Im Weidhof Meine Kostmutter hat mir gesagt , daß ich am vierten Sonntag nach der Erscheinung des Herrn , also gerade an dem Tag auf die Welt gekommen bin , da in Sonnenreuth der erste Viehmarkt im Jahr ist . Wer meine Mutter ist , hat sie gesagt , das weiß sie nicht ; und von meinem Vater hat sie bis auf den heutigen Tag nichts gesehen . Ich auch nicht ; und ich glaube fast , daß es wahr ist , was die alte Irscherin , die Waldhex , gesagt hat : nämlich , daß ich ein Wechselbalg bin , bei dem die Truden und Unhold Gevatter gestanden sind . Das aber ist einmal gewiß : Ich bin an dem obgemeldeten Tag auf d' Nacht nach dem Gebetläuten vor der Haustür der alten Weidhoferin gelegen und habe durch mein jämmerliches Wimmern die Leut erschreckt . Denn wie der Weidhofer , der Meßmer von Sonnenreuth , vom Gebetläuten heimkommt und zu der Haustür hineinwill , liegt was am Boden . Er stößt mit dem Fuß daran hin , da fängt es an zu wimmern . Der Weidhofer macht 's Kreuz ; dann aber hebt er das Päcklein auf und trägt's hinein in die Stuben . Und wie sie den ganzen Haderlumpen auseinandergewickelt haben und haben geschaut , da war's ich . Und auf einem Zettel ist es gestanden : daß ich heut nacht zur Welt gekommen und noch nicht getauft bin , und daß die Gemeinde schon für mich zahlen wird . Da hat die Meßmerin gesagt : » In Gott's Nam ; zieht man 'n halt auf , den Wurm ! « Und sie hat mich am andern Tag aus der Tauf gehoben und hat mir eine Wiegen in ihre Schlafkammer gestellt und an ihre Bettstatt gerückt . Und einen Namen hat sie mir gegeben , nach ihrem Sinn und Stand , und ich heiße : Mathias Bichler , der Weidhoferbalg . Denn da man keinen Vater noch eine Mutter gewußt hat , die mir hätten ihren Namen geben können , so hat halt die alte Weidhoferin den ihrigen hineingesetzt ins Taufbuch und hat gemeint : » Alt ist er und gut auch , und er wird schon auskommen damit und vielleicht einmal ein rechtschaffener Bauer werden , wie der alte Bichler , Gott hab ihn selig , einer gewesen . « Aber es ist wohl ein wenig anders gekommen ; und ich habe schon von klein auf zu allem andern mehr Lust und Geschick gezeigt als zu einem Bauern . Auch bin ich nicht , wie andere Bauernkinder , stundenlang auf dem Stubenboden oder im Hausflöz gehockt , zufrieden , wenn man mir einen leinenen Schnuller in den Mund steckte und den Stiefelzieher auf den Schoß legte als Spielzeug . Ich begann vielmehr , kaum ich ein vier , fünf Jährlein alt und Herr über den Gebrauch meiner Glieder geworden war , allerlei Wünsche und Neigungen zu betätigen , die wenig zu einem genügsamen und geraden Bauernwesen paßten . Am liebsten schlich ich mich in die Künigkammer , die beste Stube des Hauses , in der seit Menschengedenken aller Prunk und Glanz des Weidhofs angehäuft wurde . Da wühlte ich in den Truhen und Schränken , behängte mich mit seidenen und blumendurchwirkten Tüchern , silbernen Ketten und schimmernden Flachszöpfen , setzte die alte , hohe Pelzhaube des seligen Weidhoferahnls auf und stellte mich so herausgeputzt vor den Spiegel des Glaskastens und betrachtete und beschaute mit viel Ergötzen meine Herrlichkeit . Sodann kletterte ich auf Tisch und Stuhl , nahm die alten , vergoldeten Heiligenbilder von den Wänden , lehnte sie der Reihe nach rings um die Ofenbank und begann , vor diesen auserlesenen Zuschauern die wunderlichsten Tänze und Sprünge auszuführen . Oder ich trieb mich auf dem Dachboden herum und trug dort alles zusammen , dessen ich irgendwie habhaft werden konnte : Decken , Schüsseln , Messer , Mausfallen , Weichbrunnkrügl , Gebetbücher ; ja sogar das Vogelhaus samt dem Hansl und die Blumenstöcke vom Söller schleppte ich dahin . Dabei hatten alle diese Dinge in meinen Spielen ihre Bestimmung ; sei es nun , daß der Vogelkäfig zum Weidhof und die Blumenstöcke zum Obstgarten wurden , oder daß aus den Gebetbüchern ein ganzes Bauerndorf erstand , indem ich sie halb geöffnet auf den Boden stellte , die Messer als Bewohner dieses stillen Orts in die Ritzen des Fußbodens steckte , während ich den Käfig bald zur Kirche , bald zur Schule machte und der flatternde , kreischende Vogel bald zum Schulmeister , Pfarrer oder gar Herrgott erhöht wurde . Rings um dieses Dorf hing ich dann die Decken über altes Gerümpel und nannte sie das Gebirge , während ich in die Schüsseln von den Bergen aus Quellen , Teiche oder gar Seen erschuf , welche Tat mir freilich einmal eine Tracht Prügel eintrug , als der Weidhofer , der schon überall nach mir gesucht hatte , mich , als ich eben regnen ließ , in dieser seltsamen Gegend fand . Nun hat mir einmal der Bürgermeister im Zorn darüber , daß ich in seinem Garten die schönsten Frauenbirnen vom Baum gebrockt und in den eigenen Sack gesteckt hab , nachgeschrien , daß ich ein Zigeunerbalg und von teuflischen Gauklern sei . Auch sonst wies allerlei darauf hin , daß ich kein Bauernblut im Leib gehabt , vielmehr ein loser Vogel und von abenteuerlichem Wesen war , auch jede Kameradschaft mit andern Kindern meines Alters vermied und mich , weiß Gott wo , herumtrieb , daher meine Ziehmutter auch viele Kümmernisse mit mir ausstand . Sie war ein ruhiges und gottesfürchtiges Weib und hatte das Haus voll Kinder , ohne selber jemals eins geboren zu haben . Es waren lauter fremde , die sie um ein Vergeltsgott und etliche Kreuzer Kostgeld aufzog . Sie fragte nie lange , woher oder von welchen Leuten so ein Wurm kam ; mit gutem Herzen nahm sie ihn in die Arme und war ihm eine rechte Mutter . Wenn ich an den langen Winterabenden in der Stube hockte und mit dem Ziehvater Besen band oder der Mutter das Garn vom Spinnrocken verzwirnte , da erzählte sie oftmals den Mägden von ihren Eltern und deren Schicksalen . Lebendig steht er noch vor mir , der selige Weidhofer , wie ein knorriger , trutziger Baum , mit allen Bauerntugenden , die seine einzige Tochter , meine Kostmutter , von ihm rühmend berichtete . Er hatte den Weidhof schon als junger Bursch übernehmen müssen , nachdem ihm der schwarze Tod über Nacht die Eltern und das Gesinde weggeholt hatte . Er war damals gerade im Tirolerland gewesen bei einem Vetter , als ihm flüchtende Bewohner des Heimatdorfes die Hiobsnachricht zutrugen . Kurz darauf holte er sich eine Bäuerin aus der Umgegend , die ihm neben dem stattlichen Brautschatz auch einen sparsamen Sinn und ein Paar riegelsame Arme mitbrachte . Mit ihr hauste er fünfunddreißig Jahre und war zufrieden und angesehen . Und als er ihr nachmals ein verschnörkeltes Grabkreuz und den alten Efeustock auf ihren Hügel setzen mußte , half ihm eine einzige Tochter trauern und den Hof versorgen . Diese Tochter aber war meine Ziehmutter . Sie war damals ein hageres , gelbhaariges Mädchen , das nüchtern und gelassen alle Dinge nahm , wie sie kamen . Daher sagte sie auch ohne viel Besinnen ja , als der Meßmerkaspar , ein ungeschlachter , aber gutmütiger Mensch , um sie anhielt . Der alte Weidhofer hätte es nun freilich anders im Sinn gehabt , und der Antrag des mageren Freiers war nicht nach seinem Willen ; doch brachte er es nicht über sich , seinem einzigen Kinde dies zu sagen , und so wurde bald still Hochzeit gehalten . Nach Wunsch und Willen des Weidhofers blieben beide im Haus ; denn obschon der immer noch rüstige Alte nicht um alles den Weidhof bei Lebzeiten seinem Schwiegersohn übergeben und sich ins Austragstüblein gesetzt hätte , wollte er doch nicht , daß seine Wabn als Meßmerin in einer Häuslleutwirtschaft ein kümmerliches Brot äße . Und nachdem er sich als fast siebzigjähriger Greis zu seiner seligen Bäuerin in die Grube gelegt hatte , übernahm der Meßmerkaspar den Hof und nannte sich von nun an Weidhofer . Seine Ehe mit der immer hagerer und bleicher werdenden Wabn blieb kinderlos , obschon diese die mannigfachsten Gelöbnisse und Wallfahrten unternahm . Schließlich tröstete sie sich und begann , ein innerliches , gottseliges Leben zu führen , las fleißig den Thomas von Kempis und andere fromme Werke und hielt im Haus auf Zucht und Gottesfurcht . Da hätte sie es denn freilich gern gesehen , daß ich , nachdem ich die ersten paar Hosen auf der Schulbank zerrissen hatte und anfing , ein ziemlich wohlgestalter , kleiner Bursch zu werden , auch zugenommen hätt an Weisheit ; denn mein Ziehvater , der Meßmer , jammerte um einen Ministranten . Wohl waren unter den sieben Kostkindern , die sein Weib aufzog , vier Buben ; allein , er konnte keinen für dies Amt gebrauchen . Der lange Ambros war so dumm , daß er das Glöcklein nicht einmal bedienen konnte bei der Messe , geschweige denn dem Pfarrer antworten . Der Fritz war noch im Flügelrock , und Hans und Hausl mußten schon aufs Feld . Da sagte die alte Mutter oft zu mir : » Mathiasl , schau , daß d' gscheiter wirst ! « , oder : » Mathiasl , guck , unser lieber Herr braucht 'n Knecht ! « Und der Weidhofer , mein Ziehvater , setzte sich mit mir auf die Hausbank und lehrte mich das Konfiteor , das Deo gratias und noch gar vieles . Oft nahm er auch ein paar alte Milchkännlein und wies mir , wie man den Priester beim Amt bedient und bei der Messe . Dies alles hätte mir wohl gefallen , und ich begriff schnell und mit gutem Verstand , was er mir zeigte ; allein die Leute sagten , daß es eine Sünde sei , wenn so ein hergelaufener Balg am Altar des Herrn bediene . » Wer weiß « , sagten sie , » von wem er stammt , und was für ein gottloses Gewerbe vielleicht seine Eltern getrieben haben ! « Und etliche Bauern sagten : » Wir haben selber Buben ; wir brauchen keinen gelegten ! « Also durfte ich nicht in die Kirche und zum Altar , und der Weidhofer schickte mich nun mit dem Vieh auf die Weide , und ich wurde der Hüterbub . Das war freilich keine harte Zeit für mich , und ich hatte viel der Weil für allerhand Dinge , die meinem Sinn damals noch näher lagen als Gebetläuten und Kirchendienen . Aus Weidenstäbchen schnitt ich mir kleine Pfeifen und brachte es dabei auf eine solche Anzahl , daß ich mit ihnen das Te deum blasen konnte . Sie lagen alle , den Tönen nach geordnet , auf einem Felsblock , und ich vergnügte mich viel mit ihnen . Oder ich machte Wasserspritzen und Luftpistolen aus Holunderholz und verhandelte sie sonntags nach der Kirche am Gottesackertürl gegen alte Silbergroschen , Glaskugeln , Adlerfedern oder andere Sachen , von denen ich in einem Felsenloch schon ein gutes Häuflein beieinander hatte . Darinnen saß ich oft stundenlang und unterhielt mich mit diesen leblosen Dingen , als seien sie meinesgleichen . Ich stellte etliche wunderlich geformte Wurzelstöcke an die Felswand , daß sie die Bauern wären ; und die kauften oder verhandelten alsdann die Kostbarkeiten , wobei ich jedem eine andere Stimme lieh und ein anderes Temperament , gerade so , wie ich es an den Festtagen auf dem Kirchplatz von Sonnenreuth gesehen und gehört hatte . Die Wallfahrt Zu meiner Kinderzeit hat man in Sonnenreuth den Schulzwang noch nicht gekannt ; daher auch der Weidhofer , mein Kostvater , seine Pfleglinge , um an Schulgeld zu sparen , kaum sie ein paar Tafeln zerschlagen hatten , wieder von dieser gelehrten Stätte hinwegholte und an die Arbeit spannte . Da mußte denn ein jedes , sei es nun im Stall oder draußen in Feld und Wald gewesen , aus sich selber die Bildung des Verstandes und der Seele vollenden . Zum besseren Gedeihen dieses Werkes gab mir die Ziehmutter eine zerschlissene Fibel , eine alte Legende und das Evangeliumbuch mit auf die Alm , daraus ich dann oftmals meinen hölzernen Freunden in der Höhle vorgelesen und gepredigt habe . Da geschah es wohl bisweilen , daß das Vieh , während ich in dem Verstecke mit mir selber Jahrmarkt oder Christenlehre hielt , auf und davon ging , so daß ich großen Fleiß brauchen mußte , es wieder zusammenzubringen . Dabei ist es auch einmal geschehen , daß sich eine Kalbin , die vielleicht aus irgendwelcher Ursache erschreckt geflüchtet war , so sehr verstiegen hatte , daß ich nimmer glaubte , sie lebend wieder zu erlangen . Sie stand blökend auf einem kaum armbreiten Felsvorsprung des Schwarzenbergs und konnte nicht vor noch zurück ; ich weiß beim Himmel nicht , wie sie dahin gekommen . In meiner Not fiel mir ein , ich könnte mich zu unserer lieben Frau vom Birkenstein verloben , und ich versprach ihr sechs von meinen alten Silbergroschen , wenn ich meine Kalbin heil und unverletzt herunterbrächte . Ich weiß aber nicht , wie es kam , oder ob sie half : In diesem Augenblick kamen ein paar fremde Gesellen aus einer Felsenrinne hervor und halfen mir das Vieh herunterschaffen . Es waren aber Pascher oder Schmuggler , die das Revier auskundschafteten ; und sie fragten mich des langen und breiten um alle Weg und Steg . Gern und willig gab ich ihnen über alles Aufschluß , froh , daß ich die Kalbin wieder hatte ; denn mein Ziehvater , der Meßmer , war ein strenger , jäher Mann , der in der ersten Hitze oft manches tat , was ihn nachher gereute . Also hatte unsere liebe Frau von mir ein Gelöbnis erhalten , und mich dünkte , daß ich es nun auch alsobald ausführen müsse , wenn ich ihr gefällig sein wollte . Und ich begann alsbald , mein Felsloch auszuräumen und die Schätze im Sonnenlicht auszubreiten ; es war ein gerechtes Häuflein . Aber es wurde mir nicht leicht , mich so ohne weiteres von den schönen , funkelnden Silberstücken zu trennen ; immer wieder drehte ich sie zwischen den Fingern , legte sechs in die linke Hand , wog sie , schüttelte sie und schob sie endlich schnell wieder in den Sack , indem ich halblaut vor mich hin sagte : » Nein , diese nicht ! Ich suche andere aus ! « Doch auch mit diesen ging es mir nicht besser , bis ich endlich unvermittelt das ganze Häuflein zusammenraffte und wieder in die Höhle steckte . So trieb ich es acht Tage lang ; da kam das Fest Mariä Himmelfahrt . Für diesen Tag hatte ich mir von der Weidhoferin Urlaub zur Wallfahrt erbeten , und sie schickte mir den langen Ambros , daß er für mich zwei Tage den Viehhüter mache . Der brachte mir in einem Bündel ein Stück Käse , Brot und die Nagelschuhe , dazu mein gutes Jöpplein und den Rosenkranz . Auch ein Wachs und eine dicke Silberkette legte er mir hin und sagte : » Das sollst unserer lieben Frau mitnehmen von der Weidhoferin . Und du sollst ein paar Vaterunser für sie beten und die Meinung machen , daß dies nur grad eine Drangab ist zu der Verlöbnis , die sie getan hat . Und sie kommt schon noch selber , dies Jahr , und tut ihren Dankgott ! « Da gab es mir einen Riß . Meine Kostmutter hatte mir hier ihren kostbarsten Schmuck , ihre Brautkette , für die liebe Frau geschickt , weil sie kurz zuvor bei dem scharfen Hagelschauer ihre Felder wunderbar beschützt hatte ; wie durfte ihr nun ich , dem sie nicht weniger wunderbar geholfen hatte , meine paar Silbergroschen verweigern ! So eilte ich denn in die Höhle , steckte eine Hand voll Münzen in meine lederne Hose , schob die übrigen in die dunkelste Ecke und dachte , daß die Himmelmutter wohl mächtig genug sei , mir das Opfer , welches ich ihr hiedurch brachte , hundertfach zu vergelten . In diesen Gedanken legte ich die Schuhe an , hing die Joppe über die Achsel und sagte : » Ambros , jetzt geh i halt in Gotts Nam. Pfüate Gott ! « Und zum Vieh sagte ich noch , daß ich ihnen einen besonders großen , kräftigen Segen mitbringen wolle und daß ich sie schon einschließen würde in die Andacht . Dann nahm ich das bunte Sacktuch , in welches das Opfer der Meßmerin eingewickelt war , hing es an meinen Stecken , lupfte mein Hütl und machte mich auf den Weg . Obgleich ich erst etwa zwölf Jahre zählte und noch nicht über unsere Alm hinausgekommen war , fehlte es mir nicht an Schneid ; es war mir genug , daß die Nandl , unsere Schwaigerin , einmal mit der Hand gegen den Wendelstein gewiesen und dabei gesagt hatte : » Siehst Mathiasl , dort hint is unsa liebe Frau vom Birknstoa . Grad unterhalb vom Wendlstoa ! « Darum wandte ich mich sogleich gegen diesen , suchte mir einen Weg , der in der Richtung führte , und trabte frisch dahin , indem ich wohlgemut ein Frauenlied ums andere hinaussang . Dabei schaute ich immer wieder hinter mich , ob mir keine Kuh oder Geiß nachkäme , und horchte auf das immer ferner klingende Geläute des Viehs . Doch bald lag alles weit hinter mir in bläulichen Dunst und Nebel eingehüllt , und ich stieg langsam auf einem einsamen Waldweg , zu dessen Seiten ein kleines Wasser talab floß , bergan . Eine große Stille war rings um mich her ; nur der Schrei des Hähers , das Singen der Waldvögel und das Summen der Hummeln und Wespen tönte an mein Ohr . Kein Mensch begegnete mir ; nur ein paar Rehe