1 Die Geschichte hebt an um die Zeit , da unser lieber Herr bereits seine Himmelfahrt getan , den Heiligen Geist gesandt und das Heu auf den Wiesen gut und dürr genug gemacht hat zum Heimfahren . Um diese Zeit haben die Weibsleute draußen auf dem Lande gemeiniglich ihre großen Wasch- und Putztage ; denn nach altem Brauch und Herkommen räumt man noch vor Beginn der großen Ernte mit dem ganzen rußigen Nachlaß des Winters gründlich auf . Da weißelt und tüncht man Stuben und Kammern , Kuchel und Speis , Hausflöz und Stall , verschönt den ganzen Bauernhof und putzt ihn säuberlich heraus , auf daß der Segen Gottes um so lieber Einkehr darin halten möcht . Und die Vorhänge und Polsterziechen , das Linnen und Bettzeug wird gewaschen und gebleicht , damit es wieder frisch und sauber ist und seine Schuldigkeit tut so lange , bis die Bäuerin das Kirchweihmehl in die Truhe siebt und das Schmalz ausgängt und siedet für Krapfen und Küchl . Beim Schiermoser zu Berganger aber haben sie heut noch einen besonderen Grund zu solcher Stöberei und Arbeit : Ihre langjährige Sommerfrischlerin , die verwitwete Frau Rechtsrätin Scheuflein , hat für die nächsten Tage ihre Ankunft gemeldet . Nun sind ja im allgemeinen die Stadtleut keine absonderlich willkommenen Gäste auf dem Land . Aber so im besonderen macht doch manche Bäuerin eine Ausnahme und läßt ein paar von den Städtischen in ihren üppigen Flaumbetten schlafen . Freilich nur gegen gutes Entgelt . Denn umsonst ist der Tod , und der kostet das Leben . Und wenn sie auch darüber brummt , daß ihr die » verhungerten Stadterer den Schmalzhafen , die Mehltruhen und die Eierschüssel leer fressen « , so ist ihr das Geld , welches die Sommergäste bei ihr sitzen lassen , doch eine so willkommene Nebeneinnahme , daß sie willig für etliche Wochen auf ihren Groll gegen sie vergißt . Denn der Hunger nach Profit ist bei jeder Bäuerin so groß , daß sie gern auf weiß Gott was alles verzichtet , wenn nur ihr Geldbeutel Nutzen davon hat . Und dann ist doch auch noch die Nachbarin da ; wenn die hörte , daß drüben beim Nachbarn Sommergäste abgewiesen wurden , so liefe sie ihnen sicherlich nach und böte ihnen die beste Stube des Hauses an , bloß um die andere zu ärgern ! Darum schränkt man sich über Sommer ein , so gut man nur kann . Das eheliche Schlafgemach wird zur Rumpelkammer , in der man alles aufstapelt , was sonst in den verschiedenen Kammern hing , lag und stand . Da türmen sich Pappschachteln mit Strohhüten , Pelzen , Atlaskränzen und Brautkronen ; Totenkränze hängen neben Flachszöpfen und Kümmelbüscheln , Honighäfen stehen neben Schnapskrügeln und Spinnradeln , und zwischen Schüsseln mit Bienenwaben liegen Berge von Flickwäsche . Darunter aber sind die Schätze an Eiern und Schmalz verborgen , die man nicht jedem zeigen will , der ins Haus kommt . Hat die Bäuerin Kinder , so liegen sie während dieser Zeit droben im Gret , auf dem Vorplatz neben der Stiege , immer zwei in einer mageren Betthaut . Und die alte Großmutter muß es sich auch noch gefallen lassen , daß man ihr eine zweite oder dritte Bettstelle in das Austragstüblein rückt , darin noch ein paar Söhne oder Töchter des Hauses ihre Schlafstatt einrichten . Und dann werden die guten Stuben und Kammern gekehrt und geschrubbt , von Spinnweben gesäubert und mit Rupfenplachen belegt . Aber nur ein paar Monate lang hält die Bäuerin dies Leben aus . Nur während der Zeit der Ernte , da sie selber entweder viel mit ihren Leuten auf dem Felde ist oder aber den ganzen Tag in Stall und Küche werkt und den Hof versorgt , indes die andern Weizen , Korn und Grummet einernten . In diesen Tagen hat sie nicht Derweil , die Stadtleut viel zu betrachten und sich über ihr Tun zu ärgern ; im Herbst aber oder gar im Frühjahr , da ist sie anders . Da kann ihr kein Sterbensmensch auf Gottes Erdboden ungelegener ins Haus kommen als so ein Stadtfrack ! Und es kann kein Städter etwas Ungeschickteres tun , als sich in einem Bauernhof einzuquartieren , ehe die Erde und die Sonne ins Zeichen der Hundstage tritt . Darum findet man auch heute die Schiermoserin greinend und brummend über den Unverstand der Stadtleut , die mitten unterm Heuen und Ausweißeln daherrumpeln , an dem endsgroßen Waschzuber stehend und eine Bettzieche um die andere reibend und schwenkend . » Naa , naa . Wia i halt sag : lange Haar , kurzer Verstand , hoaßts . Und d' Stadtleut ham überhaupts koan , wähn i. Sinst kunntens oan net scho im Auswärts aufm Gnack hocka . Daß s' net glei scho auf Liachtmeß oder z' Weihnachtn in d' Sommerfrisch gehn ! Jetz' , kaam daß der Schnee weg is . Mitten unterm Heuen und Ausweißeln ! « – Sie werkt und hantiert wütend weiter und kann nicht aufhören , über die Städter im allgemeinen und die Rechtsrätin Scheuflein im besonderen zu wettern . Daneben an der Waschbank steht ihre jüngste Tochter , die Barbara , seift und bürstet grobe Hemden und singt dazu mit weinerlicher Stimme ein rührseliges Lied vom Herzverbittern und Vonmirgehn . Und dazu schleppt eine Magd in zwei Eimern bald kaltes , bald heißes Wasser herbei und läßt geduldig ein Donnerwetter ums andre über sich ergehen , weil sie der Schiermoserin zu langsam , der Barbara aber zu schnell werkt , der einen das kalte und der anderen das heiße Wasser über die Füße gießt und endlich gar noch der alten Großmutter , die strickend und nörgelnd auf der Hausbank sitzt , den knallroten Wollknäul mit ihrem klappernden Holzschuh in eine trübe Wasserlache stößt . Drinnen in der Wohnstube aber werkt der alte , taube Großvater , taucht den langgestielten , altmodischen Malerpinsel in die himmelblaue Kalkbrühe und streicht bedächtig Fleck um Fleck , bis zu guter Letzt die ganze Stube gleich dem sommerlichen Himmel draußen im schönsten Blau erstrahlt . Danach trägt er seinen Farbkübel hinaus in die Kuchel , mischt ein Päcklein helles Gelb unter den blauen Kalk und beginnt sodann auch hier das Werk der Verschönerung . Des Schiermosers zweite Tochter , die Mariedl , hantiert derweil in den fertigen Räumen frisch mit Schrubber und Besen , und der Ochsenbub zieht bedächtig rings an den getünchten Wänden mit dunkelbrauner Farbe breite Striche als Zierde und Abschluß und pfeift dazu den neuesten Gassenhauer . So hat ein jedes im Haus seine Arbeit . Draußen auf den Wiesen aber werkt der Schiermoser mit den Knechten und Dirnen . Die einen mähen , die andern wenden , und die dritten wiederum häufeln das trockene Heu und führen es heim . Des Schiermosers einziger Sohn aber , der Franz , war zu Holzkirchen auf dem Viehmarkt und fährt nun gemächlich heimzu . Langsam läßt er den Braunen über die bergige Straße hinauftraben und pfeift dazu die Melodie eines derben Landlers . An der Wegkreuzung zwischen Straß und Au steht der Hof des Straßlerbauern . Und hinter der Streuschupfe des Hofes steht die Nanndl , des Straßlerbauern Tochter , und schaut auf das herankommende Fuhrwerk des Schiermoserfranzl . Denn die Nanndl wär in ihrer Seel nicht abgeneigt , einmal Schiermoserin zu werden . Als daher der Franzl in ihre Nähe kommt , begrüßt sie ihn mit breitem Lachen und fragt : » He du ! Wo aus denn ? « » Hoamzua « , erwidert der Franzl und will weiterfahren . Aber die Nanndl fragt weiter : » Wo kimmst denn her ? « » Vo Holzkirch . Am Viehmarkt bin i gwen . « Nun hält er doch sein Fuhrwerk an . Denn die Nanndl wird anzüglich . » Hast dir nachher a saubers Stuck außagschaugt ? « » Balst eppa a zwoahaxats moanst , nachher muß i naa sagn ! « erwidert er ihr schmunzelnd und steigt vom Wagen . » D' Holzkirchener Kaibeln san gar net darnach , daß oana an Fiduz drauf kriagn kunnt ! « » Ja no « , meint die Nanndl , » du bist aber aa glei a so a hoaklicher ! Bis dir amal epps taugt ... « Sie lacht kokett . Der Franzl faßt sie um die Hüften . » Moanst , daß d' mir du net taugen tätst ? « fragt er halblaut und sucht ihren Mund . Die Nanndl lacht laut und geziert auf . » Du bist aber a Schlankl , du ! « Sie entwindet sich seinem Arm . » Ja , ja . Zum fürn Narrn Halten tät dir wohl jede taugn , gell ! Aber zum Heiratn ... « » Geh , brummel net , Dirndl ! « unterbricht der Tropf ihre Betrachtung und verschließt ihr den Mund auf eine Weis' , daß sie das Weiterschwatzen von selber vergißt . Dann lacht er belustigt auf , steigt auf sein Fuhrwerk und ruft : » Zum fürn Narrn haltn hast gsagt , gell ! Zu epps andern taugts aa net , ös Weiberkittel übereinand ! Hüa , Alter ! Fahr zu ! « Und er fährt davon , indes die Nanndl dasteht und ihm mit einem Gemisch von Zorn und Sehnsucht nachschaut , bis er hinter den ersten Bäumen des nahen Waldes verschwunden ist . Mit der Erkenntnis , daß alle Mannsbilder , besonders aber der Schiermoserfranzl , lose Rüpel seien , geht sie aufseufzend wieder zurück ins Haus zu ihrer Arbeit . Der Franzl aber versetzt seinen Braunen in einen frischen Trab , rückt das Plüschhütl keck aufs linke Ohr und singt : » Aber gell , du Blauaugete , Gell , für di tauget i , Gell , für di war i recht , Wann i di möcht ! « 2 Des Schiermosers Franzl ist gerade am Tage des heiligen Antonius fünfundzwanzig Jährlein alt geworden , hat außer seinem körperlichen Ebenmaß und seinem strohgelben Schnurrbart auch noch einen ebenso blonden Lockenkopf und dazu ganz dunkelblaue Augen . Dies alles schätzen die Weiberleut der Umgegend an ihm . Seine Kameraden aber und die Burschen der Gemeinde achten sein manniges Wesen und seine bäuerische Schlauheit , zählen auf sein gegebenes Wort und fürchten ihn in seinem Zorn . Was ihn aber besonders seinem Vater lieb und wert macht , ist seine Brauchbarkeit zu allem , was den Schiermoserhofund sein Gedeihen betrifft . Soll ein Roß vertauscht oder eine Kuh gehandelt , ein Stadel gebaut oder Geld auf die Bank gelegt werden , der Franzl wird zuerst darüber gehört . Und hat er einmal eine Sache als gut und recht befunden , so dürfte der ganze übrige Schiermoserhof und ganz Berganger dazu dagegen sein ; es würde doch nur so gemacht , wie der Franzl meinte , und nicht anders . Denn erstlich hatte er die drei Jahre drinnen in der Residenz bei den schweren Reitern gedient und sich dabei so ausgezeichnet , daß man ihm die goldenen Borten des Unteroffiziers auf die königsblaue Reitermontur setzte , und dann war er ein ganzes Jahr auf