Den Studenten Die Ihr gleich goldnen Blumen auf zertretnem Feld wieder aufsprosset zuerst ! In fröhlichen Zukunftsträumen der Muttererde huldigt , harrend voll heiligem Glauben , daß endlich Eurer Ahnung Gebild vollende der Genius und Fesseln der Liebe Euch umlege und großer Männer Unsterblichkeit in den Busen Euch säe . – Die Ihr immer rege , von Geschlecht zu Geschlecht , in der Not wie in des Glückes Tagen auf Begeistrungspfaden schweift ; in Germanias Hainen , auf ihren Ebnen und stolzen Bergen , am gemeinsamen Kelch heiligkühner Gedanken Euch berauschend , die Brust erschließt und mit glühender Träne im Aug Bruderliebe schwört einander , Euch schenk ich dies Buch . Euch Irrenden , Suchenden ! Die Ihr hinanjubelt den Parnassos , zu Kastalias Quell ; reichlich der aufbrausenden Flut zu schöpfen den Heroen der Zeit und auch den Schlafenden im schweigenden Tal , schweigend , feierlichen Ernstes die Schale ergießt . Die Ihr Hermanns Geschlecht Euch nennt , Deutschlands Jüngerschaft ! – Dem Recht zur Seite , klingenwetzend der Gnade trotzt ; mit Schwerterklirren und der Begeistrung Zuversicht der Burschen Hochgesang anstimmt : » Landesvater , Schutz und Rater ! « Mit flammender Fackel , donnernd ein dreifach Hoch dem Herrscher , dem Vaterland , dem Bruderbunde jauchzt , und : » Strömen gleich , zusammenrauschet in ein gewaltig Heldenlied . « Ihr , die mit Trug noch nicht nach nichtiger Hoffnung jagtet ! – Wenn der Philister Torengeschlecht den Stab Euch bricht , so gedenket , Musensöhne , daß ihre Lärmtrommel des leuchtenden Pythiers Geist nicht betäubt ; keine Lüge haftet an ihm , keine Tat , kein Gedanke ! Er ist wissend ! – Und lenkt , daß , unberührt von des Gesetzes Zwang , schnellen feurigen Wachstums , das Göttliche erblühe und in der Zeiten Wechsel ein milder Gestirn über Euch hinleuchte . Erster Teil Briefe aus den Jahren 1804–1806 An die Günderode Der Plaudergeist in meiner Brust hat immerfort geschwätzt mit Dir , durch den ganzen holperigen Wald bis auf den Trages , wo alles schon schlief , sie wachten auf und sagten , es wäre schon ein Uhr vorbei , auf dem Land blasen sie abends die Zeit aus wie eine Kerz , die man sparen will . Wie ich erzählte , daß Du mitgefahren warst bis Hanau , da hätten sie Dich all gern hier haben wollen , ein jeder für sich allein , da wär ich doch um Dich gekommen . Durch Dich feuert der Geist , wie die Sonn durchs frische Laub feuert , und mir geht 's wie dem Keim , der in der Sonn brütet , wenn ich an Dich denken will , es wärmt mich , und ich werd freudig und stolz und streck meine Blätter aus , und oft bin ich unruhig und kann nicht auf einem Platz bleiben , ich muß fort ins Feld , in den Wald ; – in freier Luft kann ich alles denken , was im Zimmer unmöglich war , da schwärmen die Gedanken über die Berg , und ich seh ihnen nach . Alles ist heut nach Meerholz gefahren zum Vetter mit der zu großen Nas , ich bin allein zu Haus , ich hab gesagt , ich wollt schreiben , aber die Hauptursach war die Nas . Eben komm ich aus der Lindenallee , ich hab das ganze Gewitter mitgemacht , die Bäum geben gut Beispiel , wie man soll standhaft sein im Ungewitter , Blitz und Donner hintereinander her , bis sie außer Atem waren , nun ruhen alle Wälder . Ich war gleich naß , und so warm der Regen , hätt 's nur stärker noch regnen wollen , aber bald war 's schön Wetter , und der Regenbogen auf dem Saatfeld , ich war wohl eine halbe Stund weit gelaufen und ihm doch nicht näher gekommen , da fiel mir ein , daß man oft denkt , es wär so nah alles , was man gern erreichen möcht , und wie man mit allem Eifer doch nicht näherrückt . Wenn nicht die Schönheit vom Himmel herab uns überstrahlt , von selbst ihr entgegenlaufen ist umsonst , – ich hab den ganzen Nachmittag verlaufen , eben kommen sie schon angefahren . Sonntag Gestern ging ich noch allein in der Dunkelheit durchs Feld . Da fiel mir wieder ein alles , was wir am Sonntag von Frankfurt bis Hanau im Wagen zusammen geredet haben ; – wer von uns beiden zuerst sterben wird . Jetzt bin ich schon acht Tag hier , unser Gespräch klingt noch immer nach in mir . » Es gibt ja noch Raum außer dieser kleinen Tags- und Weltgeschichte , in dem die Seel ihren Durst , selbst etwas zu sein , löschen dürfe « , sagtest Du . – Da hab ich aber gefühlt , und fühl 's eben wieder und immer : wenn Du nicht wärst , was wär mir die ganze Welt ? – Kein Urteil , kein Mensch vermag über mich , aber Du ! – Auch bin ich gestorben schon jetzt , wenn Du mich nicht auferstehen heißest und willst mit mir leben immerfort ; ich fühl 's recht , mein Leben ist bloß aufgewacht , weil Du mir riefst , und wird sterben müssen , wenn es nicht in Dir kann fortgedeihen . – Frei sein willst Du , hast Du gesagt ? – Ich will nicht frei sein , ich will Wurzel fassen in Dir – eine Waldrose , die im eignen Duft sich erquicke , will die der Sonne sich schon öffnen und der Boden löst sich von ihrer Wurzel , dann ist's aus . – Ja , mein Leben ist unsicher ; ohne Deine Liebe , in die es eingepflanzt ist , wird 's gewiß nicht aufblühen , und mir ist 's eben so durch den Kopf gefahren , als ob Du mich vergessen könntest , es ist aber vielleicht nur , weil's Wetter leuchtet , so blaß und kalt , und wenn ich denk an die feurigen Strahlen , mit denen Du oft meine Seele durchleuchtest ! – Bleib mir doch . – Bettine An die Bettine Ich habe die Zeit über recht oft an Dich gedacht , liebe Bettine . Vor einigen Nächten träumte mir , Du seist gestorben , ich weinte sehr darüber und hatte den ganzen Tag einen traurigen Nachklang davon in meiner Seele . Als ich den Abend nach Hause kam , fand ich Deinen Brief ; ich freute mich und wunderte mich , weil ich glaubte , einen gewissen Zusammenhang zwischen meinen Träumen und Deinen Gedanken zu finden . Gestern abend ist Clemens hier angekommen , ich wollte , Du wärst hier , es würde ihm viel behaglicher und heimlicher sein , ich glaube , wenn Du nicht bald hierher kömmst , so geht er nach Trages . In diesem ganzen Brief ist wohl noch kein einziges Wort , was Dich erfreut ? Du drehst das Blatt herum und siehest , ob nicht eine Art von russischem Kabriolett gefahren kommt ; aber es will nichts kommen ; weißt Du , warum ? Weil ich Ihn in der ganzen Zeit nur zwei Minuten gesehen habe ; weil Er geritten kam , und weil Er kein vernünftiges Wort gesprochen hat . Sei lustig , Bettine , und laß Dir nicht mit Kabrioletts im Herzen herumfahren . Grüße den Savigny recht freundlich von mir , erinnere ihn doch zuweilen an mich , ich habe ihn sehr lieb , aber nach Trages komme ich doch nicht . Tue mir den Gefallen und frage die Sanchen , ob ich nicht einen Chignonkamm und eine Kette in Trages hätte liegen lassen ? – Wenn Du noch nicht bald wieder zu uns kommst , so schreibe mir wieder , denn ich habe Dich lieb , sage mir auch , wie Ihr lebt . Karoline Grüße doch auch die Gundel von mir . Auf meiner Heimfahrt von Hanau hab ich das Gespräch gedichtet , es ist ein bißchen vom Zaun gebrochen . – Ich wollt , die Prosa wär edler , das heißt : ich wollt , sie wär musikalischer ; es enthält viel , was wir im Gespräch berührt haben . Du schreibst mit mehr Musik Deine Briefe , ich wollt , ich könnt das lernen . Die Manen SCHÜLER . Weiser Meister ! Ich war in den Katakomben der Schwedenkönige , ich nahte mich dem Sarg des Gustav Adolf mit sonderbarem schmerzlichem Gefühl , seine Taten gingen an meinem Geist vorüber , ich sah zugleich sein Leben und seinen Tod , seine überschwengliche Tatkraft und die tiefe Ruhe , in der er schon dem zweiten Jahrhundert entgegenschlummert ; ich rief mir die grausenvolle Zeit zurück , in der er lebte , mein Gemüt glich einer Gruft , aus der die schwankenden Schatten der Vergangenheit heraufsteigen . Ich weinte so heiße Tränen seinem Tod , als sei er heute erst gefallen . Dahin ! Verloren ! Vergangen ! sagte ich mir , sind dies des großen Lebens Früchte alle ? – Ach ! – Ich mußte die Gruft verlassen , ich suchte Zerstreuung , ich suchte andre Schmerzen , aber der unterirdische trübe Geist verfolgt mich , ich kann die Wehmut nicht loswerden , die wie ein Trauerflor über meine Gegenwart sich legt , dies Zeitalter ist mir nichtig und leer , sehnlich und gewaltig zieht mich 's in die Vergangenheit dahin ! Vergangen , so ruft mein Geist . O möcht ich mit vergangen sein und diese schlechte Zeit nie gesehen haben , in der die Vorwelt vergeht , an der ihre Größe verloren ist . – LEHRER . Verloren ist nichts , junger Schüler , und in keiner Weise , nur das Auge vermag nicht des Grundes unendliche Folgenkette zu übersehen . Aber willst du auch dies nicht bedenken , du kannst doch nicht verloren nennen und dahin , was so mächtig auf dich wirkt ; – dein eigen Geschick , die Gegenwart bewegen dich so heftig nicht wie das Andenken des großen Königs , lebt er da nicht jetzt noch mächtiger in dir als die Gegenwart , oder nennst du nur Leben , was im Fleisch und im Sichtbaren fortlebt , und ist dir dahin und verloren , was noch in Gedanken wirkt und da ist ? – SCHÜLER . Wenn es Leben ist , so ist es doch nicht mehr als Schattenleben , dann ist die Erinnerung des Gewesenen mehr als die bleiche Schattenwirklichkeit . LEHRER . Gegenwart ist ein flüchtiger Augenblick , sie vergeht , indem du sie erlebst , des Lebens Bewußtsein liegt in der Erinnerung , in diesem Sinn nur kannst du Vergangnes betrachten , gleichviel ob es längst oder eben nur vorging . SCHÜLER . Du sprichst wahr ! – So lebt denn ein großer Mensch nicht nach seiner Weise in mir fort , sondern nach der meinen . Wie ich ihn aufnehme , wie und ob ich mich seiner erinnern mag ? – LEHRER . Freilich lebt das nur fort in dir , was dein Sinn befähigt ist aufzunehmen , insofern es Gleichartiges mit dir hat , das Fremdartige in dir tritt nicht mit ihm in Verbindung , darauf kann er nicht wirken , und mit dieser Einschränkung nur wirken alle Dinge . Wofür du keinen Sinn hast , das geht dir verloren wie die Farbenwelt dem Blinden . SCHÜLER . So muß ich glauben , nichts gehe verloren , da alle Ursachen in ihren Folgen fortleben , daß sie aber nur wirken auf das , was Empfänglichkeit oder Sinn für sie hat . – Der Welt mag genügen an diesem Nichtverlorensein , an dieser Art fortzuleben , mir ist es nicht genug , ich möchte zurück in der Vergangenheit Schoß , ich sehne mich nach unmittelbarer Verbindung mit den Manen der großen Vorzeit . LEHRER . Hältst du es denn für möglich ? – SCHÜLER . Ich hielt es für unmöglich , als noch kein Sehnen mich dahin zog , gestern hätte ich noch jede Frage danach für töricht gehalten , heute wünsche ich schon , die Verbindung mit der Geisterwelt wäre möglich , ja mir deucht , ich wäre geneigt , sie glaublich zu finden . LEHRER . Mir deucht , die Manen des großen Gustav Adolf haben deinem innern Auge zum Lichte verholfen . So vernehme mich denn . So gewiß alles Harmonische in Verbindung stehet , es mag sichtbar oder unsichtbar sein , so gewiß sind auch wir in Verbindung mit dem Teil der Geisterwelt , der mit uns harmoniert . Ähnliche Gedanken verschiedener Menschen , auch wenn sie nie voneinander wußten , ist in geistigem Sinn schon Verbindung , der Tod eines Menschen , der in solcher Berührung mit mir stehet , hebt sie nicht auf ; der Tod ist ein chemischer Prozeß , eine Scheidung der Kräfte , aber kein Vernichter , er zerreißt das Band zwischen mir und ähnlichen Seelen nicht , aber das Fortschreiten des einen und das Zurückbleiben des andern kann wohl diese Gemeinschaft aufheben , wie einer , der in allem Trefflichen fortgeschritten ist , mit dem unwissend gebliebnen Jugendfreund nicht mehr zusammenstimmen wird . Du wirst dies leicht ganz allgemein und ganz aufs besondere anwenden können . SCHÜLER . Vollkommen ! – Du sagst , Harmonie der Kräfte ist Verbindung , der Tod hebt diese Verbindung nicht auf , da er nur scheidet und nicht vernichtet . LEHRER . Ich fügte hinzu , das Aufheben dessen , was diese Harmonie bedingt , müßte auch notwendig diese Verbindung aufheben – eine Verbindung mit Verstorbenen kann also statthaben , insofern sie nicht aufgehört haben , mit uns zu harmonieren . SCHÜLER . Ich kann es fassen . LEHRER . Es kommt nur darauf an , diese Verbindung gewahr zu werden . Bloß geistige Kräfte können unsern äußern Sinnen nicht offenbar werden , sie wirken nicht durch Aug und Ohr , sondern durch das Organ , durch das allein eine Verbindung mit ihnen möglich ist ; durch den innern Sinn , auf ihn wirken sie unmittelbar . Dieser innere Sinn , das tiefste und feinste Seelenorgan , ist bei fast allen Menschen unentwickelt und nur dem Keim nach da . – Das Weltgeräusch , der Menschheit Handel und Wandel , der nur oberflächlich und nur die Oberfläche berührt , lassen es zu keiner Ausbildung , zu keinem Bewußtsein kommen , so wird es nicht erkannt , und was sich zu allen Zeiten in ihm offenbarte , hat viele Zweifler und Schmäher gefunden , und bis jetzt ist sein Empfangen und Wirken nur in seltnen Menschen die individuellste Seltenheit . – Ich will nicht ungeistigen Gesichten und Geistererscheinungen das Wort reden , aber ich fühle deutlich , daß der innere Sinn so hoch angeregt werden kann , daß die innere Erscheinung vor das körperliche Auge treten kann , wie auch umgekehrt die äußere Erscheinung vor das geistige Auge tritt ; so brauch ich nicht durch Betrug oder Sinnentäuschung alles Wunderbare zu erklären , doch weiß ich , man nennt in der Weltsprache diese innere Entwicklung der Sinne Einbildung . Wessen Geistesauge Licht auffängt , der sieht dem andern unsichtbare , mit ihm verbundene Dinge . Aus diesem innern Sinn sind die Religionen hervorgegangen , und so manche Apokalypsen alter und neuer Zeit . Aus dieser Sinnenfähigkeit , Verbindungen wahrzunehmen , die andere , deren Geistesauge verschlossen ist , nicht fassen , entsteht die prophetische Gabe , Gegenwart und Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden , den notwendigen Zusammenhang der Ursachen und Wirkungen zu sehen . Prophezeiung ist Sinn für die Zukunft . Man kann die Wahrsagerkunst nicht erlernen , der Sinn für sie ist geheimnisvoll , er entwickelt sich geheimnisvoller Art ; er offenbart sich oft nur wie ein schneller Blitz , der dann von dunkler Nacht wieder begraben wird . Man kann Geister nicht durch Beschwörung rufen , aber sie können dem Geist sich offenbaren , das Empfängliche kann sie empfangen , dem inneren Sinn können sie erscheinen . – Der Lehrer schwieg und sein Zuhörer verließ ihn . Mancherlei Gedanken bewegten sein Inneres , und seine ganze Seele strebte , sich das Gehörte zum Eigentum zu machen . An die Günderode Du weißt , daß der Bostel hier ist , – der läuft mir immer nach und sagt : » Bettine , warum sind Sie so unliebenswürdig ? « – Ich frag : » Wie soll ich 's machen , um liebenswürdig zu sein ? « – » Sein Sie wie Ihre Schwester Loulou , sprechen Sie ruhig mit einem und bezeigen Sie doch nur ein klein wenig Teilnahme an , was man Ihnen sagt , aber wenn man Sie auch aus Mitleid wie ein Mädchen , das schon was bedeutet , behandlen wollt , es ist nicht möglich . Sie haben nicht weniger Unruh als eine junge Katz , die einer Maus nachläuft ; derweil man Ihnen die Ehre antut , mit Ihnen zu sprechen , klettern Sie auf Tisch und Schränken herum , Sie steigen zu den alten Familienporträten und scheinen weit mehr Anteil an deren Gesichter zu nehmen als an uns Lebenden . « – » Ja , Herr von Bostel , das ist bloß , weil die dort so ganz übersehen und vergessen sind , weil kein Mensch mit denen spricht , da geht 's mir grade , wie es Ihnen mit mir geht . Aus Mitleid , weil ich übersehen bin , sprechen Sie mit mir jungem Gelbschnabel , und das steckt mich an , daß ich dasselbe Mitleid mit den alten gemalten Perücken haben muß . « – » Aber sagen Sie , sind Sie gescheut ? – Wie wollen Sie Mitleid haben mit gemalten Bildern ? « – » Ei , Sie haben 's ja auch mit mir ! « – » Nun ja , aber die Bilder empfinden's doch nicht . « – » Ei , ich empfind's auch nicht . « – » Aber bei Gott , ich bemitleide Sie , – Sie sind auf dem Weg närrisch zu werden . « – Ich hätt Dir die Dummheiten nicht erzählt , wenn 's nicht einen großen Lärm gegeben hätt , der Clemens wollte das vom guten Bostel nicht haben , sie redeten so heftig hin und her von Schelmufsky und dem Großmogul , und im kleinen Häuschen , wo sie zusammen hingegangen waren , ward es so laut , daß es sich von weitem wie Streit anhörte , ich ging hinunter und wartete , bis der Bostel herauskam , der war ganz erhitzt , ich nahm alles auf mich und bat um Verzeihung , daß ich so unartig gewesen sei , und was weiß ich , was ich alles sagte , bis er endlich versprach , mit dem Clemens nicht mehr bös zu sein , und wenn ich meine Unart eingestehe , so wolle er mir verzeihen . – Ich gestand alles zu , dachte aber doch heimlich , was der vor ein possierlicher Kerl wär ; der Clemens kam dazu , da ward von beiden Seiten die Schuld auf mich geschoben ; ich ließ es ohne Widerspruch geschehen und besänftigte beide , sie gaben einander die Hand und mir gute Lehren . Die Menschen sind gut , ich bin es ihnen von Herzen , aber wie das kommt , daß ich mit niemand sprechen kann ? – Das hat nun Gott gewollt , daß ich nur mit Dir zu Haus bin . – Die Manen les' ich immer wie der , sie wecken mich recht zum Nachdenken . Du meinst , daß Dir die Sprache nicht drin gefällt ? – Ich glaub , daß große Gedanken , die man zum erstenmal denkt , die sind so überraschend , da scheinen einem die Worte zu nichtig , mit denen man sie aufnimmt , die suchen sich ihren Ausdruck , da ist man als zu zaghaft , einen zu gebrauchen , der noch nicht gebräuchlich ist , aber was liegt doch dran ? Ich wollt immer so reden , wie es nicht statthaft ist , wenn es mir näher dadurch kommt in der Seel , ich glaub gewiß , Musik muß in der Seele walten , Stimmung ohne Melodie ist nicht fließend zu denken ; es muß etwas der Seele so recht Angebornes geben , worin der Gedankenstrom fließt . – Dein Brief ist ganz melodisch zu mir , viel mehr wie Dein Gespräch . » Wenn Du noch nicht bald wieder zu uns kommst , so schreibe mir wieder , denn ich habe Dich lieb . « Diese Worte haben einen melodischen Gang , und dann : » Ich habe die Zeit über recht oft an Dich gedacht , liebe Bettine ! Vor einigen Nächten träumte mir , Du seiest gestorben , ich weinte sehr darüber und hatte den ganzen Tag einen traurigen Nachklang davon in meiner Seele . « Ich auch , liebstes Günderödchen , würde sehr weinen , wenn ich Dich sollt hier lassen müssen und in eine andre Welt gehen , ich kann mir nicht denken , daß ich irgendwo ohne Dich zu mir selber kommen möcht . Der musikalische Klang jener Worte äußert sich wie der Pulsschlag Deiner Empfindung , das ist lebendige Liebe , die fühlst Du für mich . Ich bin recht glücklich ; ich glaub auch , daß nichts ohne Musik im Geist bestehen kann , und daß nur der Geist sich frei empfindet , dem die Stimmung treu bleibt . – Ich kann 's auch noch nicht so deutlich sagen , ich meine , man kann kein Buch lesen , keins verstehen oder seinen Geist aufnehmen , wenn die angeborne Melodie es nicht trägt , ich glaub , das alles müßt gleich begreiflich oder fühlbar sein , wenn es in seiner Melodie dahinfließt . Ja , weil ich das so denke , so fällt mir ein , ob nicht alles , solang es nicht melodisch ist , wohl auch noch nicht wahr sein mag . Dein Schelling und Dein Fichte und Dein Kant sind mir ganz unmögliche Kerle . Was hab ich mir für Mühe geben , und ich bin eigentlich nur davongelaufen hierher , weil ich eine Pause machen wollt . Repulsion , Attraktion , höchste Potenz . – – Weißt Du , wie mir 's wird ? – Dreherig – Schwindel krieg ich in den Kopf , und dann , weißt Du noch ? – Ich schäm mich , – ja ich schäm mich , so mit Hacken und Brecheisen in die Sprach hineinzufahren , um etwas da herauszubohren , und daß ein Mensch , der gesund geboren ist , sich ordentliche Beulen an den Kopf denken muß und allerlei physische Krankheiten dem Geist anbilden . – Glaubst Du , ein Philosoph sei nicht fürchterlich hoffärtig ? – Oder wenn er auch einen Gedanken hat , davon wär er klug ? – O nein , so ein Gedanke fällt ihm wie ein Hobelspan von der Drechselbank , davon ist so ein weiser Meister nicht klug . Die Weisheit muß natürlich sein , was braucht sie doch solcher widerlicher Werkzeuge , um in Gang zu kommen , sie ist ja lebendig ? – Sie wird sich das nicht gefallen lassen . – Der Mann des Geistes muß die Natur lieben über alles , mit wahrer Lieb , dann blüht er , – dann pflanzt die Natur Geist in ihn . Aber ein Philosoph scheint mir so einer nicht , der ihr am Busen liegt und ihr vertraut und mit allen Kräften ihr geweiht ist . – Mir deucht vielmehr , er geht auf Raub , was er ihr abluchsen kann , das vermanscht er in seine geheime Fabrik , und da hat er seine Not , daß sie nicht stockt , hier ein Rad , dort ein Gewicht , eine Maschine greift in die andere , und da zeigt er den Schülern , wie sein Perpetuum Mobile geht , und schwitzt sehr dabei , und die Schüler staunen das an und werden sehr dumm davon . – Verzeih mir's , daß ich so fabelig Zeug red , Du weißt , ich hab's mit meinem Abscheu nie weiter gebracht , als daß ich erhitzt und schwindelig geworden bin davon , und wenn die großen Gedanken Deines Gesprächs vor mir auftreten , die doch philosophisch sind , so weiß ich wohl , daß nichts Geist ist als nur Philosophie , aber wend 's herum und sag : Es ist nichts Philosophie , als nur ewig lebendiger Geist , der sich nicht fangen , nicht beschauen noch überschauen läßt , nur empfinden , der in jedem neu und ideal wirkt , und kurz : der ist wie der Äther über uns . Du kannst ihn auch nicht fassen mit dem Aug , Du kannst Dich nur von ihm überleuchtet , umfangen fühlen , Du kannst von ihm leben , nicht ihn für Dich erzeugen . Ist denn der Schöpfernatur ihr Geist nicht gewaltiger als der Philosoph mit seinem Dreieck , wo er die Schöpfungskraft drin hin und her stößt , was will er doch ? – Meint er , diese Gedankenaufführung sei eine unwiderstehliche Art , dem Naturgeist nahzukommen ? Ich glaub einmal nicht , daß die Natur einen solchen , der sich zum Philosophen eingezwickt hat , gut leiden kann . » Wie ist Natur so hold und gut , die mich am Busen hält . « – So was lautet wie Spott auf einen Philosophen . Du aber bist ein Dichter , und alles , was Du sagst , ist die Wahrheit und heilig . » Man kann Geister nicht durch Beschwörung rufen , aber sie können sich dem Geist offenbaren , das Empfängliche kann sie empfangen , dem innern Sinn können sie erscheinen . « Nun ja ! Wenn es auch die ganze heutige Welt nicht faßt , was Du da aussprichst , wie ich gewiß glaub , daß es umsonst der Welt gesagt ist , so bin ich aber der Schüler , dessen ganze Seele strebt , sich das Gehörte zum Eigentum zu machen . – Und aus dieser Lehre wird mein künftig Glück erblühn , nicht weil ich's gelernt hab , aber weil ich's empfind ; es ist ein Keim in mir geworden und wurzelt tief , ja ich muß sagen , es spricht meine Natur aus , oder vielmehr , es ist das heilige Wort » Es werde « , was Du über mich aussprichst . – Ich hab 's jetzt jede Nacht gelesen im Bett und empfind mich nicht mehr allein und für nichts in der Welt ; ich denk , da die Geister sich dem Geist offenbaren können , so möchten sie zu meinem doch sprechen ; und was die Welt » überspannte Einbildung « nennt , dem will ich still opfern und gewiß meinen Sinn vor jedem bewahren , was mich unfähig dazu machen könnte , denn ich