sprangen erschreckt davon , als sie mich so unvermerkt vor sich sahen . So stieg ich weiter , bis ich , den Wald hinter mir lassend , über eine Almwiese wanderte , mit großen , erstaunten Augen hinabschauend auf eine weite Welt , von deren Größe ich mir keine Vorstellung machen konnte . Wohl an die zehn Kirchtürme erblickte ich da , die bald spitzig wie ein Griffel , bald rund wie unsere Edelbirnen oder sonst wunderlich geformt im Sonnenlicht glänzten . Ich blieb stehen , stützte das Kinn auf den Stock und sah unverwandt hinab und dachte , was das wohl schöne Orte sein möchten , und ich wäre gern einmal in jedem gewesen . Da erhielt ich plötzlich einen heftigen Stoß von rückwärts , daß ich rittlings über meinen Stecken fiel ; und da ich aufsah , stand ein Bauer zürnend und greinend hinter mir und schrie , daß es mir durch alle Glieder fuhr , ich solle schauen , daß ich aus seinem Grund und Boden hinauskäme ; und wenn er noch einmal so einen verdammten Ellbacher Lumpen in seinem Rain fände , könnt schon sein ... ! Ich erwiderte ihm zwischen Zorn und Schreck , daß ich gar kein Ellbacher sei , ja , daß ich diesen Ort gar nicht wisse . » I bin doch der Weidhoferbalg von Sonnenreuth ! « sagte ich ; » und ich geh nur grad wallfahrten auf Birkenstein ! « Da schaute er mich erst zweifelnd , dann lachend an und meinte : » Wie sagst ? Vom Weidhofer z' Sonnenreuth ? « Und als ich , wieder aufstehend , nickte , sagte er , dann solle ich nur da weitergehen : » Gleich da hinten bei dem Zwiefiturm ist Fischbachau ; balst dich a weni schleunst , nachher gehst es leicht in zwo Stund ! « Ich nickte wieder , und nachdem ich ihm noch mürrisch » Pfüa Gott « gesagt , lief ich davon . Der schmale Wiesenpfad führte wieder in einen Wald , und ich eilte nun , ohne zu rasten , dahin , bis ich auf eine breite Straße kam , an der ein Wegweiser nach Ellbach und Durham zeigte . Indem ich nun bald auf den Weg , bald auf die Tafel blickte , donnerte ein Schuß durch die Berge und gleich darauf noch mehrere . Ich dachte , daß es gewiß Böller sein möchten , und hörte aufmerksam auf die Richtung , woher sie kamen . Da drang plötzlich , erst verworren , dann immer deutlicher , lautes Beten an mein Ohr , ich blickte mich um , da sah ich eine große Schar Männer und Frauen die Straße heraufkommen , Fahnen und Kreuze tragend und den glorreichen Rosenkranz betend . Voran gingen zwei Priester im Chorhemd ; etliche Ministranten mit roten , goldverzierten Schulterkrägen folgten ihnen und trugen kranzgeschmückte Statuetten der Heiligen auf langen Stangen , und dahinter reihten sich die Beter . Sie schritten alle gebeugt , und der Schweiß stand vielen auf dem Gesicht , doch hielten sie eine schöne Ordnung ; und es gingen auf der rechten Straßenseite die Frauen und auf der linken die Männer hintereinander , also daß die ganze Straßenbreite leer zwischen ihnen blieb . Ein Mann im Chorrock lief mit einem langen , silbernen Stab beständig den Zug entlang und schrie mit großem Nachdruck immer die ersten Worte eines jeden Ave Maria hinter sich , worauf die Beter alle zu gleicher Zeit einfielen ; und es war die Ordnung also , daß die Männer den Gruß vorbeteten , die Frauen aber mit der Bitte nachkamen . Ich zog mein Hütlein , ließ sie an mir vorüber und folgte ihnen , überzeugt , daß es Wallfahrer seien , die gleich mir die Mutter vom Birkenstein heimsuchten . So war es auch ; und wir zogen unter dem Geläute der Glocken durch die Orte , und es kam mir vor , als trabte eine große Schafherde vor mir her , der ich als ein junges Hündlein oder wie ein krummgehendes Lamm folgte . Doch zog ich auch meinen Rosenkranz aus dem Sack und schrie mit vieler Kraft mein » Gegrüßt seist du , Maria « hinter den Betern , so daß sich endlich die letzten umsahen und mir ganz freundlich und ermunternd zunickten . Immer noch krachten die Böller ; und ich dachte , daß es nun nicht mehr weit sein könne bis zu dem Ort , wo sie abgefeuert wurden ; denn sie donnerten hart , und ihr Schall brach sich unmittelbar an allen Wänden . Langsam bewegte sich der Zug bergan , vorüber an kranzgeschmückten Häusern , und von allen Seiten strömten Pilger herbei und schlossen sich ihm an . Und während ich , neugierig einen vollbesetzten Wirtsgarten betrachtend , gedankenlos noch meine Ave Maria schrie , verschwanden droben allmählich die Fahnen und Statuetten hinter den Birken eines von Menschen dichtumlagerten Felsens , von dem das Geläute silberner Glocken tönte , der Glocken der Kapelle unserer lieben Frau vom Birkenstein . Allmählich zerteilte und löste sich der Zug in Gruppen , und ich schob mich behende durch die Versammlung vor dem Kirchlein ; denn ich wollte meine Aufgabe vollbracht haben . Darum stieg ich sogleich die schmale Holztreppe hinauf , die zu einem Wandelgang führte ; der zog sich rings um das Kirchlein und war an Decke und Wänden mit Votivtafeln und Gemälden dicht behangen . Ein niederes Tor stand weit geöffnet , und der Duft von Weihrauch und Kerzen drang heraus . Ich zwängte mich durch einen dichten Knäuel von Bäuerinnen und schlüpfte ungeachtet ihrer erzürnten Mienen und Reden hinein in die Kirche . Eine tiefe Stille war hier trotz der großen Zahl der Betenden , und man hörte nichts als das Fallen der Rosenkranzperlen und das Knistern seidener Schürzen und Kopftücher . Nur manchmal begann irgendein Weiblein zu seufzen oder zu hüsteln , oder es entstand ein kleines Geräusch durch eine abrinnende Opferkerze . Ich empfand diese Stille und die Schwüle in dem winzigen , vollgepfropften Raum ganz beängstigend und suchte , da mir zudem auch jeder Blick auf den Altar durch die Erwachsenen unmöglich war , in die Nähe desselben zu gelangen . Ich schob mich daher bald hier , bald dort an einer seidenen Schürze vorbei , trat wohl auch manchmal einem oder dem andern auf die Zehen , bat diesen oder jenen Bauern , mich durchzulassen , und brachte es am Ende zustande , daß ich mich an der Stufe des Hochaltars befand . Heißa ! Riß ich da die Augen auf ! In einem magischen roten Licht , umgeben von goldgeflügelten Cherubinen und kleinen Engeln , die auf rosenrot leuchtenden Wolken schwebten , stand die Mutter mit dem Kind . Beide trugen goldene , steingeschmückte Kronen und reichverzierte Prunkmäntel ; insonderheit der schwere , weitausgebreitete Purpurmantel unserer lieben Frau erregte in mir Staunen und Verwunderung . Das Bild schien mir zu schweben , und bei dem unsteten Schein der vielen Kerzen glaubte ich fast , es lebe ; denn es stand frei , hoch über dem Altar , und hielt ein Zepter mit so lieblicher Gebärde , wie nur ein lebendes Wesen dies tun kann . Und ich dachte , wie es doch möglich gewesen wäre , ein solch köstliches Werk zu schaffen und aus dem ungefügen Holz zu schneiden ; denn der Weidhofer hatte mir erzählt , daß es holzgeschnitzt und bemalt sei . Und mit einem Male trat ein Wunsch auf meine Lippen , an den ich noch nie zuvor gedacht : Ich möchte ein solcher Meister werden , wie der dieses Bildes einer gewesen . Inbrünstig sagte ich ihn drei- , viermal vor mich hin , und das letztemal muß ich es wohl laut getan haben ; denn eine Stimme hinter mir flüsterte erzürnt : » Bist net glei stad ! « Ich wandte erschreckt den Kopf , und es war mir , als sei ich aus einem Himmel gerissen worden ; die ganze Andacht war dahin , und ich dachte an nichts mehr , als wie ich am schnellsten aus den Augen dieser Menschen käme . Da trat eine dicke Bäuerin vor und legte mit vielen Kniebeugen und ehrfürchtigen Gebär den eine dicke Kerze und ein verschnürtes Päcklein auf den Altar . Sogleich folgten noch etliche , und ich erinnerte mich dabei , daß ich nun auch mein Opfer hinlegen müsse . Also holte ich erst meine Silbergroschen aus dem Sack und legte sie abseits von den andern Gaben auf den Altar ; sodann band ich das Tuch auf und wollte schon das Wachs herausnehmen . Aber da fiel mir ein , daß ich auch etwas zu beten hätte , und ich sagte nun , indem ich das Tüchlein geöffnet mit beiden Händen hielt , was mir meine Kostmutter aufgetragen ; dann leerte ich es zu meinen Groschen aufs Altartuch und drückte mich hierauf durch die Menge wieder dem Ausgange zu . In diesem Augenblick krachten wieder die Böller , läuteten die Glocken , und ein Chor sang das Pange lingua , begleitet von Posaunen und Geigen . Auf dem freien Platz hinter der Kapelle war ein Altar und eine Kanzel errichtet worden , und eben gab der Pfarrer den Segen mit dem Allerheiligsten . Nun strömte alles herbei ; die Kapelle und der Wandelgang leerten sich , und die Menge lagerte sich auf Felsblöcken oder im Grase und hörte auf die Worte des Evangeliums . Da dachte ich bei mir , daß es nun wohl besser sein möchte , wenn ich wieder in die Kapelle ginge ; denn ich verstand damals noch nicht gar viel von Predigten und mußte nicht selten dabei dem Schlaf wehren . Also trat ich abermals ins Kirchlein und setzte mich betrachtend und staunend in die vorderste Bank ganz nahe der Mauer , die mit Gemälden und Bildern überreich geschmückt war . Und wieder überkam mich dieses seltsame Gefühl , und ich betete und wünschte , daß ich immer in einem solch heiligen Haus weilen könne . Dabei schaute ich starr auf das Bild der Mutter , deren liebliches Gesicht durch das flackernde Licht bald zu lächeln , bald zu trauern schien ; und ich merkte nicht , wie eine verborgene Tür sich drehte und ein Arm sich herausstreckte . Da klirren meine Silbergroschen am Altar ; ich blicke hin und sehe , wie eine rote Hand sie zusammenrafft und mit ihnen verschwindet . Gleich darauf erscheint sie wieder und packt auch das übrige ; ich stoße einen Schrei aus und stürze aus der Kirche und davon , fest überzeugt , daß der Teufel leibhaftig der Mutter Gottes ihre Gaben geraubt . Mein Entsetzen war so groß , daß ich ohne Besinnen die Holzstiege hinablief , mitten durch die andächtig der Predigt lauschende Menge , und weder sah noch hörte , als etliche mich anschrien und versuchten , mich aufzuhalten . Durch ein felsiges Tal sprang ich dahin und hielt nicht inne , bis ich , schweißbedeckt auf einer einsamen , sumpfigen Wiese angelangt , bei jedem Tritt tief in dem nassen Moor versank . Das bestärkte mich noch in dem festen Glauben , daß hier der Böse umgehe und besonders mir Verderben bringen wolle ; und ich begann , mich zu bekreuzen und unsere liebe Frau anzurufen . Der Frost schüttelte mich , und es peinigte mich ein großer Durst , während ich langsam einen Fuß um den andern durch den Morast zog . Nach geraumer Weile wurde der Boden wieder fester , und ich kam endlich auf einen breiten , vielbetretenen Wiesenweg , dem ich , in trübe und abenteuerliche Gedanken versunken , nachging . Alle Geschichten aus der Heiligenlegende fielen mir ein , in denen der Teufel sein unheimliches Handwerk getrieben , die gottseligsten Personen geschüttelt , in die Höhe geworfen , geschlagen und zertreten hatte , wie er den Bauern das Vieh im Stall verzaubert , daß es blutige Milch gab , und aus frommen Frauen die ärgsten Hexen und Unhold gemacht hatte , so daß sie von Stund an Mensch und Vieh nur noch übel wollten . Ja , der alte Pfarrer von Sonnenreuth hatte ihn selber leibhaftig gesehen damals , wie ihn der hochwürdige Herr Bischof aus einem krummbeinigen , buckligen Menschen hinausgetrieben hatte ; wie eine feurige Katze sei er aus dem Maul des Besessenen herausgefahren , hätte gar jämmerlich geschrien und sei mit einem schrecklichen Fluch verschwunden . Die Haare hatten sich mir damals gesträubt , und gar , als uns der Herr Pfarrer aus einem Buch vorlas , wie es drunten in der Hölle zuginge , und was für greuliche Arbeit die Teufel und Oberteufel daselbst zu verrichten hätten , da schüttelte es mich wie einen Hollerstrauch im Wind ; denn da stand es schwarz auf weiß , wie die armen Verdammten in Öl und Pech gesotten , in glühende Feueröfen geworfen , mit Nattern und Klapperschlangen zusammengesperrt und auch sonst gezwickt und zerschunden werden , ohne daß sie jemals einen Augenblick Ruhe oder Erleichterung in dieser Pein haben . » Und es sind aber sieben Kreise in der ewigen Hölle « , heißt es weiter in diesem Buch , » die gleich sieben unendlichen Ringen den Pfuhl des obersten Teufels Luzifer umschließen . Und ein jeglicher Ring ist bewohnt von einer Legion Unterteufel , über welche ein Oberteufel die Herrschaft führt . Und es sind aber die Ringe also , daß in jedem eine besondere Art von Sünde gestraft und gepeinigt wird . Die Hoffart mit Zwicken und Brennen und in Kot Treten ; der Geiz mit Nattern und Schlangen und sonst allerhand schädlich Gewürm ; die Unkeuschheit mit großen Hagelsteinen und brennendem Pechregen ; der Neid mit Stoßen und Schmeißen in siedendes Öl und Darinniederdrucken mit teuflische Gabeln ; die Völlerei mit Hunger und großer Kält , also daß die blutigen Zähren , so der Verdammte weinet , ihm an den Leib gefrieren , und sein Bauch knurret aus übergroßem Verlangen nach Speis ; der Zorn mit Geißlen und Verschließen in einen Kessel , allda Pech mit Hanfgarn gesotten und mit teuflische Besen verzwirnet ist , und kein End nicht hergehet aus aller Wirrnis und Pein ; die Trägheit mit großen Steinen , so ihnen von den Teufeln auf den Rucken gebunden , und die sie schleppen müssen durch ihren Höllenring ohne Rasten und Absetzen in alle Ewigkeit . « Ein Böllerschuß riß mich aus der Betrachtung ; vom Birkenstein klang Läuten herüber und mahnte , den menschgewordenen Gott bei der Wandlung anzubeten . Ich schlug das Kreuz und lief darnach meinen Weg dahin , etliche Bauern grüßend , ein paar Dirnen , die mit ihren feuerroten Unterröcken prangten , auf den Weg nach dem Wallfahrtsort weisend und an nichts denkend , als daß ich wieder bei meinem Vieh und meinen Schätzen sein möchte . Gegen Abend kam ich wieder an die Weidhoferalm und ging sogleich in die Hütte ; da mich aber die Nandl , unsere Schwaigerin , erblickte , ließ sie erschreckt den Melkeimer fallen und schrie : » Mariand Joseph ! Der Mathiasl ! Ja Bua , wo kimmst denn du her ? « » Vom Birkenstein « , sagte ich und erzählte ihr mein Erlebnis . Da glaubte auch sie nicht anders , als daß hier der Teufel einmal wieder ein böses Werk getrieben habe , und meinte , daß ich mich nun wohl hüten und vorsehen müsse , denn das sei klar , daß er es auf mich abgesehen hätte . Indem wir noch miteinander sprachen und ich in einen Hafen voll Milch ein gerechtes Stück Brot einbrockte , kam der lange Ambros zur Tür herein ; aber kaum daß er mich ersehen , tat er einen halblauten Fluch und lief wieder hinaus . Ich schrie ihm nach , doch hörte er nichts mehr , auch war er nirgends mehr darnach zu sehen . Da fiel mir mein Felsenloch ein , und zugleich dachte ich an meine Schätze ; ich lief hin , griff in alle Ecken und fand nichts mehr . Es war alles dahin . Starr vor Entsetzen konnte ich nichts denken und sagte nur das Wort Teufel etlichemale stumpfsinnig für mich hin . Ein Lachen hinter mir erschreckte mich ; ich sah mich um und in das höhnische Gesicht des langen Ambros . » Da suchst umsonst « , rief er voll Spott und verschwand . Da packte mich ein Grimm ; ich stürzte hinaus , ihm nach und packte ihn , gerade als er sich von einem verwachsenen Kiefernbaum in eine Felsenrinne hinablassen wollte . » Wo is mei Sach ? « schrie ich voll Wut und schüttelte ihn , daß er Mühe hatte , sich zu halten . » Was weiß ich « , sagte er höhnisch und gebot mir , ihn loszulassen . Ich ließ ihn frei und wiederholte meine Frage ; in diesem Augenblick aber sprang er vom Baum , ergriff mich und begann mit mir zu ringen und mich gegen die Felsrinne zu schieben . » Wart , ich werd dirs gleich zeigen , wo's ist ! « knirschte er und trat ein wenig zurück ; noch ein kurzes Ringen , ein Stoß , und nach einem heftigen Schmerz am Kopf wußte ich nichts mehr . Rings um mich war es Nacht , als ich die Augen wieder öffnete ; ich lag hart , und Steine und Gestrüpp bedeckten mich . Meine Hände tasteten im Dunkeln matt herum , und ich fühlte , daß ich durchnäßt war ; doch wußte ich nicht , ob es ein Wasser war oder mein Blut , in dem ich lag . Ein dumpfer Schmerz wühlte mir im Haupt , und ich schloß die Augen wieder , indem ich abermals wähnte , in eine Tiefe zu fallen . Als ich wieder klar denken konnte , war es heller Tag , und ich sah , daß ich in einem seichten Wasser lag , welches über Felsen und Geröll talab floß . Brombeerstauden stachen und zerkratzten mich , meine Glieder schmerzten , und mein Mund war verschwollen und verklebt . Es dürstete mich , und ich versuchte , meine Lippen zu netzen , aber meine Arme gehorchten