zorn und verbot ihr schließlich , das Zimmer überhaupt noch zu betreten . Aber manchmal fühlte Ellen sich auch todunglücklich – sie stand jetzt wirklich ganz allein , selbst Editha wollte nichts mehr von ihr wissen , hatte sich immer mehr von ihr zurückgezogen und ging nur noch mit einer früheren Freundin , die Ellen nicht leiden konnte . Sie ballte heimlich die Hände , wenn sie die beiden zusammen sah , und ihre Dichtungen wurden immer verzweifelter : draußen heulte der Sturm , Eulen schrien in finstrer Nacht – alle schliefen , nur sie allein wachte mit ihrem zerrissenen Herzen , in dem die Leidenschaft wütete und die verratene Liebe . Manchmal wurden es auch Rebellengesänge : » Wie lange soll ich diese Schmach noch dulden – wie lange diese Ketten tragen noch ! « oder : » Es kreist mein Blut in wildem schnellem Lauf – und alle Pulse hämmern laut . – Mein Stolz , mein Selbstgefühl bäumt , ach , sich auf . – Zuviel , zuviel habt ihr mir zugetraut . « Kurz vor Ostern kam noch die letzte Zeugnisverteilung . Das war immer ein feierlicher , öffentlicher Akt , dem viele Ehrenpersonen aus der Stadt beiwohnten und wo die Pröpstin eine Rede hielt . Diesmal ging es wie ein Gewitter über die fünfzig Kinder hin , von denen manche kaum mehr aufzusehen wagten . Während ihrer zweiunddreißigjährigen Amtsführung habe sie noch kein Jahr erlebt wie das letzte , – ein Geist des Aufruhrs ist in unsre Anstalt eingedrungen , – unlautre Elemente , die wir leider erst zu spät erkannt haben und die durch Leichtsinn und Gewissenlosigkeit ein schlimmes Beispiel gaben , – und dann erhob sich ihre Stimme immer lauter und strafender . – Derartige Elemente müssen schonungslos ausgemerzt werden – es sind Krebsschäden , die nur durch einen raschen Eingriff beseitigt werden können . – – Ellen sah wohl , wie viele Blicke sich auf sie richteten , wenn auch nicht ihr Name genannt wurde . Sie wollte die Augen nicht niederschlagen und empfand es beinah wie einen Triumph : » Ja , mit mir seid ihr doch nicht fertig geworden . « An demselben Abend wurde sie zum Pfarrer gerufen , er sah sie lange ernst an und sagte dann : » Nein , Ellen , vor mir brauchen Sie sich nicht zu fürchten , ich glaube zu wissen , wie es in Ihrem Innern aussieht und daß Sie die Absicht haben , es von nun an anders werden zu lassen . Denken Sie an das Wort : es wird Freude sein im Himmel über einen Sünder , der Buße tut , vor neunundneunzig Gerechten . Vor allem lassen Sie den schlimmen Widerspruchsgeist und allen kindischen Trotz fahren , damit kommt man nicht durch die Welt , Ellen . – Ich habe trotz alledem gutes Zutrauen zu Ihnen , denn ich weiß , daß Sie im Grunde nicht schlecht sind . Sie machen es nur sich selbst und andern schwer . Aber Sie waren eine von meinen besten Schülerinnen und ich möchte auch , daß Sie einer von meinen besten Menschen werden . Ich will auch selbst mit Ihrer Mutter sprechen , die wohl einigen Grund hat , ungehalten über Sie zu sein . « – Damit gab er ihr die Hand , und ihr liefen große Tränen übers Gesicht . Als am nächsten Tage die Mutter kam , war Ellen weich wie Wachs . Und es ging viel besser ab , als sie gedacht hatte . Mama schien doch nicht ganz mit der Pröpstin einverstanden , sie sprach viel mit dem Pfarrer und war merkwürdig milde . Vor der Beichte versöhnten sich die Konfirmandinnen untereinander und suchten auch die Lehrerinnen auf , um in vollem Frieden mit aller Welt das Abendmahl zu nehmen . – Ellen schloß sich von diesem Brauch aus : was haben die mir zu verzeihen , wenn ich mit mir selbst und dem lieben Gott im reinen bin ? Dann mußten sie alle einzeln zur Pröpstin hereinkommen , man murmelte auch dort ein paar Worte von Verzeihen und bekam einen Kuß auf die Stirn : – du bist mir eine liebe Schülerin gewesen , gehe hin in Frieden . Als Ellen kam , standen sie sich einen Augenblick gegenüber , beide in tödlichem Widerwillen , die alte Dame und das fünfzehnjährige Kind . » Hast du mir nichts zu sagen , Ellen Olestjerne ? « » Nein . « Auf die einzelnen Worte , die nun folgten , konnte Ellen sich nachher nicht mehr recht besinnen . Die Pröpstin sprach eine Art Fluch über sie aus und wies dann gebieterisch mit ihrem aristokratischen , wohlgepflegten Zeigefinger nach der Tür . Später gingen die jungen Mädchen auf dem Gang hin und her , meist in ernsten Gesprächen , einige hatten auch große Sorge wegen der Kleider für morgen und wie sie das Haar tragen sollten . Trotz der Pröpstin war Ellen weich und froh gestimmt , das Wiedersehen mit der Mutter war überstanden und sie hatte Editha wieder , nach einer langen Unterredung . » Siehst du , ich mußte die letzte Zeit etwas Rücksicht nehmen . Du weißt , ich bin von Kind an hier , die Alte hat sozusagen Mutterstelle an mir vertreten und ist immer sehr nachsichtig gewesen . Sie verlangte einfach von mir , daß ich den Verkehr mit dir abbrechen sollte . Leicht ist es mir nicht geworden , aber du tatest ja immer , als ob es dir ganz gleich wäre . « » O Gott , nein , das war es nicht . « Sie umarmten sich , und Ellen war überselig . » Weißt du , wir wollen uns oft schreiben . Laß mich wissen , wie es dir zu Hause ergeht . « » Ja , und ich hab' noch eine Bitte – , schenk mir doch eine Locke von dir . « Ellen durfte sich selbst eine abschneiden , sie hatte schon eine ganze Edithasammlung bis zu weggeworfenen Stahlfedern , heimlich abgeschnittenen Plaidfransen und alten Schreibheften , aber die Locke kam in ein Medaillon , das sie immer unter dem Kleid tragen wollte . Die Osterglocken läuteten , und in weißen Kleidern mit langen Schleppen stiegen die Konfirmandinnen die hohen Steinstufen hinab , durch den dunklen , feuchtkalten Hausflur in die Kapelle . Als Ellen vor dem Pfarrer kniete , war ihr , als ob seine Stimme für sie einen ganz besonderen Klang hätte , der ihr allein galt , wie eine feierliche Heimlichkeit zwischen ihnen . – Ihre Seele war voller Ernst und wogte in einem frohen , morgenfrischen Gefühl . Mit diesem Tage wollte sie ja ein neues Leben anfangen , es kam ihr jetzt so leicht und hell vor , – wie wenn man nach einem mißglückten , zerfetzten Tag aufwacht und nun alles zurechtbringen will , was gestern nicht gelang . Andern Tags reiste sie mit ihrer Mutter ab . An der Treppe stand die Pröpstin und streckte ihr kalt die Hand zum Kuß hin . – Ah – zum letztenmal diese Treppe , zum letztenmal dies harte , blanke Gesicht mit den tiefgemeißelten Augenhöhlen , zum letztenmal dieser Sklavenhandkuß ! Und dann das wehmütige Glück , in den Frühlingsabend heimzufahren , heimwärts , nach Nevershuus , zu den Geschwistern – und mit dem Versprechen , daß Editha sie nicht vergessen wollte . Marianne Olestjerne war bei ihrem Vater im Zimmer und staubte den mächtigen alten Schreibtisch ab . Mit bedächtigen , liebevollen Bewegungen stellte sie die verblaßten Familienphotographien in dunkelbraunen oder violetten Samtrahmen wieder hin und legte vorsichtig die Papiere beiseite . Dann die lange Schale mit Federhaltern und Bleistiften , jeder kam wieder an seinen Platz . Es war wohl zu sehen , sie tat das alles mit Liebe und langjähriger Gewohnheit , als ob jedes Stück Bedeutung und Leben hätte . Der Freiherr saß am runden Mitteltisch vor dem Sofa und trank seinen Morgenkaffee aus der großen Kopenhagener Tasse . Diese ganze Frühstunde ging vor sich wie eine heilige Handlung , die nicht unterbrochen und gestört werden durfte . Marianne sah zu ihm hinüber , während er die Zeitung durchsah und wieder hinlegte . Der Vater war für sie der Beste und Geliebteste von allen , das , worum sich ihr Tag und ihre Arbeit drehte . » Papa « , sagte sie etwas leise . » Was willst du , mein Kind ? « » Papa , heute ist Ellens Geburtstag – willst du nicht wenigstens einen Augenblick hinübergehen , wenn sie ihre Geschenke bekommt ? « Ein unwilliger Zug ging um seinen Mund , er schob den Sessel weg und ging durchs Zimmer . » Ich warte nur darauf , daß sie zu mir kommt . « » Das wagt sie nicht « , sagte die Schwester . » Unsinn , ich habe noch nie bemerkt , daß Ellen etwas nicht wagt . « » Du hast es ihr auch nicht leicht gemacht , Papa , seit sie wieder hier ist , hast du kein Wort mit ihr gesprochen . Das schüchtert sie ein und Mama – – « » Ich dachte , das ginge jetzt besser ? – Ich habe wahrhaftig die Lust verloren , mich drum zu kümmern . « » Nein , es geht nicht besser , lieber Vater , ich weiß ja selbst , wie schwer es mit Mama ist . Und Ellen ist noch so jung und hat nicht die Überlegung . – Wir andern haben dich gehabt , und Ellen braucht vielleicht mehr wie alle eine feste Hand , aber auch Liebe . « Er ging immer rascher , und Marianne fühlte seine Verstimmung aus jedem Schritt . » Ich weiß nicht , was sie will und was sie braucht , ich kann dies Kind nicht begreifen . Wie ist sie denn wiedergekommen – strahlend , daß sie nicht mehr so viel zu lernen braucht und ihre dummen Jungenstreiche mit Detlev fortsetzen kann . Keine Ahnung , daß sie sich schämt , kein Wort , daß es ihr auch nur leid tut , uns das alles angerichtet zu haben . Sie ist doch damals nur fortgekommen , weil ich sah , daß es mit ihr und Mama nicht gehen wollte – um ihr zu helfen . Aber sie hält alles , was man für sie tut , für Feindseligkeit und Bosheit und widerstrebt blind und unvernünftig . – Sag du ihr das , sprich einmal mit ihr . Wenn sie dann von