empfinde in mir ein Gewissen , was mich heimlich warnt , dies und jenes zu meiden . – Und wie ich mit Dir red heute , da fühl ich , daß es eine bewußtlose Bewußtheit gebe , das ist Gefühl , und daß der Geist bewußtlos erregt wird . – So wird's wohl sein mit den Geistern . Aber still davon , durch Deinen Geist haucht mich die Natur an , daß ich erwach , wie wenn die Keime zu Blättern werden . – Ach , eben ist ein großer Vogel wider mein Fenster geflogen und hat mich so erschreckt , es ist schon nach Mitternacht , gute Nacht . Bettine An die Bettine Es kömmt mir bald zu närrisch vor , liebe Bettine , daß Du Dich so feierlich für meinen Schüler erklärst , ebenso könnte ich mich für den Deinen halten wollen , doch macht es mir viele Freude , und es ist auch etwas Wahres daran , wenn ein Lehrer durch den Schüler angeregt wird , so kann ich mit Fug mich den Deinen nennen . Gar viele Ansichten strömen mir aus Deinen Behauptungen zu und aus Deinen Ahnungen , denen ich vertraue , und wenn Du so herzlich bist , mein Schüler sein zu wollen , so werd ich mich einst wundern , was ich da für einen Vogel ausgebrütet habe . Deine Erzählung vom Bostel ist ganz artig , nichts lieber tust Du , als die Sünden der Welt auf Dich nehmen , Du trägst keine Last an ihnen , sie beflügeln Dich vielmehr zu Heiterkeit und Mutwillen , man könnte denken , Gott habe selber sein Vergnügen an Dir . Aber dahin wirst du es nicht bringen , daß die Menschen Dich als etwas Bessers achten , als sie selber sind . Doch wie auch Genie sich Luft und Licht mache , es ist immer ätherischer Weise , und wär es selbst den Ballast des Philistertums auf den Flügeln tragend . In solchen Dingen bist Du gebornes Genie , darin kann ich nur Dein Schüler sein und trachte auch mit großem Fleiß Dir nachzukommen , es ist ein spaßiges In- die-Runde-laufen , daß während Dich jedermann so oft über Deine sogenannte Inkonsequenzen verklagt , ich heimlich mir Vorwürfe mache , daß mein Genie hierzu nicht ausreicht . – » Sorglos über die Fläche weg , wo vom kühnsten Wager die Bahn Dir nicht vorgegraben Du siehst . « – Immerhin nur das einzige tue mir , und fange nicht alles untereinander an , in Deinem Zimmer sah es aus wie am Ufer , wo eine Flotte gestrandet war . Schlosser wollte zwei große Folianten , die er für Dich von der Stadtbibliothek geliehen hat , und die Du schon ein Vierteljahr hast , ohne drin zu lesen . Der Homer lag aufgeschlagen an der Erde , Dein Kanarienvogel hatte ihn nicht geschont , Deine schöne erfundne Reisekarte des Odysseus lag daneben und der Muschelkasten mit dem umgeworfenen Sepianäpfchen und allen Farbenmuscheln drum her , das hat einen braunen Fleck auf Deinen schönen Strohteppich gemacht , ich habe mich bemüht , alles wieder in Ordnung zu bringen . Dein Flageolet , was Du mitnehmen wolltest und vergeblich suchtest , rat , wo ich's gefunden habe ? – Im Orangenkübel auf dem Altan war es bis ans Mundstück in die Erde vergraben , Du hofftest wahrscheinlich einen Flageoletbaum da bei Deiner Rückkunft aufkeimen zu sehen , die Liesbet hat den Baum übermäßig begossen , das Instrument ist angequollen , ich hab es an einen kühlen Ort gelegt , damit es gemächlich wieder ein trocknen kann und nicht berstet , was ich aber mit den Noten anfange , die daneben lagen , das weiß ich nicht , ich hab sie einstweilen in die Sonne gelegt , vor menschlichen Augen darfst Du sie nicht mehr sehen lassen , ein sauberes Ansehen erhalten sie nicht wieder . – Dann flattert das blaue Band an Deiner Gitarre , nun schon seitdem Du weg bist , zum großen Gaudium der Schulkinder gegenüber , so lang es ist , zum Fenster hinaus , hat Regen und Sonnenschein ausgehalten und ist sehr abgeblaßt , dabei ist die Gitarre auch nicht geschont worden , ich hab die Liesbet ein wenig vorgenommen , daß sie nicht so gescheut war , das Fenster zuzumachen hinter den dunklen Plänen , sie entschuldigte sich , weil 's hinter den grünseidnen Vorhängen versteckt war , da doch , so oft die Türe aufgeht , die Fenster vom Zugwind sich bewegen . Dein Riesenschilf am Spiegel ist noch grün , ich hab ihm frisch Wasser geben lassen , Dein Kasten mit Hafer und was sonst noch drein gesäet ist , ist alles durcheinander emporgewachsen , es deucht mir viel Unkraut drunter zu sein , da ich es aber nicht genau unterscheiden kann , so hab ich nicht gewagt , etwas auszureißen ; von Büchern hab ich gefunden auf der Erde den Ossian , die Sacontala , die Frankfurter Chronik , den zweiten Band Hemsterhuis , den ich zu mir genommen habe , weil ich den ersten Band von Dir habe . Im Hemsterhuis lag beifolgender philosophischer Aufsatz , den ich mir zu schenken bitte , wenn Du keinen besondern Wert darauf legst , ich hab mehr dergleichen von Dir , und da Dein Widerwille gegen Philosophie Dich hindert , ihrer zu achten , so möchte ich diese Bruchstücke Deiner Studien wider Willen beisammen bewahren , vielleicht werden sie Dir mit der Zeit interessanter . Siegwart , ein Roman der Vergangenheit , fand ich auf dem Klavier , das Tintenfaß draufliegend , ein Glück , daß es nur wenig Tinte mehr enthielt , doch wirst Du Deine Mondscheinkomposition , über die es seine Flut ergoß , schwerlich mehr entziffern . Es rappelte was in einer kleinen Schachtel auf dem Fensterbrett , ich war neugierig sie aufzumachen , da flogen zwei Schmetterlinge heraus , die Du als Puppen hineingesetzt hattest , ich hab sie mit der Liesbet auf den Altan gejagt , wo sie in den blühenden Bohnen ihren ersten Hunger stillten . Unter Deinem Bett fegte die Liesbet Karl den Zwölften und die Bibel hervor , und auch – einen Lederhandschuh , der an keiner Dame Hand gehört , mit einem französischen Gedicht darin , dieser Handschuh scheint unter Deinem Kopfkissen gelegen zu haben , ich wüßte nicht , daß Du Dich damit abgibst , französische Gedichte im alten Stil zu machen , der Parfüm des Handschuh ist sehr angenehm und erinnert mich und macht mich immer heller im Kopf , und jeden Augenblick sollte mir einfallen , wo des Handschuh Gegenstück sein mag ; indes sei ruhig über seinen Besitz , ich hab ihn hinter des Kranachs Lukretia geklemmt , da wirst Du ihn finden , wenn Du zurückkommst ; zwei Briefe hab ich auch unter den vielen beschriebenen Papieren gefunden , noch versiegelt , der eine aus Darmstadt , also vom jungen Lichtenberg , der andre aus Wien . Was hast Du denn da für Bekanntschaft ? – Und wie ist's möglich , wo Du so selten Briefe empfängst , daß Du nicht neugieriger bist , oder vielmehr so zerstreut . – Die Briefe hab ich auf Deinen Tisch gelegt . Alles ist jetzt hübsch ordentlich , so daß Du fleißig und mit Behagen in Deinen Studien fortfahren kannst . Ich habe mit wahrem Vergnügen Dir Dein Zimmer dargestellt , weil es wie ein optischer Spiegel Deine aparte Art zu sein ausdrückt , weil es Deinen ganzen Charakter zusammenfaßt ; Du trägst allerlei wunderlich Zeug zusammen , um eine Opferflamme dran zu zünden , sie verzehrt sich , ob die Götter davon erbaut sind , das ist mir unbekannt . Karoline Wenn Du Muße findest , so schreib bald wieder . Beilage zum Brief der Günderode ( Ein apokalyptisches Fragment ) 1. Auf hohem Fels im Mittelmeer stand ich , vor mir der Ost , hinter mir der West , und der Wind ruhte auf der See . 2. Die Sonne sank , kaum war sie verhüllt im Niedergang , enthüllte im Aufgang sich das Morgenrot ; Morgen , Mittag , Abend und Nacht jagten in schwindelnder Eile um des Himmels Bogen . 3. Ich sah staunend sie sich drehen , mein Blut , meine Gedanken bewegten sich nicht rascher ; die Zeit , indes sie außer mir nach neuen Gesetzen sich bewegte , ging in mir den gewohnten Gang . 4. Ich wollte ins Morgenrot mich stürzen oder mich tauchen in die Schatten der Nacht , eilend mit ihr dahinströmend , um nicht so langsam zu leben , aber im Schauen versunken ward ich müde und entschlief . 5. Da sah ich ein Meer vor mir , von keinem Ufer umgeben , nicht im Ost , noch Süd , noch West , noch im Nord ; kein Windstoß bewegte die Wellen , aber in ihren Tiefen bewegte sich , wie von innerer Gärung gereizt , die unermeßliche See . 6. Und mancherlei Gestalten stiegen auf aus dem tiefen Meeresschoß , und Nebel stiegen auf und senkten sich in Wolken , und in zuckenden Blitzen berührten sie die gebärenden Wogen . 7. Und immer mannigfaltiger entstiegen der Tiefe Gestalten , mich ergriff Schwindel und Bangheit , meine Gedanken wurden hiehin und dorthin getrieben , wie eine Fackel vom Sturmwind , bis meine Erinnerung erlosch . 8. Als ich wieder erwachte und von mir zu wissen anfing , da besann ich mich nicht , ob ich Jahrhunderte oder Minuten geschlafen , denn in den dumpfen , verworrenen Träumen war mir nichts begegnet , was mich an die Zeit erinnert hatte . 9. Es war dunkel in mir , als habe ich geruht in dieses Meeres Schoß und sei wie andere Gestalten ihm entstiegen . – Ich schien mir ein Tropfen Taues , ich bewegte mich lustig in der Luft hin und wieder und freute mich , und mein Leben war , daß die Sonne sich in mir spiegle und die Sterne mich beschauten . 10. Ich ließ von den Lüften mich dahin tragen in raschen Zügen , ich gesellte mich zum Abendrot , zu des Regenbogens siebenfarbigen Tropfen , ich reihte mit meinen Gespielen mich um den Mond , wenn er sich bergen wollte , und begleitete seine Bahn . 11. Die Vergangenheit war mir dahin , nur der Gegenwart gehörte ich an , eine Sehnsucht war in mir , die ihr Begehren nicht kannte , ich suchte immer , und was ich fand , war nicht das Gesuchte , und sehnend trieb ich mich umher im Unendlichen . 12. Einst ward ich gewahr , daß alle die Wesen , die dem Meer entstiegen waren , wieder zu ihm zurückkehrten und in wechslenden Formen sich wieder erzeugten . Mich befremdete diese Erscheinung , denn ich hatte von keinem Ende gewußt . Da dachte ich , meine Sehnsucht sei auch , zurückzukehren zu der Quelle des Lebens . 13. Und da ich dies dachte und lebendiger fühlte als all mein Bewußtsein , ward plötzlich mein Gemüt wie mit betäubenden Nebeln umfangen . Aber sie schwanden bald , ich schien mir nicht mehr ich , meine Grenzen konnte ich nicht mehr finden , mein Bewußtsein hatte ich überschritten , es war größer , anders , und doch fühlte ich mich in ihm . 14. Erlöset war ich von den engen Schranken meines Wesens und kein einzelner Tropfen mehr , ich war allem wiedergegeben , und alles gehörte mir mit an , ich dachte und fühlte , wogte im Meer , glänzte in der Sonne , kreiste mit den Sternen ; ich fühlte mich in allem und genoß alles in mir . 