einem wirklichen königlichen Gutshof gewesen als Oberschweizer . Ein naher Verwandter hatte nämlich daselbst eine Verwalterstelle , und der gute Vetter wollte nun auch dem Franzl einen Einblick in den Betrieb einer solchen Wirtschaft geben , auf daß es ihm einmal droben in seinem Schiermoserhof zu Nutz und Frommen gereichen möchte . Also hatte Franz doch allerhand gesehen , gehört und gelernt und konnte wohl ein Wörtlein mitreden , wenn es sein mußte . Er tat dies auch zur rechten Zeit und brachte allmählich einen ziemlich neumodischen Zug in die väterliche Wirtschaft ; allerdings sehr zum Verdruß seiner Mutter , die alles , was neu oder aus der Stadt war , haßte und verwarf , und nicht minder zum Ärger seiner Großeltern , der alten Schiermoserleut , die in allem Neumodischen eine Quelle von Unkosten , Verdruß und Unbehagen sahen und viel lieber an dem Althergebrachten und Gewohnten hingen . Aber , wie gesagt , es half nichts , daß die drei anderer Meinung waren . Franzl hatte recht , auch wenn er einmal nicht ganz recht hatte , und sein Vater , der selber schon immer ein wenig zu den modischen Bauern und ihren Maschinen hielt , stand fest auf seiten seines Sohnes . Wie wars doch gewesen damals , als der neue Motorpflug auf den Schiermoserhof kam und die Dreschmaschine ? Natürlich , der Franz hatte das Zeug beim Herrn Vetter droben im königlichen Gutshof gesehen , und sofort hieß es : » So a Motor muaß her und so a Maschin . Da hat ma grad mehr die halbate Arbeit und dabei den doppelten Nutzen . Dees langweilige Drischeldreschen paßt mir eh scho lang nimmer . Den ganzen Winter wieder aufn Dreschbodn außegfriern ! Mir waars recht ! « Wohl fuhr die Schiermoserin mit Himmel Kreuz und Laudon dazwischen und plärrte : » Nix da ! So viel Geld außeschmeißen ! Sinst nix mehr ! Ös mit enkern neumodischen Graffel . So lang i no a offens Aug hab , werd mit der Drischel ' droschen , daß ihrs wißt ! Bal i amal gstorbn bin , könnts vo mir aus mit den Dreschflegl toa , was's mögts . Und an Motorpflug ! Zu was mir an Motorpflug brauchen , möcht i wissen ! Für was mir an Stall voll Roß habn , möcht i wissen ! ... « Was halfs ? Umsonst war ihr Greinen . Der Franzl hatte geredet , und der Alte reiste sofort zum Herrn Vetter , ließ sich die Neuheit zeigen und kam heim mit der Botschaft : » Auf d' Woch müaßts den neuen Motorpflug von der Bahn holn und die neue Dreschmaschin . « Jawohl . So wars . Und so gings mit dem elektrischen Licht und mit der Gsottmaschine , mit der Zentrifuge und mit der Wasserleitung . Alles Neue , was irgendwo den Kopf in die Höhe streckte , mußte her . Denn der Herr Sohn hatte geredet . So wars , und so ist es auch heute noch ; und gerade am Tag , da der Schreibebrief von der Frau Rechtsrätin Scheuflein mit der Botschaft kommt , daß sie , ihre Frau Schwägerin Adele und ihre Tochter Rosalie die Absicht hätten , nächsten Samstag wieder in Berganger und auf dem Schiermoserhof zu landen und daselbst den Sommer über zu verbleiben – gerade an dem Tag zeigt es sich wieder , daß Franz Schiermosers Wille der allein maßgebende ist und daß der ganze Hof nach seiner Pfeife zu tanzen hat , gehe es , wie es wolle . Grad um die Abendessenszeit ist es . Die Schiermoserin steht greinend und brummend in der Kuchel und kann erst die Nudelpfanne nicht finden und dann das Backschäuferl , darauf die Schmarrenschüssel nicht und zuletzt den Dreihax . » Mit enkana Ausweißlerei und Umanandräumerei ! « wettert sie . » Dee Kuchel hätts leicht no to bis zum Kirta ! Aber naa , ausg'weißelt muaß werd'n ! Zwegn dene Stadtscheesen da ! Mir moanat schon , der Kini kaam oder der Kaiser ! Mir woaß' ja do , daß nix dahinter is hinter dera Rechtsrätin und ihrane Töchter ! Und hinter der andern alten Schachtel aa net ! Was aus der Stadt kemma ist , hat no nia eppas taugt ! No gar nia net ! « Und da ihr Mann , der Schiermoser , in die Kuchel kommt und sich dreinmischt , indem er meint : » No , grad gar so unrecht sans net , insane Sommerfrischler ! Mir muaßt scho d' Kirch beim Dorf lassen – sie ham alleweil schee zahlt ! « , da fährt sie ihn giftig an : » Natürli ! Er , der ganz G'scheite ! Dees glaab i ! Solln 's net vielleicht no schuldi bleib 'n aa ! Is's no net Sach gnua , daß ma's geduldt , die Stadtg'sellschaft ! Daß mir net amal mehr Herr is über sei Sach ! Derf ma sich sei Haus voll anräuma lassen – und d' Betta z'sammliegn – und's Gras zertreten – und d' Sach ausschnüffeln ... « In diesem Augenblick treten der Großvater und die Großmutter in die Kuchel , und die Alte weiß sogleich , um was es geht : » Und da hat's aa ganz recht , d' Wabn ! « unterbricht sie ihre Tochter , die immer noch Wabn von ihr genannt wird . » I habs aa gar net mit dene Sommerfrischler ! Daß s' guat zahln ... no ja , dees is wahr . Aber Gaude hat mir aa grad gnua damit ! Grad gnua , sag' i. Und alle Daama lang fragns di epps anders – und möchtns epps anders – und wissens epps anders ! – Is 's eppa net wahr , Vata ? « Sie schreit die letzten Worte ihrem tauben Eheherrn ins Ohr . Und der Alte lacht mit seinem zahnlosen Mund , lacht übers ganze Gesicht und meint : » Ja , ja . Recht warm is gwen . Recht scheene Täg ham mir . Da trückert d' Sach guat ! « Und vergnügt zündet er seine Pfeife an . Der Schiermoser aber wiederholt eigensinnig : » Mir muaß d' Kirch beim Dorf lassen . Gar so zwider is 's net , d' Frau Rechtsrat . Und wenn die andern Sommerfrischler habn , kinnan mir aa oa habn . Dees ist koa Schand net . Dees g'hört zum Verschönerungsverein . « Damit hat er 's aber ganz und gar verdorben bei den zwei Weibsbildern , und er muß sich ein schönes Donnerwetter gefallen lassen . » Zum Verschönerungsverein ! « ruft die Schiermoserin giftig aus , und die Alte meint ; » Weil 's scho so schee san , die Stadterer ! Hint mager und vorn dürr ! Und z'sammgricht wie d' Spatzenscheuchan ! Da balst mir net gehst mit dera Verschönerung ! « » Und mit enkam neumodischen Glump überhaupts ! « fängt die Wabn wieder an , » mit enkane Genossenschaften und Verein übereinand ! An Raiffeisenverein ließ i mir ja no g'falln .... aber ... « Franz Schiermoser tritt im selben Augenblick ein . » Was is 's mit'n Raiffeisen ? « fragt er . » Ah nixen . « Die Schiermoserin stößt wütend in dem Mehlschmarren herum , während sie es sagt . Und die Alte geht schnell hinaus . Aber sie kommt sogleich wieder , denn die Neugier plagt sie doch zu stark . Der Schiermoser aber sagt grad in dem Augenblick zu seinem Sohn : » A Kreiz is 's halt mit dee Weiberleut . Auf amal paßt eahna d' Reditsrätin nimmer . « Worauf die Schiermoserin heftig erwidert : » Dee hat mir no nia net paßt ! Daß ihr 's wißt's ! « Da hält die Alte ihre Zeit für gekommen , auch dreinzureden . » No ja « , meint sie , » mir tuat eahna ja nix wega . Aber mir hätten aa ohne Sommerfrischler auskemma kinna . Mir hätten durchaus gar koa braucht . Gar koa . Dessell sag 'i . « Und ihre Tochter fährt abermals giftig dazwischen : » I hab's no gar nia net mögn , die Stadtfrackn. I hab' mi alleweil gespreizt dagegen . Aber no , insaroana is ja der Garneamd ! Insaroana hat ja daherin nix mehr zum Redn , seitdem daß der Bua 's Mäu offa hat ! ... « Bis hierher hat sie ihr Sohn ruhig reden lassen . Jetzt aber fährt er ihr doch wild ins Wort . » Und jetzt glangt's nachher , sag' i. Und an Ruah möcht ' i hab'n ! Und insane Sommerfrischler bleib 'n da , so lang sie 's g'freut , und bals da san , sans da . Verstanden ! Und bals net a so g'macht werd da herin , wias recht und richti is , nachher geh' i ! Auf der Stell geh' i ! Nachher kinnts mit fremde Leut wirtschaften . Daß d' es woaßt . « Das hilft . Die Schiermoserin werkt mit brennrotem Kopf und klappert mit Tellern und Tiegeln , aber sie erwidert kein Wort mehr . Und die Alte läuft eilends davon . Der Schiermoser aber pfeift gellend durchs Haus und ruft die Leut zum Essen , indes der Franz ruhig , als wäre nichts gewesen , fragt : » Gibts a Milli oder an Tauch zum Schmarrn , Muatta ? « Darauf ihm die Schiermoserin bockig erwidert : » An Tauch . – Zweschbn . « – Und also ist es bestimmt , daß die Frau Rechtsrätin Scheuflein , ihre Tochter Rosalie und ihre Schwägerin Adele am nächsten Samstag zu Schiermosers aufs Land gehen . 3 Als der nun in Gott ruhende Rechtsrat Scheuflein dies zeitliche Dasein segnete , beweinten ihn eine trostlose Gattin , drei Töchter und eine Schwester ; so konnte man es wenigstens am nächsten Tag im Abendblatt lesen . Leider war dies aber auch schier alles , was er den kommenden Tagen als Vermächtnis hinterließ , obgleich es ganz anders hätte sein können . Denn er stammte von Eltern her , die ihrerseits alle Vorbedingungen späterer Wohlhabenheit mit auf diese Erdenwelt brachten . Seine Mutter war die einzige Tochter eines reichen Kauf- und Schiffsherrn zu Hamburg gewesen . Aber , wie es schon so geht im Leben : eines Tages sanken bei einem heftigen Seesturm drei seiner Frachtschiffe , als sie , beladen mit reichen Schätzen , dem heimatlichen Hafen zusegelten . Damit versank dem Alten leider das größte Teil seines Vermögens , und er nahm sich den Verlust so zu Herzen , daß er in ein hitziges Fieber fiel und kurze Zeit darauf starb . Nach seinem Hinscheiden führte die kaum zwanzigjährige Tochter noch eine Weile die Geschäfte ; allein sie wurde von den sogenannten Freunden des Hauses bald so sehr übervorteilt und betrogen , daß der Ruin unausbleiblich schien . So blieb ihr nur die Wahl : entweder dienen oder heiraten . Dies letztere erschien ihr noch als das Glücklichere , um so mehr , als sich gerade in jenen Tagen ein tüchtiger junger Rechtsanwalt aus Bayern um sie bewarb . Dieser brachte den Rest der Schiffe und Waren vorteilhaft unter den Hammer und verlegte seine Praxis in das alte Patrizierhaus seines Vaters zu München . Bald hatte er sich einen glänzenden Namen gemacht und besaß nun ein so hohes Einkommen , daß nach seinem Abscheiden alle seine Kinder , acht an der Zahl , lachende Erben hätten werden können . Aber leider : wenn einen der Teufel reitet , geht 's ins Verderben . Der kaum fünfzigjährige Mann wurde plötzlich von der fixen Idee gepackt , er müsse sich unbedingt um eine Staatsstellung bewerben ; denn wenn er nun heut oder morgen stürbe , hätte ja seine Wittib