selbst kommt , soll es gut sein . « Aber Ellen kam nicht . » Es nützt ja doch nichts « , war die Antwort auf alle Vorstellungen der älteren Schwester . – So wurde es ein melancholischer Geburtstag . Als die andern nach Tisch vor der Gartentür saßen , lief Ellen auf die Koppel hinaus . Was sollte sie da droben ? Sie fühlte sich überflüssig , im Wege , ausgeschlossen . So warf sie sich ins Gras und weinte – ja , die Heimat , die hatte sie nun wieder , aber sonst war alles wie früher , täglicher Kampf und tägliche Quälerei , nur noch rettungsloser und verfahrener durch die unglückselige Pensionsgeschichte . Später kam Marianne mit Detlev , sie fand , daß doch etwas Festliches für Ellen geschehen müßte und wollte mit den beiden ihren Lieblingsweg nach Olrup gehen – es war ein kleines Dorf draußen am Meer . Ellen bewunderte ihre Schwester sehr – die hatte ihre ganze Jugend zu Hause verlebt und war nie unzufrieden , immer gleichmäßig in ihrer stillen Heiterkeit . Sie kamen darauf zu sprechen , auf die Eltern und alles . » Du mußt dir doch auch ziemlich viel gefallen lassen und darfst alles mögliche nicht « , meinte Ellen . » Aber es liegt mir auch meistens nicht so viel daran . Wenn Papa mir zum Beispiel verbietet , irgendein Buch zu lesen , so weiß ich , daß er seinen Grund dafür hat . Und es bleibt immer noch so viel Schönes , woran man sich freuen kann , daß das gar nicht in Betracht kommt . « » Ja , aber hast du jemals gesehen , daß Mama mir etwas aus einem vernünftigen Grund nicht erlaubt ? Sie verbietet nur , um zu verbieten , oder weil sie alles überflüssig findet , was mir Freude macht . Sie sagt , ich wäre faul und wollte nichts tun , aber warum läßt sie mich nicht malen ? Es ist das einzige , was ich mir wünsche und was mir Freude macht . Dann würde ich mit Vergnügen den ganzen Tag arbeiten . Aber sowie sie mich mit einem Skizzenbuch sieht , heißt es : laß doch das alte Geschmier , es kommt ja doch nichts dabei heraus . « Marianne zuckte die Achseln . » Mama ist nun einmal dafür , daß man nur nützliche Sachen tut , sie hat es auch nicht gern , wenn ich viel lese . Ich sage dir deshalb auch immer wieder , du solltest dich an Papa halten , der kann dir noch am ehesten helfen . Mir scheint immer , daß ihr Jüngeren ihn eigentlich gar nicht kennt . « » Er kümmert sich nicht viel um uns . « » Das würde er schon tun , wenn ihr nur wolltet . Ich habe dir doch gesagt , er wartet nur darauf , daß du kommst . « » Das kann ich nicht – ich kann einfach nicht . Wofür soll ich ihn denn um Verzeihung bitten ? Daß dies infame Tier von Pröpstin mich nicht leiden konnte ? Ich möchte ihr heute noch den Hals umdrehen . « » Ich auch « , fuhr Detlev ingrimmig dazwischen ; die Pröpstin haßte er mit . Vor ihnen lag das Dorf mit seinen Strohdächern und dem niedrigen , stumpfen Kirchturm . Über den Heidehügel gingen sie zum Meer hinunter , und Marianne pflückte Blumen für Papas Schreibtisch . Dann saßen sie am Strand auf den großen Steinen , während die Sonne langsam ins Meer hineinrollte wie eine große brennende Kugel . Der Himmel loderte weithin auf , das Meer wurde rot , und die Heidehügel glühten . Allmählich losch alles wieder aus und nun wurde es rasch dunkel , die einzelnen Gestalten auf dem Deich sahen aus wie schwarze Silhouetten . Wenn man das malen könnte , « sagte Ellen , » überhaupt malen können , alles , was es gibt . « Detlev lachte : » Immer noch Vogelbauer , Ellen ! Du bist doch noch geradeso wie früher . « » Ja , aber ich werde meine jetzigen Vogelbauer doch noch einmal zusammenkriegen , darauf könnt ihr euch verlassen . « Sie gingen jetzt rasch den Deich entlang und sprachen von der großen Sturmflut vor acht Jahren . Es war die lange gerade Strecke , wo damals der Deich beinah gebrochen und nur einen Meter breit stehengeblieben war . Wie da die haushohen Wellen herüberschlugen und die Menschen , die sich hinauswagten , wie Papierfetzen herumflogen . – Dann kam das rote Deichwärterhaus mit dem kleinen , sonnenverbrannten Garten , der Bootschuppen , das Dock , wo alte Schiffe zum Ausbessern lagen . Dicht beim Hafen begegneten sie vielen Spaziergängern , immer die gleichen , die jeden Abend hier herausgingen , all die bekannten Gesichter aus der kleinen Stadt . Das Grüßen nahm kein Ende , hier und da mußten sie auch stehenbleiben und ein paar Worte sprechen , bis sie endlich in die schmalen Hafenstraßen einbogen , über den Markt unter dem Rathausbogen durch und schließlich die dunkle Kastanienallee zum Schloß gingen . Ein paar Tage später , als Ellen zur Stadt war , ging die Mutter in ihr Zimmer hinauf : » Ich muß doch einmal sehen , was sie da immer treibt , wenn