dem Willen nicht mehr und fielen kraftlos herab , so oft ich versuchte , sie zu erheben . Da begann ich , um Hilfe zu seufzen und Gott anzurufen , denn ich wähnte , daß mein Ende nahe sei . Ich lieh meinem inbrünstigen Gebet Stimme und stöhnte laut und lauter : » Herrgott hilf ! Maria hilf ! « , bis mein Haupt abermals , der Sinne beraubt , zurückfiel ins Wasser . Im Waldhaus Da ich wieder erwachte , sah ich über mir einen bemalten Betthimmel ; die gekrönte Jungfrau blickte auf mich hernieder , und lustige Engel umschwebten sie und hielten ihr Gewand . Geblümte Vorhänge hingen zusammengeschoben von dem Baldachin herab , und ein rothaariges Mädchen band sie eben an den gedrehten Säulen des Lagers fest . Ich blickte verwundert bald auf das Mädchen , bald auf mein Bett , und es war mir , als träumte ich ; aber das Mädchen redete mich , da es meine Augen offen sah , sogleich an und fragte : » Hast du Durst ? Liegst du gut ? « » Ja « , sagte ich bloß ; da brachte sie mir ein Krüglein mit einem Trank und meinte : » Gut schmecken tut's ja nicht ; aber die Hitze nimmt's ! « Ich trank gierig , und sie stützte mir dazu mein Haupt mit dem Kissen , indem sie ihren Arm darunterschob . Dann legte sie mich wieder hin , holte sich das Spinnrad aus der Ecke , in der ich auch einen alten Hausaltar erblickte , setzte sich neben das Bett und spann . Da überkam mich eine große , wohlige Ruhe ; meine Wunden brannten nicht mehr wie vordem , und ich fühlte , daß ich nun wieder lebte und gesund würde . Nach einer Weile , während der ich nur das Schnurren des Spinnrads , das Summen der Fliegen und das hackende Ticktack der hohen Standuhr vernahm , tat sich die Tür auf , und ein altes , runzliges Weib trat lautlos ein und ging auf mein Lager zu . » Er ist munter ! « meinte sie , da sie meine offenen Augen sah ; » jetzt muß er aber essen , der Bursch ! « Ich versuchte zu reden und fragte , wo ich denn sei . Da sagte sie : » Gut aufgehoben . Frag nicht und sorg dich nicht ; du mußt wieder werden . « Darauf nahm sie mir meine Kopfbinde ab , tauchte sie in eine Schüssel und legte sie mir wieder an ; auch strich sie etliche Pflaster auf leinene Lappen und beklebte damit meine Wunden und sagte dazu : » Einen guten Gsund hast schon , Bub ! Das hält der zehnte nicht aus ! Ich hab schon gefürchtet , daß ich dem Totengräber das Maß bringen müßt für deine Gruben ; aber jetzt hast du 's gewonnen ! « Darauf kniete sie sich an das Bett und betete dieses Gebet : » Es reiten siebenundsiebzig Diebe hinaus , Sie reiten für eines Menschen Haus . Gott der Herr sprach : Ihr Reiter , wo wollt ihr hinaus ? Wir wollen in eines Menschen Haus Und wollen ihm nehmen sein Fleisch und sein Blut . Und wollen ihm nehmen sein Freud und sein Mut . Gott der Herr sprach : Siebenundsiebzig Fürsten , das sollt ihr nicht tun , Ihr sollt ihn lassen liegen und ruhn . Ihr sollt ihm lassen sein Fleisch und sein Blut Und sollt ihm lassen sein Freud und sein Mut . Es gehe über dich bald der Segen Gottes des Vaters , der Segen des Sohnes und der Segen des heiligen Geistes . Amen . Es sollen vergehen deine siebenundsiebzig Fieber im Namen des höchsten Gottes . Amen . « Sodann stand sie auf und besprengte mich mit einem geweihten Wasser und machte das Zeichen des Kreuzes über mich . Nun brachte das rote Mädchen ein Schüsselchen mit Milch und brockte ein weißes Brot hinein . Darnach setzte sie sich an mein Bett und gab mir löffelweise zu essen . » Guck « , sagte sie ; » unser Vogel frißt wieder ! Gilt 's , er lernt auch wieder fliegen , Mutter ? « » Wann ihm die Flügel wieder geleimt sind , kanns schon sein « , meinte die Alte und mischte ein Pulver und rührte es ins Wasserkrüglein ; » 's hitzige Fieber darf er freilich nimmer kriegen , der Bursch , sonst wachsen ihm andere Fittig , wähn ich ! « Und dann gab sie mir wieder zu trinken und wünschte mir eine geruhige Weil und einen baldigen Gsund . Hierauf setzte sie sich in den Sorgenstuhl hinter dem bläulichen Kachelofen , steckte sich eine große Hornbrille auf die Hakennase und las schweigend in einem alten , dicken Buch , während das Mädchen wieder zu spinnen begann . Ich lag ganz still und sah den Fliegen zu , wie sie ihren Reigen um die bunte Perlenampel tanzten , die am Fenster hing und in der Abendsonne glänzte , bis mich ein guter Schlaf übermannte . Den andern Morgen , da ich eben erwachte , trat ein bleicher Bursch zur Tür herein und blickte sich um in der Kammer ; und da er mich in meinem Bette liegen sah , fragte er mich , ob ich die Jungfer Kathrein nicht gesehen hätte . Ich wußte nicht , um was es galt , also sagte ich ihm : Nein , und ich kenne niemand dieses Namens . Da trat das rothaarige Mädchen mit meiner Morgensuppe zur Tür herein ; doch kaum sie jenen erblickte , tat sie einen Schrei und lief sogleich wieder hinaus . Der Bursch schaute ihr lachend nach und rief : » Lauf nur , Jungfer , ich erwische dich ja doch noch ! « Dann ging er aus der Kammer , und ich hörte ihn draußen noch rufen und schreien und merkte daraus , daß er die Jungfer hätte haben mögen , daß sie aber nicht willens war , ihm zu eigen zu sein . Da sie nun nach einer geraumen Weile mit roten Augen wieder hereinkam und mir meine Schüssel Milch eingab , begann ich , sie eindringlich zu betrachten . Sie war wohl an die fünfzehn Jahre alt und hoch und schlank gewachsen , hatte ein milchweißes Gesicht und ein Paar feine , rote Lippen . Ihre Augen sahen mich freundlich an ; doch an dem unruhigen Blick des Mädchens erkannte ich , daß sie sich fürchtete und in Sorge war . Also fragte ich sie : » Warum hast d' denn geweint ? « Sie sagte : » Weil ich ein Unglück hab . « Ich fragte wieder : » Wer ist der Bursch gewesen ? « » Dem reichen Ödhofbauern sein Bub « , erwiderte sie ; » er hätt mich freien mögen . « » Bist du denn die Jungfer Kathrein ? « fragte ich wieder . » Ja « , sagte sie ; » und ich mag ihn nicht , weil er heut die und morgen die hat zum Gespons . « Ich freute mich , daß sie ihn nicht mochte , und sagte : » Du bist brav , weil du bei mir bleibst . Ich mag dich . « Zugleich wollte ich mich aufsetzen und ihr meine Zärtlichkeit bezeigen ; aber ich konnte nicht . Da sagte ich zu ihr : » Heb mich auf , ich möcht dich streicheln ! « Dies gefiel ihr so wohl , daß sie sich über mich neigte und ihr Gesicht auf meine Wange legte , mich einen lieben Dalken hieß und mit ihren feinen Händen über meine Finger strich , daß mir ganz wohl und warm dabei wurde . Ich hielt den Atem an und rührte mich nicht und dachte nichts weiter , als daß es so gut sei . Und da sie gehen wollte , bat ich : » Bleib noch da ! « Aber sie mußte fort , und ich lag wieder allein , bis die Alte im Kirchengewand und Kopftuch in die Kammer trat . » Ei ! « sagte sie zu mir , während sie ihre gute Schürze abband und eine rauhe , alte dafür umtat ; » hat der Bursch schon aufgehört zum Schlafen ! Hast du schon was gegessen ? « » Ja « , sagte ich ; » die Jungfer Kathrein hat mir schon was gegeben . « Da fuhr sie in die Höhe : » Was tausend ! Jungfer Kathrein ! Wer hat dir das geschafft , daß du die Dirn so benamsen sollst ? « » Niemand « , sagte ich ; » aber es ist einer dagewesen , der sie so geheißen hat ; und dann hat er geschrieen und sie hat geweint . « Da lachte sie kichernd und meinte : » Ja , ja ! Sie wär ihm wohl gut genug aufs Stroh ! Aber ... « Das andere murmelte sie in sich hinein und machte dazu ein böses Gesicht , warf die Sachen in der Kammer durcheinander und fuhr mit den Händen herum , daß ich mich vor ihr fürchtete und plötzlich fragte : » Wer seid Ihr ? Bei wem bin ich ? « Da lachte sie wieder , wehrte mir mit beiden Händen kopfschüttelnd ab und lief hinaus . Nun überfiel mich eine große Angst , und ich schrie , so laut ich konnte , nach der Jungfer . Sogleich kam diese herein und fragte nach meinem Begehr . » Ich möcht heim zu meiner Ziehmutter ! « sagte ich ; » ich fürcht mich bei euch . Deine Mutter ist wie eine Hex ... « Das letzte flüsterte ich nur und sah ängstlich nach der Tür , wo die Alte zuvor verschwunden war . Kaum aber waren die Worte meinem Mund entkommen , da schrie das Mädchen laut auf und weinte und klagte : » O Unglück ! O Schand ! « Ein heftiges Mitleid mit der Jammernden erfaßte mich , und ich bat sie , doch aufzuhören mit dem Weinen , und ich hätte ihr nicht weh tun wollen . Aber sie ließ sich nicht mehr trösten und schwur , daß sie dies Haus verlassen werde und fremd wohin gehen . Und dann sagte sie mir , daß sie gar nicht die Tochter der Alten sei , sondern nur ein hergelaufenes Mädchen , das die Pflegemutter wohl einmal irgendwo aufgelesen hätte . Eigentlich sei ja die Ziehmutter das beste Weib unterm Himmel ; die gäb gewißlich ihr Leben für ihr Pflegekind ; aber – sie sei halt doch eine verrufene Waldhex . Ich erschrak bei diesem Namen auf das heftigste , denn ich gedachte meiner Ziehmutter und ihrer Erzählungen von der alten Irscherin , der Waldhex , von der es hieß , daß sie Kindern die Hände abhaue und diese an Räuber und Diebe verkaufe als ein Zaubermittel gegen Verfolger , und daß sie auch sonst viel schändliche Dinge treibe . Stockend fragte ich : » Wie heißt denn deine Ziehmutter ? « » Sie ist die alte Irscherin ! « sagte sie und meinte , da ich erblassend ihren Arm ergriff : » Du brauchst aber keine Furcht vor ihr zu haben ; sie tut niemandem was , am wenigsten dir . Wenn du das gespürt hättest , wie sie dich damals in dem Felsenloch auf die Schultern genommen und hergebracht hat , wie sie dich in ihr eigenes Himmelbett gelegt und gewartet hat und gepflegt , wie sie die vielen Tage und Nächte bei dir gewacht hat und dein hitziges Fieber gekühlt und dich besänftigt hat , wenn du in deinen unsinnigen Träumen gerungen hast mit einem andern und getobt und geheult ; wenn du das alles gespürt hättest , sag ich , du könntest dich nicht fürchten vor ihr ! « Staunend vernahm ich alles dies und fragte : » Wie lange bin ich denn schon hier ? « » Gewißlich schon an die vier Wochen oder fünf ! « erwiderte sie und kühlte mir die heiße Stirn mit einem nassen Tuch und gab mir zu trinken . » Wir wissen nicht « , fuhr sie darnach fort ; » woher du kommst , und auch nicht , wer du bist , und niemand in der Gegend hat bis heut nach dir gefragt . Du bist ohne Sinnen und ganz ohnmächtig dagelegen bis gestern und wirst wohl noch eine Weil stillhalten müssen , bis du wieder richtig bist . Aber das ist einmal gewiß : Die Mutter macht dich wieder gesund . Und du sollst dich nicht mehr vor ihr fürchten ! « Sie strich mir über die Wangen ; da sagte ich : » Wenn du sagst , daß sie so gut ist , dann fürcht ich mich nimmer . « » Wie heißt du denn ? « fragte sie wieder ; » und wie konnte dir das Unglück so ankommen ? « Da sagte ich ihr , daß ich der Weidhoferbalg sei und Mathias Bichler heiße . Auch von meiner Wallfahrt berichtete ich und von meinem Kampf mit dem langen Ambros ; doch tat ich es nur stockend und fühlte eine Schwäche beim Reden . Da meinte sie : » Schweig nur wieder still und denk nicht mehr daran ! Ich bleib schon bei dir ! « Dessen war ich von Herzen froh und tat von da ab alles , was sie mir zu meiner Gesundung empfahl , und war auch gegen meine alte Pflegerin dankbar und zutraulich . Und als sie meiner Ziehmutter , der alten Weidhoferin , zu wissen machte , daß ich bei ihr sei , und da diese voller Schreck den Hausl zur Irscherin sandte mit der Botschaft , sie hätte das Bett schon aufgedeckt für mich und ich bräuchte mich bloß hineinzulegen , da sagte ich zu dem Buben : » Sag der Mutter , daß es mir bei der Irscherin ganz gut geht , und daß auch auf dem Stroh von der Waldhex gut schlafen ist , und ich glaube , daß sie gar keine ist . « Da ließ sie mich noch liegen und schickte nur ab und zu einen Boten , daß er ihr einen Ausspruch brächte , wie es mit mir stand ; denn um keinen Preis hätte sie , die fromme Meßmerin , es über sich gebracht , das Haus der verschrienen Alten zu betreten ; es wäre denn ein Pfarrer vor ihr hergegangen und hätte den Teufel mit Weihrauch und Benediktion gebannt und verscheucht . Ich selber spürte nun allerdings nichts von dem unholden Wesen , das man der alten Irschermutter nachsagte ; sie pflegte mich Tag für Tag mit einer gleichmäßigen Freundlichkeit , riet mir dies und gab mir das , und noch ehe ein Monat um war seit dem Tag , da ich zum erstenmal wieder klaren Verstand gezeigt hatte , konnte ich schon mit ihr am Waldrand entlang hinken oder hinter dem Haus auf dem Anger in der Sonne liegen und die Geißen hüten . Auch lernte ich allmählich das Haus der alten Mutter , das Stüblein der Jungfer Kathrein und noch allerhand kennen ; auch wußte ich nun , daß die Alte eine große Kunst kannte , Leut und Vieh von Krankheiten und Gebresten zu heilen , Menschen auf kommendes Unheil vorzubereiten oder selbiges von ihnen abzuwenden , wenn sie sich ihr freundlich erzeigten . Sie konnte sympathische Tränke mischen und denen helfen , die durch unholde Zauberei liebeskrank , unglücklich oder arm geworden waren . Auch bereitete sie auf eine geheimnisvolle Weise Glücksmännlein oder Mandragoren . Da las sie erst eifrig in ihrem alten Handbuch , schrieb mit der Kreide allerhand geheime Zeichen an die Stubentür und blickte jeden Abend aufmerksam zu den Sternen . Endlich hatten diese eine glückliche Stellung zum Monde , und nun ging sie mit einem Tuch hinaus an den Saum des Waldes . Dort grub sie etliche seltsam geformte Wurzeln aus , die sie Hundswurz oder auch Alraunen nannte , und trug sie in dem Tuche heim . Nun beschnitt sie alle Ausläufe der Wurzeln , holte aus einer alten Truhe ein Leichentuch , in das , wie mir die Jungfer Kathrein berichtete , einst ein heiliger Mönch des Zisterzienserordens gehüllt gewesen , und trug sie so verwahrt nach dem Friedhof . Hier steckte sie die Wurzeln in die Grabhügel verstorbener reicher Leute und ging darnach heim . Am andern Morgen durchsuchte sie den Dachboden nach Fledermäusen , fing drei derselben und ertränkte sie in den Molken der Kuhmilch ; darauf begann sie laut zu beten und heilige Sprüche herzusagen und goß die Milch in ein kupfernes Weihbrunngefäß . Jeden Morgen vor Sonnenaufgang ging sie nun laut betend ums Haus , nahm darnach etwas von den Molken und begab sich zum Friedhof , die Wurzeln mit dieser Milch zu begießen . Hierauf ging sie in den Wald und sammelte Farren- oder Natternkraut , sowie auch Eisenkraut , dörrte es und legte es darnach in die Truhe . Nach etlicher Zeit , es mochte wohl eine Woche oder zwei vergangen sein , grub sie die Wurzeln wieder aus , trug sie im Leichentuch wieder nach Hause , heizte den Ofen mit dem gedörrten Kraut und trocknete die Alraunen an diesem Feuer . Dann schnitt sie von dem Leichentuch kleine Stücklein ab und wickelte die Wurzeln , welche jetzt gerade so aussahen wie winzige , vertrocknete Zwergmännlein , darein und nähte sie in leinene Säcklein . Solange man eine solche Mandragora bei sich trug , schlugen einem nach dem Ausspruch der alten Irschermutter alle Geschäfte und Handelschaften zum Glück aus , und sie gab mir Beispiele , wie dieser und jener Bauer , der vordem ein armer Fretter gewesen , plötzlich zum glückhaften und wohlhabenden Mann geworden sei , nachdem er eine solche wunderbare Mandragora von ihr erhalten habe . Sie wußte auch allerlei Mittel , um einem eine geliebte Person hold zu machen , und hatte eine gute Kundschaft von solchen Leuten , denen sie dann um gute Worte allerlei gab : dem einen ein gepulvertes Schwalbenherz oder das einer Taube , das mußte er der Liebsten in den Wein streuen ; der andern ein Stück Lilienwurz und ein Ringlein , woran die Verliebte etliche von ihren Haaren binden mußte und es dem Liebsten in das Gewand stecken , ohne daß er es merkte ; wieder einem gab sie ein Wachsbild , das eine Frau vorstellte , und sie sagte ihm , daß er dies Bild in ein Stücklein seines Hemdes wickeln und der Verehrten unter den Kopfpolster ihres Bettes legen müsse , worauf sie ihm ewig zugetan sei . Auch Liebestränke braute sie aus Johanniskraut und starkem Met und gab dies denen , die sich über große Kälte der geliebten Person beklagten . Doch auch Gegenmittel wußte sie zu geben , wenn durch irgendwelchen Zauber jemand von einer unsinnigen Liebe für eine Person ergriffen war und wieder davon geheilt sein wollte . Da ließ sie dem Kranken einen Magneten auf die Brust hängen , Ipericon mit Melissenwasser trinken oder destilliertes Enzianwasser und riet Bäder aus Johanniskraut und Dorant . Auch verstand sie eine uralte Kunst , das Nestelknüpfen , um einem Bauern oder Burschen die Mannbarkeit auf lange oder kurze Dauer zu nehmen , und das Gürteldrehen , was den gleichen Zweck hatte . So strafte sie auch den Ödhofer für seine unvernünftige Liebeshitze zur Jungfer Kathrein ; sie knüpfte , als er wieder einmal kam und ungestüm nach der Jungfer rief , eine uralte , rote Nestel hinter seinem Rücken und gab ihm ein Glas Wein , in dem sie Sauerampfer destilliert hatte , worauf er sich nicht mehr sehen ließ im Hause ; doch weiß ich nicht , ob er wegen der geknüpften Nestel oder wegen des bitteren Weins ausblieb ; wo er aber hinkam , schalt er laut über die Hexe . Lieb und Tod Die Zeit ging hin , und ich war unversehens so ein halb , dreiviertel Jahr im Haus der alten Irscherin gewesen und hatte dort vieles gesehen und auch gar manches gelernt , was mir nachmals im Leben nützlich und zur Wohlfahrt wurde ; hatte auch eine innige und feste Zuneigung zur Jungfer Kathrein gefaßt und , obschon ich erst ein gut zwölfjähriges Bürschlein war , bei mir beschlossen , sie einmal zu ehelichen . Das sagte ich ihr auch ganz frei , und sie lachte dazu und ließ mich gewähren , wenn ich sie stürmisch umschlang , ihr die roten Haare zauste oder sonst zärtliche Späße mit ihr trieb . Da hieß sie mich ihren närrischen Buben oder ein Nachtei , ein dummes , und , wenn ich es etwan gar zu unsinnig trieb , ihren tolpatscheten Ritter . Dazu gab sie mir einen zärtlichen Backenstreich und zuweilen wohl auch einen Kuß . Meine Liebe für sie wurde immer heftiger , und ich erschrak bei dem Gedanken , daß ich nun doch bald von ihr scheiden müsse und wieder zurückkehren zur Weidhoferin . Und da nun der Knecht meiner Ziehmutter wirklich kam und mich holen wollte , lief ich , kaum ich ihn von weitem gesehen hatte , davon und in die Kammer der Jungfer . Dort verkroch ich mich unter ihre Bettstatt und ließ mich nicht mehr blicken , bis das Kathreinl spät am Abend hineinkam und ich sie weinen hörte . Da kroch ich eilig hervor und fragte sie : » Was weinst du denn , Kathrein ? « Sie erschrak heftig und wollte davon ; doch ich sprang auf sie zu , umschlang sie und bat sie flehentlich zu bleiben . Nun erst erkannte sie mich und rief » Mathiasle ! O du Ludersbub , du schlechter ! 