15. Drum wer Ohren hat zu hören , der höre ! Es ist nicht zwei , nicht drei , nicht Tausende , es ist eins und alles ; es ist nicht Leib und Geist geschieden , daß das eine der Zeit , das andere der Ewigkeit angehöre , es ist eins , gehört sich selbst und ist Zeit und Ewigkeit zugleich und sichtbar und unsichtbar , bleibend im Wandel , ein unendliches Leben . An die Günderode Wie wir hier leben , das will ich Dir erzählen . Morgens kommen wir alle im Schlafzimmer von Savignys zusammen . Da wird gegalert und als ein bißchen Krieg mit Kopfkissen und Rouleaux geführt , und im Nebenzimmer wird gefrühstückt dabei . Wir nehmen uns zwar sehr in acht , den großen Savigny zu treffen , aber er ist gescheut , wenn's Gefecht heiß wird , da zieht er sich zurück . Später zerstreut sich alles . Wir sind auch jetzt schon zweimal geritten , ich bin beidemal heruntergefallen , einmal wie wir bergauf ritten und einmal vor Lachen . Nachmittags gehen wir manchmal in den Wald , und Savigny liest vor , da hab ich meine Not mit dem Zuhören , auf dem Waldrasen hab ich gar zu viel Zerstreuung , alle Augenblick ist ein Kräutchen oder ein Spinnchen oder ein Räupchen oder ein Sandsteinchen , oder ich bohr ein Löchelchen in die Erd und find allerlei da , der Savigny sagt , ich sei hoffärtig und wollt nicht zuhören , er kann 's nicht leiden , drum setz ich mich hinter seinen Kopf , da merkt er 's als nicht . Wir gehen auch als auf die Jagd , und ich nehm die kleine Flint , ich schieß aber immer , was Du wohl weißt , wonach ich immer auf die Jagd geh , Hirngespinste aus der Luft , gestern wollte mir der Bostel lehren , nach den Vögelchen zielen , ich schoß , und das Vögelchen fiel herunter , ich dacht gar nicht , daß ich's treffen würde , ich war sehr erschrocken , aber der Bostel machte so großen Lärm von meinem scharfen Blick , und die andern lobten mich alle , daß ich so gut ziele , daß ich meine Reue über diesen ersten Mord nicht merken ließ . Ich nahm das Vögelchen in die Hand , wo es vollends erkaltete , in der Nachtstille hab ich's begraben unter dem Fenster von Deiner Schlafkammer und nicht ohne schwere Nachgedanken ; wahrlich , ich hab es nicht mit Willen getan , aber doch mit Leichtsinn . Was liegt am Vogel , alle Jäger schießen ihn ja ! – Aber ich nicht , ich hätt es niemals getan , aus dem Laub , in seiner heiteren Lebenszeit den Vogel herunterzuschießen , den Gott mit der Freiheit des Flugs begabt hat . Gott schenkt ihm die Flügel , und ich schieß ihn herunter , o nein , das stimmt nicht ! Eben kommt Dein Brief an , Deinen Kamm und die Kette hast Du wohl erhalten ? Ich hab sie an Mienchen geschickt in einer kleinen Schachtel , Clemens hat einen kleinen Brief beigeschlossen an Deine Schwester und ein paar Zeilen an Dich ; mein Zimmer gefällt mir wohl in seiner Unordnung , und ich gefall mir also auch wohl , da Du meinst , es stelle meinen Charakter vollkommen dar . Am liebsten ist mir , daß Du zur rechten Zeit kamst , um die Schmetterlinge zu befreien . Du kommst immer zur rechten Zeit , um meine Dummheiten gutzumachen . Den philosophischen Aufsatz , wie Du ihn zu nennen beliebst , schenk ich Dir , ich nenne ihn einen steifstelligen , verschnippelten , buchsbaumernen Zwerg , ein fataler grüner Würgengel von superklugem Gewälsch , ohne Sprach , ohne Musik , es sei denn das hölzerne Gelächter ; dem gleicht's ganz im Ton und Inhalt ; mach mich nicht närrisch , – ich will nichts mehr davon wissen . Dein apokalyptisch Fragment macht mich auch schwindlen ; bin ich zu unreif , oder was ist es , daß ich so fiebrig werd , und daß Deine Phantasien mich schmerzlich kränken . » Meine Gedanken wurden hierhin und dorthin getrieben wie eine Fackel vom Sturmwind , bis meine Erinnerung erlosch . « Warum schreibst Du mir so was ? – das sind mir bittere Gedanken ! Es macht mich unzufrieden und voll Bangigkeit , daß Du Deinen Geist in eine Unbewußtheit hineinversetzest . Ich weiß nicht , wie ich immer empfinde , als sei alles Leben inner mir und nichts außer mir , Du aber suchest in höheren Regionen nach Antwort auf Deine Sehnsucht , willst » mit Deinen Gespielinnen den Mond umwallen « , wo ich keine Möglichkeit mir denken kann mitzutanzen , willst » erlöst sein von den engen Schranken Deines Wesens « , und mein ganz Glück ist doch , daß Gott Dich in Deiner Eigentümlichkeit geschaffen hat ; – und dann sagst Du noch so was Trauriges : » Ich schien mir nicht mehr Ich und doch mehr als sonst Ich . « Meinst Du , damit wär mir gedient ? – » Meine Grenzen konnte ich nicht mehr finden , mein Bewußtsein hatte sie überschritten , es war anders . « Mit dem allen ist mein Urteil gesprochen , mich quält Eifersucht , mir scheint Dein Denken außer den Kreisen zu schweifen , wo ich Dir begegne . Du bist herablassend , daß Du vor mir solche Dinge aussprichst , die ich nicht nachempfinden kann und auch nicht mag , weil sie unsern engen Lebenskreis überschreiten , in dem allein mir nur lieb denken ist . Straf mich nun mit Worten , wie Du willst , daß ich so dumm bin , aber der Eifersucht Brand tobt in mir , wenn Du mir nicht am Boden bleibst , wo auch ich bin . In diesem Fragment lese ich , daß Du nur im Vorübergehen mit mir bist , ich aber wollte immer mit Dir sein , jetzt und immer , und ungemischt mit andern ; erst hast Du geweint im Traum um mich , und nachher im Wachen vergißt Du alles Dasein mit mir , ich kann mir nichts denken als nur ein Leben , wie es gerad dicht vor mir liegt , mit Dir auf der Gartentreppe oder am Ofen , ich kann keine Fragmente schreiben , ich kann nur an Dich schreiben , aber innerlich weite Wege , große Aussicht , aber nicht dem Mond nachlaufen und im Tau vergehen und im Regenbogen verschwimmen . Zeit und Ewigkeit , das ist mir alles so weitläufig , da fürcht ich Dich aus den Augen zu verlieren , was ist mir » Ein unendliches Leben bleibend im Wandel « , jeder Augenblick , den ich leb' , ist ganz Dein , und ich kann 's auch gar nicht ändern , daß meine Sinne nur bloß auf Dich gerichtet sind , Du wirfst mich aus der Wiege , die Du auf dem großen Ozean schwimmend vor Dir hergetrieben hast , hinaus in die Wellen , weil Du in die Sonne fahren willst , unter die Sterne und im Meer zerrinnen . – Mir ist schwindelig , taumelig . – So ist einem , der vom Feuer verzehrt wird und kann doch kein Wasser dulden , das es lösche . Du verstehst mich nicht , und wenn Du noch so klug bist und alles verstehst , das Kind in Deine Brust geboren , das verstehst Du nicht . – Ich weiß wohl , wie mir 's gehen wird mein ganzes Leben , ich weiß es wohl . Leb wohl . Bettine Heut haben wir den 19. Mai , am 7. Mai hat's zum erstenmal gedonnert in diesem Jahr , das wird gerad gewesen sein , wo Du das verdammte apokalyptische Fieber hattest . Noch vierzehn Tag bleiben wir , alles blüht , ein Abhang voll Kirschbäume , so dunkelrote Stämmchen , so jung wie unsereins , ich geh alle Morgen früh hinaus und such die Raupennester dort ab ; soviel ich hinanreichen kann , bieg ich die Zweige herab und brech die boshaften Raupennester heraus , sie sollen sich freuen dies Jahr , die Bäume , und nicht mit kahlen Häuptern dastehen vor dem Herbst . – Ich tu's auch , weil ich mich gegen Dich zusammennehmen will , hast Du Deine Regenbogenkränzchen und Deine Mondkoterien , wo Du übers Bewußtsein hinausspazierst und das Heimkehren vergißt , mit Deiner Haiden , mit Deiner Nees , mit Deiner Lotte Serviere Reigen im Sternennebel tanzest , so hab ich meine einsame Unterredungen mit den jungen Erbskeimen und mit den Mirabellen und Reineclauden und Kirschbäumen in der Blüte , und gestern war ich mit dem Gingerich drauß am Goldweiher , da haben wir eine Hütte gemacht von Moos , da haben die zwei jungen Wiedertäufer geholfen , der mit dem braunroten Bart , der so stolz drauf ist ; der schöne Hans und der blonde Georg ; sie ließen beide ihre Pflüge stehen und kamen heran , mir zu helfen , und schnitten mir Tannenäste herunter , und alles , was ich Loses an mir hatte , damit hab ich die Äste festgebunden , mit meiner hellblauen Schärpe und mit dem rosa Halstuch , wovon Du die andre Hälfte hast , hab ich sie zusammengeknüpft , und am Nachmittag kam der Savigny heraus und legte sich in die Hütte , sehr vergnügt , und ich las vor , Gedichte vom Bruder Anton , eine Wasserreise nach den verschiedenen Sauerbrünnchen und ein Gedicht auf Euphrosyne Maximiliane und eine philosophische Abhandlung von einem gläsernen Esel , der auf einer blumenreichen Wiese sich sattgefressen hatte , und dem die seltensten Blumen durch den Bauch schimmern und ihn so verschönen , daß er die Bewunderung aller Laubfrösche ist , die alle auf ihn hinaufhüpfen und sich vergebens abmühen , in diesem schönen Blumenlabyrinth herumzuhüpfen , so müssen sie sich's vergehen lassen , weil der gläserne Bauch es umschließt , und dann die Moral ist von dieser wunderbaren Fabel : » Streben nach unmöglichen Genüssen hilft zu nichts und verdirbt die Zeit « , denn einmal hatte Gott schon früher diese schöne Blumenweide zur Verschönerung des Esels bestimmt und nicht zur Schwelgerei der Frösche , und zweitens war der vornehme Esel auch zu ganz was anderem bestimmt als zum Belustigungsort gemeiner Frösche , denn als ihn zwei verständige Philosophen und Gelehrte aus der an schönen Naturseltenheiten reichen Stadt Frankfurt begegneten , so führten beide diesen wunderschönen Esel an einem grünseidnen Band durch die Stadt . Am Gallentor , wo sie einpassierten , präsentierte die Stadtwache das Gewehr vor ihm , und auf dem Roßmarkt ( also grade vor Deinem Stift ) versammelten sich alle Bürger und begleiteten ihn mit Siegsgeschrei auf den Römer , allwo der Herr Bürgermeister mit allen Ratsherren versammelt war , und die Herren von der ersten Bank wie auch von der zweiten und dritten stimmten alle ein in das Lob der Wunder Gottes , als sie in dem Bauch des Esels die schönen Tulipanen , Levkoien , Narzissen , Hyazinthen , Schwertlilien , Kaiserkronen und vor allem die schönen Rosen herumflorieren sahen . Als sie dessen sattsam sich erfreut hatten , so ließ der Herr Bürgermeister fortfahren in den angefangenen Ratschlägen und den gläsernen Blumenesel einstweilen auf einem erhabenen Platz aufstellen ; wie nun der Rat vollendet war , welcher wegen wichtigen Angelegenheiten etwas lange gedauert hatte , und man den Esel in die Raritätskammer führen wollte , so hatte dieser unterdessen seine Notdurft verrichtet , und es war keine einzige Blume in seinem Bauch geblieben , sondern war alles zu Mist geworden , und der Bauch des Esels sah nicht anders aus als eine schmutzige , ranzige Ölflasche . Die Stadtmusikanten , welche auf Befehl des Rates herbeigekommen waren , um diese schöne Naturseltenheit Gottes mit Trommeln und Pfeifen durch die löbliche freie Reichsstadt zu geleiten , wurden zum großen Leidwesen der Gassenbuben verabschiedet , die aus Rache den armen Esel mit Steinen warfen , daß sein gläserner Bauch in tausend Stücken ging und er elendiglich sich auf dem Scherbelhaufen vom Dippenmarkt am Pfarreisen zum Verscheiden hinlegte , wo er unter dem Gespött und boshaftem Zwicken seiner langen Ohren mit lautem Gestöhn den Geist aufgab . Die Moral und große weise Lehre von dieser Fabel ist : Brüste dich nicht vor deinem Ende ; wenn das falsche Glück dir den Bauch voll der schönsten Blumen stopft , so zwingt dich oft die Notdurft , alles , worauf Du einst so stolz sein konntest , als stinkenden Mist wieder von dir zu geben , und jene , so dir früher schmeichelten um deiner seltnen Gaben willen , sind dann gerade die , welche dich am unbarmherzigsten verfolgen . Hättest du , Esel , dich nicht von ein paar überspannten , hochtrabenden Gelehrten verführen lassen , deine Blumenschönheit in der Stadt Frankfurt als eine bewundernswürdige Seltenheit zu zeigen , sondern wärst du ruhig in deinen Stall gewandert , so konntest du ruhig deine Verdauung abwarten und jeden Tag in der Blumenzeit aufs neue deinen Bauch mit lieblichen , würzigen Speisen füllen , und dein Ruhm würde auch nicht ausgeblieben sein , denn man würde zu dir hinausgekommen sein ins Feld , um dich zu bewundern . Die dritte Moral ist die , daß doch ein hochweiser Rat es sich zur warnenden Lehre nehme , alles , womit ein Esel in seinem Bauche prahlt , ja nicht hoch anzuschlagen , da es nach kurzer Zeit doch immer zu Mist werden muß . – Den Savigny und alle hat die Geschichte des Anton höchlich amüsiert , es wurde noch viel gelacht und zuletzt unter Gesang beim Untergehen der Sonne nach Hause gewandert . Ich wollte zwar früher zurückkommen , und mein Gewissen mahnt mich auch , nicht alles , was ich dort angefangen , solang aus den Augen zu lassen ; aber es schleicht ein Tag nach dem andern so anmutig vorüber , und der Savigny ist so anmutig und kindisch , daß wir ihn nicht verlassen können , alle Augenblick hat eins ihm ein Geheimnis anzuvertrauen , der führt ihn in den Wald , der andre in die Laube , und die Gundel