sie allein ist « , dachte sie . – Ellen hatte vergessen wegzuräumen , da standen drei Bilder von Editha mit Blumen davor , auf dem Tisch lag ein langer , angefangener Brief an die Freundin , der bittren Weltschmerz atmete und endlose Klagen über Ellens elendes Los . Und daneben ein dickes , ledernes Buch mit selbstgeschriebenen Gedichten , das die Mutter noch nie gesehen hatte . Sie nahm es mit ins Wohnzimmer , setzte ihre Brille auf und las den ganzen Nachmittag . Als Ellen nach Hause kam , warf Mama ihr das Buch vor die Füße . » Du hättest es verdient , daß ich es dir um die Ohren schlage . Was ist das für ein unerhörtes Zeug ? Schämst du dich denn nicht , so was zusammenzuschmieren ? Das hört jetzt auf , verstanden ? – Und was du da an deine Editha schreibst – du meinst wohl , daß dir arges Unrecht geschieht , wenn du nicht all deinen verrückten Einbildungen folgen sollst . Von jetzt an lese ich all deine Briefe , verlaß dich darauf . « Ellen stand zuerst wie versteinert . Wie konnte Mama sich das herausnehmen , in ihren tiefsten , innersten Geheimnissen herumwühlen – ja , jetzt schämte sie sich allerdings – ihr war , als ob man ihr alle Hüllen von der Seele gerissen hätte und dann kam eine sinnlose Wut über sie . – Sie schrie der Mutter alles ins Gesicht , was an Groll in ihr aufgespeichert war . » Ich wollte , ich wäre Gott weiß wo , nur nicht mehr bei euch , in dieser Hölle . Aber ich laß es mir nicht mehr gefallen . Lieber lauf ich fort oder bring mich um . « Einen Augenblick war es ganz still im Zimmer – Ellen hatte den Arm erhoben in drohender Abwehr : » Rühr mich nicht an , Mama ! « Denn die Mutter hatte sie schlagen wollen . Ellen kam wieder fort von zu Hause . Der Vater hatte sie zu sich rufen lassen und lange mit ihr darüber gesprochen . Ihr ganzer Trotz zerfloß in Tränen – sie hatte nie geglaubt , daß Papa so gut wäre , so vieles verstehen konnte und ihr helfen wollte . So wurde sie denn auf längere Zeit zu ihrer Tante Helmine Olestjerne geschickt . Es war eine jüngere Schwester des Freiherrn , die für sich allein in ihrem eignen Haus und Garten lebte und eine besondere Vorliebe dafür hatte , sich bedrängter Jugend anzunehmen . Bei ihr konnte Ellen frei heraus mit allen ihren Beschwerden und unruhigen Wünschen . Schon am ersten Abend , als sie bei Tante Helmine in dem gemütlichen Wohnzimmer mit altväterischen Möbeln und Familienbildern saß , erzählte sie all ihre Erlebnisse zu Hause und in der Pension . Die Tante hörte aufmerksam zu : » Ja , mit deiner Mama ist es sehr schwierig – ich habe sie auch manchmal nicht verstehen können . Du bist ja jetzt groß genug , daß man mit dir darüber reden kann . Aber bei mir sollst du dich nun einmal wirklich wohl fühlen und soviel Freiheit haben , wie ich dir mit gutem Gewissen geben kann . Es ist eine Malerin hier , bei der du Stunden nehmen kannst , wenn du so große Lust dazu hast . « Ob sie Lust hatte ! Ellen riß beinahe das Tischtuch mit Lampe und allem herunter und fiel der Tante um den Hals . » Und wenn die sagt , daß du Talent hast , lassen sie dich vielleicht auch zu Hause dabei . Dann hast du wenigstens eine Arbeit , die dir Freude macht . « Ellen bekam ein Zimmer als Atelier eingerichtet und warf sich gleich vom ersten Tage an mit Heißhunger auf die Arbeit , mit ihrer vollen , gesunden Jugendkraft , die sie bisher fast wie etwas Überflüssiges gedrückt hatte und jetzt mit einemmal in ihr aufjauchzte , weil sie ein Ziel bekam und das Ziel , das ihr glühendster Wunsch war . Am liebsten stand sie die ganzen , langen Sommertage vor der Staffelei oder streifte mit dem Skizzenbuch draußen herum , statt mit der Tante auf Besuche zu fahren oder Vergnügungen mitzumachen . Ihre Lehrerin betete sie etwas scheu und aus der Ferne an – eine Künstlerin , die in Paris und München gewesen war , ein Wesen aus einer ganz andern Welt , von der Ellen nichts geahnt hatte und alles mit staunender Glut verschlang , was sie jetzt erfuhr . Sie schämte sich ihrer bodenlosen Unwissenheit – hatte noch nie ein richtiges Bild gesehen , nicht einmal gewußt , daß man nach lebenden Modellen malte , und tat so dumme Fragen , daß Fräulein Hunius oft lächelte . Und wie die da herumging zwischen all den beschränkten , engherzigen Leuten – nur ihrer Kunst lebte . Nur der Kunst leben . Ellen fing an zu ahnen , was das sein müßte . Wenn die Lehrerin zur Stunde kam , stand sie bebend hinter ihr und folgte jedem Strich . Und nur dann , wenn sie ihr Gesicht nicht sehen konnte , wagte sie von sich selbst zu sprechen – wie sie sich auch so ganz in die Kunst hineinstürzen möchte , nur dafür dasein und arbeiten bis aufs Blut , trotz aller Hindernisse . Und was für Hindernisse standen ihr entgegen – das meinte Fräulein Hunius auch , die Ellens ganze Verwandtschaft kannte . Sie sprach ihr auch von den Enttäuschungen , daß Ellen noch so jung sei und sich wie alle Anfangenden große Illusionen mache , die wohl meist nach und nach zerschellten . Aber das bedrückte sie nicht weiter , und sie glaubte nicht daran . Es war eine Zeit , wo sich ihr alles in einen Traum von immerwährender Glückseligkeit verwandelte , der ganze Tag war ein ernstes Spiel mit frohen Kräften , und selbst in den warmen Sommernächten wollte keine rechte Müdigkeit kommen . Manchmal stand Ellen heimlich wieder auf , stieg aus dem niedrigen Fenster und lief über den Rasenplatz zum Fluß hinunter , der am Garten vorbeifloß . Da schaukelte sie sich in Tante Helminens kleinem Boot oder tauchte in das dunkle , raschfließende Wasser hinein , mit stiller Angst , daß die Tante sie gehört haben könnte . Anfang Dezember schrieb die Mutter , Ellen müsse nun endlich einmal wiederkommen . Die Tante ließ sie ungern gehen , denn sie hatte große Freude an Ellens Fleiß und konnte ihre rastlose Lebendigkeit gut ertragen . Aber im nächsten Jahr sollte sie wiederkommen und weiterlernen . Ellen fuhr nach Hause mit zwei großen Zeichenmappen und voll von Plänen und Zukunftsträumen . Jetzt strahlte ihr die Welt . Sie wollte gut gegen Mama sein , ihr nachgeben , soweit es ging , und im Stillen weiterarbeiten , bis sie alle überzeugt hatte , daß sie Malerin werden müßte . Am Weihnachtsabend saßen sie alle noch spät beim Punsch im Eßsaal auf Nevershuus . Der Freiherr ging , wie er es liebte , während des Gespräches mit großen Schritten auf und ab . » Das waren eure letzten Weihnachten hier « , sagte er plötzlich und blieb am Tisch stehen . Die vier Geschwister saßen wie versteinert und sahen ihn an . » Ja , Papa hat Nevershuus verkauft « , sagte nun die Mutter mit Tränen in den Augen . » Zum Frühjahr müssen wir fort . « Sie schwiegen alle , der Vater stand vor ihnen und reckte sich in die Höhe : » Seid doch froh , wenn wir endlich einmal aus dem Nest herauskommen – von euch Jungens wird ja doch keiner Landwirt , und wir sind jetzt zu alt , um uns damit zu plagen , für nichts und wieder nichts . « Marianne war die einzige , die schon darum gewußt hatte , die andern konnten sich immer noch nicht von der jähen Überraschung erholen : daran hatten sie nie gedacht , sich nie vorgestellt , daß es einmal so kommen könnte – Nevershuus ihnen nicht mehr gehören . Und die Eltern waren in ihren Augen die » jungen Leute « , denen keine Zeit etwas anhaben konnte – Papa sich zur Ruhe setzen , das war wie eine Erklärung , daß sie nun alt würden . Sie mühten sich alle , ihre Bewegung zu unterdrücken , denn Gefühlsäußerungen , besonders im größeren Kreise , waren bei den Olestjernes niemals Brauch gewesen . Es gab nur hier und da einen etwas unsicheren Ton in den Stimmen , während sie über das große Ereignis sprachen . » Wo wollt ihr denn hinziehen ? « fragte Erik mit seiner gewohnten überlegenen Ruhe – für ihn kam es auch nicht so sehr in Betracht , da er demnächst auf die Universität sollte . » Das wissen wir noch nicht , aber jedenfalls in eine größere Stadt . « » Für uns ist es überall gut , wo wir zusammen sind und euch haben « , meinte Marianne ; »– aber es war doch unser Nevershuus . « » Ach , ihr solltet euch doch freuen , einmal in andre Umgebung zu kommen , « sagte der Vater wieder . » Hier versimpelt ihr auf die Länge , seht nichts von der Welt , wißt nichts von der Welt . Euer Nevershuus werdet ihr schon mit der Zeit vergessen . « » Wie kannst du das sagen , Christian ! « Der Freifrau ging es wie den Kindern , sie hing mit allen Fasern an dem alten Schloß – vierundzwanzig Jahre – ihre ganze Ehe – die Kinder , die hier geboren und aufgewachsen – ihr Ältester , der hier gestorben war ! Sie begriff doch nicht recht , daß ihr Mann sich so leicht loslöste , es wie eine Befreiung empfand , wie einen neuen Lebensanfang , von hier fortzukommen . Marianne saß mit ineinandergelegten Händen und sah nur ihren Vater an – er war grauer geworden in den letzten Jahren , die Stirn noch höher und gefurchter , aber heute schien er ihr so verjüngt . Sie wußte am besten , wie er sich von jeher hinausgesehnt aus diesem engumschlossenen Leben , in das die Verhältnisse ihn gegen seine Neigung hineingezwungen hatten . Durch die offne Tür sah man in den Weihnachtssaal , die Lichter waren längst heruntergebrannt , das Silber auf den Tannen schimmerte matt im Dunkeln . Ihr lacht ja heute gar nicht « , sagte der Freiherr auf einmal , » was ist denn in euch gefahren ? « Sonst mochte es ihm manchmal