's ganze Haus , alles hab ich um dich abgesucht ! Die Mutter ist noch draußen im Holz und schaut und schreit nach dir , und sie meint , du bist wieder in die Klauen von dem Unhold gefallen , der dich selbigsmal in die Felsenschlucht gestoßen hat ! « Darnach seufzte sie und fuhr fort zu reden : » Ach , Bub ! Jetzt ist 's halt wieder vorbei ! D' Weidhoferin hat geschickt , und du mußt heim ! Jetzt bin ich halt wieder allein . « Und sie begann aufs neue zu weinen und setzte sich aufs Bett und drückte die Schürze an die Augen . Da sprang ich auf ihren Schoß , halste sie und streichelte sie und gab ihr die zärtlichsten Namen , um sie zu trösten . » Kathreinl ! « bat ich ; » sei doch wieder gut ! Ich geh ja gar nicht fort ! Ich bleib halt da bei dir und laß der Mutter sagen , daß mich du nimmer g'raten kannst ! « Und da sie mir nichts antwortete , küßte ich sie auf die Lippen , Augen und Wangen und geriet in eine solche Liebeshitze , daß ich selbst darüber verwundert war , ohne jedoch der Natur zu wehren . Vielmehr verstieg ich mich zu den tollsten Versprechungen : daß ich jeden totschlage , der mich von ihr wegbringen wolle , und daß ich , wenn es sein müßte , für sie die peinlichsten Martern leiden wolle . Sie hörte schließlich auf zu weinen und wurde durch meine unsinnige Raserei ebenfalls munter und zärtlich und erwiderte am Ende meine Küsse und gab mir allerlei süße Namen und liebkoste mich zärtlich . Der Kienspan , den sie aufgesteckt hatte , war abgebrannt , und sein letzter , glimmender Stumpf bog sich und sprang verlöschend ab , so daß wir im Dunkeln saßen . Da stieg ein seltsam heißes Gefühl in mir auf ; ich spürte , daß meine Wangen wie mit Blut übergossen wurden , und fiebernd preßte ich meinen Mund auf den des Mädchens . Sie drückte mich fest an sich , ihre Brust hob sich stürmisch ; plötzlich seufzte sie tief auf , schob mich von sich und sagte mit fremder , rauher Stimme : » Geh jetzt , Bub , geh jetzt ! « Wieder , wie damals in der Kapelle der Mutter Gottes , als mich der Bauer zurechtgewiesen , packte mich ein Gefühl , als hätte mich jemand aus einem schönen Himmel gerissen , eine große Übelkeit bemächtigte sich meiner , und ich lief ohne ein Wort hinaus aus der Kammer und vor das Haus . Da saß die alte Irschermutter auf der Hausbank , hielt ihren Krückenstock zwischen den Händen und stieß damit von Zeit zu Zeit auf den Boden . Ich rief sie an ; da wandte sie langsam den Kopf und sagte : » Da bist du ja , du Dunnersbursch ! Wo steckst denn alleweil ? « Ich tat , als überhörte ich ihre Frage , wies auf die schwarzen Wetterwolken am Himmel und sagte : » Kommt ins Bett , Mutter ! Ein Wetter steigt auf ! « Dann lief ich in meine Kammer und legte mich zu Bett , ohne eine Spur von Schlaf zu fühlen . In meinem Kopf sauste und hämmerte es , und in den Gliedern empfand ich eine seltsame Schwere . Meine Gedanken weilten bei der Kathrein , und ich versuchte , mir ihr Gebaren zu erklären , daß sie mich plötzlich so rauh von sich gewiesen hatte . Da begann es zu blitzen und zu krachen , und ein furchtbares Gewitter tobte daher . Der Sturm heulte und pfiff ums Haus vom Wald herüber , und Regen und Hagel schlug an die Fenster . Ich hörte draußen die Irscherin den Riegel der Haustür stoßen und sah sie beim Aufleuchten eines Blitzes an den Fenstern meiner Kammer vorübergehen . Gleich darauf öffnete sich die Tür , und das Kathreinl kam herein und sagte : » Mathiasle , laß mich zu dir kommen ; es tut grauslich draußen , und ich fürcht mich . « Ein bläulicher Blitz flammte auf , und ich sah das Mädchen im dünnen Nachtgewand und mit offenen Haaren vor mir . Ein leichtes Tuch hatte sie um die Schultern gelegt und hielt es mit beiden Händen vorn über der Brust zusammen . » Setz dich zu mir her « , bat ich und rückte zur Seite , während das Haus erbebte von dem Donnerschlag . » Heiligs Kreuz « , rief sie und bekreuzte sich ; » jetzt hat's eingschlagen ! « Und sie lehnte sich fröstelnd an mich . » Die Mutter ist noch fort « , sagte sie dann ; » sie ist so eigen ; wenn es draußen am ärgsten tut , dann geht sie ums Haus und schwingt die Sichel und läßt kein verständiges Wort mit sich reden ... « Wir fuhren beide zusammen : ein grelles , blaues Leuchten ging durch die Kammer und zugleich tat es einen Krach , daß wir uns umschlangen . Bebend kroch das Kathreinl zu mir ins Bett und drückte ihren Kopf fest an meine Schulter , daß sie nichts mehr sah , während sie flüsterte : » Gfehlt is 's ! Das wird 's End ! « Ich bettete sie aufs Kissen , schob meinen Arm unter dasselbe und legte mich ganz nahe neben sie . Da schlang sie ihre Hände um meinen Hals , und wir hielten uns ganz still . Das Wetter entfernte sich , und der Sturm ließ nach ; nur der Regen fiel noch und sammelte sich in der Dachrinne und plätscherte vor dem Fenster in das Faß nieder , das die Irschermutter aufgestellt hatte , um in dem Regenwasser die Wäsche zu waschen . Das Kathreinl war an meinem Hals eingeschlafen und ihre Hände lösten sich langsam und fielen herab . Ich zog leise meinen Arm unter ihrem Haupt weg , nahm ihre Hände in die meinen und schlief am End gleichfalls ein . Brummend schlug die Uhr eben vier , als ich erwachte und mich einen Augenblick besinnen mußte , ehe ich Traum und Wirklichkeit voneinander scheiden konnte ; denn ich hatte im Schlaf das Kathreinl weit fortgeführt in ein hohes Haus und hatte dort Hochzeit gemacht mit ihr . Da war die Irschermutter gekommen und hatte die Sichel geschwungen und geflucht , und im selben Augenblick stürzte das ganze Haus über uns zusammen . Nun sah ich das Mädchen schlafend neben mir , und ich besann mich auf den Abend und die Nacht . Ein ruhiges Glücksempfinden überkam mich , und ich betrachtete mit großer Lust das feine Gesicht , die halboffenen Lippen und die langsam auf- und niedergehende Brust . Endlich rührte sie sich ; ihr Kopf wühlte sich unruhig ins Kissen , ihre Hände fuhren etlichemal im Gesicht und auf der Brust herum , sie tat einen Seufzer und öffnete die Augen . Da sie mich erblickte , schloß sie dieselben wieder , rieb sich mit beiden Fäusten den Schlaf daraus und öffnete sie weit , indem sie sich aufrichtete . » Kathreinl ! « sagte ich und küßte sie . Aber sie war ganz traurig und meinte : » Ach weh ! Jetzt hab ich wohl kein Glück mehr ! Ach , Mathiasl ! Jetzt ist's Jungfernkrönl weg und dahin ! « Und sie weinte leise . Da sagte ich : » Sei still und klag nicht ! Mir deucht , es liegt noch in deiner Kammer drüben ! Bei mir ist 's nit ! « Dann suchte ich scheinbar eifrig in meinem Bett , während sie , wieder lächelnd , langsam aufstand und hinauslief . Nun hielt es mich nimmer auf meinem Lager , und ich erhob mich und machte mich zurecht . Dann trat ich hinaus auf den Flöz und wollte den Riegel der Haustür öffnen , um hinauszugehen ; doch die Tür war nicht verschlossen , und der Schlüssel steckte nicht , wie sonst , am Schloß . Ich ging verwundert hinaus vors Haus ; doch mit einem Schrei fuhr ich zurück : die Irschermutter lag tot auf der Erde – erschlagen vom Blitz . Sie war ganz schwarz und ihre Kleider verbrannt . In den Händen hielt sie noch krampfhaft den verkohlten Sichelgriff und den Krückenstock . Ein Schauer schüttelte mich , und ich mußte mich an den Türstock lehnen , um nicht zu wanken . In diesem Augenblick hörte ich drinnen das Kathreinl in seiner Kammer singen , und ich wurde wieder fest und überlegte , wie ich es machen sollte , um dem Mädchen das Schwere auf eine Weise darzutun , die es am wenigsten traf . Aber ich fand keinen rechten Ausweg ; endlich dachte ich , daß es das Beste sei , wenn ich vorerst noch schwieg und alles dem Himmel überließ ; der würde es schon recht machen . Ging also wieder ins Haus und verriegelte leise die Tür . Darnach blickte ich in die Kammer zum Kathreinl und bat sie um eine Morgensuppe , obgleich mir zu allem andern eher Muts war , denn zum Essen . Sie sang noch immer und lachte mich lustig an , während sie den Stubenboden mit einem Besen aus grünen Tannenreisern auskehrte . » Gleich , Mathiasl « , sagte sie und fegte mir über die Schuhe ; » schau derweil , was die Mutter macht ; sie scheint das Aufstehen heut ganz zu vergessen und das Melken auch . Die Viecher brummen schon , hör ich ! « Ich nickte bloß und sah nach dem kleinen Stall , in dem eine Kuh und zwei Geißen standen und nach dem Morgenfutter riefen . Rasch holte ich einen Korb voll Klee und gab ihnen zu fressen , nahm darauf den Melkeimer und das Stühlchen und begann , sie zu melken . Dabei traf mich das Kathreinl , als es eben nach dem Rechten schauen wollte , und es dämmerte die Wahrheit in ihr auf , und sie fragte mich ängstlich : » Bub ! Warum in aller Welt mußt heut du das Vieh melken ? Was ist 's mit der Mutter ? « Sie wird noch schlafen « , sagte ich und steckte den Kopf tief unter den Körper der Kuh , damit das Mädchen nicht sah , wie mir die Augen naß wurden . Aber sie sagte gar nichts mehr darauf , lief in die Kammer der Mutter und kam , da sie dieselbe leer und das Bett unberührt fand , ganz bleich und still wieder in den Stall , legte ihre Hand auf meine Schulter und sagte tonlos : » Sie ist nimmer da . Sag mir's nur , ich weiß schon : sie ist tot . « Und als ob sie alles schon wüßte , ging sie ganz ruhig wieder hinaus , schob den Riegel zurück und trat unter die Haustür . Ich stellte den Eimer weg und lief ihr nach ; aber sie kniete schon neben der Toten und war ganz still und gefaßt . » Ich hab 's schon gewußt , daß es so ist « , sagte sie bloß , als ich auf sie zutrat und sie wegführen wollte ; » es war ja ihr Wunsch , so durch die Gewalt der Elemente zu sterben . Feuer oder Wasser , sagte sie immer , müssen mich umbringen ; lang leiden und siechen mag ich nicht . « Sie nahm ihre Schürze ab und deckte sie über die Tote . Dann ging sie hinein und ordnete das Haus , wobei ich ihr half und mit ihr beredete , was zu tun sei . » Wir müssen sie begraben lassen « , sagte sie , und sie machte sich , nachdem sie noch ein wenig Milch getrunken hatte , auf den Weg nach Sonnenreuth , um den Tod der Mutter beim Bürgermeister , beim Doktor und beim Pfarrer anzuzeigen . Bis dahin hatte sie keine Träne geweint , keine Klage laut werden lassen ; doch da sie wieder aus dem Dorf zurückkam , schluchzte sie laut und klagte : » Arms Mutterl ! So muß alles kommen ! « Tröstend strich ich ihr über die nassen Wangen . Da schrie sie laut auf : » O , die Christen ! Die frommen Pfarrherrn ! Nicht aussegnen will man sie ! Den Friedhof verweigert man ihr , weil sie eine Hexe war ! Der Herr Pfarrer sagt , das sei augenscheinlich , daß Gott ihren Frevel bestraft und der Teufel sie geholt hätte , und er verweigert die letzten Segnungen der Kirche . « Starr hörte ich ihr zu ; dann sagte ich : » Laß 's nur gut sein , Kathreinl ! Ich geh zum Weidhofer , daß er dem Herrn Pfarrer ein gutes Wort gibt ! « Aber sie sagte : » Das hilft dir nichts . Dein Ziehvater , der Meßmer , ist selber dabei gestanden , wie der Pfarrer so über die Mutter geschimpft und sie eine gottlose und unholde Person genannt hat ; und er hat genickt zu der Rede vom Pfarrer und hat gesagt : Ganz recht ! Meinen Buben , den Mathiasl , hat sie so auch schon behext gehabt , daß er nimmer heim will in den Weidhof . « Dabei fiel sie mir um den Hals und weinte bitterlich , bis ich sagte : » Komm , sei fest und hör auf zu jammern ! Was brauchen wir denn einen Pfarrer ! Wir graben sie halt selber ein . Draußen am Weg unterm Feldkreuz geben wir ihr die Ruh . Unser Herrgott wird schon zufrieden sein damit ! « Also nahmen wir Hacke und Schaufel und gingen hinaus auf den Weg und arbeiteten den halben Tag , um der Toten ein gutes Bett zu machen . Dann gingen wir heim , ließen die Kuh und die Geißen aus dem Stall auf den Anger und tranken wieder ein wenig Milch und aßen ein Stück Brot . Die Sonne stand gerade über uns , als wir den Schiebkarren mit Laub und Blumen geschmückt und die Tote in Leinlachen gehüllt und darauf gelegt hatten . Das Kathreinl nahm nun einen Rosenkranz , das alte Buch , in dem die Mutter so gern gelesen , und ein Kästlein , in dem sie ihre wunderbaren und geheimen Dinge immer verwahrt hatte , legte sie zu den Füßen der Toten , und dann fuhren wir sie zum Grab . Wir streuten Gras und Blumen in die Grube , beteten das Vaterunser und senkten den Leichnam weinend hinab . Darnach legten wir die Kostbarkeiten zu ihr , bedeckten sie mit Blättern und Blüten und machten das Grab wieder zu , indem wir dazu beteten : Herr , gib ihr die Ruhe , dein Licht leuchte ihr , laß sie ruhen in Frieden . Amen . Darauf fuhren wir unseren Karren wieder heim , verschlossen alle Türen des Hauses und setzten uns auf das Bett und hielten uns wortlos bei den Händen . Endlich stand ich auf und ging hinaus , um dem Kathreinl etwas zu richten ; denn sie sah so bleich und elend aus , daß ich dachte , sie hätte gewiß Hunger . Aber sie lief mir sogleich nach und sagte : » Es hungert dich leicht , Bub ? « Und sie holte etliche Eier aus der kleinen Speiskammer und das Schmalzhäflein und schlug für mich drei und für sich zwei Eier in die Pfanne , und wir hielten auf der Ofenbank , während das Reisigbüschel am Herd verglimmte , ein trauriges Totenmahl . Plötzlich sagte das Mädchen mit einem schwachen Lächeln : » Jetzt fehlt nur noch der Leichentrunk und der Totentanz ! Wir müssen der Mutter doch die letzten Ehren schenken ! « Damit lief sie hinaus und kam nach einer Weile mit einem Krüglein saueren Mosts und einem schwarzen Holzkasten wieder . » Trink « , sagte sie und nahm eine alte , abgegriffene Zither aus dem Kasten und legte sie auf die Knie . Ich sah ihr mit Schaudern und Staunen zu und wollte diesem Empfinden eben Worte geben ; da griff sie in die Saiten , schlug etliche Akkorde an und spielte einen alten , harten Landler . » Den hat sie am liebsten gehört « , sagte sie darnach , » den hat ihr schon ihr Vater immer aufgespielt ; er ist ein zwiefacher und geht gut zum Plattln . Früher hat die Mutter noch manchmal ein paar Burschen und Dirndln auf Besuch geladen , und sie haben da getanzt und gesungen ; aber seit der Pfarrer einmal von der Kanzel gesagt hat , wen er noch mal bei der alten Waldhex antrifft , den absolviert er bei der Beicht nimmer , seit der Zeit hat sich keins mehr in den Heimgarten getraut außer dem Ödhoferbuben ; aber der ist nicht wegen der