mitsamt den Kindern nicht einen Pfennig Pension . Das Vermögen , welches er ihnen hinterließ , dachte er , würde bei einer Teilung durch neun sicherlich nicht ausreichend sein , um alle so zufrieden zu machen , wie er dies wünschte . Diese närrische Idee nun brachte ihn dazu , daß er seine glänzende Praxis aufgab und Amtsrichter wurde . Sein Einkommen verminderte sich allerdings dadurch auf ein Viertel des früheren ; aber bei seinem Ehrgeiz konnte er es bald zum Gerichtsrat bringen . Leider half auch dies nicht viel , denn das Unglück wollte , daß er noch dreißig Jahre lebte und also nach und nach alles zusetzte , was er als Rechtsanwalt verdient hatte . So kam es , daß nach seinem Hingang die Witwe samt ihren Kindern in Verhältnissen dastand , die nicht gerade rosig genannt werden konnten . Und als bald darnach auch sie das Zeitliche gesegnet hatte , machte die Teilung des Erbgutes dem Rechtsrat Scheuflein und seinen sieben Geschwistern zwar viel Arbeit , aber wenig Freude . Der Rechtsrat , als der Jüngste , heiratete sofort nach dem Heimgang seiner Eltern die Tochter eines gänzlich verarmten adeligen Majors um ihrer schönen Augen willen . Und da ihm das hübsche Mädchen außer einem Herzen voll warmer Zuneigung und einem Kopf voll überspannter Ideen nicht viel in die junge Ehe einbrachte , so wurde auch durch sie der Geldsäckel der Scheufleins nicht voller . Seiner sonst glücklichen Ehe entsprossen drei Töchter , und so mußte sich nach seinem Wegscheiden die verwitwete Frau Rechtsrätin mit diesen und einer nicht allzu reichlichen Pension schlecht und recht durchbringen . Von den sieben Geschwistern des Rechtsrats war das älteste ein Mädchen namens Adele . Dieses Fräulein blieb unverheiratet und schloß sich ganz an den jüngsten Bruder , den Rechtsrat , an . Und nach seinem Tode zog sie , in richtiger Erwägung und Einschätzung der Verhältnisse , ganz zur Schwägerin und half ihr mit dem wenigen , was sie ihr eigen nannte , rechtschaffen über die Misere des täglichen Lebens hinweg . Dies war auch durchaus notwendig ; denn die Rechtsrätin , infolge ihres Standesbewußtseins erhaben über jede Berufsarbeit , hatte nicht das Zeug in sich , durch eigene Kraft ihren Kindern mehr als des Tages Notdurft zu bieten . Und als ihre beiden größeren Töchter das Glück hatten , unter die Haube zu kommen , da wäre es der Witwe wohl schlechterdings unmöglich gewesen , ihnen nur eine einigermaßen standesgemäße Aussteuer mitzugeben , wenn nicht Fräulein Adele auch hier helfend eingegriffen und ihre Sparpfennige geopfert hätte . Denn die beiden Mädchen wurden von Kavalieren geheiratet , die zwar ziemlich betagt , aber sehr vornehm und vermögend waren ... Also war nur mehr die Jüngste , Rosalie , im Hause . Aber auch um diese Tochter brauchte die Rätin sich nicht viel zu sorgen ; Tante Adele hatte auch hier ein offenes Auge und ein gutes Herz für die Bedürfnisse des jungen Mädchens . So kümmert sich also die Schwägerin fast mehr als die Mutter um das Wohl des Hauses und erntet dafür manches Dankeswort von der Rechtsrätin . Trotz ihrer Dankbarkeit aber kann diese sich nicht recht erwärmen für Adele . Eine schier unüberbrückbare Kluft steht zwischen ihnen , und es gibt alle Augenblicke kleine Unstimmigkeiten und Reibereien unter ihnen . Dies ist aber ganz natürlich ; denn erstlich ist Fräulein Adele bürgerlich – absolut gut bürgerlich . Frau Rechtsrat Scheuflein aber ist Aristokratin vom Kopf bis zu den Zehen – trotz ihrer Armut . Und Fräulein Adele ist keine Freundin des Adels , ganz besonders des verarmten ; wie sie ja überhaupt alle sogenannten Titel ohne Mittel verabscheut und alle Vornehmtuerei verachtet . Da ist nun vor allem die Lebenshaltung der Rechtsrätin , die ihren Unwillen und Widerspruch fast täglich herausfordert . Wie man als vermögenslose Witwe eine vornehme Wohnung im teuersten Stadtviertel bewohnen kann , das ist ihr ganz rätselhaft , und ebensowenig begreift sie , daß die Schwägerin immer noch einen Salon , ein Speisezimmer , ein » Boudoir « haben muß . Schon das Wort Boudoir treibt ihr die Galle ins Blut und die Zornesröte auf die Wangen . Daß man echtes Porzellan und gutes Silberzeug , feinen Damast und teures Kristall auf dem Eßtisch hat , ist ja auch in guten Bürgerkreisen Brauch und ein Zeichen behäbigen Reichtums . Aber alles dies ist nur schön , wenn eben auch der Inhalt dieser Platten und Schüsseln ihrer Beschaffenheit entspricht . Aber so , wie es bei der Rechtsrätin Brauch ist : außen hui und innen pfui – so hatten es die Scheufleins nie gehalten ! Da gab es an den Wochentagen Suppe , Fleisch und Gemüse ; an Sonntagen aber bog sich schier die Tischplatte unter der Last des schweren Bratens , all der Zutaten und der leckeren Nachspeisen ! Eben kommt die gute alte Dame wieder in die Küche und trifft Rosalie , die jüngste Tochter des seligen Rechtsrats , beim Kochen an . Sie hebt den Deckel von einem dampfenden Hafen und zieht die Nase hoch : » Was gibt 's denn heut wieder Grünes , Roserl ? Das riecht ja wie meine Heublumenbäder ! « Ihre Nichte schält eben Kartoffeln und erwidert etwas verlegen : » Ach , du weißt ja , Tante Adele : nichts Besonderes . Mangoldspinat und Kartoffelschnitz . « Und mit einem Seufzer fügt sie hinzu : » Wenn 's doch endlich mal soweit wär' , daß wir wieder zu Schiermosers gingen ! In der Sommerfrische konnte man sich doch wenigstens satt essen um sein Geld ! « Die Tante nickt . Aber sie kann es nicht unterlassen zu sagen : » Das könntet ihr auch hier ganz gut , wenn ihr nicht mit eurer überspannten Vornehmheit euch selbst und die anderen belügen würdet ! Aber nein , da muß der › Jour fixe ‹ her und müssen Seidenfähnchen her , und die Loge im Theater muß auch her ... Ach was ! – Ich mag gar nimmer reden ! Bei deiner Mutter ist ja doch Tauf und Chrisam verloren ! « Sie geht erregt aus der Küche . Aber nachdem sie wieder etwas ruhiger geworden ist , fällt ihr der Seufzer ihrer Nichte wieder ein : » Wenn wir doch wieder bei Schiermosers wären ! « Natürlich ! Das ist doch das einzige Glück , daß man den Schiermoserhof als Zuflucht hat ! – Daß man sich jeden Sommer bei Milchschüsseln und Schmalztöpfen , bei Eiern und Nudeln wieder erholen kann von der Traurigkeit des armseligen Stadtwinters ! Sofort wird sie mit der Schwägerin reden ! – Sofort ! Und sie läuft augenblicklich hinüber in das Speisezimmer , wo die Rätin eben das Silberbesteck aus dem Schrank nimmt . Schwägerin ! « » Adele ? « » Ich hätt' eine Frage . « Die Rätin setzt ihren goldenen Kneifer auf die etwas große Hakennase und schielt hinüber zur Standuhr . » Wenn 's nicht zu lange dauert , meine liebe Adele ; – du weißt , das Essen wird bald auf den Tisch kommen ! « Doch das Fräulein Schwägerin macht eine wegwerfende Handbewegung und meint : » Ah was ! Laß es kommen ! Ist ohnehin bloß wieder das alte : Grünfutter mit Pomm de Terr ! – Ich möcht' wissen , ob du eigentlich schon an die Sommerfrische gedacht hast ? Ob du was Bestimmtes im Aug ' hast ? « Sie setzt sich gemächlich aufs Sofa . Die Rechtsrätin nimmt den Kneifer wieder ab und seufzt . » Nn ... ja ... das heißt ... ich wollte eigentlich mit Rosalie nach Baden-Baden ... oder sonst in ein Bad ... du verstehst doch , Adele ... « Aber das Fräulein versteht durchaus nicht . » Ins Bad ! « ruft sie aus . » Ins Bad müssen sie ! – Jetzt möcht' ich bloß wissen , was die Rosel in einem Bad soll ! « » Gott , du weißt doch , Adele ... Es ist doch nur , daß Rosalie ... « » Einen Mann kriegt ! Natürlich ! – Und dazu braucht's ein Bad . Ich sag ' dir bloß , Schwägerin : Sie sind auch in Bädern nicht zu dick gesät , die Dummen ! « » Adele ! « » Na ja , sei nur still ! – Wenn einer , der von Haus aus schon was Besonderes ist – der es dann auch noch zu etwas Besserem gebracht hat – also zum Beispiel zu einem Konsul oder einem Attaché oder was dergleichen Herren mehr sind , ... ich meine , so einer heiratet kein Fräulein Habenichts . Selbst wenn die Mama des Fräuleins eine › von ‹ Habenichts war ! « » Aber Adele ! Ich verbitte mir dergleichen ! « Ja , ja ... Ich weiß schon , daß ich grob bin . Aber ich sehe , daß deine beiden andern Töchter mit ihrer vornehmen Heiraterei nicht gut gefahren sind ... « » Sind meine Schwiegersöhne nicht Kavaliere ? « Die Rechtsrätin steht wie eine Truthenne , der man ein Junges nehmen will , vor der Schwägerin . Aber die läßt sich nicht so leicht einschüchtern . » Jawohl , Kavaliere « , sagt sie , » das sind sie . Aber wenn ich ein junges , fesches Mädel wär' , niemals würde ich mir so einen alten Gecken nehmen , wie deine beiden Herren Schwiegersöhne ein paar sind ! Lieber die Frau eines hübschen Handwerkers oder eines jungen Bauern – als die Gemahlin eines solchen Barons ! « In diesem Augenblick kommt Rosalie mit den Tellern zur Tür herein und sieht , daß die Mutter ganz grün und gelb ist vor Zorn . » Aber Mama ! « ruft sie aus . » Aber Tante Adele ! – Habt ihr euch schon wieder gezankt ! « » Leider ja « , erwiderte die Tante , der es doch leid tut , daß sie sich hat fortreißen lassen von ihren Gefühlen . » War's wieder meinetwegen ? « » Allerdings . Deine Mutter möchte dich in ein Bad bringen . « Rosalie lacht . » Ach ja ! Die alte Leier ! Einen Goldfisch oder einen Blaufelchen angeln ! « » Rosalie ! « Die Rätin schnappt nach Luft . Aber ihre Tochter beruhigt sie : » Reg dich doch nicht so auf , Mama ! Was redest du denn immer vom Heiraten ! Ich denk' doch noch gar nicht daran ! – Ich bin doch erst dreiundzwanzig ! – Und ich erspar' dir doch eine Köchin , ein Stubenmädchen , eine Jungfer – eine Schneiderin ... « » Und wirst alt und grau dabei ! « entgegnet ihr die alte Dame . Aber die Tante mischt sich abermals ein . » Alt und grau ! « ruft sie . » Daß ich nicht lach' ! Also , Rosel – verstehst – das eine sag' ich dir : Bleib so , wie du bist . Und laß dir deinen Gaul nicht scheu machen ! – Und jetzt schlagen wir zwei unsere Sommerfrische vor : Wir gehen wieder nach Berganger zum Schiermoser ! « Die Rätin wehrt ab : » Nach Berganger ! – Ausgeschlossen ! Wieder in dies Nest ! In dieses ewige Einerlei und zu diesen Bauern ! « Aber Rosalie meint : » O Mama , ich finde , wir haben uns doch immer sehr wohl gefühlt bei Schiermosers , die Jahre her ! « Und