zu viel werden , wenn seine junge Schar bei jedem vernünftigen Gespräch , bei jeder ernsten Lektüre unweigerlich im Chor losplatzte , besonders an Festtagen , wenn die Bowle auf dem Tisch stand . Aber er vermißte doch etwas , wenn sie so unnatürlich ernst waren . Aber sie saßen alle und dachten , daß diese Weihnachten nun die letzten in der alten Heimat wären , da wollte kein Gelächter in Gang kommen . Zweiter Teil L... , 3. März 1888 Vor allem will ich Sie beruhigen , daß weder meine Mutter noch Detlev etwas von unsren Gesprächen gehört haben – sie schalt nur , daß ich zu viel mit Ihnen getanzt hätte . – Herrgott , wenn sie wüßte , daß ich jetzt an Sie schreibe – es ist bald fünf Uhr , unten auf der Straße rasseln schon Milchwagen , ich liebe nichts mehr , als so eine Nacht durch aufzubleiben , und heute wäre es mir unmöglich gewesen zu schlafen . Es kommt mir wie ein Wunder vor , daß ich nun wirklich einen Menschen gefunden habe , dem ich alles sagen kann und der mein Freund sein will . Sie machen sich ja keinen Begriff davon , wie allein ich war und wie todunglücklich ich mich von jeher zu Hause gefühlt habe , besonders in diesem letzten Jahr , wo auch Detlev mir immer fremder wurde . Sie wollten mir das nicht recht glauben , aber es ist wirklich so : meine Mutter sieht es nicht gerne , wenn ich viel mit ihm zusammen bin . Sie hat ihm das Versprechen abgenommen , mich keine modernen Bücher lesen zu lassen und mich mit seinem Verkehr nicht in Berührung zu bringen . Nur unter der Bedingung darf ich mit ihm ausgehen , die Eltern sind ja schon außer sich , daß er so in all diese Sachen hineingekommen ist und mit freidenkenden Menschen verkehrt . Aber Sie können sich vorstellen , wie mir dabei zumut war , wenn er mir von Ihnen und den andern erzählte , wie von einer Welt , die mir immer verschlossen bleiben sollte . Dann fand ich eines Tages auf seinem Schreibtisch » Brand « und » Peer Gynt « und nahm es mir herüber . Ganze Tage habe ich darüber zugebracht und konnte weder essen noch schlafen , nur immer wieder lesen , sowie ich allein war . Es kam mir vor , als ob jedes Wort für mich geschrieben wäre , ich wußte mit einemmal , daß es keine unmöglichen Hirngespinste waren , mit denen ich kämpfte , – wenn sich alles in mir sträubte gegen das Leben , das man mir aufzwingen will . Früher empfand ich es immer als eine Art Unrecht gegen meine Eltern , mich so dagegen aufzulehnen und heimliche Sachen zu tun , aber nun ging es mir plötzlich auf , daß jeder ein unveräußerliches Recht an sein Ich und sein eigenes Leben hat . Wissen Sie die Stelle : das Eine darfst du nie verschenken , – dein Selbst , dein Ich , den heilgen Dom – du darfst's nicht binden – nicht es lenken – nicht hemmen seines Lebens Strom – Er rauscht dahin und strömt und schwillt : – bis er im Meer die Sehnsucht stillt . Wenn Sie erst mein ganzes , bisheriges Leben kennen , werden Sie begreifen , was für einen überwältigenden Eindruck das auf mich machte , als ob plötzlich etwas Erlösendes durchbräche , wo früher eine dumpfe , undurchdringliche Masse war . Und dabei muß ich immer wieder an den großen Krummen im » Peer Gynt « denken , wie er im Nebel auf ihn losschlägt und nicht durchkann , und der Krumme antwortet : » Geh herum . « Aber wo er hinkommt , ist wieder dasselbe da und ruft : » Geh herum ! « Zuerst hab' ich das alles ganz allein durchlebt , aber es hätte mich einfach erstickt , ich mußte mit Detlev davon sprechen . Und da kamen wir uns wieder so viel näher , er hat mir dann auch die andern Bücher gegeben , und was waren das für Stunden , wenn wir zusammen darüber sprachen . Er arbeitet abends immer in meinem Zimmer , und da reden wir oft die ganze Zeit von alledem . Dann erzählte er mir auch von Ihnen , und ich versuchte , ihm das Verantwortungsgefühl auszureden , weil ich Sie so gerne kennenlernen wollte . Als ich Sie ein paarmal gesehen hatte , wußte ich ja gleich , daß wir uns verstehen würden . Und wie Detlev es dann durchsetzte , daß ich zu dem Tanzabend mitdurfte – sehen Sie , da hatte ich das Gefühl , als ob etwas Entscheidendes kommen müßte , jetzt oder nie . Sonst wäre es wieder an mir vorbeigegangen , und ich hätte in dem alten Elend weiterleben müssen . – Und nun ist es wirklich geschehen – als ich hinter Mama und Detlev nach Hause ging mit Ihrem Brief in der Tasche , dachte ich immer nur : jetzt kann kommen , was will , das können sie mir doch nicht mehr nehmen . Daß wir uns öfter sehen , wird allerdings schwierig sein , ich weiß schon gar nicht , wie ich immer zur Post kommen soll , um Ihre Briefe abzuholen – also wenn möglich , Mittwoch im Dom , die Tür beim Turm ist ja immer offen . Und nun leben Sie wohl – es kommt mir vor , als ob ich Ihnen so viel zu sagen hätte , daß es nie ein Ende nimmt . 