Musik gekommen und auch nicht wegen einer von den Dirndln . Ich glaub auch , daß kein anderer dem Pfarrer was gemeldet hat von dieser Tanzmusik als wie der Ödhofer . Er hätt halt gern allein sein mögen zum Zuhören . « Sie lachte plötzlich spitzbübisch auf , trank hastig und spielte darnach wieder weiter . Ich fand mich nicht ganz wohl bei dieser ganzen Sache und meinte , indem ich ein leises Grausen abzuschütteln suchte : » Jetzt langt 's schon , Kathreinl ! Mir deucht , die Tot möcht jetzt lieber ihre Ruh haben ! « Aber das Mädchen schüttelte bloß den Kopf , trank wieder , nahm die Zither in eine Hand , stand auf und begann mit derselben einen tollen Tanz aufzuführen , indem sie mit voller Hand Akkorde griff und die Zither schwang . Das klang bald wie fernes Glockengeläute , bald wie wilde Orgelmusik , und ihre Füße stampften dazu , und sie wirbelte herum , daß ihre roten Zöpfe los wurden und herabfielen . Da erhaschte ich einen , als sie eben wieder an mir vorbeistampfte ; ich hielt sie daran fest und umspannte , als sie aufschreiend stillhielt , ihren Leib . Ganz elend bat ich sie flehentlich , doch aufzuhören , und ich drohte ihr , sogleich aus dem Haus zu laufen , wenn sie den Teufelstanz nochmals beginnen würde . Sie stand erschöpft vor mir , und ihre Brust ging stürmisch auf und nieder . » Ja , ja ; ich bin schon wieder still « , sagte sie heiser und verschloß sodann die Zither und lehnte den Kasten hinter den Ofen . Dann strich sie sich das Haar glatt , trank gierig und setzte sich , mich neben sich niederziehend , wieder aufs Bett . Ich folgte ihr widerstrebend . Eine seltsame Scheu vor dem wilden Wesen des Mädchens hatte mich ergriffen und wich auch nicht , als diese plötzliche Wildheit einem stumpfen Vorsichhinstarren Platz machte . Stumm saß ich neben ihr und spielte nachdenklich mit dem Ende ihres Zopfes und wickelte ihn gleich einem Ring um die Finger , als draußen heftig an die Haustür gepocht wurde . Wir sprangen beide zugleich auf und sahen uns er schreckt an ; da pochte es wieder . Das Kathreinl sagte : » Nicht aufmachen ! Sei ganz still ! Ich schau , wer 's ist ! « Und sie schlich ganz leise über die Stiegen hinauf und sah vom Söller durch eine Luke hinab auf den Einlaßbegehrenden . Gleich darauf kam sie mit unhörbarem Schritt wieder herab und flüsterte mir zu : » Halt dich still ! Der Schnepfalucka , der Leichenbschauer , ist's ! Der soll nur wieder gehen ! « Da hielten wir uns ganz still und horchten , bis wir ihn wieder fortgehen hörten ; das Kathreinl lief in die Speiskammer und sah durch das dichte Fliegengitter hinaus nach dem Weg , dann sagte sie : » Er geht schon wieder heim . Heut laß ich keinen Menschen mehr ins Haus , und morgen ... « Sie schwieg plötzlich und sah mich ganz traurig an , so daß ich fragte : » Was ist's morgen ? « » Morgen müssen wir halt fort – hinaus aus dem Haus « , sagte sie gepreßt , » der Bürgermeister hat mir befohlen , daß ich alles gut verschließen solle und ihm die Schlüssel bringen , damit er nicht selber herausgehen müsse wegen der Verlassenschaft . « » Und du ? « fragte ich erstaunt und erschrocken . » Ich muß halt schauen , wo ich unterkomm derweil « , sagte sie , » ich bin ja bloß ein Balg , eine Hergelaufene ; da muß erst die Verlassenschaft entscheiden , was mit mir geschieht . « Da stieg ein großer Zorn gegen die von der Verlassenschaft in mir auf , obgleich ich das Wort nicht verstand ; ich brachte es aber mit dem Begriff Verlassensein in enge Verbindung und dachte , daß das Kathreinl nun niemanden mehr habe auf der Welt , außer mir . Darum sagte ich entschlossen zu ihr : » Da hat gar niemand was zu entscheiden wegen dir , als wie ich ; und du mußt mit mir zu der Weidhoferin gehen , und sie muß dich nehmen . Und dann bleibst du bei mir . « Ich war , obgleich ich noch gar nicht wußte , ob alles so hinausginge , so erfreut über die Lösung , daß ich das Mädchen ganz fidel mit mir in der Stube herumzog und mit vielen Worten mein Glück pries , daß sie bei mir bliebe . Wir brachten den übrigen Tag ziemlich nutzlos zu und gingen fast nicht aus der Kammer . Und da wir das Vieh eingetrieben und gemolken hatten und es allmählich dunkel wurde in der Stube , begann sich das Kathreinl zu fürchten und sagte , daß sie sich nicht in ihre Kammer traue , worauf ich wieder mein Bett mit ihr teilte und die halbe Nacht mit ihr redete und sie unterhielt , bis uns endlich beiden die Augen zufielen . Die Hexenjungfer Es war schon heller Tag , als ich erwachte und mich nach dem Kathreinl umsah ; doch ihr Platz war leer , und ich hörte sie schon draußen vor dem Haus am Brunnen werken und waschen . Da stand ich gleichfalls auf und half ihr , das Tägliche zu verrichten . Wir fütterten das Vieh und gaben ihm frische Streu , darauf machte ich mich ans Melken , während das Mädchen die Morgensuppe kochte , mein Bett richtete und den Hausflöz mit dem Tannenbesen auskehrte . Und nachdem wir das Vieh auf den Anger getrieben , unsere Suppe verzehrt und das Haus verschlossen hatten , machten wir uns auf den Weg nach Sonnenreuth . Das Kathreinl hatte sein bestes Gewand angelegt und prangte in einem rotschillernden Kleid und einer leuchtendblauen Schürze mit schwarzen Blonden . Ihr kunstreich abgenähtes Mieder wurde von einem reichen Silbergeschnür zusammengehalten , und den Hals zierte eine vielreihige Silberkette mit schwerer Schließe . Um die Schultern trug sie ein buntgesticktes Seidentuch , und ihre Füße staken in weißen Strümpfen und feinen , lederbesetzten Zeugschuhen mit großen Schnallen . Diese Tracht trugen zu jener Zeit alle Mädchen und Frauen der Sonnenreuther Gegend , und dazu setzten sie schwarze Filzhüte mit langen Goldquasten und reicher Goldverschnürung auf . In einem rotbestickten Sacktuch trug das Kathreinl die Schlüssel des Hauses , eine grobe Schürze und ein Stück trockenen Brotes . Da wir unter das Kreuz kamen , wo die Mutter lag , blieben wir eine Weile still und wünschten der Toten mit Andacht die ewige Ruh und den Frieden . Dann gingen wir baß drauflos und kamen gegen zehn Uhr in der Früh nach Sonnenreuth und an das Haus des Bürgermeisters . Dem übergab das Mädchen die Schlüssel , sagte , daß die Mutter schon eingegraben sei und daß die Kuh und die Geißen auf den Abend wieder melken bräuchten ; darauf faßte sie mich bei der Hand und ging rasch und ohne dem Alten auf seine Fragen etwas zu erwidern mit mir hinaus . Wir hielten uns auch beim alten Schnepfalucka , dem Leichenbeschauer , nicht lange auf ; das Kathreinl klopfte rasch an seiner Tür und rief hinein : » Die Irscherin ist schon eingegraben ! « Dann liefen wir wieder davon und kamen gegen den Weidhof . Meine Ziehmutter wollte eben den Hennen Futter streuen , da traten wir Hand in Hand durch den Gadern in den Hof . Erschreckt schüttelte sie den ganzen Weidling voll Körner unter die Hühner , beschattete die Augen mit der Hand , um besser zu sehen , und schrie : » Daß 's Gott gsegn' ! Unser Bub ! Und mit der Hexenjungfer ! « Und sie bekreuzte sich und wollte rasch ins Haus ; aber ich zog das widerstrebende Mädchen hinter mir her und vertrat meiner Ziehmutter den Weg : » Haltet , Mutter ! Bleibt noch ein wenig ! Ich bring wen mit – ein Waisl , das Ihr aufnehmen mögt ! ... « Aber sie erhob abwehrend beide Hände , wandte das Gesicht weg und lief ins Haus , während dem Kathreinl langsam eine Träne nach der andern über die Wangen rollte . Das gab mir einen Stich ins Herz , und ich lief der Mutter nach und faßte sie am Gewand und schrie sie an : » Ihr sollt sie nicht weinen machen , Mutter ! Ihr sollt gnädig sein und gut , weil sie auch gut ist ! « Und da sie nicht hören mochte , drohte ich : » Wenn Ihr sie nicht nehmt , dann geh ich auch wieder , und Ihr habt die Schuld , wenn was geschieht ... ! « Damit lief ich wieder hinaus und fand das Mädchen , als es eben aus dem Hof gehen und den Gadern hinter sich schließen wollte . » Kathreinl ! « schrie ich , » was willst du denn tun ? Warum kehrst du um ? « » Weil ich nichts verloren hab da drin ! « erwiderte sie rauh und schlug das Türl zu . Da eilte ich hinaus , packte sie am Arm und schrie : » Und ich will haben , daß du dableibst ! Du gehörst zu mir ! Sie müssen dich aufnehmen ! « In diesem Augenblick kam der Meßmer , mein Ziehvater , vom Gottesacker daher und ging auf uns zu und sah , wie ich das Mädchen zurückhielt . Da sagte er : » Wo aus , Jungfer ? – Hast ihn jetzt wiedergebracht , den Racker ? – Wohin denn schon so früh in dem Putz ? « » Eine Heimstatt suchen « , sagte das Kathreinl und wollte sich von mir losmachen . Da rief ich : » Nehmt sie doch Ihr derweil , Vater ! Sie soll nicht allein rumtappen ! – Gelt , Vater , Ihr behaltet sie derweil , bis sie nimmer verlassen ist ! « Der Weidhofer sah wohlgefällig auf mich nieder , betrachtete das Kathreinl eine Weile und meinte dann : » Wenn sie mit dem Strohsack zufrieden ist in deiner Kammer ? Du kannst ja im Ambros seiner Liegerstatt schlafen , so lang er auf der Alm ist . Von mir aus kann sie schon dableiben ; Arbeit gibts bei uns für jeden , der sie nicht scheut ! « Herrgott ! Wie wurde ich froh ! Ich bedankte mich jubelnd beim Vater und sagte darnach zum Kathreinl : » Jetzt mußt du doch bei mir bleiben ! Jetzt mach nur geschwind , daß wir's der Mutter sagen ! « Da sagte sie denn ja und dankte dem Weidhofer und ging mit uns . Die Ziehmutter war schon eine Weile unter der Haustür gestanden und hatte auf uns herübergeschaut ; da sie uns aber nun alle drei eintreten sah , schüttelte sie den Kopf und verschwand im Haus . Ich führte nun das Mädchen in meine Kammer und meinte , da ich das Bett sah , nachdenklich : » Du mußt halt schauen , wie du liegst ; ich bring dir schon alles , was du brauchst und gern haben möchtest ! « Ihr Stübchen war ein viel schöneres und ihr Bett ein viel besseres gewesen , und ich sah ängstlich und unruhig auf das Mädchen . Scheu blickte sie an den kahlen Wänden entlang , betrachtete stumpf den verstaubten Wandherrgott in der Ecke und die große Spinnwebe daneben und setzte sich schließlich seufzend und fröstelnd auf die Truhe , die unter dem niederen Fenster stand und meine paar Habseligkeiten in sich verschloß . Plötzlich sagte sie : » Wie kalt es in diesem Christenhaus ist ! Bei uns daheim ist 's viel wärmer gewesen ! – Wer wird leicht jetzt das Hexenhäusl kriegen ? – Es ist schad drum ! « Ich suchte ihr die Kammer ein wenig behaglicher zu machen und lief hinaus , durchsuchte das Haus nach allem möglichen und schleppte es hinein zum Kathreinl : einen alten , wackligen Tisch vom Dachboden , einen geschnitzten Stuhl aus der Kammer des Ambros , das Kopfkissen aus dessen Bett , zwei Blumenstöcke vom Söller und eine alte , blaubedruckte Bettzieche als Tischdecke . Darauf holte ich aus meiner Truhe etliche Heiligenbilder und nagelte sie alle über das Bett . » So , Kathreinl , jetzt paßt es schon eher für dich ! « sagte ich darnach befriedigt ; » jetzt bring ich dir noch einen Spiegel und das Spinnradl von der Mutter , daß du gute Weil und was zu tun hast . « Nach langem Suchen fand ich einen alten , bemalten Spiegel , in einem Kasten hängend ; den brachte ich dem Mädchen und auch etliche Zöpfe Flachs zum Spinnen . Das Spinnrad stand verstaubt am Heuboden , und ich mußte es erst mit dem Flederwisch reinigen , ehe ich es dem Kathreinl in die Kammer stellen konnte . Derweil ich noch immer nach neuem suchte , um dem Mädchen das Stüblein gut zu richten , läutete es zu Mittag , und ich hörte Türen schlagen , Tritte poltern und Männerstimmen reden und lachen . Der Weidhofer kam über die Stiegen herauf und rief : » Mathiasle , was is 's – zum Essen ! Bring deine Jungfer auch gleich mit ! « Da holte ich geschwind einen schönen Teller und einen neuen Löffel aus der Künigkammer , damit das Kathreinl nicht mit den Knechten in eine Schüssel zu langen bräuchte , und stellte einen Lederstuhl neben die Bank , auf der ich sonst gesessen war ; darnach holte ich die Jungfer hinunter . Die große , bemalte Schüssel mit den Knödeln stand schon auf dem Tisch , als wir eintraten . Knechte und Mägde standen darum , und der Weidhofer betete eben um Gottes Segen zu Speis und Trank und um Gnade und Gedeihen dazu . Der Weidhoferin ihr Platz war noch leer , und alle blickten nach dem Tischgebet noch unschlüssig , ob sie sich setzen könnten , da gemeiniglich die Sitte bei den Bauern ist , daß erst der Bauer und die Bäuerin niedersitzen und auch als erste in die Schüssel langen . Der Meßmer setzte sich endlich und sagte : » Fangts nur derweil an ; d' Mutter wird schon kommen . « Nun zog ich das Kathreinl , welches glühendrot geworden war , mit mir an den Tisch und nötigte es an den von mir bestimmten Platz ; darauf wollte auch ich mich setzen . In diesem Augenblick sahen alle neugierig auf das Mädchen ; die Oberdirn warf den Löffel mit dem Ruf weg : » Mariand Christi ! D' Hexenjungfer ! « , bekreuzte sich und lief weg ; und sogleich standen auch die andern alle auf , murmelten Verwünschungen und entfernten sich , ohne auf den Unwillen des Weidhofers zu achten . Das Mädchen aber saß starr und ganz schneebleich auf seinem Stuhl , sah einen nach dem andern gehen und seufzte tief auf , als der Vater mit der Faust fluchend in den Tisch schlug und schimpfte : » Gesindel verdammtes ! Sollen's bleiben lassen , wenn sie nicht mögen ! – Iß , Maidel , und laß dich 's nit verdrießen ! « Ich war ihm von Herzen dankbar für seine Worte und rief : » Ihr seid brav , Vater , das Kathreinl tut niemand was . « Fürsorglich legte ich alsdann dem Mädchen , das stumm zum Fenster hinaussah , einen Knödel auf den Teller , reichte ihr das Schüsselchen mit dem Dotschentauch und bat sie , doch zu essen . Erst hörte sie nicht auf mich ; endlich nahm sie , aß aber nur etliche Bissen und stand darnach mit einem leisen » Vergelts Gott « auf . Auch ich brachte kaum ein wenig Speis in mich , erhob mich gleichfalls und ging mit dem Kathreinl wieder in meine Kammer , während der Meßmer für uns drunten dem himmlischen Vater Dank sagte für alle Wohltaten . Eine Weile später , während das Mädchen das Mieder und Geschnür ablegte , seine rauhe Schürze umband und sich zum Spinnen rüstete , fiel mir ein , daß drunten im Wandschränklein der Wohnstube eine alte Legende mit vielen wunderlichen Abbildungen liege ; ging also hinab , sie zu holen , damit das arme Kathreinl Kurzweil dran hätte . Wie ich nun in die Stube trat , saßen die andern erst beim Essen mitsamt der Weidhoferin und blickten unmutig auf mich . Da sagte ich ganz laut und keck : » Die Hexenjungfer kommt ! Wer nicht schnell verschwindet , wird verwunschen ! « Da entstand ein großer Tumult : die Mägde kreischten furchtsam auf , schlugen das Kreuz und wollten fliehen ; die Mannsleute fluchten und gaben mir grobe Namen , und die Weidhoferin , meine Ziehmutter , stand auf , daß ihr Stuhl umfiel , wies mit der Hand nach der Tür und schrie mit hochrotem Gesicht : » Marsch , weiter , sag ich ! Unser Herr hat lange Arm ; der trifft dich schon noch für dein Gspött ! « Ich lachte , nahm das Buch aus dem Schränklein und ging hinaus ; doch sagte ich dem Kathreinl nichts von der Sache , um sie nicht noch trauriger zu machen ; denn sie weinte ohnedies schon , daß ihre Augen ganz rot wurden . Sie band eben den Flachs ans Spinnrad und rückte sich den Stuhl dazu , indem sie die Schürze vors Gesicht hielt , damit ich nicht sähe , wie sie weinte . Ich empfand tiefen Schmerz , als ich sie so sah , und auch große Reue , daß ich sie hierher gebracht ; doch war es mir unmöglich , dem Mädchen dies zu sagen , noch , sie zu trösten . Es war , als sei etwas Fremdes , Kaltes in mein Herz gekommen , das meine große Liebe für sie zurückschlug , so oft sie daraus emporkommen wollte ; und obschon ich immer noch an unser Zusammensein im Haus der toten Irscherin mit stiller Freude dachte , so tat ich doch nichts , um dies Schöne noch einmal zu erleben . Also saß ich auf der Truhe und beschaute die Bilder der Legende , bis ich , von Müdigkeit übermannt , einnickte . Das Spinnrad schnurrte wieder , als ich erwachte , wie einstmals , und das Kathreinl saß wieder in dem flimmernden Licht der untergehenden Sonne , und ihr rotes Haar glänzte wie lauteres Gold . Sie sah nicht um sich ; gedankenvoll hielt sie ihr Haupt über das Spinnrad gebeugt und drehte mechanisch am Faden , dabei von Zeit zu Zeit die Finger an den Lippen netzend . Eine geraume Weile sah ich ihr zu und hielt , damit sie es nicht bemerkte , meine Augen halb geschlossen ; da aber die Sonne hinter den Bergen verschwunden