Fräulein Adele fügt hinzu : » Jawohl . Und gut erholt haben wir uns auch immer . Und das ist doch schließlich der Endzweck einer Sommerfrische – nicht das Heiraten ! – Warum soll man dem Mädel die Freude nicht machen , wenn sie gern zu den Leuten geht ! « Rosalie deckt verlegen und geschäftig den Tisch , indes die beiden Damen sich immer weiter zanken wegen der Sommerfrische . Ihr ist nicht wohl zumut ; denn sie haßt diese Auftritte . Daher sagt sie auch jetzt einlenkend : » In Gottes Namen , Tante , gehen wir halt nicht nach Berganger , wenn Mama ein so großes Unglück darin sieht . « » Das ist es auch ! « ruft die Rätin und springt auf . » Oder nennst du es etwa Glück , wenn ich zusehen muß , wie ihr beide verbauert ! Besonders Rosalie ! Das Mädchen vergißt ja seine ganze Erziehung da draußen ! Läuft mit dem Dienstvolk herum und mit diesem Sohn , dem Franz ... « Aber Tante Adele fällt ihr sogleich wieder gereizt ins Wort , und das Ende vom Lied ist , daß die Rätin schließlich doch Ja und Amen sagt und verspricht , daß sie mitreist nach Berganger . » Na also ! « sagt da die Tante . » Da kannst du ja Schiermosers gleich schreiben . Oder warte : ich mach 's gleich selber ... « Sie holt eine Postkarte und den Bleistift und schreibt : » Liebe Schiermoserleut ! Wir kommen nächsten Samstag . Gruß ! Adele Scheuflein . « » Soo « , sagt sie darauf zufrieden , » und jetzt bring in Gottes Namen deine verdammte Grünkost auf den Tisch , Roserl ! « 4 Es ist also nun bestimmt , daß die Frau Rätin samt Tochter und Schwägerin den Sommer abermals in Berganger verbringen werden . Zwar versucht die alte Dame noch einige Male , ihre Zusage in ein Nein zu verwandeln , aber trotz Tränen und Bitten , Wutausbrüchen und Ohnmachten ist es ihr nicht möglich , Tante Adele von dem einmal gefaßten Entschluß abzubringen . So bleibt ihr denn nichts weiter übrig , als etliche Taschentücher zu zerreißen , ein paar Tassen zu zertrümmern und darnach seufzend die Koffer zu packen . Zwei Tage vor der Abreise aber gibt sie noch einen Abschiedstee für ihre beiden verheirateten Töchter , deren Gatten und einige Freunde des Hauses ; freilich sehr zum Ärger der Schwägerin , die solcherlei Dinge als durchaus überflüssig verachtet . » Man möcht schon wirklich meinen , eine Polarfahrt stünd uns bevor , so ein Getue hast du ! « So brummt sie , als sie die Einladungsbriefe der Rätin liest . » Ich erfülle nur meine gesellschaftliche Pflicht ! « entgegnet ihr diese spitz . » Natürlich ! Und vor lauter Pflichterfüllung vergißt du , daß zu solchen Dingen auch Geld notwendig ist ! Diese Leute wollen doch auch bewirtet sein ! « » Werden sie auch ! « » Aha . Und womit , wenn man fragen darf ? « Die Rätin springt erregt auf . » Fängst du nun schon wieder an mit deinem trostlosen Schulmeisterkleinkram ! « Tante Adele steht schmunzelnd vor der kleinen , aufgeregten Frau . » Allerdings . Denn dieser Abschiedstee droht wirklich trostlos zu werden ! « Die Rätin schleudert ihr einen wütenden Blick zu . » Wieso ? « » Weil zu einem solchen Tee etwas mehr gehört als Tassen , Tee und Wasser ! « » Und wer sagt dir , daß es das nicht gibt , was dazu gehört ? « » Euer Geldbeutel . Unsere Rosel bat mich bereits gestern um einen kleinen Haushaltszuschuß . « Dies ist allerdings bitter für die selbstbewußte Frau . Und für diesmal muß sie die Waffen strecken und um Gnade bitten . » Was ? So viel haben wir schon wieder aufgebraucht ? Ja , wie ist denn das nur möglich , liebe Adele ! « Die Schwägerin erwidert achselzuckend : » Kunststück ! Deine paar Kröten und dazu die Preise ! Was früher eine Gans kostete , das kostet heute schon ein Gericht aus Blumenkohl ! Ich weiß nicht , was aus euch werden sollte , wenn nicht meine Kreuzer allemal wieder das Feuer im Herd anzünden würden , sooft 's zu verlöschen droht ... « Die Rätin nickt . » Ja , das ist wahr . Immer wieder bist du da . Immer wieder hilfst du . Aber warte es nur ab , liebe Adele ; du erhältst alles wieder zurück . Alles , auf Heller und Pfennig . Laß mich nur machen . Wofür hab ich denn reiche Schwiegersöhne ! « Das frag ich mich auch manchmal « , entgegnet ihr die Schwägerin ironisch , » denn viel Profit hast du noch nicht gehabt an ihnen ! « » Allerdings nicht . Aber das kam daher , weil ich nichts von ihnen wollte , liebe Adele . Ich habe nie etwas angenommen , sooft mir die beiden auch Hilfe anboten . « Sie spielt verlegen mit der Schnur ihres Kneifers , da sie die ungläubige Miene der Schwägerin sieht . » Du kannst mir schon glauben , liebe Adele ! Soundso oft haben die Mädels gesagt : › Mama , sollen wir dir was borgen ? ‹ – Es war ja nicht viel , was sie mir hätten leihen können ... « Tante Adele fährt erregt herum . » Leihen ! Hast du jetzt nicht gesagt › leihen ‹ ? Die eigenen Töchter ! Und dabei sitzt jede schön warm und weich im Flaum ! – Liebe Schwägerin , ich will dir was sagen . Laß das mit deinen Schwiegersöhnen . Wir kommen auch ohne Hilfe von dieser Seite durchs Leben . Laß dir nicht hineinschauen in den Geldbeutel . Du schadest damit nicht nur dir , sondern auch den beiden Kindern . Diesmal muß ich dir schon recht geben : Lad sie nur alle zu deinem Abschiedstee . Ich will ihnen schon zeigen , daß bei uns noch lang nicht Matthäi am letzten ist . Lieber heirat' ich selber noch in meinen alten Tagen einen Rothschild ! Der Tee soll nichts zu wünschen übriglassen . « Die Rätin ist gerührt . » Du bist so gut , Adele . Aber , laß nur ! Sobald Rosalie untergebracht ist , ersetze ich dir alles . Und ich hoffe , daß ich das Mädel bald unterbringe . Ich habe bereits zu dem Zweck Schritte getan . Die Angel ist ausgeworfen , und einer , glaube ich , hängt bereits . Ich meine den Assessor von Rödern . Er ist wohlhabend , hat eine sehr ehrenvolle Laufbahn vor sich , und , was die Hauptsache ist , er liebt Rosalie sehr . Laß mich nur machen , liebe Adele . Daß Rosel nicht so lieblos gegen mich sein wird wie ihre Schwestern , davon bin ich überzeugt . – Und sollte das mit dem Assessor nicht werden , so habe ich ja noch den Rittmeister , den Baron . Also . Daß ich dir einmal alles auf Heller und Pfennig gutmachen kann , das weiß ich bestimmt . Heute schon . « Die Schwägerin wendet sich zum Gehen . » Es ist schon recht . Ich weiß schon . Und das weiß ich auch , daß für unsere Rosel weder ein Rittmeister noch ein Assessor , noch sonst so ein geschniegelter Herr paßt . Daß die was anderes braucht . Was Kerniges , Bürgerliches oder so . Na ja , kommt Zeit , kommt Rat . Und auch der richtige Eheherr , hoff' ich . – Und jetzt geh ich und back einen Kuchen für die Teegesellschaft . « Damit verläßt sie das Zimmer und läßt die Rätin verblüfft und gekränkt zurück . Rosalie Scheuflein ist ein großes , gesundes und resolutes Mädchen und fesselt gar manchen Mann durch diese Tugenden wie auch durch ihr rassiges Gesicht und ihre stattliche Figur . Trotzdem ist sie noch ohne geheime Wünsche und ohne jenen Kummer , an dem andere dreiundzwanzigjährige Mädchen gemeiniglich leiden und der seinen Ursprung in der Liebe hat . Höchstens , daß sie sich manchmal den einen oder anderen » Kavalier « vorstellt und nüchtern abwägt , was ihn ihr gefällig machen könnte und was ihn ihr lächerlich macht . Die mißliche Vermögenslage ihrer Mutter verhindert sie auch , jene Orte aufzusuchen , an denen sonst junge Mädchen ihre Natürlichkeit und Anmut verlieren ; nämlich Pensionate , Tanzschulen , Damenkränzchen und dergleichen mehr . Dagegen steht sie von früh bis spät in der Küche und werkt und kocht und sorgt für das Wohl ihrer Mutter und der Tante . Sie findet nichts Beschämendes darin , daß sie nicht wie andere Mädchen ihres Standes Hände so weiß wie Alabaster und Fingernägel gleich einer Haremsdame hat ; aber sie würde es als eine Schande erachten , wenn andere Hände als die eigenen die Federn ihres Bettes schüttelten oder ihre Stube fegten . Eben ordnet sie die Wäsche für den Sommeraufenthalt zu Berganger in die Reisekörbe ; da kommt Tante Adele in die Küche . » Roserl ! Hast net ein Viertelstünderl Zeit für mich ? « ruft sie . » Ich möcht gern mit dir ein bissel was zum Tee backen . « Rosalie nickt . » Einen Augenblick . Gleich habe ich's . « Im Nu ist die Wäsche in den Körben , und gleich darauf steht das Mädel schon mit der Teigschüssel und dem Kochlöffel am Küchentisch . » So , ich bin schon da , Tante ! « meint sie . » Aber , kannst du mir vielleicht sagen , mit was ich dieses Teezeugs machen soll ? Das bissel Mehl und Butter und die paar Eier brauch ich morgen fürs Mittagessen . Wenn du mir jetzt das Zeugs verbrauchst , kann ich euch morgen nicht mehr füttern ! « Tante Adele schmunzelt . » Schlimm , mein Mädel ! Recht schlimm ! Da muß ich denn doch nachschaun , ob sich nicht in einer Geldbeutelfalte noch irgendein verkrüppelter Zwanz'ger findet . Die Mama muß doch ihren Abschiedstee kriegen und du deinen Hochzeiter ! « Rosalie runzelt die Stirn . » Wieso ? Ich versteh dich nicht , Tante ! « Adele erklärt es ihr näher . Soviel ich weiß , hat die Mama auch ein paar heiratslustige Angelgoldhechte eingeladen , und nun meint sie , daß bestimmt einer anbeißt , sobald er zwei Tassen Tee und ein Wurstbrot vertilgt hat . Ich fürcht ' aber , daß wir unbedingt auch noch etliche Teebrezeln und einen Guglhupf mit Zibeben an die Angel binden müssen . Was sagst du dazu ? « Ihre Nichte steht mit hochrotem Kopf da . » Hör doch auf mit deinen schlechten Witzen , Tante ! « ruft sie ärgerlich . » Du weißt genau , daß ich keinen mag von diesen Rittern ! « » Freilich weiß ich das ! « lacht Adele . » Aber deine Mama weiß es nicht . Wills nicht wissen . Die baut fest auf den Rittmeister und auf den Assessor ! Da kannst halt nichts machen . Blaublütige Mütter denken halt so , und wir simpeln Bürgergreteln denken anders . « Rosalie rührt verlegen einen Teig an . » Ich weiß schon . Sie möcht halt , daß ich auch versorgt wär' und daß ich ihr dann ein bissel was zukommen ließe . Ich kann ihr aber nicht helfen . Ich heirat' noch nicht . Mir gefällt keiner . Vorläufig bleib ich noch bei euch . « Damit ist die Unterhaltung ins Stocken gekommen , die beiden rühren und kneten , kochen und backen und sorgen also , daß der Ruf des Hauses Scheuflein ein guter bleibe . Die Rätin aber