8. März , nachmittags Eben komme ich von unsrer so schmählich zerrissenen Zusammenkunft im Dom zurück . Der Schrecken sitzt mir noch in allen Gliedern . Gott im Himmel , wenn mein Vater uns gesehen hätte – ich hätte mir auch denken können , daß er unserm Besuch die Kirchen zeigen würde . Und was der Kirchendiener wohl gedacht hat , als wir auf allen vieren zwischen den Bänken durchliefen . Es war eine gute Idee von Ihnen , denn sonst hätten sie uns sicher gesehen . Aber es war doch schön , daß wir uns wenigstens so lange in Ruhe unterhalten konnten . Glauben Sie nur nicht , daß ich Ihnen unsre häuslichen Verhältnisse übertrieben habe . – Seit wir hier sind , habe ich mit Mühe erreicht , daß ich den ganzen Tag in meinem Zimmer sein kann und nicht mehr nähen muß . Da habe ich mir mit einer spanischen Wand eine Art Atelier eingerichtet , wo ich male und modelliere . Aber es ist unmöglich , allein weiterzukommen – ich darf weder Modelle nehmen , noch mir Gipsabgüsse ausleihen . Meine Mutter findet , ich soll dann wenigstens » hübsche , brauchbare « Sachen – Geschenke , Porzellanteller usw. machen . Das fällt mir natürlich nicht ein , und so bleibt mir nichts übrig , wie meine alten Stiefel und ähnliches zu malen . Davon hab' ich schon eine ganze Galerie . – Ich weiß ganz gut , daß meine Mutter mich auf diese Weise zwingen will , nachzulassen . Aber ich lasse nicht nach . Es ist überhaupt ein fortwährender Krieg . » Jedermanns Hand wider jedermann . « Mit meinem Vater kann ich auch zu keinem Verständnis mehr kommen , er hat sich in letzter Zeit mehr um mich gekümmert , aber es ist doch zu spät . Ich kann mich nicht freundlich mit ihnen stellen , wenn ich sie zugleich fortwährend hintergehen muß . Und das wieder muß ich , um zu meinem Lebensrecht zu gelangen . Ein ehrlicher , offener Kampf würde mir gar nichts nützen , sie sperren mich dann höchstens noch mehr ein . Und was das Leben so schön macht , kann nicht schlecht sein . Wo bliebe dann die Wahrheit ? In all dieser verschrobenen Sittlichkeit und Moral ist ja doch kein Funke davon . Ich lese jetzt gerade » Die Frau « von Bebel und Lassalles » Leben « . Was ist das für ein Kerl , ich bin ganz weg , in den hätte ich mich wahnsinnig verliebt . Seine Flugschriften will ich jetzt auch lesen , Detlev hat sie ja . P.S . Die Mutter hat Detlev gestern gefragt , ob er etwa mit zu diesem abscheulichen Ibsenklub gehörte , wo die Mädchen mit jungen Männern über unmoralische Sachen sprächen und zusammen Ibsen läsen . – Sie hat in einer Gesellschaft davon gehört . Natürlich waren Sven Olafson und die Schwestern Seebald damit gemeint , aber wer mag den Namen Ibsenklub aufgebracht haben ? Vielleicht haben wir Detlev jetzt bald so weit , daß ich die alle einmal kennen lerne . Übrigens hat Mama bei dieser Gelegenheit auch noch gesagt : » Friedrich Merold ist doch der einzige Nette von deinen Freunden . « – Sie scheinen also doch guten Eindruck gemacht zu haben . 20. März Es ist morgens um fünf Uhr – beim Aufwachen fiel mein erster Blick auf die Blumen von Ihnen , die noch immer blühen . – Ich stehe jetzt immer so früh auf , um mehr Zeit für mich zu haben , und diese stillen Morgenstunden sind das schönste am ganzen Tag . Früher in Nevershuus lief ich oft so in der Frühe auf die Wiesen hinaus und manchmal heimlich durch die Stadt zum Strand . Es war so schön , ganz allein am Meer zu sein , ich habe oft noch Heimweh danach . Aber was hätte ich für ein Leben geführt , wenn wir dort geblieben wären – jetzt scheint doch wenigstens hier und da ein Lichtstrahl durch die Türspalte . Und das tut auch wirklich not . Gott , was ist das für ein Familienleben , mir schaudert , wenn ich gleich zum Frühstück hinunter muß . Den ganzen Tag gibt es Auseinandersetzungen und Szenen , wo nur zwei in einem Zimmer beisammen sind . Sagt einer : das ist weiß , so schreit gleich der andere : nein , was fällt dir ein – schwarz ist es . Und alles hat Nerven , selbst die Hunde sind nervös bei uns und fangen an zu quieken , wenn zu laut gesprochen wird . Aber es ist Zeit , ich muß hinunter , leben Sie wohl , bis wir uns wiedersehen . Ellen . 