war und nur noch ein dämmernder Schatten von ihr ganz oben an der Wand zitterte , richtete ich mich auf und sagte : » Jetzt hätt ich bald den Feierabend verschlafen ; geh , hör auf zu spinnen , Kathreinl , dann hol ich dir dein Nachtessen . « Ging also hinab in die Kuchel des Hauses , suchte den Teller des Mädchens und den Löffel und trug beides hinauf in die Kammer . Die Ziehmutter stand derweil am Herd , hatte die große , rußige Eisenpfanne auf dem Dreifuß , unter welchem ein lustiges , offenes Reisigfeuer prasselte , und kochte den Abendschmarren , ein rauhes Gericht aus Mehl und Erdäpfeln . Sie schaute mich unfreundlich an , sagte aber nichts und gab mir , als ich ein weißes Schüsselchen vor sie hinstellte und sagte , daß ich dem Mädchen zu essen bringen wolle , sogleich ein ansehnliches Häuflein Schmarren und einen kleinen Weidling voll süßer Milch . Dies brachte ich , nachdem ich mich bei der Mutter dafür bedankt , dem Kathreinl , das bei meinem Eintreten am Fenster lehnte und in den nebligen Abend hinaussah . Gemeinsam verzehrten wir darauf diese Mahlzeit , ohne etwas dabei zu reden ; darnach wünschte ich ihr eine ruhsame Nacht und trug das Geschirr hinab in die Kuchel . Der Meßmer wusch sich eben am Brunnengrand Gesicht , Hals und Brust , als ich nach diesem vors Haus ging und mich auf die verwitterte Holzbank setzte ; da er mich sah , fragte er , indem er sich einen Strahl Wasser auf den Scheitel pumpte : » He , Racker , wo ist denn deine Jungfer ? Sag ihr , der Bürgermeister hätt das Vieh vom Waldhaus geholt und in die Gemeindeställe gewiesen , bis es auseinandergeht mit der Verlassenschaft . Er hat mirs zu wissen gemacht und fragt , wo die Waldhäuslerin eingegraben ist . « » In Gottes Erdboden « , erwiderte ich und lief hinauf , alles dem Mädchen zu berichten ; doch sie hatte ihre Tür schon verriegelt und gab mir auch auf mein Rufen und Pochen keinen Bescheid , so daß ich endlich ging , drunten » Gut Nacht « wünschte und hierauf die Kammer des Ambros aufsuchte und mich zu Bett legte . Mitten in der Nacht , als ich endlich nach langem Denken , Betrachten und Sinnen eingeschlafen war , fuhr ich plötzlich empor . Unter meinem Kammerfenster wurde eine Leiter angelegt , ich hörte jemand keuchend emporsteigen , und im nächsten Augenblick erschien im Rahmen des geöffneten Fensters die Gestalt des langen Ambros . Er hielt sich einen Augenblick ganz still , horchte und schwang sich dann rasch in die Kammer herein . Ich gab keinen Laut von mir und hielt beide Fäuste an die Brust gepreßt , um mein heftiges Herzklopfen zu beruhigen , während ich daran dachte , was ich täte , wenn er mir abermals übel wollte . Aber er schaute gar nicht auf das Bett ; mit größter Hast schloß er eine kleine Truhe auf , warf eine Menge silberklirrender Münzen hinein und verschloß sie darnach wieder sorgfältig . Darauf nahm er die Truhe auf die Schulter und wollte sie nun durchs Fenster forttragen ; doch brachte er sie nicht durch den Rahmen und fluchte derowegen ganz wütend . Indem er sich vergebens abmühte , kam mir ein Gedanke ; ich tat plötzlich einen gellenden Pfiff , sprang aus dem Bett und lief aus der Kammer , laut rufend : » Ein Dieb , ein Dieb ! « Als gleich darauf der Weidhofer mit einem Kienspan aus seiner Kammer lief und mir in die des Ambros folgte , lag die Truhe auf dem Boden , die Leiter aber und der Bursch waren verschwunden . Da schloß der Vater das Fenster und meinte : » Nachlaufen hat keinen Wert ; der ist jetzt doch schon Gott weiß , wo . Aber wissen möcht ich doch , wer es war . « Ich sagte : » Der Ambros selber war 's « und berichtete , was ich gesehen , worauf der Vater erwiderte : » Dem komm ich schon drauf , was er hätt wollen , wenn er's war ; und die Truch trag ich derweil zu mir . « Damit hob er sie auf und ging , sie unter dem Arm haltend , wieder schlafen . Am anderen Morgen schickte er sogleich einen Knecht auf die Alm mit dem Befehl , daß er den Ambros vor ihn bringe . Dies geschah , und ich stand dabei , als der Hausl mit ihm eintrat . Kaum hatte mich der Böswicht erblickt , als er auch schon weiß wie der Kalk an den Wänden wurde ; seine Augen weiteten sich und sahen unstät und angstvoll von einem zum andern . Da trat der Vater herzu und sagte : » Wo ist der Schlüssel zu deiner Truch ? « » Droben in der Kammer « , erwiderte der Bursch stockend und sah wieder ängstlich nach mir , so daß der Vater unwillig fragte : » Was scheust dich denn vor dem Buben so ? Hat er dir leicht was getan , heut nacht ? « Da kam eine furchtbare Bewegung über mich ; bebend trat ich vor den langen Ambros hin und schrie ihm ins Gesicht : » Hast's wohl nicht gehofft , daß ich noch laut bin – daß ich noch einmal abrechnen könnt mit dir , du Mordbub ! « Wie ein Hieb war mir das Wort entfahren – wie ein Hieb traf es alle , am ärgsten aber den , welchen es anging . Der bleiche Schelm wankte und mußte sich anlehnen , um nicht zusammenzufallen ; aber seine bläulichen Lippen murmelten : » Was bin ich ? – Willst das zrucknehmen , du ... « » Zrucknehmen ! « schrie ich da in höchster Wut ; » zrucknehmen soll ich was ! – Draufhelfen tu ich dir lieber , wann du 's nimmer weißt : Droben am Bergrinnl , beim Weidhofer seiner Alm hat einer einen hinunter ... jawohl ... z'erst 'n Räuber gmacht , darnach 'n Mörder ! « – Ich streckte den Finger nach ihm aus , und ein hartes Weinen schüttelte mich , indem ich mich an die Umstehenden wandte : » Der war's ; meine Red ist wahr . Laßt 's die Kathrein von der Irscherin reden ! « Heiser brüllte der Bursch und beteuerte seine Unschuld und wand sich doch vor Ängsten ; da trat die Jungfer , welche schon eine Weile im Flöz gestanden war , herzu , ganz bleich , und sagte mit bebendem Mund : » Es ist wahr , er lügt nicht . « Und sie berichtete allen , wie die Irscherin mich in der Bergrinne beim Wasserfall gefunden hätte , wie ich in meinem Fieber mit dem Burschen gerungen und dabei den Namen Ambros gerufen hätte , und er solle mich doch schonen und mir mein Sach wiedergeben ... Sie gab also allen Zeugnis von der Übeltat des Schelmen , so daß dieser nicht mehr vermochte , eine Ausred oder Widerrede zu finden , vielmehr als ein feiger und furchtsamer Böswicht plötzlich sich aufrichtete und , derweil wir alle auf die Jungfer hörten , einen Sprung nach der offenen Haustür tat und verschwand , obgleich ihm der Vater und der Knecht auf dem Fuße folgten . Am End sagte der Vater , man solle ihn nur derweil laufen lassen , der käme schon von selber noch dahin , wohin er gehöre . Darauf ging man ins Haus , sprengte die Truhe und fand darin nicht nur meine Groschen vor , sondern auch noch einen großen Haufen Gelds , Silberzeugs und sonst kostbarer Dinge , die er alle geraubt hatte und die teils in den Weidhof , teils andern Leuten zu Sonnenreuth gehörten . Der Weidhofer übergab alles dem Pfarrer , und dieser forderte am darauffolgenden Sonntag in der Predigt alle jene , denen etwas abhanden gekommen war , auf , sich ihr Sach bei ihm zu holen ; doch blieb noch mehreres liegen und wurde später unserer lieben Frau zu Birkenstein auf den Altar gelegt . Ich aber schenkte meine ganzen Silbergroschen dem Kathreinl und bat sie , dieselben zu nehmen als eine Verehrung und ein Andenken . Von dem Schelmen , dem Ambros , aber war nichts mehr zu hören und zu sehen , und es schien , als habe er die Gegend verlassen . Das Vermächtnis Etliche Tage nach diesem Ereignis erschien der Gemeindeschreiber oder , wie er zu Sonnenreuth hieß , der Aktenlippel , im Weidhof und fragte nach dem Kathreinl von Amts und wichtiger Ursach wegen . Ich stand gerad unter der Haustür und sah ihn mit weiten , gewichtigen Tritten daherstiefeln , stand ihm Red und holte das Mädchen zu ihm herunter . » Ist Sie die Jungfer Maria Kathrein Paumgartner ? « fragte der Alte und betrachtete sie über seine Hornbrille hinweg mit zwinkernden Augen . Ja , die bin ich « , erwiderte das Mädchen ; » was will man von mir ? « Der Lippel nahm eine Prise , rieb sich darnach die Nase mit dem Daumen und stellte sich in strammer Haltung vor sie hin : » Also , Sie ist die genannte Person ; also . Dann hab ich Ihr von Amts wegen kund und zu wissen zu machen , daß die ehrenfesten Testamentsvollstrecker durch meine Person aus Anlaß der Verlassenschaft , Siegelabnahme und Testamentsvollstreckung den obrigkeitlichen Befehl erlassen haben : ich solle sie , die Jungfer Paumgartner , ins Waldhaus bestellen . Also . Kann Sie gleich mitkommen , he ? « » Ja , ich geh gleich mit « , sagte das Kathreinl und bat mich , ich möge ihr die gute Schürze und den Hut herunterholen . » Geh nur derweil , ich trag dir 's nach ! « rief ich , während der Aktenlippel erst das Mädchen , dann mich mit einem väterlich-würdevollen Blick maß , noch einmal schnupfte und darnach aus der Haustür trat . Eilig lief ich in die Kammer , holte den feinen Filz und die Schürze und lief ihnen damit nach , ohne daß sich jemand um uns bekümmert hätte , wo aus wir gingen . Tagein , tagaus saß ich ja beim Kathreinl und vergnügte mich , während sie mit flinken Fingern den Flachs zum Faden drehte , mit groben Holzschnitzereien : Tieren , Gottheiten , Bilderrähmlein und Madonnenstatuetten , die ich ihr dann mit Stolz als ein Angebinde überreichte . Die Ziehmutter sah weder mich noch das Mädchen mehr mit einem Blick an , und der Weidhofer hatte den ganzen Tag zu werken und zu schaffen und kam nur selten in unsere Kammer . Betrat er diese aber wirklich einmal , so hatte er immer etwas für uns dabei : sei es nun ein Fliedersträußlein , ein rots oder blaues Wächslein , einen Ablaßpfennig oder einen Kuchen vom Lebzelter ; denn es bedrückte ihn in seiner Rechtlichkeit , daß man das Mädchen um seiner Herkunft willen so schlecht achtete , wenn er gleich der Irscherin stets feind gewesen . Nun ich den zweien nachgelaufen war , übergab ich dem Kathreinl seine Sachen und bat , daß sie mich mitnehmen möchten ; und da es ihr und auch dem Schreiber recht war , lief ich also mit ihnen . Vor dem Waldhaus standen schon der Lindlschneider und der Staudenweber , zwei angesehene Männer aus der Gemeinde , und warteten auf den Schreiber . Nach kurzem Gruß der beiden Bauern und tiefen Bücklingen des Lippel holte dieser umständlich einen Band Schlüssel aus dem hinteren Sack seines braunen Amtsrockes und probierte einen nach dem andern , bis am End das Kathreinl bat , ob nicht sie den rechten Schlüssel zeigen dürfe , worauf der Lippel zwar giftig sagte : » Da hat Sie nichts zu zeigen ! Das ist Sache der Obrigkeit ! « , auf Anraten der Männer aber doch dem Mädchen die Schlüssel übergab . Sie schloß nun Tür um Tür auf , und die drei traten in das Haus und in die Stuben , in denen eine stickige , dumpfe Moderluft war , so daß die Männer sogleich alle Fenster öffnen ließen . In der Kammer der Toten wurden nun die Kommoden und Kasten geöffnet und alle Laden , Truhen und Schubfächer geprüft . Neugierig stand ich dabei und sah verblichene Gewänder und Tücher , schwere Leinwandballen und weiche Flachszöpfe , ein leinenes Sterbehemd und ein buntes Perlenkränzlein und dazu noch mancherlei Schmuck für Frau und Mann , etliche samtene Männerleibstücke mit silbernen Knöpfen und einen feinen Tuchrock , wie auch der alte Weidhofer einen hinterlassen . Auf dem Sterbehemd lag , mit einem roten Wachsfaden zusammengehalten , eine vergilbte Papierrolle ; der Schreiber langte sie heraus , stellte sich ans Licht und öffnete sie langsam ; darnach räusperte er sich , rückte einen Stuhl und sagte feierlich : » Setze sich die Jungfer ! Es ist hier in meinen Händen die letzte Verfügung der anhier verstorbenen Walburga Irscherin , Waldhäuslerin bei Sonnenreuth . « Bleich und zitternd setzte sich das Kathreinl . » Wollen die Manner sichs kommod machen und als Zeugen herhören auf die Artikel des Testaments ! « wandte sich der Schreiber nun an die beiden Bauern . Ich schob ihnen Stühle hin , rückte dem Schreiber eine kurze Bank vor das Tischlein , an dem er lehnte und zog mich mehr ins Dunkle zurück , während die Männer sich setzten und der Lippel einen Gänsekiel aus der Tasche zog , zurechtspitzte und ein Fläschlein Tinte dazustellte . Eine große Stille war in der Kammer ; der Schreiber schob seine Brille näher an die Augen , wischte sich mit zwei Fingern über die Nasenflügel und begann zu lesen : » In Gottesnamen schreibe ich dieses nieder mit dem Gedanken und in der Meinung , daß es dereinst als mein letzter Wille gütlich geglaubt , wohl geacht und füglich in seinen Artikeln getreu befolget werde . Hab nicht gar wohl gelebt als eine verachte und mißgünstig betrachte Person ; hab aber dennoch anso gelebet , wie mir mein Herz befohlen ; doch darum um der feindlichen Christenlieb sei nicht geklagt . Ich mach mein Sach recht und hoff annoch auf einen gnädigen Richter . Wie es denn nun sein soll , so eröffne ich meiner von mir auferzogenen Tochter Maria Kathrein , daß sie ist eine leibliche Tochter des erlauchten Herren Georg von Höhenrain und der Katharina Elisabeth Paumgartner zu Stubenberg . Welche als ein junges und liebliches Maidlein die Küh gehütet und am Wald sich Kränz ins Haar geflochten hat , bis genannter edler Herr sie bei einer Hirschjagd erblickt und ein groß Verlangen nach ihr verspürt hat . Haben also in Lieb und Treuen genannte Jungfer Maria Kathrein gezeuget und mir dieselbe mit einem Zehrgeld von zwölf Gulden für das Jahr und einer Aussteuer von fünfhundert Gulden übergeben , da denn die Mutter des Kindleins noch als ein jung Blut hat von dieser Erden gehen müssen und liegt begraben bei der Kapellen des Schlosses auf Höhenrain . Und so hab ich das Mägdlein gehalten wie ein eigen Kind in Treuen und behütet bis auf diesen Tag . Hab als ein jung und einfältig Geschöpf mich versprochen einem handlichen Burschen , so als ein Holzfaller in Diensten des erlauchten und edlen Herren Georg von Höhenrain gestanden ist . Haben also Hochzeit miteinander gefeiert draußen im freien grünen Wald , wo der groß und mächtig Herrgott der Pfarrer und allerhand munter Getier und Vöglein getreue Zeugen gewesen sind , und hat er mich heimgeführet in sein Haus gleich einer ehelichen Hausfrau . Hab ihm alsbald einen lieblichen Knaben in die Wiegen gelegt , der aber leider als ein mannlicher Bursch hernach für seinen Herrn und Fürsten als ein tapferer Soldat das Leben gelassen , da ich wohl an die fünfzehn Jahr schon Wittib gewesen , alsdann denn auch mein lieber und getreuer Hort und Mann , noch bevor ich ihm ein sieben Jährlein angehöret , von einem rollenden Baumstammen erschlagen und auf der Stell ertödt worden . Hab also nicht Erben noch Sippschaft , so ein Anrecht auf itwelches Ding in meinem Haus , noch auf das Haus oder den Anger darum hätten ; und vermach ich also am heutigen Tag und auf diese Stund alles , was mein ist an Haus , Grund , Liegenschaft oder Gegenstand , sowie mein Sparpfennig von dreihundert Gulden guter Währung genannter Jungfer Maria Kathrein Paumgartner , welche ist in meinem Haus als ein rechtes und riegelsames Maidlein bis auf diese Stund , auch nit Anlaß gibt zu Schimpf und Schand . Weshalb ich genannter Maria Kathrein noch gebe den heiligen und kräftigen Segen : † Der Herr segne sie † im Namen des Vaters † und des Sohnes † und des heiligen Geistes . Amen . In der blauen Truhen unter meiner Himmelbettstatt liegt zu finden das erst Gewändlein samt Schühlein und ein Beutel mit fünfhundert Gulden Besitztum genannter Jungfer Kathrein . Man begrab mich bei meinem Hause und lasse nicht Pfaff noch Leut dazu ; dieweilen ich die nicht gebraucht im Leben , sothan sie mir auch nichts helfen im Sterben und etwan auch nicht wohl reden nach meinem Verscheiden . Und so verleihe mir und genannter Jungfer Maria Kathrein unser lieber Herr ein gut Stund zum Leben und ein unschmerzlich Augenblicklein zum Absterben . Amen . So Gott will . Amen . Walburga Irscherin , Waldhäuslerin bei Sonnenreuth , geboren als des Wundarzten Rauff einzig Kind zu Au in Baiern . « Der Schreiber hatte zu Ende gelesen ; er nahm nun die Feder , einen Bogen sauberen Papiers und schrieb , indem er laut dazu sagte : » Dieses wahre und echte Schriftstück ist eigenhändig geschrieben und unterzeichnet am fünfundzwanzigsten Jänner des Jahres eintausendsiebenhundertsechsundneunzig zu Sonnenreuth , von der am dreißigsten Mai dahier verschiedenen Walburga Irscherin , gebürtig aus Au in Baiern . « Hier machte er eine Pause , dann schrieb und sagte er weiter : » Im Beisein der ehrenfesten Manner Korbinian Urber , Lindlschneider dahier , und Balthasar Meckinger , Staudenweber dahier , sowie der in Persona erschienenen Erbin , der Jungfrau Maria Katharina Paumgartner , gefunden , geprüft , unversehrt befunden , feierlich eröffnet und vorgelesen zu Sonnenreuth am zehnten Tag im Heumonat des Jahres eintausendachthundertundeins . « Er überlas das Ganze noch einmal halblaut und rief darauf : » Trete die Jungfer näher und unterzeichne Sie das Protokoll ! ... Wollen die Manner als Zeugen ihre Namen daruntersetzen zur Beglaubigung ! « Damit nahm er die Feder , tauchte sie in die Tinte und hielt sie mit feierlicher Gebärde dem Kathreinl hin . Das Mädchen hatte schon während des Ablesens leise zu weinen begonnen , und als sie nun ihren Namen kritzelnd unter das Protokoll setzte , tropften ihre Tränen auf das Papier . Nach ihr unterschrieben die beiden Bauern , oder vielmehr , sie setzten ein jeder drei große Kreuze nebst einem Buchstaben auf das Schriftstück , und zum Schluß machte der Aktenlippel noch einen schwunghaften Schnörkel darunter , übergab dem Kathreinl die Urkunde des Testaments , langte nach seinem Käpplein und sagte : » Komme die Jungfer im Laufe des Tages auf die Bürgermeisterei und hole Sie andorten ihre Kuh und Geißen ab und gebe Verfügungen wegen Ihres Besitzes und Erbes ! « Darnach wandte er sich an die Männer : » Wollen wir gehen ! « Nun nahmen auch die beiden ihre Hüte , und alle drei gingen , kurz grüßend , aus dem Haus und ließen uns allein . Unbeweglich saß das Kathreinl in seinem Stuhl ; ihre Augen waren noch naß , und sie sah trüb ins Leere , die Hände verschlungen im Schoß haltend . Ich blieb noch eine Weile stumm in meinem Winkel hocken ; da aber das Mädchen sich immer noch nicht rührte , stand ich schließlich auf und nahm die Testamentsurkunde vom Tisch , trat ans Fenster und las , so gut ich konnte , die Artikel durch . Darnach meinte ich etwas kleinlaut : » Was wird jetzt wohl werden ? Wirst mich halt nimmer mögen , wenn ich einmal groß bin , wo du jetzt auf einmal eine Herrische bist ! Wird dich halt ein Graf kriegen oder ein Junker ! « Sie antwortete mir nichts , und ich kam mir recht armselig und bemitleidenswert vor , als ich das Schriftstück so unschlüssig in der Hand drehte . Nach einer Weile begann ich wieder : » Was hast jetzt vor ? Was willst jetzt tun ? Wirst wohl kaum mehr mitgehen in den Weidhof ? Bleibst wohl gleich da ? « Da ich abermals keine Antwort von ihr erhielt , warf ich die Urkunde auf den Tisch , nahm mein Hütl und sagte : » Jetzt bist halt ein Herrenkind ! Jetzt kennst halt den Weidhoferbalg nimmer , gelt ! ... « Draußen war ich , und krachend fiel die Tür ins Schloß , und ich rannte ingrimmig dahin , die Herrischen verfluchend und denen die Hölle wünschend , die mich hergesetzt in diese lausige Welt . Keinen Blick tat ich mehr zurück nach dem Waldhaus und kam keuchend in den Weidhof , schlich mich ungesehen in die Kammer des Ambros und warf mich aufs Bett . In meinen Ohren sauste und hämmerte das Blut , und der Schmerz würgte mich am Halse , daß ich Mühe hatte , die Tränen zu verbeißen . Stundenlang lag ich so , beide Fäuste vor den Kopf gepreßt und nichts denkend als : sie ist herrisch , von Höhenrain , sie wird einen Herrischen kriegen . Schließlich bildete sich in meinem Hirn ganz von selber eine Melodie zu diesem Gedanken , und am End mußte ich mit dem Fuß den Takt dazu stoßen , während ich auf dem Bauch lag und summte : Sie ist herrisch , von Höhenrain ... sie wird einen Herrischen kriegen ... Mein Ziehvater riß mich endlich aus diesem unsinnigen Brüten ; er kam herauf und sah nach mir , fragte um die Jungfer und wollte uns zum Nachtessen holen . Ohne mich zu erheben , berichtete ich ihm mit wenigen Worten von der Testamentseröffnung . » Die Jungfer ist gleich droben blieben im Waldhaus « ; schloß ich darnach ; » ghört ja jetzt alles ihr . Sie ist ja eine Herrische von Höhenrain ! « Erstaunt über diese Botschaft wollte der Weidhofer gerade was erwidern , als das Mädchen eilig über die Stiegen heraufkam und ihn , als er aus meiner Kammer blickte , ängstlich fragte , ob ich schon daheim sei . » Ja , ja , Jungfer « , sagte mein Ziehvater lachend ; » der ist schon da . Hat mir schon allerhand vorgeflunkert von der Erbschaft ! « Damit ging er wieder zu mir in die Kammer herein und lud auch das Kathreinl ein , sich ein wenig auf meinen wackligen Stuhl zu setzen und zu erzählen . Ich sprang nun rasch aus dem Bett , strich es glatt und wollte davon ; aber der Ziehvater lehnte an der Kammertür , und so mußte ich noch einmal die ganze Sach über mich ergehen lassen . Der Meßmer hörte ihr aufmerksam zu , überlas auch die Urkunde und erbot sich schließlich , ihr in allem getreu zu helfen und zu raten , darüber sie sehr erfreut war und ihm froh dankte . Darnach gingen wir alle drei hinunter in die Wohnstube , und der Vater rief im Vorbeigehen in die Kuchel : » Auftragen für drei ! Haben die andern schon gessen ? « , worauf ihm vom Kuchelmensch der mürrische Bescheid wurde : » Schon lang . « Also aßen wir , und der Vater unterhielt sich eifrigst mit der Jungfer und gab ihr viel gute Ratschläge , erbot sich , ihr Vieh aufzunehmen , ihr Haus zu versorgen und sie selber – wenn sie wolle , natürlich – als ein Vormunder in allen ihren Gerechtsamen zu unterstützen und ihr Erbe zu verwalten . Das Mädchen war mit allem einverstanden und bat am Ende noch um die Vergünstigung , daß sie , bis sie einmal irgendwo ein gedeihliches Unterkommen fände , im Weidhof bleiben dürfe , wofür sie dann dem Vater den vollen Milchertrag und fürs Jahr ein Kalb verschreiben tät . Einigten sich also , daß die Jungfer von nun an wie ein Hausglied im Weidhof aus und ein gehen und leben kunnt , wohingegen der Meßmer dann den vollen Milchertrag und zu Lichtmessen ein Kalb erhielt . Fröhlich ging das Kathreinl darnach in ihre Kammer ; der Weidhofer aber nahm die Mutter beiseite und brachte es nach langem , hartem Kampf dahin , daß sie zu dem Handel ja und amen sagte . Also blieb die Jungfer im Weidhof ; ich aber trug mich mit dem Gedanken , das Haus zu verlassen und mich in der Fremde ein wenig umzuschauen ; doch sagte ich niemandem etwas davon und wartete nur auf eine Zeit , die mir besser dazu paßte wie der Sommer ; wie denn insgemein ein jeder weiß , daß in den Hundstagen überall bei den Bauern die Arbeit metzenweis um etliche Groschen leichtlich zu haben ist . Es mög mir aber nicht zu einer Unehr angerechnet werden , daß ich in jenem Alter noch nicht so gar aufs Geldverdienen aus war , vielmehr lieber ums Gnadenbrot und Gottes Lohn in meiner Kammer oder auf der Hausbank hockte und meiner Ziehmutter , der Meßmerin , aus weichem Holz allerhand Koch- und Rührlöffel schnitzte , während die andern auf dem Felde schwitzten und die Kathrein droben in ihrer Stube am Spinnrocken saß und tagein , tagaus spann und einen Flachswickel um den andern zum feinen Faden drehte . Die Herrische Nun hatte sich also der Weidhofer , mein Ziehvater , wie ein rechter , guter Christ der Jungfer Kathrein angenommen , hatte ihr in der Erbsache wohl geraten und auch ihr Geld in seine Obhut getan . Die Kuh und Geißen standen nun im Stall bei seinem Vieh , und wegen des Waldhauses war er bald mit dem Mädchen einig um fünfhundert Gulden ; denn er meinte , der Grund sei am Wald wohl saftig genug , daß man es mit Klee und Haber darauf probieren könne . Nun waren aber noch alle Stuben im Waldhaus so , wie sie am Todestag der Irscherin gewesen ; der Weidhofer nahm daher Rücksprach mit der Jungfer , ob sie nicht willens wär , das ganze Gerumpel auf den Markt zu stellen und versteigern zu lassen ; denn , meinte er , es nehme ihm den Platz in der Hütte weg und sei dennoch nichts für gut . » Was dir grad bsunder lieb und wert ist , kannst ja in meinen Hof schaffen « , sagte er , als sie ihn mit großen , angstvollen Blicken ansah ; » von mir aus kannst dir auch deine Stuben vollstellen mit dem Zeug ; aber das meiste , die Hauptsach , tät ich hergeben , wenn ich du wär ! « Da sagte sie ja , und nachdem der Hausl mit dem Fuhrwerk das Himmelbett , einen bemalten Kasten , eine Kommode , die Standuhr , die Zither und das Spinnradl samt Tisch , Stühlen und Bildtafeln in den Weidhof gebracht hatte , ließ sie die noch vorhandenen Kästen und Truhen leeren , behielt vom Inhalt , was ihr gefiel , und übergab das andere nebst dem Mobiliar dem alten Donatl , der an jedem ersten Mittwoch im Monat auf dem Marktplatz den Hammer schwang und überflüssige und entbehrliche Dinge wieder nutzbar und wertvoll machte , indem er sie denen , die sein Faß , auf dem er schrie und werkte , umstanden , mit vielen und wohlgewählten Worten anpries und ein ganz respektables Mindestgebot dafür forderte . Ich half überall mit anpacken , auch beim Fortschaffen dessen , das auf den Markt kam , obgleich mir um jedes Stück , das ich aus dem Haus trug und zum Wagen schleppte , von Herzen leid war ; denn ich hing doch viel mehr an dem Waldhaus , als es durch den kurzen Aufenthalt dort eigentlich bedingt gewesen wäre . Aber gewaltsam unterdrückte ich jede Kundgebung meines Schmerzes , um ja dem Mädchen keinen Einblick in mein Inneres mehr zu geben ; denn nichts in der Welt hätte noch vermocht , mich von dem einmal gefaßten Entschluß abzubringen , meine Lieb für sie ganz zu verschließen und zu verbergen . Ich ging ihr aus dem Weg , so gut dies in einem engen Bauernhaus eben möglich war ; und wenn ich mit ihr dennoch beisammen sein mußte , legte ich ein so gleichgültiges , ja unfreundliches Wesen an den Tag , daß sie wohl glauben mußte , ich hätte keinen Gedanken mehr an sie und an das Vergangene . Freilich , in den stillen Nächten , wenn es kein Aug ersehen , kein Ohr vernehmen konnte , da packte mich der Schmerz immer von neuem und trieb mir nicht selten grimmige Tränen in die Augen , wenn ich jener Stunden und Tage gedachte , die ich im Waldhaus mit dem Mädchen verbracht . Ich war durch meine Neigung zu ihr unversehens zu einem reifen Burschen geworden und hatte keinen Augenblick anders gedacht , als daß ich sie dermaleinst werde besitzen und für sie arbeiten können , bis die unselige Erbschaft alle meine Träume und mein Hoffen zerschlug . Gegen Abend war nun das Waldhaus ganz leer , und der Weidhofer ging von Stube zu Stube und sagte zufrieden : » Da hat schon was Platz herin ; herunten machen wir mit Futter voll und droben mit Stroh . Jetzt kann wachsen , so viel als mag ; unterbringen tun wir 's schon ! « Mit fröhlicher Miene verschloß er alles und ging gemächlich heim ; die Jungfer schritt blaß neben ihm her , und ich folgte ihnen , nachdem ich noch einen Augenblick beim Kreuz verweilt hatte . Der Hausl hatte derweil das Himmelbett und alles andere vom Leiterwagen herab und im Hof aufgestellt , worüber die Weidhoferin so erzürnt war , daß sie uns mit heftigem Schelten empfing , als wir in den Hausflöz traten . Dennoch aber half sie darnach selber mit , die Kammer der Jungfer auszuräumen , und befahl sogleich einer Dirn , den Boden zu fegen und frische Vorhänge aufzustecken . Dann lief sie geschwind in ihre eheliche Schlafkammer , holte geweihten Rauch und Kräuter , legte sie aufs Glutpfännlein und räucherte die Stube damit aus , auf daß dem Kathreinl nichts Übles darin widerfahre . Und da ihr die Jungfer mit einem guten Dank vergalt , wurde meine Ziehmutter plötzlich weich und meinte : » Mußt mir 's nit sonderlich nachtragen , meine Letzheit gegen dich ! Schau , wenn ich gwißt hätt , wo d' her bist ... « Sie wurde ganz rührselig und mußte die Schürze an die Augen drücken , so daß das Mädchen mit einem brennroten Gesicht sagte ; » Aber , Weidhoferin ! Zwegen dem brauchts Ihr doch nit zu heunen ! Ob man jetzt von hoch oder nieder stammt – vor unserm Herrgott sind wir doch allesamt bloß arme Würm ! « Der Weidhofer unterbrach sie : » Ein Wetter steigt auf ! Helfts und packts an , daß wir alles trocken unterbringen ! « Da gings ! Die Meßmerin regierte die Leut herbei , die Jungfer stand in der Kammer und nannte den Platz , wo sie ein jedes Ding haben wollte , und nach einer knappen Stunde war die Stube fertig , und das Mädchen gehörte zum Weidhof . Und als nach einer Weile der Sturm ums Haus fegte und der Weidhofer in die Kirche lief , den Wettersegen zu läuten , da kniete auch die Jungfer drunten in der Wohnstube und betete mit dem ganzen Haus samt Kostkindern und Ehehalten das Evangelium Johannis : Im Anfange war das Wort , und das Wort war bei Gott , und Gott war das Wort . Aß auch am selben Abend noch unangefochten am großen Tisch mit den andern zur Nacht und ward von allen geehrt und hochgehalten als die leibliche Tochter des edlen Herren von Höhenrain . Sie hatte einen Haufen kleiner Münze unter das Gesinde verteilt und , nachdem das Wetter sich verzogen hatte , allen zu Ehren ihres Einzugs Freibier und Honigkuchen gestiftet ; mir aber legte sie , bevor sie zu Bett ging , den feinen Rock , ein samtenes Leibstück und die große Taschenuhr ihres Ziehvaters in meine Kammer und bat mich , daß ich es annehmen wolle zum Angedenken an die Irschermutter und das Waldhaus . Sie begabte auch die Kirche und stiftete einen Jahrtag für ihre selige Mutter ; wollte auch für die Irscherin einen anordnen , das ihr aber nicht gelang , dieweil der Pfarrer auch jetzt noch der Toten jede heilige Handlung und Segnung verweigerte . Doch wußte der Weidhofer hierin einen guten Rat und empfahl der betrübten Jungfer , sie solle doch zu unserer lieben Frau auf den Birkenstein gehen , dort wär die Stiftung wohl angenehm und in willfährigen Händen ; wofür ihm die Jungfer groß dankte und fünfzig Gulden dorthin brachte . Von Mathäi zu Laurenzi Nach diesen Ereignissen kam die Erntezeit ; ein jedes im Weidhof hatte vollauf zu werken , und auch ich mußte nun meine Glieder fleißig brauchen ; der Ziehmutter mangelte das Kuchelmensch , dem Vater der Ochsenbub , da beide im Heuet waren ; auch mußte ich den Mahdern das Essen und den Scheps aufs Feld bringen , Heu und Klee wenden , die Leiterwagen zum Einführen der Ernte bald auf diesen , bald auf jenen Acker oder Grund fahren und zuweilen wohl auch an Stelle des Vaters in der Kirche zum Angelus läuten . Im Waldhaus wurden nun alle Fensterladen geschlossen und die Stuben und Kammern mit dem reichen Ertrag an Klee , Heu , Wicken und Haber angefüllt , während die Stadel des Weidhofs Roggen , Korn und Grummet , Stroh und Laubstreu bargen . Ein fröhliches Erntefest folgte auf diese an Arbeit und Sorge reiche Zeit , und es wurde wieder lebendig in dem bisher stillen Bauernhaus . Bald erscholl auch wieder aus der weitgeöffneten Tenne das klappernde Lied der Dreschflegel : Buama , hauts ein , Hauts nur grad drein ! Dirndln , hauts ein , Dreschts fleißig drein ! Laßts enka Drischl fliagn , Daß mir an Lobspruch kriagn ; Drischts alle Spitzbuam z'samm , Daß mir koa Plag it habn Mit so an Teifisgfraß ; Hauts zua , na habts an Gspaß ! Unter der Drischl drin Habts die foast Weberin Und den kloan Nagelschmied ; Dreschts 'n nur aa guat mit ! Hauts nur grad zua allsam , Dreschts es guat z'samm ! Bauer , hau ein , Drisch uns an Wein ! Bäuerin , hau ein , Drisch uns an Brei ! Laßts enka Drischl fliagn , Daß mir hübsch Gulden kriagn ; Drischts alle Schulden z'samm , Daß mir koan Schadn it habn ; Dreschts uns a Feirtagwand , Gebts uns an Guldn auf d' Hand ! Unter der Bettziach drin Habts enkan Geldsack liegn , Teats 'n nur außa gschwind , Daß 'n der Schwed it findt ! Laarts 'n am Dreschbodn hin , Na san ma zfriedn ! Es ist schon ein alter Brauch , daß die Drescher in ihren Drischelliedern die Verfehlungen ihrer Nachbarn , besonders aber den Ehebruch , geißeln und rügen , ihre Gerechtsamen als Ehehalten dem Bauern und der Bäuerin fürhalten und auf ehrliche Auszahlung ihres Lohnes dringen . Drum stellte auch die Weidhoferin während dieser Tage öfter als sonst den Fleischhafen übers Feuer und warf auch in den Brei allwegen ein größeres Stück Schmalz zum Schmeck als sonst . Und als dann die Kirchweih kam , da trug sie Schüsseln auf , daß sich der Tisch bog : dreierlei Fleisch und dreierlei Knödel , zweierlei Tauch und zweierlei Schmalzküchlein , und ein eigenes Kirtabrot mit Zibeben und gedörrten Birnen und Zwetschgen gespickt , Kaffee , Bier , Most und Wein . Dann kam der Zupfgeigenjackl und der Klarinettensteffl ; der Oberknecht holte seine Zither unter der Bettstatt heraus , und der Ochsenbub nahm das Trumscheit aus der Ecke , und bald gings an ein Musikmachen und Singen , an ein Tanzen und Stampfen , daß alle Fenster schepperten und der Boden erzitterte . Auch das Kathreinl brachte an