muß sich 's gefallen lassen , und Gescheitsein ist gar nicht Mode , der Clemens hat ihm schon ein paar Wände mit abenteuerlichen Figuren vollgemalt , und Verse und Gedichte werden mit schwarzer Farbe an alle Wände groß geschrieben . Der Clemens hat Wieland , Herder , Goethe und die Prinzessin Amalie grau in grau gemalt und den Dir bekannten Vers dazu . – Heut muß ich aufhören , ich schick Dir eine Schachtel mit dem großen Maiblumenstrauß , schmücke Deinen Hausaltar und verrichte eine Andacht für mich , es ist meine liebste Blum . Geh in Dich und frag Dich , wer Dir am nächsten steht von allen Menschen ; und frag Dich recht deutlich , wer sich am liebsten an Dein Herz schmiegt ohne große Anforderungen an ein hyperboräisches Glück , und da wirst Du sagen müssen , daß ich's bin , die allein das Recht hat , Dir nahzustehen , und wenn Du das nicht einsiehst , so ist der Schade mein , aber Dein auch . Bettine Beilage zum Brief der Bettine Der Aufsatz , der im Hemsterhuis lag Es sind aber drei Dinge , aus diesen entspringt der Mensch , nicht nur ein Teil oder eine Erscheinung von ihm , sondern er selber mit allen Erscheinungen in ihm , und sein Same und Keim liegt in diesen drei Dingen , diese aber sind die Elemente , aus welchen die ganze erschaffne Natur sich in dem Menschen wieder bildet . Das erste ist der Glaube , aus diesem entspringt der gewisse Teil des Menschen , nämlich der Leib oder das Kleid des Geistes ; der Gedanke ; dieser ist die Geburt und sichtliche Erscheinung des Geistes und eine Befestigung seines Daseins . Der Glaube aber ist Befestigung , und ohne diesen schwebt alles und gewinnt keine Gestalt und verfliegt in tausend Auswegen , die die erschaffende Natur noch nicht unter sich gebracht hat , so wie der Natur Eigenschaft aber ist , den ewigen Stoff , die Zeit zu bearbeiten , so ist jener ihre Eigenschaft , die Gestalt von sich abzustoßen und nicht anzunehmen , bis sie von der Natur in seligem Kampf besiegt ist . Der Glaube aber ist die Erscheinung Gottes in der Zeit , der Glaube ist Gewißheit und Ewigkeit . Die Erscheinung Gottes ist immer ewig , in jedem Augenblick , und so ist der Mensch ewig , denn sein Sein ist Gottes Erscheinung . Gott aber ist alles , das das Gute ist als Gegensatz gegen nichts , das das Böse ist . Daher ist auch alles in dem Menschen , der die Erscheinung Gottes ist ; daher begreift er einzig in sich Gott und den Glauben an ihn , weil sein Sein der Glaube ist , sein Wesen aber Gott . Was also der Mensch erblickt mit seinen Augen außer sich , das ist Gottes Blick in ihm , was er aber hört mit seinen Ohren außer sich , das ist Gottes Stimme in ihm , was er aber fühlt mit seinem ganzen Leib und Geist außer sich , das ist Gottes Berührung , der Funke der Begeisterung in ihm , was aber in ihm ist , das erschafft und bildet aus ihm , was aber erschaffen und außer ihm ist , das spricht ihn an und bildet sich wieder in ihn hinein , in ihm aber liegt auch die Zeit , und es ist das Werk des Erschaffens nichts anders als die Zeit umwandlen in die Ewigkeit , wer aber die Zeit nicht umwandelt in die Ewigkeit oder die Ewigkeit herabziehet in die Zeit , der wirkt Böses , denn alles , was ein Ende nimmt , das ist böse . Die Ewigkeit in die Zeit herabziehen aber heißt , wenn die Zeit der Ewigkeit mächtig wird , wenn die Nichtigkeit mächtiger wird als die Gewalt des Schaffens , wenn der Stoff des Meisters sich bemeistert , der ihn behandelt . Böse ist also der Selbstmord , denn der Willen der Vernichtung ist zeitlich , und der Gedanke geht in sich selbst zugrund , weil er ein Kleid der Zeitlichkeit ist , nicht aber eine sichtbare Erscheinung des ewigen Geistes , und hier lehnt sich der Stoff – die Zeit , gegen seinen Meister ( das Schicksal der Ewigkeit ) auf . Wenn man aber sagt , der Mensch ist im Guten geboren , so ist dieses wahr , weil er im Glauben geboren ist ; wenn man aber sagt , er hat das Böse nicht , sondern er zieht es nur an , so ist dieses nicht wahr , denn er hat die Kraft , das Böse von sich zu stoßen , nicht aber es an sich zu ziehen , denn das Böse ist die Zeit , und sie dient zur Nahrung für das Göttliche und Ewige , die Zeit aber frißt die Ewigkeit und den Geist , der ewig sein soll , wenn er sich nicht ihrer bemächtigt und sich zur Nahrung nimmt ; denn das ist das Böse , daß das Zeitliche , Irdische das ewige Himmlische verschlingt , das Gute aber ist , wenn das ewige Himmlische das Irdische in sich umwandelt und alles zu Gott in ihm macht . Gott aber hat das Zeitliche nicht in sich , denn sein Sein ist die Umwandlung des Zeitlichen ins Himmlische , weil er aber ist , so ist die Ewigkeit . Die Vernunft aber ist eine Säule , festgepflanzt in dem Menschen , sie ist aber ewig und also eine Stütze des Himmels , und wie sie eingegraben ist in uns und mit uns eins ist , so geht ihr Haupt in die Wolken , und in ihrer Wurzel liegt die Zeit , aber wie sich aus dem Stoff der Geist entwickelt , so entwickelt sich die Ewigkeit aus dieser Zeit und steigt in der Vernunft zur Ewigkeit , und der Mensch wird durch die Vernunft aus einem Irdischen ein Himmlisches . An die Bettine Frankfurt Melonen , Ananas , Feigen , Trauben und Pfirsich und die Fülle südlicher Blüten , die eben in Eurem Hause sorglich verpackt werden , haben mir Lust gemacht , Dir das Violen- und Narzissensträußchen ( Wandel und Treue ) beizulegen , ich hätte mich gern selbst mit hineingelegt . Der Heliotrop mit den Nelken und Jasmin zusammen ist ein aparter Strauß vom Gontard für Dich , er trug mir auf , es Dir zu melden . Es ist mir jetzt recht traurig , da Du fort bist . – Das Schicksal frönt Deiner Zerstreutheit , bei Euch auch ist ein ewiges Wandern , Kommen , Gehen . Ich bitte Dich , schreib , wie lange Ihr bleibt oder zu bleiben gedenkt . Erst wollt ich nicht , daß Du hier bliebst , und wärst Du nun schon wieder da ! – Es ist keine heitere Zeit in mir , viel Muse und keine Begeisterung für sie ; man hängt von manchem ab , dem man gar keinen Einfluß zugestehen würde , die Gewohnheit , Dich zu erwarten am Nachmittag , hängt mir wie ein zerrißner Glockenstrang in den Kopf ! – Und doch muß ich immer in die Ferne lauschen , ob ich Deinen Tritt nicht höre . Der Sommer in der Stadt – es bedroht mich ganz dämonisch , den hellen Himmel zu versäumen . – Meine Spaziergänge um das Eschenheimer Tor ertöten mich gänzlich . Auch die Engländer wollen Euch diese Woche noch besuchen , alles geht fort . Schreib mir viel , auch über meine Sachen , ich schicke dann mehr . Daß ich als Narziß mich gegen Dich verschanze , besser wie im Gespräch , wo Du immer recht behältst , mußt Du Dir gefallen lassen , so mein ich's , und so hab ich recht , und Du hast unrecht ; und ich meine , Du könntest immer zufrieden sein damit , so empfunden zu sein durch Deine eigne frische Natur , daß Du meiner sicher bist . Wer im ganzen etwas sein kann , der wird sich auch fühlbar zu machen wissen , und so wird der Wandel nirgend anders als bei der Treue heimkehren , denn sie ist die Heimat . Du bist ja auch heute nicht , was Du gestern gewesen , und doch bist Du eine ewige Folge Deiner selbst . Mir scheint es noch außerdem höchst verkehrt , durch selbstisches Bestehen auf dem , was nur wie Sonnenschein vorübergehendes Geschenk der Götter ist , dem Geist die Freiheit zu verkümmern . Treue wächst in dem Geist auf , der liebt , gedeiht sie zu einem starken Baum , so wird kein Eisen so scharf sein , ihn auszurotten , aber ehe die Treue von selbst stark geworden , kann man ihr nichts zumuten , sie würde nur bei einer Anforderung ihr aufkeimendes Leben einbüßen ; wenn sie aber einmal vollkommen ausgebildet ist , dann ist sie kein Verdienst mehr , dann ist sie Bedürfnis geworden , Lebensatem ; – sie hat keine Rechte mehr zu befriedigen , weil sie ganz organisches Leben geworden ist . – Das sei unsre Sorge , daß jede Lebensregung eigentümliches , organisches Leben werde , das sei unsre Fundamentaltreue , durch die wir in allem Erhabenen mit den Göttern uns vermählen . Bis dahin laß uns einander treffen in ihrem Tempel , die Gewohnheit , uns da zu finden , einander die Hand zu bieten in gleicher Absicht , die wird den Baum der Treue in uns pflegen , daß er als selbständiges Leben von uns beiden ausgehe und stark werde . Ich habe mich mit dem Gedanken oft herumgetragen , ob nicht alles , was sich vollkommen und also lebendig in der Seele ausbilde , ein selbständiges Leben gewinnen müsse , das dann als willenskräftige Macht ( wie jene Treue , mit der Du mich magnetisierst ) Menschengeister durchdringt und sie zu höherem Dasein inspiriert . – Was sich im Geist ereignet , ist Vorbereitung einer sich ausbildenden Zukunft , und diese Zukunft sind wir selber . – Du sagst , alles gehe ins Innere herein und Du empfändest die Welt nicht von außen . Aber ist denn die äußere Welt nicht Dein Inneres ? – oder soll sie es nicht werden ? – Von innen heraus lernt man Sehen , Hören , Fühlen , um das Äußere ins Innere zu verwandeln , das ist nicht anders , als wie wenn die Bienen den Blumenstaub in die Kelche vertragen , die für die Zukunft sich befruchten sollen . In der Seele liegt die Zukunft in vielfältigen Knospen , da muß aus reiner Geistesblüte der lebendige Staub hineingetragen werden . Das scheint mir Zukunft zu sein . – Jahre vergehen gleich einem tiefen Schlaf , wo wir nicht vorwärts und nicht zurück uns bewegen , und wirkliche Zeitschritte sind nur die , in denen der Geist die Seele befruchtet , in der Zeiten Raum geht das wirkliche Leben aus solchen einzelnen befruchtenden Momenten wie die Blütenperlen dicht aneinander auf . – Was ist auch Zeit , in der nichts vorgeht ? – die nicht vom Geist befruchtet ist ? – Pause , bewußtloses Nichts ! – Raum , den wir durchschreiten , der noch unerfüllt ist . – Aber jene Momente müssen noch so dicht gesäet werden , daß der ganze Raum ein ewiges Blütenmeer von befruchtenden Lebensmomenten sei . – Alle Anreizung in selbständiges Leben entwicklen , das geistbewaffnet nach eigentümlicher Weise die Zukunftsblüten erweckt , das allein ist lebendige Zeit , aber uns selbst für abgeschlossen halten und einer Zukunft entgegenschreiten , die nicht wir selbst sind , das scheint mir Unsinn und ebensowenig wahr , als wenn unsere Einsicht nicht Folge unseres Begriffs wäre . Ich habe mich zusammengenommen , um deutlich zu sein , allein das ist das Schwerste , man empfindet etwas unwidersprechlich und kann's dennoch nicht aussprechen . – Deine Eifersucht um mich , die ich wahrhaftig erst für Laune hielt , später aber ihr Gerechtigkeit widerfahren ließ , obschon ich sie nicht billigen kann , leitete mich zu diesen Betrachtungen . Ich bin Dir nicht entgegen , Bettine , daß Du mit Ernst und auch mit besonderem und vielleicht auch mit mehr Recht teil an mir habest wie alle die andern ; denn da wir so unwillkürlich manchen lebendigen Begriff nur gegenseitiger Berührung zu danken haben und ich mehr Dir als Du mir , so sollte dies organische Ineinandergreifen uns auch frei machen von jeder kleinlichen Eigensucht , und wir sollten wie die Jünglinge , während sie nach dem Ziel laufen , nicht uns Zeit gönnen , an was anders zu denken als im schwebenden Lauf auszuharren . Und was habe ich auch am Ende von allen andern ? – Du kannst Dir das selbst wohl beantworten und Deiner Seele darüber den höchsten Frieden gönnen . – Schreibe , wenn Du antwortest , auch einen Brief für den Clemens , er mahnt in seinem Schreiben an mich darum , es wird ihm sehr überraschend sein , wenn er Deinen Aufenthalt im Schlangenbad erfährt . Adieu ! schreib bald . Karoline Beilage zum Brief der Günderode Wandel und Treue Violetta Ja , du bist treulos ! Laß mich von dir eilen ; Gleich Fäden kannst du die Empfindung teilen . Wen liebst du denn ? Und wem gehörst du an ? Narziß Es hat Natur mich also lieben lehren : Dem Schönen werd ich immer angehören , Und nimmer weich ich von der Schönheit Bahn . Violetta So ist dein Lieben wie dein Leben , wandern ! Von einem Schönen eilest du zum andern , Berauschest dich in seinem Taumelkelch , Bis Neues schöner dir entgegenwinket – Narziß In höh'rem Reiz Betrachtung dann versinket Wie Bienenlippen in der Blume Kelch . Violetta Und traurig wird die Blume dann vergehen , Muß sie sich so von dir verlassen sehen ! Narziß O nein ! Es hat die Sonne sie geküßt . Die Sonne sank , und Abendnebel tauen . Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen , Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt . Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen ? Sah sie die Nacht nicht tränend still entfliehen ? Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich . Doch flieht ein Tag , ein andrer kehret wieder ; Stirbt eine Nacht , sinkt eine neue nieder , Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich . Violetta Was ist denn Liebe , hat sie kein Bestehen ? Narziß Die Liebe will nur wandlen , nicht vergehen ; Betrachten will sie alles Treffliche . Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet , Eilt sie zu andern , wo es schöner brennet , Erjagen will sie das Vortreffliche ! Violetta So will ich deine Lieb als Gast empfangen ; Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen , Vergönnt mein Herz ihr keine Heimat mehr . Narziß O sieh den Frühling ! Gleicht er nicht der Liebe ? Er lächelt wonnig , freundlich , und das trübe Gewölk des Winters , niemand schaut es mehr ! Er ist nicht Gast , er herrscht in allen Dingen , Er küßt sie alle , und ein neues Ringen Und Regen wird in allen Wesen wach . Und dennoch reißt er sich aus Tellas Armen , Auch andre Zonen soll sein Hauch erwärmen , Auch andern bringt er neuen , schönen Tag . Violetta Hast du die heil'ge Treue nie gekennet ? Narziß Mir ist nicht Treue , was ihr also nennet , Mir ist nicht treulos , was euch treulos ist ! – Wer den Moment des höchsten Lebens teilet , Vergessend nicht , in Liebe selig weilet ; Beurteilt noch und noch berechnend mißt ; Den nenn ich treulos , – ihm ist nicht zu trauen , Sein kalt Bewußtsein wird dich klar durchschauen Und deines Selbstvergessens Richter sein . Doch ich bin treu ! Erfüllt vom Gegenstande , Dem ich mich gebe in der Liebe Bande , Wird alles , wird mein ganzes Wesen sein . Violetta Gibt 's keine Liebe denn , die dich bezwinge ? Narziß Ich liebe Menschen nicht und nicht die Dinge , Ihr Schönes nur , – und bin mir so getreu . Ja , Untreu an mir selbst wär andre Treue , Bereitete mir Unmut , Zwist und Reue , Mir bleibt nur so die Neigung immer frei . Die Harmonie der inneren Gestalten Zerstören nie die ordnenden Gewalten , Die für Verderbnis nur die Not erfand . – Drum laß mich , wie mich der Moment geboren . In ew'gen Kreisen drehen sich die Horen ; Die Sterne wandeln ohne festen Stand , Der Bach enteilt der Quelle , kehrt nicht wieder , Des Lebens Strom , er woget auf und nieder Und reißet mich in seinen Wirbeln fort . Sieh alles Leben ! Es hat kein Bestehen , Es ist ein ew'ges Wandern , Kommen , Gehen , Lebend'ger Wandel ! buntes , reges Streben ! O Strom ! in dich ergießt sich all mein Leben ! Dir stürz ich zu ! Vergesse Land und Port ! An die Günderode Den ersten Tag , als wir ankamen , war's so heiß , daß es mehr wie unerträglich war ; wir warfen unsere Nankingreisejacken aus und legten uns in den Unterkleidern , in Hemdsärmeln , auf den Gang vor unserer Zimmertür ins Fenster , von da kann man , versteckt hinter Bäumen , auf eine Terrasse sehen , wo sich die Gesellschaft zum Tee bei der Kurprinzessin von Hessen versammelt , die grade unter uns wohnt . Das machte mir Spaß , man konnte manches verstehen , und ein Wort aus der Ferne , wenn 's auch an sich unbedeutend ist , ist immer anregend wie eine Komödie . Doch hat das Vergnügen dran nicht lang gedauert ; ein krebsroter Kammerherr , der mir im Anfang Vergnügen machte zu sehen , wie er hin und wieder lief und den Frauen allerlei in die Ohren zischelte , und dann ein Herzog von Gotha mit langen Beinen , rotem Haar und sehr melancholischen Gesichtszügen und ein großes weißes Windspiel zwischen den Knien , der trägt einen leberfarbnen Rock ; dann viele Damen mit überflüssigem Putz , die Hauben aufhatten , als wär 's die Flotte von Nelson mit aufgeschwellten Segeln , und dann französische Schiffe , wenn so zwei miteinander parlierten , das war grad , als ob einzelne Schiffe handgemein würden , bald brüstete sich das Schiff , dann thronte es wieder , dann streckte es seinen Schnabel in die Höh , und Herren und Damen von besonderer Affektion gegeneinander ; bald zerstreuten sie sich auf der Promenade , und plötzlich stand der rote Kammerherr hinter uns auf dem Gang . Die Tonie entsetzte sich und ging ins Zimmer , ich aber war gar nicht erschrocken und fragte , was er wünsche ; er war verlegen und sagte , er wünschte der Dame Bekanntschaft zu machen ; ich fragte : » Warum werden Sie denn so rot ? « Er ward noch roter und wollte mich bei der Hand nehmen , ich sagte : » Nein ! « und ging ins Zimmer , er drängte sich mir nach , ich rief : » Tonie , helf mir den Mann bezwingen ! « Sie war aber so voll Angst , daß sie sich nicht vom Platz regte , denk Dir nur , und ich lehnte mich mit aller Gewalt wider die Tür und der rote Mann dazwischen , der durch wollte ; ich rief : » Tonie , zieh an der Schelle ! « Denn unsre Bedienten waren alle noch am Packwagen beschäftigt , aber die Tonie fand den Schellenzug nicht ; – der unartige Mann , immer wollte er doch noch herein , wo er doch sah , daß man ihn nicht wollte , ich konnt gar nicht begreifen , was er wollte , ich dachte einen Augenblick , er wolle uns umbringen , ich erwischte einen Sonnenschirm , der an der Tür stand , und stach mit dem nach seiner Lunge oder Leber , ich weiß nicht – er zog sich zurück und die Türe fiel ins Schloß , da stand ich wie einer , der über Berg und Tal gejagt war von einem Gespenst , ich konnte eine Viertelstunde keinen Atem kriegen ; ich dachte wirklich , er sei ein Mörder , ich hatte schon allerlei Anschläge im Kopf , wie ich ihn erwürgen wollte . Die Tonie lachte und sagte : » Geh doch , ein Kammerherr und ein Mörder ! « Sie meinte , er sei nur ein boshafter und gemeiner Schelm , wie 's deren am Hof die meisten seien . – Wir haben aber den Bedienten die Nacht vor der Schlafzimmertür schlafen lassen und die Lisette zu uns ins Zimmer genommen , ich konnte aber die ganze Nacht nicht schlafen , mich störte es , daß der Diener vor der Tür lag . Es ist doch zum erstenmal in meinem Leben , daß ich Angst hatte , aber denk doch nur , am andern Tag meldet uns der Bediente den roten Herrn , er komme von der Fr. Kurprinzessin mit einem Auftrag und ließ sehr bitten , ihn anzunehmen , ich rufe , nein ! Wir wollen von keiner Kurprinzessin was wissen , die Tonie aber sagt , das geht nicht an , wir müssen ihn annehmen . Ich bewaffnete mich mit dem Sonnenschirm , als er eintrat und uns zur Frau Kurprinzessin zum Tee auf die Terrasse einlud , zugleich machte er viele Entschuldigungen , er habe gar nicht geahnt , wer wir seien , weil wir in Hemdsärmel im Fenster gelegen haben ; ich war still , aber ich war sehr ergrimmt über den roten Mann . Als wir bei der Kurprinzessin vorgestellt waren , die mich bei der Hand nahm und ins Gesicht küßte , da saßen wir alle in einem Kreis , und der Rote stellte sich hinter mich , daß ich seinen Atem fühlte , das kränkte mich sehr , ich sagte : » Gehen Sie fort hinter mir , Sie garstiger Mann ! « Da lief er weg , aber die Tonie sah mich sehr ernsthaft an , und wie wir wieder oben waren , da schmälte sie , daß ich so laut gesprochen habe , das ist mir aber einerlei , ich kann ihn nicht in meiner Nähe leiden , was liegt mir dran , ob's die Kurprinzessin merkt , wenn sie frägt , so sag ich , er hat uns wollen ermorden in unserem Zimmer , und dann kann er sich nachher verteidigen , wenn 's nicht wahr ist , und kann sagen , warum er uns so mörderischerweise angefallen hat . – Die Tonie will auch nicht , daß ich abends allein spazieren gehe , sie sagt , der Kammerherr könnte mir begegnen , so muß ich immer einen hinter mir dreinlaufen haben . – Es ist nichts schöner als so ein Spaziergang im Nebel , mit dem sich , wenn die Nacht kommt , alle Schluchten füllen und in tausenderlei Gestalten im Tal herumtanzt und an den Felsen hinauf . – Aber einen hinter mir dreinlaufen zu haben , das ist mir verdrießlich . – Ich kann nicht dichten wie Du , Günderode , aber ich kann sprechen mit der Natur , wenn ich allein mit ihr bin , aber es darf niemand hinter mir sein , denn grad das Alleinsein macht , daß ich mit ihr bin . Auf der grünen Burg im Graben , im Nachttau , da war es auch schön mit Dir , es sind mir meine liebsten Stunden von meinem ganzen Leben , und so wie ich zurückkomm , so wollen wir noch acht Tage zusammen dort wohnen , da stellen wir unsere Betten dicht nebeneinander und plaudern die ganze Nacht zusammen ; und dann geht als der Wind und klappert in dem rappeligen Dach , und dann kommen die Mäuschen und saufen uns das Öl aus der Lampe , und wir beiden Philosophen halten , von diesen Zwischenszenen lieblich unterbrochen , große tiefsinnige Spekulationen , wovon die alte Welt in ihren eingerosteten Angeln kracht , wenn sie sich nicht gar umdreht davon . – Weißt Du was , Du bist der Platon , und Du bist dort auf die Burg verbannt , und ich bin Dein liebster Freund und Schüler Dion , wir lieben uns zärtlich und lassen das Leben füreinander , wenn 's gilt , und wenn 's doch nur wollt gelten , denn ich möcht nichts lieber , als mein Leben für Dich einsetzen . Es ist ein Glück – ein unermeßliches , zu großen heroischen Taten aufgefordert sein . Für meinen Platon , den großen Lehrer der Welt , den himmlischen Jünglingsgeist mit breiter Stirn und Brust , mit meinem Leben einstehen ! Ja , so will ich Dich nennen künftig , Platon ! – Und einen Schmeichelnamen will ich Dir geben , Schwan will ich Dich rufen , wie Dich der Sokrates genannt hat , und Du ruf mir Dion . – Es wächst hier viel Schierling in dem feuchten Moorgrund , ich fürchte es aber nicht , obschon's Gift ist ; es ist mir ein geheiligt Kraut , ich breche es ab im Vorübergehn und berühre es mit meinen Lippen , weil der Sokrates den Schierlingsbecher getrunken . Lieber Platon , es ist meine Reliquie , die mich von bösen Schwächen heilen soll , daß ich vor dem Tod nicht verzagen muß , wenn es gilt . – Gute Nacht , mein Schwan , gehe dort schlafen auf dem Altar des Eros . – Am Sonntag – Schlangenbad Hier ist auch eine Kapelle und eine kleine Orgel , die hängt an der Wand , die Kapelle ist rund , ein mächtiger Altar nimmt fast den ganzen Platz ein , ein großer goldener Pelikan krönt ihn , der einem Dutzend Jungen sein Blut zu trinken gibt . Das Ende der Predigt hörte ich aus , als ich hineinkam , ich weiß nicht , war's der goldne Pelikan , die mit vielen Spinnweben überflorten Zieraten und Kränze von Golddraht , die frischen Sträußer daneben von Rosen und gelben Lilien und die düsteren Scheiben , wo oben grad über dem Pelikan die dunkelroten und gelben Scheiben die Sonnenstrahlen färben . Der Geistliche war ein Franziskaner aus dem Koster bei Rauental . » Wenn ich jetzt von Unglück sprechen höre , so fallen mir immer die Worte Jesu ein , der zu einem Jüngling sagte , der unter seine Jünger wollte aufgenommen werden : › Die Füchse haben Gruben , die Vögel des Himmels haben ihre Nester , aber des Menschen Sohn hat keinen Stein , da er sein Haupt hinlege . ‹ – Ich frage euch , ob durch diese