hat inzwischen eine Mantille aus Spitzen um die Schultern gelegt , setzt das vornehme englische Hütchen auf und trägt nun die Einladungsbriefe , um das Porto zu sparen , selber zu den Adressaten . Eilig und scheu betritt sie überall das Haus , huscht vorsichtig die Treppen hinauf und wirft die Briefe in den Kasten oder steckt sie in den Türspalt . Klopfenden Herzens horcht sie darnach , ob niemand die Stiegen heraufkommt , und eilt endlich , so schnell ihre alten Füße dies vermögen , wieder von dannen . Bei ihren Töchtern ist es ihr bereits geglückt und beim Assessor gleichfalls . Beim Rittmeister aber öffnet sich gerade in dem Augenblick , da die Rätin das Brieflein in den Kasten stecken will , die Tür , und heraus tritt eine elegante junge Dame , gefolgt vom Rittmeister , der eben fragt : » Hast alles , Schatz ? Hast die Handschuh und den Schirm ? « Worauf die Dame sich lachend nach ihm umwendet und sagt : » Mhm . Das heißt : etwas hab ich noch nicht – den versprochenen Kuß ... « Bumms ! Die Tür fliegt noch mal zu , und dahinter ertönt Kichern und Lachen . Wie gejagt rennt die Rätin die Stiegen hinab ; um eine Hoffnung ärmer geht sie nach Hause . Frau Rittmeister wird sie wohl kaum werden , ihre Rosalie ... Daheim legt sie trüben Sinnes ihre Mantille ab , steckt sich die künstlichen weißen Lockentuffen frisch auf und holt sich eine Handarbeit aus dem Nähtisch . Ob die Verhältnisse sich bei ihr wohl noch einmal bessern werden ? ... Draußen in der Küche schlägt Rosalie eben einen Hefeteig fein , da schrillt die Klingel . » Herrschaftseiten ! Grad jetzt , wo ich auf und auf voller Mehl bin ! « brummt das erhitzte Mädchen und schüttelt sich die wirren Haare aus der Stirn . » Geh , Tante , magst nicht du aufmachen ? « Adele nickt und bindet schnell die Schürze ab . » Ich mach schon auf . « Draußen aber an der Gangtür kommt sie in einige Verlegenheit . Denn vor ihr steht , angetan mit Gehrock und weißen Handschuhen , in der Linken den Zylinder und in der Rechten einen Fliederstrauß , der Assessor , verbeugt sich fast bis zum Boden und frägt dann nach der Rechtsrätin . Tante Adele wird schwül zumut . » Au weh zwick ! « denkt sie im stillen . » Das sieht ja schier aus wie eine Brautschau ! Jetzt , fürcht' ich , geht 's dem armen Mädel doch an den Kragen . « Laut aber sagt sie : » Gewiß , Herr Assessor , meine Schwägerin ist z' Haus . Bitte , treten S' doch näher ! « Und sie weist ihn mit einem Gemisch von Sorge und Unwillen im Gesicht in den Salon . Die Rechtsrätin sitzt immer noch grübelnd am Fenster ihres Boudoirs , als die Schwägerin eintritt . » Herr von Rödern ist da . « » Ach ! Was der wohl will ? « Adele räuspert sich unwillig . » 'n Fliederbuschen hat er dabei « , sagt sie rauh ; » wegen der Rosel wirds halt sein . « Die Rätin springt auf . » Was sagst du ? Blumen hat er ? – Du glaubst , er wollte wirklich ? Mein Gott , das wär ' ja wunderbar ! « Sie läuft aufgeregt und planlos hin und her . » Sag , ich komme sofort ! Im Augenblick komm ich ! Nein ! So ein Glück ! So ein Glück ! « Die gute alte Dame ist ganz außer sich vor Freude . Kaum vermag sie ihren Spitzenschal um die Schultern zu legen und die Lorgnette gleichgültig in der Hand zu halten , während sie die Tür zum Salon öffnet . Tante Adele aber schleicht betrübt über den Gang und tritt traurig in die Küche . » Wer ist denn da gewesen , Tante ? « Sie überhört Rosels Frage . » Tante Adele ! Wer da war , hab' ich gefragt ! « Die alte Dame hört nicht . Sie klappert mit den Hafendeckeln und Tiegeln und werkt mit hochrotem Kopf . Rosalie weiß nicht , was sie von diesem Benehmen halten soll . Aber sie erhält bald Aufklärung , denn Tante Adele unterbricht plötzlich ihre Arbeit und sagt rauh : » Hör jetzt auf mit deiner Arbeit , Rosel . Besuch ist da für dich . « » Für mich ? Ja , wer denn ? « Sie steht hilflos vor der alten Dame . » Tante Adele ! Du hast was ! Sag , wer ist denn da ? « Da bricht's auch schon los , das Gewitter . » Ah was ! Dein Herr Zukünftiger ! Der Herr Bräutigam ! Deiner Frau Mama ihr letzter Strohhalm ! Natürlich der Herr Assessor ! Da möcht ich schon noch lang fragn ! So geschmacklos kann ja bloß der sein , daß er einem auch noch das letzte Kind aus dem Haus holt ! « Sie bricht plötzlich in Tränen aus und bemerkt nicht , wie die Rätin unter der Tür steht und mit vor Rührung unterdrückter Stimme sagt : » Rosalie ! Willst du nicht einen Augenblick zu uns in den Salon kommen ? Zieh aber schnell das Hellseidene an ! Ich habe dich eben verlobt . « Mit diesen Worten verläßt die Rätin auch schon wieder die Küche und eilt in den Salon , wo der Herr Assessor eben entzückt ein Brustbild seiner Braut betrachtet . – Rosalie aber ist schier vom Schlag gerührt . Sprachlos starrt sie zur Tür , in der eben noch die Rätin stand . Erst die Mahnung der Tante , sie müsse sich doch umziehen und schön machen für den Herrn Bräutigam , bringt sie wieder zu sich . Und nun beginnt sie zu toben und zu stampfen , sich zu wehren und zu beschweren gegen diesen Überfall auf ihre Person , ihre Freiheit , ihr Leben ! Aber es nützt nichts . Genau so erging es ja auch den Schwestern ! Die wurden so wenig gefragt wie sie jetzt ! Die Mutter verhandelte hinter ihrem Rücken mit dem Bewerber , und erst nachdem das » Geschäft « erledigt war , wurde mit viel Gefühl und Rührung dem » Engelchen « und » Täubchen « der Zukünftige in die Arme gedrückt ! » Aber ich , ich mag nicht ! Ich sag' nein , und wenn mich die Mama aus dem Haus jagt ! « ruft Rosalie ein ums andere Mal aus . » Ich laß mich nicht so mir nichts , dir nichts an einen hinketten ! Ich mag ihn nicht , diesen Gecken ! « Schweren Herzens redet ihr die Tante zu ; denn ihr ist ungut zumut . Endlich ist das Mädchen angekleidet und folgt widerstrebend der sie führenden Tante , fest entschlossen , nein zu sagen . Aber da sie die Freude der Mutter sieht , da sie den wohlgepflegten jungen Mann vor sich sieht , die herzlichen Worte seiner Werbung hört , da sinkt ihr Kopf immer tiefer , und endlich sagt sie leise : » Ja . Ich will versuchen zu denken , daß ich Ihre Verlobte bin . Der Mama zulieb . « Adele ballt ihre Fäuste . Wie lange soll 's wohl in der Welt noch so gehen , daß des Menschen Glück dem Geldsack , der Versorgung oder dem Egoismus anderer geopfert wird ? Sie bringt es nicht übers Herz , ihrem lieben Mädel irgendein leeres Wort des Glückwunsches zu sagen . Aber sie drückt dem blassen , nichts weniger als glücklich aussehenden Mädchen fest die Hand . Die Rätin tupft sich mit dem winzigen Spitzentuch bald die Augen , bald die Nase und umarmt wiederholt das » liebe Kindchen « . Rosalie aber bittet , ob sie sich nicht wieder zurückziehen dürfe . So will denn das Geschick , daß der Abschiedstee zugleich der Verlobungstee Rosaliens wird , zu dem sie sich selber den Verlobungskuchen gebacken hat . 5 Vor dem kleinen Bahnhof zu Glonn steht der altmodische schwere Landauer der Schiermosers , der Hochzeitswagen des Hofs seit mehr denn einem Menschenalter . Er ist zwar unkommod und dem Franz nicht nobel genug ; aber bis jetzt ist es diesem noch nie eingefallen , daß man ja einen neuen anschaffen könnte . – Heute zum erstenmal fällt es ihm schwer , die Sommergäste immer noch in der » wackligen Kalesche « , in dem » Rumpelkarren « , wie er die Kutsche immer wieder nannte , abzuholen . » Sakra « , meint er am Bahnhof halblaut für sich , » die werdn sich aa denka : Beim Schiermoserbauern hausens rückwärts ! Jetzt hams alleweil no den alten Marterkarrn ! – Aber i muaß gähend wirkli amal um an andern schaugn . I kenns selber ein . « Damit breitet er eine Roßdecke über den brüchigen Ledersitz und zündet sich eine kurze Pfeife an . Die beiden Rappen scharren schon ungeduldig ; da ertönt das Signal , daß der Zug eben die letzte Spanne seiner Fahrt durchläuft . Unwillkürlich zupft Franz Schiermoser seinen Rock zurecht , rückt das grüne Samthütl gerad und klopft die Pfeife aus ; denn er weiß : Stadtdamen gegenüber hat man leider Gottes andere Saiten aufzuziehen als gegen seinesgleichen . Da biegt das Züglein auch schon um den Berg , rattert über die Brücke des Mühlbachs und fährt schließlich rauchend und prustend in den Bahnhof ein . Franz rührt sich kaum vom Fleck . Langsam gleitet sein Blick über alle hin , die durch das Gitter der Sperre drängen ; nur mit einem kurzen Kopfnicken erwidert er den Gruß des einen oder andern Ankommenden . Plötzlich aber durchfährt es ihn mit einem Ruck : die da drüben – die so flink aus dem Wagen springt und nun der alten Frau die Hand zur Hilfe reicht - , die ist es doch ! Die Rosel Scheuflein ! » Herrgott , is dees Madl sauber wordn ! « fährts ihm , ohne daß er 's will , durch den Sinn . Aber Rosalie läßt ihm nicht lang Zeit zu irgendwelchen Betrachtungen . Behend hilft sie nun auch der zweiten Dame , die Franz sogleich als die alte Rechtsrätin erkennt , aus dem Zug , überblickt rasch den Bahnhof und läuft mit dem Ruf : » Ach , da steht er ja schon , der Franzl ! « lachend auf ihn zu . Tante Adele gibt derweil schmunzelnd die Fahrkarten hin , nimmt der Rätin etliche Gepäckstücke ab und begrüßt sodann den Sohn des Schiermoserbauern aufs herzlichste . Nur Frau Scheuflein bleibt kühl und verzieht keine Miene ihres Gesichts , als sie Franz flüchtig die Fingerspitzen reicht und kurz : » Guten Tag , Herr Schiermoser ! « sagt . Sie fühlt sich eben nicht behaglich bei den Bauern . Der Unterschied ist doch zu groß , und die Erziehung war auf ganz andere Dinge und Lebenszwecke gerichtet . Für Rosalie aber bedeutet das Leben auf dem Lande wahrhaft eine Erholung . So wohl wie da heraußen und besonders droben auf dem Schiermoserhof hat sie sich nirgends gefühlt . Nirgends . – Auch nicht zu Hause . Die Art dieser Leute hat etwas Glückbringendes . Sie ist bodenständig und stämmig , nicht kränkelnd und voller Empfindlichkeit . Sie macht jeden , der sie versteht , zu einem festen und gesunden Menschen . Aber , um Bauernart zu verstehen , muß man den Bauernstand achten und schätzen . Und Rosalie schätzt ihn . Und sie liebt das Landvolk . Besonders aber die Schiermoserleute . Ist sie doch wie daheim in dem großen Bauernhof , in Haus und Stall , in Kuchel und Scheune ! Seit sieben Jahren ist sie nun jeden Sommer dort und