diesem Tag seine Zither herab und schlug sie meisterlich , sang auch viele Trutzgsangln und war munter und aufgeräumt . Sie hatte wieder ihren Staat angelegt , und als sie einmal mit einem der Burschen tanzte , da klirrten die Taler und Münzen , die Träublein und Ringe an ihrem Silbergeschnür , und der Seidenzeug ihres Gewandes knisterte und rauschte . An diesem Tag hat mancher , glaub ich , leichtlich vergessen gehabt , daß das Maidel einmal als Hexenjungfer verachtet und verschrien war ; ja , ich glaube nicht übel zu raten , wenn ich dem oder jenem zutraue , er habe damals im Ernst erwogen , ob seine Spargroschen sich etwan wohl ausnähmen neben dem Geldsack der Jungfer oder ob sein pechschwarzer und strohgelber Haarschüppel zu den Goldzöpfen einer Herrischen gut stünde . Auch mich ergriff wieder eine unbezwingliche Sehnsucht , das Mädchen an mich zu reißen und zu herzen ; doch kämpfte ich hart dagegen und begann zu saufen und zu plärren , auf daß meine Sinne betäubt würden . Sang auch alle Trutzlieder durch , die mir bekannt waren , machte ungefüge neue hinzu , sang über die Junker und über die Pfaffen , spottete der Lieb und Treue und gehub mich am End so zügellos , daß der Weidhofer aufstund , mich bei den Ohren hinauszog und mir ein paar herunterstrich . Über diese derbe Zurechtweisung war ich dann so sehr beschämt , daß ich mir nicht mehr getraute , zu den andern hineinzugehen , sondern mich ganz still und kleinlaut nach der Kuchel verzog , wo die Weidhoferin und das Kuchelmensch eifrig brieten und hantierten ; bald wurde es mir aber darin zu dämpfig , und ich drückte mich nach dem Stall , lehnte mich an die Hühnersteigen und schlief schließlich dorten so fest ein , daß mich weder das Rufen der Stallmagd noch die Püffe des Ochsenbuben wieder erwecken konnten und das Stallmensch mir am End aus christlicher Nächstenlieb ihren Melkkittel unterbreitete und mich daraufstieß und schnarchen ließ bis zum andern Morgen . Da verwunderte ich mich höchlich über diese seltsame Liegerstatt und konnte mich gar nicht drauf besinnen , wie ich dahin gekommen war . Es wurde mir aber bald ein Licht darüber aufgesteckt , indem die Burschen und Mägd allesamt , kaum ich darnach in die Stube trat , um meine Frühsuppe zu essen , anfingen , mich zu verlachen und als traurigen Helden zu rühmen , der , wenn er auch noch nach Windeln rieche , gleichwohl schon gut beschlagen sei im Saufen und Schreien , und der jede gute und ehrbarliche Gemein durch sein säuisches Benehmen in üble Nachred brächte . Mit offenem Maul saß ich unter solchem Gered da und marterte mein Hirn , ohne daß mir was einfiel . Da half mir der Weidhofer drauf : » Gelt , heut sitzt da , als wenn dir d' Hennen 's Brot gnommen hätten ! Aber gestern hat einer plärrt und grehrt wie ein narreter Stier , und hat sich aufgmandelt und ein rechtlichs Maidl verächtlich gmacht ! ... « Und da ich ihn ganz verdattert anglotzte , fuhr er fort : » Ja , ja . So hast es trieben , gestern . Aber jetzt hast ausgstänkert , mein ich ; jetzt sind dir die Perlen rausgfallen aus der Kron ; und deine Jungfer , denk ich , wird wohl auch genug haben an so einem Lüdrian , so einem Hannaken , wie du einer bist . « Bei einer solchen Kirchweihpredigt wär einem andern auch kaum mehr bsunder geruhig zumut gewesen ; mir aber ward so elend dabei , daß ich , weiß Gott , was drum gegeben hätt , wenn ich in diesem Augenblick hätt ein Tarnkäpplein oder Bleßpulver bei mir getragen , mich unsichtbar zu machen , oder einen Meilenstiefel , mich damit an das ander Weltend zu kutschieren ; aber ich war verurteilt , zur Predigt auch noch das Amt zu hören , indem sie nun alle zusammenschrien und auf mich einfuhren , bis ich mit einemmal einen greulichen Fluch ausstieß , meinen Stuhl umwarf und hinausstürmte . Ich riegelte mich in meine Kammer ein und ließ mich nicht mehr sehen , bis die andern auf dem Kirchgang waren ; da denn der Kirchweihmontag bei uns als ein guter Feiertag gleich dem Oster- und Pfingstmontag galt . Erst als alles im Haus still geworden , schlich ich aus meiner Kammer und lief durch den Stall hinaus und fort , trieb mich etliche Zeit im Wald herum und ging darnach keck zu einem Sonnenreuther Bauern auf den Kirtaheimgarten ; doch hielt ich mich dorten tapfer und sparte den Trunk . Gegen Abend bedankte ich mich sodann und ging heim , drückte mich , während die Unsern in der Stube sangen und spielten , eilig über die Stiegen hinauf in meine Kammer und ließ mich von dem Tag ab nur selten noch bei den Mahlzeiten sehen . Der Jungfer Kathrein aber ging ich nun noch mehr aus dem Weg wie ehvor und tat , wenn wir uns dennoch trafen , wie ein Fremder gegen sie ; blieb auch den Winter über wie ein Einsiedel in meiner kalten Klausen , während die andern scherzend und lachend in der warmen Stube bei der Kunkel saßen und die Burschen den Maiden mit dem Kienspan zum Spinnen leuchteten und allerhand Fäden knüpften . So kam der Auswärts , das Frühjahr , und der Weidhofer schickte mich wieder , wie ehedem , mit dem Vieh auf die Alm ; denn , meinte er , zur groben Arbeit taugte mein zerschundener Leib doch nicht viel ; womit er auch recht hatte : ich wurde nichts Rechtes mehr seit dem Sturz vom Felsen ; mein Körper blieb unscheinbar , meine Füße waren kurz und stumpficht , meine Arme aber dürr und gar lang . Auch zwickte und riß es mich bald da , bald dort , und ich hatte manchen Tag , an dem ich mich kaum rühren konnte . Ging also mit vieler Freud wieder auf die Berg wie ehvor , hütete das Vieh des Weidhofs und die Kuh samt dem Kalb und den Geißen der Jungfer Kathrein und schnitzelte dabei allerhand Krippenmännlein und Himmelmuttern , bis eines Tages etwas daherkam , das mich wie der gottlos und unbarmherzig Kuckuck aus meinem Nest warf und in eine fremde Welt hinausjagte . Kindlnot und Brautschau Es schickte sich um Laurenzi desselben Jahres , da ich wieder auf der Alm saß , daß unsere Schwaigerin , die Hosennandl , über allerhand Beschwernisse und Gebresten klagte und mit Schmerzen die Zeit herbeisehnte , wo wir wieder heimtreiben durften von der Alm . Und etliche Wochen darnach geschah es , daß es mitten in der Nacht heftig an meine Kammertür klopfte und die Nandl mit Zähnklappern bat , ich solle doch geschwind hinüberlaufen in die Riedleralm , daß die Mariandl käm und ihr beistünd . Ich stand also eilends von meinem Strohsack auf , fuhr in die Hosen und lief , was ich konnte ; denn die Nandl tat so wehleidig und jammerlich , daß mir ganz angst um sie wurde . Pochte also ungestüm an die Fenster und Tür der Mariandl , bis sie endlich aufmachte und mich anhörte . » Daß 's Gott gsegn ! « schrie sie . » Sie wird doch nit die rot Ruhr im Leib haben oder gar die Pestilenz ! « Eilig legte sie ihren Kittel an , und wir liefen , so schnell wir konnten , durch die mondhelle Nacht hinüber in die Weidhoferalm zu der Kranken . Aber , wer kann unser Staunen und Verwundern beschreiben , als wir die Tür auftaten und uns ein dünnes Kreischen in die Ohren scholl ! Da lag die Nandl , müd und matt , und neben ihr ein nackends Wuzerlein , nicht größer denn eins von unsern jungen Säulein , so die Alte zu Pfingsten geworfen hatte . Mit schwacher Stimm bat mich die Mutter Nandl , daß ich mich ums Melken bekümmern wolle ; die Mariandl , der's Gott danken mög ihre Lieb , würd schon fertig in der Hütten . Hätt ja schon gern noch das brennrote Würmlein mit dem feinen , schwarzen Haarschüppel ein wenig betrachtet ; aber ich ging , als man mir sagte , daß ich darnach noch lang das Kindsmensch machen könnt , wenn unser lieber Herr den Balg da ließ auf der Welt , und daß ich ihm , zumal es ein Bub sei , Gevatter stehen und ihn aus der Tauf heben dürft . Als nun der helle Tag heraufgekommen war , schickten mich die Frauen hinab zum Weidhof , daß ich meiner Ziehmutter die Botschaft brächt von dem Ereignis , auch um eine Aushilf für die Schwaigerin tracht und im Vorbeigehen dem Häuslpauli ans Fenster pumpere und ihm ausricht : ein Bub wär's , und er sollt an seine Vaterpflicht denken . Also machte ich mich auf den Weg und traf den Pauli grad auf dem Rübenacker vom Staudenweber , Blätter für seine Stallhasen rupfend . Pfiff ihm also , daß er erschrocken in die Höhe fuhr , und schrie ihm zu : » He , Pauli ! Ich soll einen Kinihasen auf d' Weidhoferalm bringen , Kindstauf gibt's ! « Er kam langsam , wie lauernd , näher : » Ha moanst ? « » Wie ich mein , fragst ! « schrie ich ihm da in die Ohren , als wenn er stocktaub wär . » Na , ich mein , und ich weiß und soll dirs sagen , daß d' Vater worden bist heut nacht ; 'n Buben hat s' , die Hosennandl vom Weidhof ; wirst ja schon gutding wissen jetzt , was d' zu tun hast . « Damit wollte ich gehen ; der Pauli aber hielt mich am Ärmel fest : » Daß i net wüßt , Bua ! ... Is mir nix bekannt ! – Gar nix ! . . . An Buam , sagst ? ... Naa , gar nix bekannt ! ... Soo , heunt nacht , sagst ? ... Woaßt , mi gehts ja nix o , i kenn mi aa net o als Vatern ; naa , gar net ! . . . Wenn hat s' denn schon ? ... Ja so , heunt nacht ... ja ... no – sagst halt , es is scho recht . I werd mirs überlegn . « Damit bückte er sich wieder und rupfte weiter , wie wenn nichts gewesen wär ; ich aber rief ihm noch zu : » Ist auch gescheider , du überlegst dirs , Pauli ! D' Nandl hat ein hübsches Geldl und ist auch sonst gar net übel ! « Dann lief ich weiter und kam gerade in dem Augenblick in den Weidhof , als zwei mit Bändern und Blumen geschmückte Rösser am Brunnengrand vor der Haustür standen und tranken . Ich trat ins Haus und mit dem Ruf in die Kuchel : » D' Nandl braucht eine Hilf , sie ist krank und hat 'n Buben ! « Aber kein Mensch merkte auf mich ; die Ziehmutter stand lachend vor dem Herd und kochte ein fettes Eiergericht , und das Kuchelmensch holte die Schnapskrugel aus der Speiskammer und lief damit in die Stube , wo zwei mit bunten Bändern und Blumen aufgeputzte Mannsleute standen und sich mit dem Ziehvater laut vom Wetter und von der Ernte unterhielten . Ich folgte der Dirn und trat neugierig ein , als plötzlich der eine von den Bandelnarren die Nase in die Luft reckte und ausrief : » Was kimmt denn jetzt lei a feins G'rüchei in d' Stubn daherein ? Meiner Treu ! In dem Haus muaß a Bräutl sein ! « Worauf auch der andere herumschnupperte und sagte : » Bruada , du hast recht , und i werd schaugn gschwind , Ob i das Bräutl nindascht find ! « Damit nahm er seinen blumengeschmückten Hut vom Tisch , steckte sich einen Rosmarinzweig ins Knopfloch und zog einen hölzernen , bemalten Säbel aus der rot und blaubebänderten Scheide , salutierte und ging hinaus , während der andere dem Weidhofer mit einem Gläschen Schnaps Bescheid tat . Derweilen brachte die Ziehmutter das duftende Eierschmalz auf einer großen Platte herein und stellte es auf den Tisch , indem sie sagte : » I kann mirs a schier gar nit denken , was uns die groß Ehr verschafft ; aber ich mein , daß ichs erraten hab , wenn i sag , zwegn der Oarspeis ! « Fehlg'raten ! « schrie der Bandelnarr und riß einen Rosmarinzweig aus dem Sack , steckte ihn ins Knopfloch , zog gleich seinem Genossen einen bemalten Holzsäbel aus der bandgeschmückten Scheide , salutierte und rief : » Also , meine Leutln , ich tu enk z' wissen und kund , Daß ich ein Bräutl such in diesem Haus und auf diese Stund , Das Bräutl soll heißen : Jungfrau Maria Kathrein Und soll dem Lackenschusteranderl seine Hochzeiterin sein . Drum , Leutln , teats mi net lang umasprenga und plagn , Vielmehr teats mir als dem Hochzatlader dem Bräutl sein Aufenthalt sagn , Auf daß i hingeh zu der Jungfrau und Braut , Und lad s' zum G'festen , in d' Kirch und zum Kraut ! « » Ja , was nit gar ! « rief da die Weidhoferin lachend ; » unser Kathrein ! Dera fallts net im Traum ein , daß s' in Ehstand geht !.. . Da bist gstimmt , mein Lieber ! « Und sie schob den Widerstrebenden an den Tisch und bat ihn , doch zu essen , bevor das Gericht kalt sei . Da setzte sich also der Bandlnarr oder Hochzeitlader nach vielen Komplimenten und aß , während der Weidhofer ganz leis aus der Stube schlich . Ich lief ihm nach und sagte draußen : » Vater , ist's Euch recht , wenn ich die Stallmagd mitnimm auf d' Schwaig ? D' Nandl is krank . « Dabei überkam mich plötzlich ohne jede Ursach ein Zwang , laut aufzuweinen ; unterdrückte ihn aber und tat einen derben Fluch und spaizte giftig auf den Boden , so daß der Meßmer mich zornig und verwundert ansah und rief : » Schlingel , unrespektierlicher ! Muß i dir 'n Haselhans oder d' Birkalies zeigen und überstreichen , damitst lernst , was sich ghört ? « Wurde aber gleich wieder gnädig und besann sich auf meine Frage : » D' Stallmagd brauchst ? ... Ja , sag ihrs nur ! ... Nimm ein etlichs paar Flaschen Most oder Wein mit für d' Nandl ! . . . Wo fehlts denn ? « » Halt am Gsund « , sagte ich ; » 'n Buben hat s' auf d' Welt bracht heut nacht . « Aber der Weidhofer hörte schon nichts mehr ; eilends schlüpfte er aus seinen Haferlschuhen , sprang die Stiegen hinauf und in die Kammer der Jungfer , steckte den Kopf zur Tür hinein und rief halblaut : » Auf , Maidl , der Hochzatlader is da ! Der Anderl möchts richtig machen und d' Hochzat ansetzen . – Wenn paßts dir denn am ehndesten ? « Herrgott ! Wie wurd mir da bald warm , bald kalt ; und eh ich mich dessen versah , stand ich auch schon droben hinter dem Ziehvater , zitternd und auf die Red der Jungfer harrend , die nun kam . Mit einem hellen Lachen sagte sie : » Ja , was ! Der Lader ist da ! Da muß ich mich aber gschwindse verkriechen ! « Sie lachte wieder laut und lustig und sprach weiter : » Sagts eahm halt : In drei Wochen kann er mich haben ! Am Samstag 's Stuhlfest , am Sonntag zum ersten verkünden , und derweil , denk ich , wird der Schreiner schon richtig sein mit 'n Kuchelwagen ! ... Übrigens , was ich noch sagn möcht , Meßmer : In Glaskasten muß er noch a Spiegelwand einsetzen ! – Und der Hausaltar soll bloß drei Heilige kriegen : unser liebe Frau , d' Sankt Kathrein und 'n Sankt Andrä ; sonst weiß man ja kaum mehr , wo man hinbetn soll , vor lauter Heilige . So viel übrige Zeit hat man ja auch nit , daß man den ganzen Tag an unsern lieben Herrn sein Freundschaft denken kunnt . – So , und jetz geh ich nunter hinter d' Stiegen . « Da kam sie auch schon aus der Kammer ; ich aber wollt , ein Mausloch oder Mauerspalt hätt mich in dem Augenblick aufgenommen ; – mit brennrotem Kopf stand ich auf der obersten Staffel und mußt mich an die Wand lehnen , daß ich nicht herabfiel vor Übelkeit . Sie aber lachte lustig auf : » Ei sieht eins ! Der Mathiasle ! ... Gilt schon , Mathiasle , gilt schon ! Hättst nit eigens brauchen den weiten Weg z'kommen ! Glaub 's schon , daß d' mir du nix Schlechts wünschst zu mein Ehstand ! « Sie langte in den Sack : » Da ! – Halt – ich hab was anders für dich ! « – lief noch einmal zurück in die Kammer und holte eine Schachtel , während der Ziehvater lachend und voll Spott sagte : » Na , Bursch , wo hast denn jetzt auf einmal deine Schneid lassen ? Bist doch ehvor noch so anhabisch gwesen ! « O , wie gern wär ich da hinab über die Stiegen und davon ! Aber es war , als hätt der Blitz in mich eingeschlagen ; ich lehnte ganz schwach und elend an der Mauer und konnte nicht Fuß noch Hand rühren , auch nicht den Mund auftun und hinausschreien , was in mir tobte . Derweil brachte also die Jungfer eine schöne Kette , aus Haaren zierlich geflochten und mit goldenen Schließen und Schnörkeln geschmückt , und hing sie mir um den Hals , indem sie mit lieblicher Stimm dazu sagte . » So Bub , die Ketten soll für dich sein ; ist noch von der Irschermutter eine . Halt s' gut und in Ehren ! « Dann täschelte sie meine Wange und lief drauf eilig über die Stiegen hinab und hinter dieselbe , wo das große Krautfaß stand . Schlüpfte geschwind hinein , und der Weidhofer deckte eine Wagendecke drüber ; ging drauf in die Stuben und lud den Bandelnarren schalkhaft ein , das Bräutl , von dem er red , zu suchen . Im selben Augenblick kam der andere mit seinem Säbel eilig zur Haustür herein , hielt in einem roten Barchentsack eine schreiende Henne in die Höhe und rief : Hui ! Auf , Kamerad ! Mei Bräutl , dös hab i im Sack ! Lus auf , Bua , wie's juchazt und schrein tuat : gigg gagg ! Is sauber und mollat und liabli vom Fuaß bis zum Kopf , Grad schad , daß 's gelbe Augn hat , an rotn Schopf und'n Kropf ! « Drauf stieß er einen hellen Juchzer aus , schwang seinen Sack , daß die Henne laut schrie und gaggerte , und stampfte mit den Stiefeln und sang : » Aber Dirnei , was knerrst denn und schreist denn a so !