Worte allein nicht schon alles Unglück gebannt ist ? – Er hatte keinen Stein , um auszuruhen , viel weniger einen Gefährten , der ihm sein irdisch Leben heimatlich gemacht hätte , und doch wollen wir klagen , wenn uns ein geliebter Freund verloren geht , wollen uns nicht wieder aufrichten , finden es nicht der Mühe wert , ins Leben uns zu wagen , werden matt wie ein Schlaftrunkner . Sollten wir nicht gern die Gefährten Jesu sein wollen , wenn die Not uns trifft ? Sollten wir nicht Helden sein wollen neben diesem großen Überwinder , der ein so weiches Herz hatte , daß er aus liebendem Herzen die Kinder zu sich berief , daß er den Johannes an seiner Brust liegen hieß ? Er war menschlich , wie wir menschlich sind , was uns zu höheren Wesen bildet , nämlich das Bedürfnis der Liebe , und zu selbstverleugnenden Opfern befähigt , das war die Grundlage seiner göttlichen Natur , er liebte und wollte geliebt sein , bedurfte der Liebe ; weil nun die Liebe auf Erden nicht zu Hause war , so fand er keinen Stein , da er sein Haupt ruhen konnte , da verwandelte sich dieses reine Bedürfnis der Liebe in das göttliche Feuer der Selbstverleugnung , er brachte sich dar , ein Opfer für die geliebte Menschheit , sein Geist strahlte wieder himmelwärts , von wo er in seine Seele eingeboren war , wie die Opferflamme hinaufsteigt ein Gebet für den Geliebten , und dies Gebet ist erhört worden , denn wir fühlen uns allzumal durch diese Liebe geläutert , und wenn wir uns ihrer Betrachtung weihen , so werden wir göttlich durch ihr Feuer , und dieses ist wie der Odem Gottes , der alles ins Leben ruft , jeden Keim des Frühlings , so auch ruft nun die Liebe Jesu , die auf Erden nicht begnügt und beglückt konnte werden , zu sich alle , die mühselig und beladen sind , sie sind verschlossne , tränenschwere Knospen , die mächtige Sonne der göttlichen Liebe wird sie zum ewigen Leben der Liebe wecken , denn dies ist alles Lebens , alles Strebens Ziel auf Erden. Amen . « Diese schönen Worte waren die einzigen , welche ich von der Predigt hörte , aber sie waren mir genügend , um mich den ganzen Tag zu begleiten , sie klangen wie ein himmlisch Geläut in mein Ohr , wie ein schöner Sonntagmorgen ; als alles zum Tempel hinaus war , ging ich von der Emporkirche herab in die runde Kapelle , ein andrer Priester hatte eben die Messe gelesen , es kam ein alt Mütterchen , die löschte die Kerzen und räumte auf ; ich frug , ob sie Sakristan sei , sie sagte , ihr Sohn sei Küster , aber der sei heut über Land , ich frug , wo sie die vielen Blumen hernehme , da ich doch nirgend einen Blumengarten gesehen , sie sagte , die Blumen sind aus unserem Garten , mein Sohn pflegt sie alle ; ich hatte eine rechte Lust , mit in den Garten zu gehen , das war sie zufrieden ; das ist ein Garten , so groß wie der Hof von unserem Haus , an der weißen Wand des Hauses wachsen Trauben und ein paar hohe Rosenbüsche sind dazwischen verflochten , Rosen und Trauben , ich kann mir keine schönere Vermählung denken , Ariadne und Bacchus . Ein hölzern Bänkchen war da an der Mauer , ich setzte mich ganz ans End und die Frau neben mich , es war kaum groß genug , daß wir Platz hatten , ich mußte recht dicht an die Frau heranrücken , ich legte meine Hand in ihre auf ihren Schoß , sie hatte eine so harte Hand , sie sagt , das sind Schwielen vom Graben im Land , denn hier ist ein felsiger Boden . Du glaubst nicht , wie schön der Garten in der Sonne lag , denn jetzt ist grade die reichste Blumenzeit , alles ist doch so schön ; wenn die Natur mit Ordnung bedient wird , gleich ist 's ein Tempel , wo ihre Geschöpfe als Gebete aufsteigen , gleich ist 's ein Altar , der voll kindlicher Opfergeschenke beladen ist . – So ist das Gärtchen mit seinen reinlichen Kieswegen und buchsbaumnen Felderteilchen ; der Buchsbaum ist so ein rechter Lebensfreund , von Jahr zu Jahr umfaßt und schützt er , was der Frühling bringt , es keimt und welkt in seiner Umzäunung , und er bleibt immer der grüne Treue , auch unterm Schnee , das sagt ich der alten Frau , die sagte , ja , das ist wohl wahr , der Buchsbaum muß alles Schicksal mitmachen . – Aber stell Dir doch das hübsche Gärtchen vor , links vom traubenbewachsnen Haus die Mauer mit Jasmin ; gegenüber im Schatten eine recht dichte Laube von Geißblatt , der Eingang zum Haus von beiden Seiten mit hohen Lilien besetzt . So viel Levkoien , so viel Ranunkeln , so viel Ehrenpreis und Rittersporn und Lavendel , ein Beet mit Nelken , ein Maulbeerbaum in der einen Ecke und in der andern geschützt gegen die kalten Winde , zwei Feigenbäume mit ihren lieben rein gefalteten Blättern , ich war ganz erfreut , Kameraden von meinem Baum zu finden , unter denen springt ein Quellchen hervor in einen Steintrog , da kann die Frau gleich ihre Blumen begießen , und in den offnen Fenstern hing ein Käfig mit Kanarienvögeln , die schmetterten so laut . Ach , es war recht Sonntagswetter und Sonntagslaune in der Luft und Sonntagsgefühl in meinem Herzen . Ich bitte Dich , sorg , daß mein Baum von der Liesbet nicht versäumt werde , er muß bald reife Früchte haben , wenn er so weit ist , wie die im Küstergärtchen , die brech Dir ab . – Die Frau schüttelte mir Maulbeeren ab , die sammelte ich auf einem Blatt , und einen Strauß von Nelken und Ehrenpreis und Rittersporn hatte ich mir auch gepflückt ; und wie ich so dasteh , ganz still in der Sonn , da kommt der geistliche Herr aus der Tür , er hatte da sein Frühstück genossen , was die Küsterfrau immer nach der Kirche bereithält . – Der Geistliche ist ein schöner , ganz stiller Kopf , und sanfte Augen , und noch jung . Mich strahlten die schönen Worte , die ich von ihm gehört hatte , noch einmal aus seinem Gesicht an , ich konnte auch aus Ehrfurcht ihm nichts sagen , er sah mich aber freundlich an und sagte : » Ei wie ! schon reife Maulbeeren « ; ich reichte ihm die Maulbeeren , er nahm auch welche davon , und den Strauß nahm er mir auch ab und steckte ihn in seinen Ärmel , denn ich war so überrascht , als ich ihn kommen sah , daß ich nicht wußte , was ich tat , und ihm beide Hände entgegenstreckte , ich wußte gar nicht , daß ich ihm den Strauß geboten hatte , und erst als er mir ihn mit einem Dank abnahm , merkte ich's . Nun ging er weg , und ich blieb betäubt stehen , der Spitzhund aber begleitete ihn sehr höflich vor die Gartentür , ich hörte ihn noch vor der Tür freundlich mit dem Hund sprechen : » Geh nach Haus , Lelaps , « sagte er . – Ich war recht vergnügt , und mehr als all die Tage über auf der Terrasse , mit meinem Sonntagmorgen . Wie ich nach Haus kam , waren alle bei Leonhardi versammelt und tranken Schokolade ; sie fragten , wo ich geblieben war nach der Kirche , ich erzählte , daß ich im Küstergärtchen gewesen und hätte den lieben Prediger gesehen . Da war aber schon die Kritik drüber her gewesen und hatte die Unmöglichkeiten von unchristlicher Gesinnung drin gefunden ; der Mann ist berühmt , und Leonhardis waren aus Neugierde auch drin gewesen und die Engländer und die Lotte und der Voigt , und noch ein paar Stiftsfräulein , die Leonhardis kennen , der Fritz lag auf dem Bett ganz blauschwarz von seinem Stahlbad , aus dem er eben gekommen war , wenn das noch lange dauert , so wird er ein Mohr . Du hättest diesen Schnattermarkt mit anhören sollen , und der Niklas Voigt , der im Mainzer Dialekt sie alle auslachte , und die Lotte mit der besten Weisheit versehen und der Christian Schlosser , was jeder sagte oder vielmehr über die andern hinausschrie , das verstand ich nicht , also noch weniger , was jeder meinte , aber der Niklas Voigt , dem Lotte in Ermanglung eines besseren Auditoriums ihre Weisheit übermachte , taumelte wie ein Betrunkener um den geschlossenen Zirkel der Disputierenden , bejahte alles , was sie sagten , und dann rief er wieder : » In meinem Leben hab ich kein ärger Kauderwelsch gehört als die Narren da durcheinanderschreien , hören Sie doch , Bettine , was die vor Zeug schwätzen « , und dann schrie er wieder drein , sie hätten ganz recht , so ein Prediger wär ein eitler Narr , ich sagte : » Ei Voigt ! « – » Nun , was wollen Sie denn machen , wenn Sie mitten unter den Wölfen sind , so müssen Sie mit heulen , daß dich , daß dich , was vor kapitale Narren sind's ! Ei freilich ist ein Prediger ein Narr , der seine himmlische Weisheit so vor die Narren gibt « , – und so zerrte er mich zum Zimmer hinaus auf die Terrasse , war ganz begeistert von der Predigt , » ein Mann ist's , wie 's unter Hunderttausenden keinen wieder gibt ! Ein Mann , der seine individuelle Natur von Gott durchdringen läßt ! Ein lebendiger Mann , der leider die Weisheit den hölzernen Maulaffen vorpredigt . Kein Mensch hat Andacht . Geistesandacht hat kein Mensch ! – Maulandacht , und eine Zucht und eine Sitte , wie man Hunde dressiert : so dressiert die ganze Menschheit ihr eigen Gewissen , sie verstehen's nicht besser , sie wissen nichts davon , daß der ganze Mensch gar kein Richter mehr über sich selber sein soll , sondern ein lebendiger Anger , wo kein Urteil mehr stattfindet , sondern lauter Seelennahrung , lauter Himmelsspeis ' der Weisheit ; wahre Weisheit , die kann nur genossen werden , nicht beurteilt , denn die ist größer , als daß der geringe Verstand sie durchschaut , – aber so geht's ! – Was hilft mich die christliche Religion , die Menschen sind Narren und werden's bleiben , und da hat's dem Herrn Christus auch nicht besser geglückt , daß er da heruntergekommen ist . Ein Narr , der sich Christ nennt , ist halt eben auch einer ! – Wenn er hundertmal vom Himmelsthron heruntergekommen ist , er hat tauben Ohren gepredigt wie unser geistlicher Herr , oder Narren hat er gepredigt , die es nach ihrem Behagen ausgelegt haben . – Wäsch mir den Pelz und mach mir ihn nicht naß , das ist die ganze Geschicht mit der Frömmigkeit . Tu die Augen auf und werd gescheut , denn unser Herrgott kann keine Esel brauchen , aber ihr werd' Esel bleiben , und so tragt nur euer schwere Säck von Vorurteil auf euerm Buckel bis in alle Ewigkeit , ihr seid doch zu nichts tauglich als die Mühl zu treiben , in der euch der Kopf immer dusseliger wird . « – Aber das war nicht alles , was der Voigt sagte , und dabei machte er Sätze links und rechts . Jetzt erzähl ich Dir wieder weiter , wie 's noch mit dem roten Kammerherrn weitergegangen ist , alle Tage sind wir auf der Terrasse , da gibt bald eine Dame , bald die andre ein Goutée , und dann wieder die Prinzeß , aber der Krebs ist immer wieder hinter mich gekommen , da hab ich mir eine Schawell aus unserm Zimmer geholt und dicht neben die Kurprinzeß gestellt und mich draufgesetzt ; und nun ist das alle Tag mein Platz , und da darf er nicht mehr an mich streifen , und wenn wir spazierengehen über die Bergrücken nach dem Tee , da nimmt mich die Kurprinzeß immer bei der Hand ; sie hat ein klein Blondchen , weiß und rot , dem fliegen die Sonnenhaare so flammig um den Kopf , dem lieben Hessenkind , ich könnt recht gut mit ihm spielen , sie halten mich ja doch für ein Kind , weil ich keine Gesellschaftsmanieren hab ; Ball werfen , um die Wettlaufen ; – aber so einem Prinzeßchen ist nicht beizukommen ; da ist eine Frau von Gundlach , die führt das Regiment , und Kammerfrauen , die begleiten es . Dann ist mir 's auch nicht möglich , mit einem Kind Komödie zu spielen , ich muß mit ihm sein können unter Gottes Schutz , nicht unter Menschenaufsicht . – Prinzeßchen , in Gold und Silber angetan , – zu ihrer Geburt kommen gute Feen , die sie beschenken , – das erfährt man in Feenmärchen . Was mögen sie dem feinen Kind alles geschenkt haben ? – Gaben , die es noch nicht zu brauchen weiß , wer wird 's ihm lehren ? – Scheu ! – aber keine scheinheilige , – ich