fühlt sich immer wieder wie ein Kind vom Haus ! Sie lebt mit und werkt mit , sie ißt mit und ruht mit – mit allen , die auf den Hof gehören . Sie spricht ihre derbe Sprache . Sie hat gelernt , Sense und Rechen zu gebrauchen , Ochsen und Rösser zu lenken , Kälber zu tränken und selbst Kühe zu melken . Sie lachte mit , wenn es gute Zeit gab – und sie hat mitgeseufzt und mitgebetet , wenn der Schauer schlug oder der Blitz zündete . Und sie gilt als gleichberechtigt auf dem Hof . Der Bauer teilt bei der Brotzeit seinen Ranken Brot mit ihr und reicht ihr seinen Krug : » Trink aa amal ! « Die Töchter gehen mit ihr zusammen zur Arbeit , zum Tanz und in die Kirche . Die Alten im Haus nicken ihr wohlwollend zu , und das Dienstvolk freut sich , daß die feine Stadtjungfer keinen Stolz und keinen Dünkel kennt . Die Bäuerin freilich , die hat kein gutes Wort für sie . Die verachtet alles , was hinter Stadtmauern geboren und erzogen wurde . Für sie gilt nur das , was auf der heimischen Scholle wuchs . Aber darin gleicht sie ja der Rätin . Die denkt über die Bauern ungefähr dasselbe . Für sie sind die Landleute nicht viel mehr als ein notwendiges Übel – melkende Kühe - , arbeitende , Essen schaffende Tiere , denen man ein gutes Gesicht zeigen muß , damit sie nicht aufhören zu werken und zu geben . Darum fällt auch ihr Gruß dem Franz gegenüber so frostig aus . Doch das schadet der allgemeinen Wiedersehensfreude gar nicht . Franz fragt , Tante Adele fragt , und Rosalie erzählt und fragt bunt durcheinander , ohne sich irgendwie um das mißbilligende Kopfschütteln und die zornigen Blicke der Mutter zu kümmern . Schnell ist das Gepäck in der Kutsche untergebracht , und die beiden Damen nehmen auf den breiten , zusammengesessenen Polstern Platz . Rosalie soll den Rücksitz einnehmen , aber sie meint lachend : » Franzl , i setz mi zu dir ! I möcht sehn , ob i's Kutschieren net verlernt hab den Winter über ! « Und obgleich die Rätin über dieses beispiellose Betragen ihrer Tochter , die doch nun Braut ist , schier in Ohnmacht fällt , klettert das Mädchen doch lachend auf den Kutschersitz und ergreift die Zügel . » Hüh , Rappeln ! « Ein Schnalzen mit der Zunge , und dahin geht 's in lustiger Fahrt durch den Marktflecken , hinaus in die blühende Landschaft , vorbei an jungen Saatfeldern , duftenden Heuwiesen und hinauf über die Anhöhe , Berganger zu . » Und was macht der Vater , Franzl ? « fragt Rosalie so mitten unterm Reden . » Is er noch alleweil gsund ? Führt er 's Regiment no so wie sonst ? – Und wie geht 's der Großmutter und 'm Großvater ? – Und der Mutter ? – Hats d' Stadtleut alleweil no so dick wie früher ? Sinds ihr immer noch so zwider ? « Franz wird einen Augenblick verlegen . » Mei ' , Frailn Roserl , dees woaßt scho : sie is halt no oane vom alten Schlag , d' Muatta « , meint er dann , » sie woaß halt net anderscht . Und alle Tag älter und harber werds halt aa . Die alten Leut san alle mitanand a bißl zwider und seltsam , wähn i. « Dies letzte flüstert er ihr ganz leise ins Ohr , damit es die Rätin und die Schwägerin nicht hören . Als das Fuhrwerk die Anhöhe erreicht hat und Rosalie Berganger mitsamt dem großmächtigen Schiermoserhof vor sich liegen sieht , da kann sie nicht anders : sie lacht laut auf vor Freude und ruft aus : » Herrgott , Franzl , du kannst dir gar net einbilden , wie i mi freu , daß i wieder da bin ! Es ist mir grad , als tät i heimfahrn ! « Da streift sie ein langer Blick des jungen Bauern , und er denkt : » Schad , daß 's a Stadtmadl is . Dees waar a Bäuerin für mi gwen – oane nach dem neuen Schlag – a resche ... « Und er rückt ganz nahe an sie heran . 6 Rasselnd und polternd fährt das Fuhrwerk über den mit großen Feldsteinen gepflasterten Hof des Schiermoserbauern . Franz pfeift gellend durch die Finger , springt vom Wagen und hebt Rosalie mit einem Scherzwort herab von ihrem Sitz . Dann öffnet er den Schlag und ist den Damen behilflich beim Aussteigen . Dabei aber schielt er alle Augenblicke hinüber zur Haustür , die gegen alle Gewohnheit verschlossen ist . Nichts rührt sich . Der Hof scheint ausgestorben oder verlassen zu sein . Nur die Rösser im Stall stampfen hie und da , die Kühe rasseln mit den Ketten , und die Säue stoßen quiekende Laute aus . Kein Bauer , kein Knecht , keine Dirn und keine Tochter ist zu sehen . Den scharfen Augen Rosalies aber ist es nicht entgangen , daß sich sowohl drin in der Wohnstube wie auch droben im Austragstüberl der alten Großeltern die bunten Vorhänge ein wenig beiseite geschoben haben und daß sich nun die Gesichter der Schiermoserin und ihrer Mutter ganz nahe an die Scheiben pressen , um die Ankommenden verstohlen betrachten zu können . Franz hat abermals gepfiffen und entschuldigt sich nun bei den Gästen , daß er sie einen Augenblick hier allein lassen müsse . » I geh grad schnell durchn Stall ins Haus und mach enk auf ! « sagt er verlegen . » D' Muatta is leicht gar in Gottsdeanst ganga mit der Großmuatta . Und der Großvata hört ja nix . – Is 's enk recht , wenn i enk an Weidling voll Milli aufn Tisch bring und an Scherz Brot dazua ? Werds leicht hungri sein auf d' Roas auffe ! « Die beiden alten Damen sind so sehr mit ihrem Gepäck beschäftigt , daß sie kaum darauf achten , daß man ihnen hier einen so kalten Willkomm bietet . Rosalie aber weiß Bescheid . Doch sie ist nicht gewillt , sich zu ärgern oder sich die Zeit ihres Hierweilens durch irgendwelchen unliebsamen Zusammenstoß mit der Schiermoserin zu verbittern . Darum sagt sie mit dem freundlichsten Lächeln gegen die verschlossene Haustür hin : » Is scho recht , Franzl ! Mach 's nur , wie d' moanst . Wir machen keine Ansprüch , dees woaßt ja . Aber wenn der Vater oder d' Mutter hoamkommen , nachher sagst mir's . Ich hab ihnen was mitbracht . « Und damit hilft sie auch schon das Gepäck auf die Hausbank schaffen , die Rosse ausschirren und den Wagen in die Schupfe schieben . Der Schiermoser hat eben drunten in der Mooswiese mit seinen Leuten das letzte Heu zum Heimführen zusammengehäuft . Nun geht er gemächlich heimzu . Da findet er die Sommergäste vor der verschlossenen Haustür , und Franz sagt ihm zähneknirschend , daß von innen abgeschlossen und der Schlüssel abgezogen wär' und daß man weder hinein noch heraus könne . Und die Rätin beginnt auch bereits über die Unhöflichkeit des Landvolks zu nörgeln . Aber Tante Adele beeilt sich , dem Schiermoser zu versichern , daß man grad im Augenblick gekommen wär , daß es ja gar nicht eile und daß die Hausfrau wohl nicht allzu lange ausbliebe . » Oh , wir können leicht warten ! « meint sie freundlich . » Uns lauft der Tag alleweil nimmer davon ! Setzen wir uns halt derweil alle miteinander auf d' Hausbank hin und erzähln wir uns , wie's gangen hat den Winter ! « Mit diesen Worten setzt sie sich bequem neben ihr Gepäck und lacht dem Schiermoser fröhlich und gutmütig ins Gesicht . Und Rosalie hat bereits seine schwielige Hand ergriffen , schüttelt sie voller Übermut und sagt : » Ja , Schiermoservater ! Laß di grüaßen ! Hast es do noch derwarten kinna , bis i kommen bin zum Helfa ? « Und sie zieht den Bauern auf die Bank neben sich . » Alsdann ; geh weiter und hock di a bissl her zu mir ! Und erzähl mir epps vom Viech ! Wie steht 's im Stall ? Was macht der Ochs , der Blaß ? Und der Handige , der vorigs Jahr krumm ganga is ? – Soo , der is geschlagn ! Hat er viel Fleisch gebn ? Hat 'n der Metzger guat zahlt ? Und was macht d' Breitmoserin ? Gibts no alleweil so wenig Milli ? Und 's Öchsl vom Windbichler ? Werds was ? Habts sonst aa epps aufgstellt ? Hast gut verkauft ? « Mit solchen Reden hat sie den guten Schiermoser sogleich umgarnt , und schon nach der zweiten Frage ist er so weit , daß er Red und Antwort steht , sich mit ihr unterhält und ihr sein Tun und Handeln , ja sogar seine Pläne und Wünsche offenbart . Der Franzl steht eine Weile dabei und hört zu . Mittendrin aber setzt er sich zu ihnen und schwatzt auf das lebhafteste mit . Und wenn die Schiermoserin drin hinter dem Vorhang in ihrer Stube auch bebt vor Zorn , wenn sie gleich wettert über die Frechheit und Neugier der Stadtmamsell – sie kann es doch nicht ändern , daß die da draußen frei darauf vergessen , wo sie sind , daß sie Raum und Zeit für nichts achten und daß die beiden Männer jeglichen Unterschied vergessen zwischen Art und Stand und das Maidl betrachten als eine ihresgleichen . Die Rätin ist derweil verstimmt und gekränkt mit ihrer Schwägerin ums Haus gewandelt , hat sich sehr mißbilligend über den Duft des Misthaufens geäußert und schlägt nun gelangweilt mit dem Schirm etliche unreife Stachelbeeren vom Gesträuch am Gartenzaun . Und dies ist endlich der Anlaß , daß die Schiermoserin wie ein gereizter Truthahn in die Höhe fährt und blaurot übers ganze Gesicht wird . Daß sie den Hausschlüssel aus dem Rocksack zieht und die Tür aufschließt , in der Absicht , den Neuangekommenen daraufhin sogleich einen derben Willkommenslandler zu blasen ! Aber der ziemlich verrostete und vom Zahn der Zeit zernagte Hausschlüssel hindert sie daran mit aller Macht . Denn er will durchaus nicht aufschließen , soviel sich die gute Bäuerin auch müht und plagt und dabei schilt und greint . Und so bleibt ihr schließlich nichts übrig , als endlich das Fenster im Flöz zu öffnen und hinauszurufen : » Geh , macht oana auf draußt ! Da is der Schlüssel. I hab zuagschbarrt ghabt , weil i a weng geschlaffa hab . « Dies ist aber wiederum die Ursache , daß Rosalie sogleich die Hand und den Schlüssel der Bäuerin ergreift , daß sie eilends aufschließt und mit einem herzlichen , lustigen : » Grüaß di Gott , Schiermosermutter ! « abermals ihre beiden Hände erfaßt und schüttelt . Und sie schwatzt und erzählt , daß sie für jedes im Haus ein kleines Geschenk angefertigt hätte : für sie , die Schiermosermutter , ein Versehtuch , wie sie sich 's schon so lange gewünscht hätt auf ihren Hausaltar ; für ihn , den Bauern , einen gestrickten Leib für die grimmige Winterkälte , für die Dirndln seidene Schlipse , für die Alten ein Halstuch und gestickte Pantoffeln und für den Franzl einen Beutel zum Tabak , auf daß er doch endlich einmal die alte Stärkeschachtel abdanken könnt , in der er ihn bislang noch herumtragen müßt ! Während sie noch so