28. März Wenn wir uns doch bald wiedersehen könnten , ich habe Ihnen so viel zu erzählen . Vorgestern nahm Detlev mich nun wirklich mit zu Seebalds , und Olafson war zuerst auch da . Es wurde über die » Frau vom Meer « gesprochen , über Murgers » Zigeunerleben « und über freie Liebe . Und dann erzählte Olafson von Paris . Wie kann er wundervoll reden – wenn er sprach , schwiegen alle still , aber ich glaube , uns war allen zumut , als ob man laut schreien müßte vor Begeisterung oder weinen oder irgend etwas ganz Verrücktes tun . Was sind das alles für Menschen , endlich einmal wirkliche Menschen , ohne Schablone und voll Künstlertum und Freiheit . Es ist einem , als ob man sein Leben lang taub , blind und stumm in einer Höhle gesessen hätte und nun zum erstenmal sieht , zum erstenmal menschliche Stimmen hört , die ins Leben rufen . Nachher zeigte Lisa uns ihre Skizzen . Gott , wenn ich denke , daß man auch einmal so hinauskönnte . Sie fanden es alle entsetzlich , daß ich so eingesperrt bin , besonders Marga , die ja auch Ihre besondere Freundin ist . Ich bin sehr angetan von ihr – man sieht , daß sie ihren Lebenskampf mit Stärke und Entschlossenheit kämpft . Später gingen wir mit der ganzen Gesellschaft zu Allersens . – Sie haben ganz recht : das düstere , alte Haus paßt wunderbar zu diesen Menschen . Die zwei Schwestern saßen in großen Lehnstühlen und sahen aus wie seltsame schwarze Blumen . Anita spielte mit einer kleinen Katze – von der anderen weiß ich nicht , wie sie heißt , und der Bruder mit dem Christuskopf stand am Fenster . Sie sagten alle sehr wenig , aber man fühlt , daß sie es auch nicht nötig haben , so viele Worte zu machen wie wir anderen . – – das war ein ereignisreicher Tag für mich , ich finde , das Leben wird jetzt mit jedem Tag schöner und reicher . Und ich bin mitten drin , nun lasse ich es nicht wieder fahren . 14. April Kaum eine Stunde ist es her , daß wir uns trennten – nur die Rose , die im Glas vor mir steht , sagt mir , daß ich nicht geträumt habe – daß wir jetzt für immer zusammengehören . Friedl , ich hätte Dir noch so unendlich viel zu sagen , aber ich kann nicht . Es ist , als ob die ganze Wirklichkeit um mich versunken wäre – ich weiß nur noch unsre Liebe , und daß uns nichts mehr trennen kann . Abends Und dieser Tag ist verschont geblieben von all den Dissonanzen , die mich sonst quälen und zerreißen . Ich war ganz alleine mit den Eltern , und es fiel ausnahmsweise kein böses Wort zwischen uns . Mein Gott , und wenn sie einmal mit mir so sind , fühle ich auch wieder , wie ich sie im Grunde doch liebe . Ich war in einer so weichen Stimmung , daß ich ihnen am liebsten um den Hals gefallen wäre . Gute Nacht , Geliebter , meine ganze Seele ist bei Dir und gehört Dir . Mein Fenster steht weit offen , die Luft ist voller Frühling , und in mein Leben ist zum erstenmal Sonne gekommen . 21. April Hab Dank für Deinen Brief – wenn Du wüßtest , wie mich Deine Worte glücklich machen und auch wieder traurig . Ach , Friedl , daß wir jetzt an eine lange Trennung denken müssen , wo wir uns eben erst gefunden haben – das ist sehr schwer . – Aber es war schon lange festgesetzt , daß ich für diesen Sommer zu meinen Verwandten sollte . Länger wie ein halbes Jahr können sie mich hier zu Hause ja nicht ertragen . Aber sieh , wir können ja auch aus der Ferne alles miteinander teilen – wir müssen um unsrer Liebe willen alles ertragen , und ist es nicht geradeso schön , daß niemand darum weiß ? – Und ich weiß doch nicht , wie ich nur einen Tag ohne Dich leben soll , und nun erst Wochen und Monate . – – Ich muß Dir heute abend noch ein Wort schreiben und Dir immer wieder sagen , wie glücklich ich bin . Endlich – endlich ist es Frühling geworden , und ich komme mir wirklich vor wie ein Baum , der Knospen treibt . Ich sehe nun endlich das Leben vor mir liegen – in Schönheit und Freiheit , nur die letzten Schranken gilt es noch einzurennen , und sie sollen und müssen fallen . Herrgott , wir sind ja noch so jung – die paar Jahre , bis ich mündig bin , werde ich wohl noch aushalten , und dann soll keine Macht der Welt mich zwingen , noch zu bleiben . Sollte ich etwa mit gebundenen Händen immer weiter zusehen , wie man mir mein Leben zertritt , bis die Jugend vorbei ist und alles zu spät ? Nein , siehst Du , Friedl , ich muß hinaus aus alledem , sonst gehe ich innerlich zugrunde . – Und denke Dir nur , wie göttlich es werden kann , wenn wir beide in München wären – Du studierst und ich male , und wir lieben uns , wie noch nie zwei Menschen sich geliebt haben . – Ich sitze oft stundenlang da und stelle mir das alles vor , und es wird immer leuchtender in mir . Aber es macht vor allem Deine Liebe , und daß ich jetzt endlich einmal fühle , was Glück ist – da blüht dann auch alles andre auf . Sag mir immer wieder , jeden Tag , daß Du mich lieb hast – Ich küsse Dich tausendmal – – 24. April Warum kamst Du gestern nicht ? Du fehltest mir so unter den anderen . Gerade dann , wenn es lustig und laut ist , kommt mir auf einmal eine solche Sehnsucht nach Dir .