erzählt und schwatzt , tritt auch Tante Adele herzu und hinter ihr die Rätin . Und auch sie begrüßen beide die Schiermoserin . Die Rätin freilich etwas frostig , die Tante aber dafür um so herzlicher . Adele Scheuflein hat auch wirklich so viel Gewinnendes in ihrem ganzen Wesen , daß sie es fertigbringt , die Bäuerin so zu erheitern , daß diese wiederholt hell auflachen muß . Damit ist also das Schlimmste überstanden , und die Sommergäste haben Zutritt zu Haus und Hof . Freilich , wegen der Versorgung mit Milch , Butter und Eiern droht abermals die Laune der Schiermoserin vom Guten ins Schlechte umzuschlagen , denn nichts kann sie mehr aus dem Häusl bringen als diese » verflixte Bettlerei « , wie sie es nennt . Und trotz der hohen Preise , die sie fordert , kann sie nicht anders : sie muß ihnen sagen , was sie denkt . » Gell , da san enk d' Bauern no guat gnua , daß s' enk z' Fressn gebn , enk Stadterer ! Jetzt möchts enk wieder außafuttern , daß 's im Winter a weng vom Balg zehrn könnts ! « Aber sie geht doch und holt das Verlangte . Die Rätin muß einen Augenblick ihr Riechfläschchen an die Nase halten , so sehr empört sie das » beispiellose Benehmen dieses Landvolks « . Ihre Tochter aber und die Tante finden die Geschichte ganz natürlich und lustig , pflichten sogar der Schiermoserin noch bei und bringen sie dadurch wieder in eine versöhnlichere Stimmung . Trotzdem hat der Schiermoser abends im Bett noch das Folgende von seinem Eheweib zu hören und es zu bestätigen : » Ausschaugn teans wia Vogelscheuchen , grea sans wia d' Jakobiäpfel im Mai , z'sammgricht sans wia dee Narrischn und habn teans gar nix . Koa Hoamatl , koa Viech und koa Sach und koa Geld . Wir müaßn eahna d' Steuern zahln und z' fressn gebn und arbatn vom Gebetläuten in der Fruah bis in d' Nacht eine , damit daß sie in eahnana Stadt drin faulenzen und umanand karressiern kinnan . A solcherne bal mir insa Bua daherbrächt – 's Kreuz taat i eahm abschlagn ! ... « Der gute Schiermoser hat längst zu schnarchen begonnen ; doch sie ist immer noch nicht zu End mit ihren Betrachtungen . Bis ihr endlich selber langsam die Augen zufallen und sich die abgerissenen Sätze des Vaterunsers in ihr Selbstgespräch mengen – bis sie hinübergegangen ist in die raum- und zeitlose Welt der Träume . 7 Die Rätin ist damit beschäftigt , ihre Sommerwohnung » menschenwürdig « zu gestalten , wie sie es nennt . Ein Wust von Decken und Spitzen , von Bildchen , Photographien und Nippsachen liegt um sie herum , und ein Berg von Schlummerrollen und Sofakissen türmt sich auf dem Tische auf . Eine Wolke von Wohlgerüchen strömt aus einem kleinen zerdrückten Körbchen , welches leider nur mehr die Scherben einiger Parfümflaschen und Hautkremdosen enthält . Die Laune der alten Dame ist ganz unerträglich , und sowohl Tante Adele als auch Rosalie haben sich gleich nach dem Frühstück aus dem Staub gemacht und sie ihrem Schicksal überlassen . Besonders Rosalie , die es herzlich satt hat , innerhalb einer Stunde etwa hundertmal zu hören : » Aber Rosalie ! Du bist doch verlobt ! Das schickt sich doch nicht für eine Braut ! Was soll denn dein Verlobter sagen , wenn er das und das und das erfährt ... « Unwillkürlich kommt Rosalie die Entgegnung auf die Lippen : » Na , so soll er 's doch erfahren ! Jetzt bin ich auf dem Land , und da leb ich so – und wenn ich wieder in der Stadt bin , leb ich wieder anders . Und mein Verlobter kann mir heut noch ... « Sie hält erschrocken inne und rennt mit hochrotem Kopf davon . Weh tun will sie der alten Dame , die so große Hoffnungen auf diese Heirat setzt , doch nicht . Da räumt sie lieber das Feld . Drunten beim Schiermoser ist bereits alles auf den Feldern und Wiesen bei der Arbeit . Nur die alte Großmutter sitzt wie immer auf der Hausbank und strickt an ihrem ewigen Strumpf . Und der Großvater steht unter der Stalltür und knüpft eine neue Geißelschnur an den Haselnußstecken , indem er halblaut vor sich hinschwatzt und murmelt . Da kommt Rosalie im bäuerischen Leibchenrock und hemdärmelig aus dem Haus , bindet sich eine blaue , härwene Schürze um und fragt : » Großmuatta , wo is der Schiermoser ? « » Warum fragst ? « erwidert die Alte zwischen Unwillen und Mißtrauen . » Weil i eahm heifa möcht « , erwidert Rosalie . » Soo , soo . Was möchst eahm denn nachher helfa ? « » No mei , was i eahm halt helfen kann . Z'sammrechan , häufeln , owerfa ... « » Ja freili ! Sinst nix mehr ! « ruft da die Alte aus . » Da kunnts weiter net zuageh ! Moanst , daß dee ohne di nix z'weg bringa ? Dee brauchan di net ! Aber scho gar net aa ! Ha ! Sie , d' Stadterin ! « Rosalie wird brennrot vor Zorn und Ärger über die » Stadterin « ; und sie kann nicht anders , sie muß der Alten zur Antwort geben : » Ha , daß jetzt die alten Weiber gar so zwider san ! « Dies ist aber nicht wohlgetan . Denn schon die Erwiderung der Großmutter : » O du Stadtschnappen , du zahnete ! « zeigt ihr , daß sie sich hier einen Feind geschaffen hat trotz Pantoffeln und Halstüchlein . Aber sie macht sich nicht allzu viel daraus . Summend geht sie zum Großvater hin und schreit ihm ins Ohr : » Werd heunt eingführt , weilst d' Goaßl neu machst ? « Und der Alte erklärt ihr , ohne sie ganz verstanden zu haben : » A neue Schnur hab i ei'knüpft , weil der Franzl nachher glei eispannt . Z'erscht fahrns in Kleepoint und nachn Essen a fünf a sechs Fuada Heu . « In diesem Augenblick kommt auch schon der kleine Ochsenbub gerannt und brüllt : » Eispanna sollst ! Den kurzn Truchawagn und d' Ochsen ! In Bruckmoser Klee hintre zum Franzl ! « Und damit rennt er hinein ins Haus und in die Kuchel , wo die Schiermoserin schwitzend vor dem Herd steht und Roggennudeln backt . » Brotzeit ! « schreit der Tropf , schneidet sich einen Ranken Brot ab , trinkt aus einer Schüssel voll abgeblasener Milch einen gehörigen Schluck und läuft darnach hinaus in die Speiskammer um das Bier für die Knechte . Rosalie hat derweil draußen dem Großvater geholfen , den Wagen aus der Schupfe zu schieben und die Ochsen einzuspannen . Und sie nimmt die neue Geißel , stellt sich auf den Wagen und ruft ganz in der Art und im Ton des Franz Schiermoser : » Wühlöh , Alter ! Geh , Handiger , geh ! Hüah , hottöh ! « Der Großvater schaut ihr lachend nach . Die Großmutter aber murmelt etwas von » frechem Stadtgesindel « und strickt dazu , daß die Nadeln klappern . Inzwischen kommt der Ochsenbub beladen mit Bier und Brot aus dem Haus und denkt , er könne seine Last schön auf den Wagen tun und sich selber gut dazu . Derweil sieht er aber das Fuhrwerk schon drunten am Feldkreuz um die Ecke biegen und gegen den Bruckmoser Klee zufahren . Also bleibt ihm nichts anderes übrig , als schwerbepackt hinterdrein zu tappen und sich gleichfalls sein Teil zu denken über die Städtischen . Rosalie ist's , als hätte sie niemals in ihrem Leben etwas anderes getan als Ochsen geführt . Mit einem Gemisch von Abscheu und Angst denkt sie an die Zeit , da sie als Frau Assessor von Rödern drinnen in der Stadt ihre Tage wird verbringen müssen ; da sie in vornehmen Badeorten wird herumstolzieren müssen ; da sie nie mehr wird dies sorglose und unbekümmerte Leben führen , nie mehr so wie heute wird fröhlich lachen können . Doch – noch sind ja die Tage gesunder Lust und fröhlichen Schaffens ! Noch kann sie ja lachen ! Noch ist sie ja ein freies Geschöpf unseres Herrgotts , das sich noch freuen darf über seinen Sonnenschein und an seiner Welt ! Eine große Lustigkeit überkommt sie , und sie begrüßt Franz , der mit einer Dirn den frischgemähten Klee zum Auflegen häuft , sehr munter und herzlich . » Gell , da schaust , Franzl ! « ruft sie , indem sie vom Wagen springt . » Auf den Ochsenbubn hast gar nimmer denkt ghabt ! « » Aber er is mir liaber wia der ander ! « erwidert dieser lachend . » Und wenn i a Stadtherr waar , nachher müaßt i no an schlechtn Witz macha : Da möcht i aa a Ochs sei , bal i an solchen Knecht kriagat ! « Rosalie droht ihm mit der Geißel . Dabei aber fährt ihr doch eine flammende Röte übers Gesicht ; besonders , da Franz sie auf Ja und Nein bei den Hüften faßt , in die Höhe hebt und mit seltsamem Lachen wieder auf den Boden stellt . » Du bist scho a sakrisches Luadamadl ! « sagt er heiser . » Du brachtest an Eiszapfa aa zum Siadn ! « In diesem Augenblick aber trifft ihn beißend ein Hieb mit der Geißel , Rosalie gebietet ihm wütend Schweigen und sagt rauh : » An Klee sollst auflegn ! « Da wendet er sich schnell und verlegen seiner Arbeit zu . 8 Nun sind es bereits vier Tage , daß die Rechtsrätin samt Tochter und Schwägerin auf dem Land ist . Und da fällt es der alten Dame plötzlich auf , daß Rosaliens Verlobter immer noch nicht geschrieben hat . Daher fragt sie am Nachmittag erst die Schwägerin und darnach ihre Tochter : » Ist immer noch keine Post da ? Daß der Assessor nicht schreibt ! « Worauf Rosalie mit großem Gleichmut erwidert : » Wahrscheinlich , weil er unsere Adress ' nicht weiß . « Die Rätin starrt sie erschrocken an . » Ja , hast du ihm denn nicht gesagt ... « » Ich hab ihm gar nichts gesagt ! « entgegnet ihr das Mädchen , nun doch errötend . Die Rätin wird immer erregter . » Und du hast auch nicht geschrieben ... ? « » Nein . Ich hab keine Zeit gehabt . « Rosalie ist nicht sehr wohl zumut . Doch verbirgt sie ihre Verlegenheit hinter einer großen Gereiztheit . » Ich hab überhaupt nicht so viel Zeit , wie du glaubst , Mama ! « ruft sie aus . » Ich hab doch wirklich jetzt was anders z'tun , als Liebesbrief zu schreibn ! Ich denk , ich muß mich doch in erster Linie – erholen ! « Und damit läuft sie auch schon aus der Stube und hinunter in den Hof . Des Schiermosers Franz spannt eben ein Fuhrwerk ein . Rosalie greift sogleich helfend mit an . » Wo fahrst denn hin , Franzl ? « » In d' Kumpfmühl ums Mehl « , erwidert ihr der Bursch freundlich , » bals di gfreut , derfst mitfahrn ! « » Ob 's mi gfreut ! Freili ! Gern mag i ! « Und während droben die Rätin erbittert und verzweifelt über die Unart ihrer Tochter Tränen vergießt und sich darnach hinsetzt , um dem Herrn Assessor einen mustergültigen Höflichkeits- und Komplimentierbrief zu schreiben , kutschiert Rosalie scherzend und lachend , ist voller Übermut und tut , als wär' sie die Großbäuerin von weiß Gott woher . Erst drunten im Marktflecken fällt ihr ein , sie könnte am End doch schnell ihrem Verlobten ein paar Zeilen schreiben . Darum sagt sie zum Franzl : » Du , i steig ab. I muaß gschwind was bsorgn . I komm darnach scho hintre in d' Mühl . « Damit springt sie vom Wagen , geht auf die Post und schreibt folgende Karte : » Aus Berganger sendet freundlichen Gruß Rosalie Scheuflein . « Darnach macht sie sich zufrieden wieder auf den Weg nach der Kumpfmühle . Dort bezahlt Franz eben das Mahlgeld , während ihm der Mühlbursche den Wagen mit schweren Säcken voll Brotmehl , Nudelmehl und Kleie belädt . Die Müllerin steht schon eine Weile am Fenster und schaut neugierig hinaus auf die Straße , wer wohl das stämmige Weibsbild sein könnte , das da so rasch und rüstig des Wegs kommt . Und da Rosalie ganz nahe am Haus ist , hält die Alte es nimmer aus auf ihrem Auslug . Wie die Kreuzspinne aus ihrem Winkel fährt , kaum daß sie eine Fliege im Netz erblickt hat , so rennt auch sie jetzt hastig unter die Tür und starrt auf das Mädchen . » Is jetzt dees neet ... ? « In diesem Augenblick aber hat Franz seine Schuldigkeit beim Kumpfmüller bereinigt , dem Burschen sein Trinkgeld gegeben und ruft nun lachend Rosalie zu : » Guat derraten hast es , Roserl ! Akrat mitanand san mir firti wordn ! Jetzt sitz auf , nachher fahrn mir hoam zua ! « Da die Kumpfmüllerin nun diese Worte vernimmt , schaut sie erst einen Augenblick drein , als hätte sie nicht recht gehört . Dann aber geht plötzlich ein verstehendes Leuchten über ihr ganzes Gesicht . Ein pfiffiges Lächeln weitet ihren zahnlosen Mund , und sie stößt ihren Eheherrn vertraulich in die Seite . » He du ! Hast es gsehgn ? Der Schiermosersfranzl und d' Sommerfrischlerin ! Es schlagn halt doch a diammalen aa die Kinder von dee Großkopfatn aus der Art. Dees hätt si aa neamd traama lassn , daß der amal a Stadtscheesn auf 'n Schiermoserhof bracht ! « Und diese Entdeckung prickelt ihr so in allen Gliedern und auf der Zunge , daß sie sogleich zur Huberbäuerin , ihrer Nachbarin , hinüberlaufen muß , um ihr die große Neuigkeit zu berichten . Bei der Huberbäuerin aber sitzt gerade die alte Nähterin , die Kathl , auf der Stör , und mit ihr noch zwei schwatzhafte Nähmädchen als Helferinnen . Und so kommt es , daß am andern Tag abends nach der Herz-Jesu-Andacht drunten in Glonn die Kathl der Kramerin und die Müllerin der Bäckerin und die Nähmädchen ihren Kameradinnen das Allerneueste mitteilen : » Wißts ihr 's schon ! Der Franzl vom Schiermoser ... « Und die Wimmerin und die Pfeifferin , die Hürblerin und die Strieglin , jede Bäuerin und jedes Häuslweib werden 's inne : » Der Franzl hat die Stadtmamsell , die Sommerfrischlerin , zu einem › Gschpiel ‹ erkoren ! « Wie es halt so oft bei den Weiberleuten ist , daß sie schon den Regen spüren , noch ehe die Wolken kommen , und daß sie schon das Maul wetzen , noch bevor sie was zu reden wissen ! 9 Die Heuernte ist vorbei ; die Getreideernte beginnt . Bei Schiermosers haben sie ein paar neue Knechte zum Mähen und ein paar Weiber aus dem Markt zur Hilfe beim Garbenbinden und Mandlmachen eingestellt . Denn unser Herrgott hat gut Wetter werden lassen und schickt den Schnittern klare Nächte und dem Getreide heiße Tage . Und die Zeit geht hin in harter Arbeit und kurzem , bleischwerem Schlaf . Das verspürt nun auch Rosalie , die sich seit einer Weile schon nicht mehr recht wohl fühlt auf dem Hof . Aber es ist nicht allein des Tages Müh und die kurze Ruh , was sie aus dem Gleichgewicht gebracht hat ; es ist nicht das ständige Schelten der Mutter über ihre Gleichgültigkeit gegen den Bräutigam und über ihr stetes Verweilen unter dem Bauernvolk ; nein , etwas anderes nimmt dem Mädchen die Ruhe und Sicherheit . Sie sieht auf Schritt und Tritt die Weiber verstohlen mit Fingern auf sie deuten , sie hört ein Tuscheln und Flüstern , sobald sie allein oder mit Franz die Stube oder die Scheune verläßt . Dieses heimliche Reden hinter ihrem Rücken raubt ihr alle Lust zur Arbeit . Und da eben wieder eine Woche zu End ist und der Sonntag kommt , da sagt sie zu Franz : » Du , Franzl , i muß dir was sagn . I bin net ganz gut beinand und kann enk auf d' Woch nimmer helfa . Und überhaupts muß i mi jetzt aa schee langsam um mei Aussteuer kümmern . I heirat doch im Winter ! « Dieser Augenblick ist es , der sie beide sehend werden läßt . Denn kaum hat sie das Wort gesagt , spürt sie ein Würgen in der Kehle , und etwas in ihr schreit und tobt : » Es wird ein Unglück – es geht schlecht aus ! Denn er ist der Unrechte ! Der Rechte ... Herrgott ... der steht ja ... « Ja ja . Er steht vor ihr . Er weiß es selber . Und daß sie für ihn die Rechte wär , das weiß er auch . Minutenlang stehen beide wortlos da . Franz ist der erste , der sich selber und ein paar Worte findet . » Soo soo . Im Winter heiratst . Und net guat beinand bist , sagst . Nachher laß i di aber heunt net z' Fuaß in d' Kirch abegeh auf Glonn . Da ist scho gscheidter , du fahrst . I spann dir dees kloane Scheesl ei . « Rosalie schüttelt den Kopf . » Naa , Franzl. I bleib dahoam heunt . « In diesem Augenblick kommt Tante Adele die Stiege herab und sieht die beiden . » Ja , was is 's denn ? « ruft sie aus . » Was stehts denn da , als ob enk d' Henna 's Brot gnomma hättn ? « Rosalie versucht zu lächeln . » Ah nix , Tante. I hab nur gsagt , daß i heut net mitgeh in d' Kirch . « Und da sie das erstaunte Gesicht von Adele sieht , fügt sie schnell hinzu : » Weil i a bissl überarbeit't bin . Da wird mir der Weg z'weit . « Worauf aber Franz sofort wiederholt : » Drum will i 's Wagl eispanna . « Tante Adele nickt : » Freili ! « Aber Rosalie sagt nein und würde wohl auch ihren Willen durchsetzen , wenn nicht im selben Augenblick der Schiermoser aus dem Haus käme und sagte : » Was is's , Franzl ? Eispanna ! I muaß schaugn , daß i abe kimm auf Glonn ! Markt is ! Sinst kaaffan mir dee Bazi dees Besser' weg und lassen nix mehr übri wie lauter Schinderbratn ! « Und er beginnt sogleich mit Rosalie über den Roßhandel zu reden und schwatzt mit ihr , bis Franz das Fuhrwerk gerichtet hat . Da sagt er : » So , Bua . Jetzt hock auf . Und du , Rosl , hockst di in d' Mitt , und i hab aa no Platz daherent . « Damit schiebt er auch schon Rosalie zum Fuhrwerk , hebt sie halb hinauf und steigt auf . Und Franzl tut , als wär nichts geschehen , sagt Tante Adele Pfüagott und fährt weg . Drunten in Glonn wurlts von Menschen . Denn es ist Jahrmarkt und Viehmarkt . Auf dem Platz vor der Kirche stehen die fliegenden Stände der Händler , der » Prater « für die Kinder und der Wagen der berühmten Turmseilkünstler . Hinter dem Postwirtsgarten aber sind in langen Reihen Kühe , Ochsen und Pferde angekettet und harren gleich ihren Besitzern , die einen stumpfsinnig , die andern aufgeregt , auf ihre Liebhaber und Käufer . Die Kirche ist voll , und der Pfarrer vermag sich kaum durchzuschieben durch die Menge , da er ihr den letzten Weichbrunn und Segen mit auf den Heimweg gibt . In einem dichten Schwarm ergießt sich die Menge nun in den Gottesacker und hinaus auf den Marktplatz . Laut lachend und stänkernd kommen als erste die Burschen , ernst und bedächtig redend die Männer . Verstohlen kichernd und zu den Burschen hinschielend die Maidln , in seidenen Gewändern prunkend und über die schlechten Zeiten jammernd die Bäuerinnen und ganz zuletzt , mit sich selber schwatzend , den Rosenkranz in den knöchernen Fingern , die Alten . Und drunten beim Unterwirt dampfen die Lungenwürste und der Leberkäs , droben beim Oberwirt duften die Braten und Soßen , und drüben beim Posthalter rollt man einen Banzen um den andern auf den Ganter , und die Kellnerinnen rufen und schreien sich schi er heiser : » Kriagst a Maß ? Du aa oane ? Ös zwee aa a Maß ? « Und hinten bei den Barren stehen die Bauern , greifen den Kühen an die Bäuche und den Ochsen an das Genick , schauen den Rössern ins Maul und befühlen ihre Fesseln und Hufe ; indes vorne bei den Dultständen wiederum ein Anpreisen und Einladen , ein Markten und Schimpfen durcheinanderschwirrt , daß man sein eigenes Wort kaum mehr hört . Da plärrt die Lebzelterin : » An süaßen Honigzelten , an Lebzelten , a Busserl , a Platzerl hab i no ! Einkaaft , einkaaft , gehts her und suachts enk was aus ! « Und die blecherne Geschirrfrau tut , als bete sie die Litanei von allen Heiligen : » Große Degerl , kloane Degerl , weiße Schüsserl , blaue Schüsserl , Milliweidling , Suppenseiher , Hafadeckel , Nudlpfannen , was geht ab ? « Oder die tucherne Annemirl mit ihren Schätzen ! » Scheene Schmieserl , feine Kragerl , guate Pfoad und warme Strümpf ! Ausgsuacht , Leutln ! Spitzerln , Knöpf und Hosentrager ! Litzerl , Banderl , Fingerhüat ! « Und droben auf dem hohen Turmseil wiegt sich im rosenfarbenen Trikot ein üppiges Mädchen mit Papierrosen in den dunklen Locken und veranlaßt manche Bäuerin und manche Dirn , dem mit lüsternen Augen und wässerigem Maul dastehenden Begleiter einen derben Rippenstoß zu geben und eine Predigt zu halten : » Daß d' fei hänga bleibst da drobn an dem Strick ! Schaamst di net ! Dees nackate Weibsbild da drobn gafft er o . Aber inseroaner is dees ganz Jahr der Aff ... « Und die alten Weiber bekreuzigen sich : » Bruader ! Dees is aa so a Nazion ! Da is der Antichrist nimmer weit , wenns jetz scho nackat in Himmel auffe steign ! « Die alte Schiermosermutter und ihre Tochter , die Schiermoserin , sind schon in aller Früh fort von daheim . Denn es ist so der Brauch bei ihnen , daß sie immer am Jahrmarktstag zum Tisch des Herrn gehen . Und so findet man sie jetzt , da die meisten Leute erst anfangen , sich umzuschauen und einzukaufen , schon hochbepackt auf dem Weg zum Postwirt . Denn dort hat der Schiermoser das Fuhrwerk eingestellt , und die Bäuerin hätt' gern , daß etliches von dem Gekauften auf den Wagen kommt . Unterwegs treffen die beiden eine entfernte Base , die sie sogleich mit den Worten begrüßt : » Aha , Basln , habts einkaaft fürn Hochzeiter ! Wann is 's denn scho ? Leicht gar am Kirta ? « Die Schiermoserin vermeint nicht recht gehört zu haben . » Was is 's mitn Kirta ? « fragt sie zurück . » Wann daß d' Hochzat scho is , möcht i wissen ! « wiederholt das Basl . » Was für a Hochzat ? « » No , dee vom Franzl ! «