hab sie vor allem Kinderschicksal , unentfaltet noch in so süßer Knospe verschlossen , man hat auch Scheu , eine junge Knospe zu berühren , die der Frühling schwellt . Ein Wiegenkindchen lallt so berührsam wie kein Gespräch mit Menschen . Nur allein mit Dir ist Sprechen lebendig , wo wir ohne Vor- und Nachurteil den Gedanken uns auf die Schwingen werfen und jauchzen und gen Himmel fahren . Um so ein Kinderschicksal möcht ich einen Kreis ziehn , das Erdenschicksal wollt ich aufheben von ihm , daß es ganz gleichgültig wär , ob ihm dies oder jenes zuteil werde , und nur sein himmlisch Weisheitsschicksal darf gelten . Lautere Güte , das ist der Erfrischungsquell für die Kindernatur , aus dem sie Gesundheit trinkt – und abends , wenn 's schlummert , da haucht es Segen , wie die schlummernden Sträucher auch Segen duften , an denen man hingeht in der Dämmerung . – Ein Kindchen einwiegen bei Mondenschein , dazu würden mir gewiß schöne Melodien einfallen , was geht einem die Welt an , die verkehrt ist . Alles , was ich seh , wie man mit Kindern umgeht , ist Ungerechtigkeit . Nicht Großmut , nicht Wahrhaftigkeit , nicht freier Wille sind die Nahrung ihrer Seele , es liegt ein Sklavendruck auf ihnen . Ach , wenn ein Kind nicht innerlich eine Welt hätte , wo wollt es sich hinretten vor dem Sündenunverstand , der bald den keimenden Wiesenteppich überschwemmt . – Da sagen die Leute , ein Kind darf nicht alles wissen . – Wie dumm ! – Was es fassen kann , das darf 's auch wissen , für was hätte es die Macht zu begreifen ? – Der Geist langt wie eine Pflanze mit jungen Ranken hinaus in die Lüfte und will was fassen , und da kommt der Unverstand , an den kann er sich freilich nicht ansaugen , da muß der Kindergeist absterben ; sonst , wie bald würde die Weisheit der Unschuld den Aberwitz der Unverschämtheit beschämen . Ungeduld und Zorn und Mißstimmung werden ihnen wie Autoritäten entgegengestellt , man schämt sich vor ihnen keiner bösen Regung , vor andern hütet man sich wohl , da versteckt man die böse Natur , aber vor Kindern nicht , man denkt , sie begreifen's noch nicht , man sollte doch lieber auf ihre Reinheit bauen , die das Böse nicht gewahr wird , oder auf ihre Großmut , sie verzeihen viel und rechnen es einem nicht an . Deswegen sind sie aber nicht witzlos und untüchtig für den höchsten Begriff . Aber die Menschen sind über sich selber so dumm , sie glauben in ihrem schmäligen Unrecht noch an ihre eigne Weisheit wie an einen Ölgötzen , dem sie Opfer bringen aller Art , nur die eigne Bosheit erwischen sie nicht bei den Ohren , um sie einmal zu schlachten . Der knospenvolle Lebenstrieb wird nichts geachtet , der soll nicht aufgehen , aus dem die Natur hervor ans Licht sich drängen will ; da wird ein Netz gestrickt , wo jede Masche ein Vorurteil ist , – keinen Gedanken aus freier Luft greifen und dem vertrauen , – alles aus Philistertum beweisen und erfordern , das ist die Lebensstraße , die ihnen gepflastert wird , und wo statt der lebendigen Natur lauter verkehrte Grundsätze und Gewohnheiten es umstricken . Der Voigt sagte , ihm sei das Lachen und Weinen nah gewesen beim Examen in der Musterschule , wo der Molitor mit so großem Eifer die Judenkinder examiniert habe über die Großtaten der Römer und Griechen , wenn er dächte , welchen schmutzigen Lebenspfad sie wandern müßten , » Zieh , Schimmel zieh , im Kot bis an die Knie « , ja , da mag einer noch so ein weißer Schimmel sein , er muß im Morast steckenbleiben ; und das ganze Lehrgebäude ist bloß wie Fabelwerk , alles lehrt man durch Exempel , aber große Taten , die zeigt man nur wie die Chimära aus dem Bilderbuch , da dreht jedermann um und läßt sie stehen ohne weitere Gebrauchsanweisung . Diese Bemerkungen sind alle aus Gesprächen mit dem Voigt , der mir gern seine Weisheit bringt aus dem Grund , weil ihn kein Mensch sonst anhört , er sagte : » Ich bin jedermann langweilig , aber ich kann Ihnen versichern , die Leute sagen , Sie wären auch langweilig « ; er sagte : » Aus einem Kind sollte lauter Weisheit hervorblühen , daß alles Denken freudige Religion in ihm würde , ohne ihm das Kreuzschlagen zu lehren , oder Heiden und Christen zu unterscheiden , und seine Seele müßte aufblühen am Lebensstamm , ohne zu fragen nach Gutem und Bösem . « – Weißt Du was , – heut hat sich das zarte Kind in der Tür den Finger sehr arg geklemmt , und die Kurprinzeß war sehr erschrocken und ganz hinfällig geworden , denn es hat ihm sehr arg weh getan , mich hat 's auch geängstigt , es hatte Fieber , jetzt liegt 's im Bett und schläft , als es beruhigt war , ging die Kurprinzeß zur Erholung spazieren , sie nahm mich mit , ich lief von ihrer Seite , um ihr Blumen zu holen , die ich in der Ferne sah , die nimmt sie mir immer freundlich ab und zeigt mir wohl selbst , welche ich pflücken soll , ich brach aber so viele und kletterte jede steile Seite hinan ; die Damen wunderten sich über meine großen weiten Sprünge und sagten , ich beschwere die Hoheit mit den vielen Blumen , ich band einen Strauß mit meinem Hutband und gab ihn ihr zu tragen , ich sagte , er sei fürs kranke Kind zum Spielen , nicht ins Wasser zu stellen ; sie trug den großen Strauß und wollte nicht , daß man ihr ihn abnahm . Die Gesellschaft wunderte sich über meine naive Art , damit meinen sie Unart , ich merkte es ; sie halten mich für einen halben Wilden , weil ich wenig oder nie mit ihnen spreche , weil ich mich durchdränge , wohin ich will , weil ich mich ohne Erlaubnis an der Prinzeß Seite setze , als ob ich den Platz gepachtet habe , sagt Frau von B. R. , weil ich so leise geschlichen komm , daß mich keiner merkt , weil ich davonlaufe und nur das Windspiel vom Herzog von Gotha sich mit mir zu schaffen macht , das mir nachsetzt und bellt , wenn ich ins Gebüsch spring ; der L.H. sagte mir , daß man sich über meine Unart aufgehalten , den Hund so laut bellen zu machen ; er erzählte mir aber nicht , was ich von der Tonie hernach hörte , daß die Kurprinzeß sagte : » Sie ist ein liebes Kind , « und daß der Herzog von Gotha sagte : » Ein allerliebstes Kind . « – Nun , ich gefall mir selbst gut . – Lieb Günderödchen , über allen Wechsel und Zerstreuung von heute hinweg klingen noch immer die Worte der Predigt in mich hinein , als wär heut ein feierlicher Tag gewesen . – Es ist ja wahr , Du und ich sind bis jetzt noch die zwei einzigen , die miteinander denken , wir haben noch keinen dritten gefunden , der mit uns denken wollt ; oder dem wir vertraut hätten , was wir denken , Du nicht und ich nicht ; niemand weiß , was wir miteinander vorhaben , und wir lassen jetzt schon ein ganzes Jahr die Leute sich wundern , warum ich doch alle Tag ins Stift lauf . – Aber den Geistlichen , – wär's in Frankfurt gewesen , den hätt ich angeredet , daß er mit mir zu Dir gegangen wär . – Der hat gewiß keinen Freund – sein Geist wird sein Freund sein müssen , der wird ihm antworten . Ich denk , ob einer mit seinem eignen Geist reden kann ? – Der Dämon des Sokrates , wo ist der geblieben ? – Ich glaub , jeder Mensch könnte einen Dämon haben , der mit ihm sprechen würde , aber worauf der Dämon antworten kann , das muß unverletztes Forschen nach Wahrheit sein ; da mein ich mit , es darf sich kein andrer Wille dreinmischen als bloß die Begierde zur Antwort . – Frage ist Liebe und Antwort Gegenliebe . Wo die Frage bloß Liebe zum Dämon ist , da antwortet er , der Lieb kann Geist nicht widerstehen , wie ich nicht und Du nicht . Solang ich vom Sokrates weiß , geh ich dem Gedanken nach , wie er einen Dämon zu haben ; er hatte wohl ein inneres Heiligtum , ein Asyl , wo der Dämon zu ihm kommen mochte , ich hab in mir gesucht nach dieser Türe zum Alleinsein , wo ich diesem Wahrheitsgeist ins Gesicht sehen könnt , flehend um Lieb . Aber Du hast recht , ein mutwilliger Wind jagt meine Gedanken wie Spreu auseinander , ich werd fortgerissen von einem zum andern von meiner Zerstreutheit , dann ist's so nüchtern in mir und so beschämend öde , wenn ich mich sammeln will , wie soll da der Geist sich einfinden , wo es so leer ist , der Sokrates hatte wohl große Taten getan vorher , und nie seinen Genius verleugnet , dann kam er zu ihm . – Ich sag als zu mir , laß nur ab , der Geist würde von selber kommen , könnt Deine Natur ihn beherbergen . Ich denk als , der Geist muß entspringen aus vereinigten Naturkräften , und ich hab so keine Feuernatur , die sich so konzentrieren kann , daß der Geist aus ihr entspringe , aber ich wollt es doch , ich sehne mich nach ihm . Ich hab ihn nicht , ich denk mir ihn aber und trag ihm alles vor in meinen Nachtgedanken , und manchmal schreib ich an Dich , als wärst Du sein Bote , und er würde durch Dich alles erfahren von mir . Manchmal , wenn wir zusammen schwätzten im Dunkel bei dem verglommenen Feuer in Deinem Öfchen , wo der Märzschnee vom Baum vor Deinem Fenster herunterfiel , da dacht ich , was schüttelt doch den Baum ? – Und da war ich gleich so begeistert , als lausche was und reize mich an , und Du sagtest , es fülle sich unser Gespräch mit Gas , ein Gedanke nach dem andern stieg in die Wolken und verglichst sie mit romantischen Lichtern , die hoch über uns sich in sanften Leuchtkugeln ausbreiten . Das Rasseln im beschneiten Baum , an der Wand das neugierige Mondlicht , das aufflammende Feuerchen , Du und ich , die mit Deinen Fingern spielte beim Sprechen , das war als so , daß ich dacht , der Geist wär nah bei uns und trenne uns von allem Unsinn ; und das Leben war auch so weit ab , auf der Straße , wenn ich nach Haus ging , wenn mir da Menschen begegneten , so war's wie eine Scheidewand zwischen mir und ihnen und zwischen allem , was in der Welt vorgehe . – Ja , die Welt , die auch von Begeistrung leben sollte wie der Baum vom Tau , die strömt soviel Stickluft aus ( Langeweile ) , daß der Geist nicht eratmen kann . Heut sind die Früchte angekommen und die Blumen all noch frisch , Dein Brief duftet mit dem Heliotrop und gelben Jasmin in meiner Brust , wo ich ihn hingesteckt hab . – Was Du mir sagst , scheint mir auch vom Dämon durch Dich gemeldet , Du kleidest seine Weisheit in Balsam hauchende Redeblüten – ich soll und muß Dir rechtgeben , nicht wahr ? – Meinst Du , es wird den Dämon verdrießen , wenn ich ihm nicht nachgebe mit der Eifersucht ? – Und daß meine Leidenschaft in so stolzen Flammen aufsprüht und will ihn gefangen nehmen , wo er sich verborgen hat in Dir ? – Eifersucht fährt heraus aus dem Geist der Liebe , als wär 's der Dämon selber , sie ist eine starke bewegende Kraft , ich weiß , was ich ihr zu danken hab ; – ja , vielleicht ist sie eine Gestalt , in die sich der Dämon kleidet ; wenn ich eifersüchtig bin , ist mir 's immer göttlich zumut , alles muß ich verachten , alles seh ich unter mir , weil es so hell in mir leuchtet , und nichts scheint mir unerreichbar , ich fliege , wo andre mühselig kriechen ; und während mir 's im Herzen ängstlich pocht , da rauscht's im Geist so übermütig , ich biete Trotz , so arg Trotz , daß ich ohnmächtig werden muß , aber mein Mut sinkt nicht , der ist noch stärker , wenn ich mich erhole , nach was verlang ich denn ? – Was will ich mir erzwingen ? – Ja , es ist gewiß der Dämon , den ich wittere ; als ich Dir in die Hand biß und an zu weinen fing , so war es doch der Dämon , der mich neckte , nicht Deine Geheimnisse , die Du mit andern hast , die mich nichts angehen , ich weiß , daß die nicht zwischen uns treten , und Du , wo willst Du hin ? – Ich und Du , uns berührt nichts in unserer Eigentümlichkeit miteinander . Aber es schlägt Feuer aus mir , daß ich ihn fassen will und will mich an ihn klammern , denn er war gewiß oft zwischen uns beiden , meine Ahnung war nicht falsch , und ich wollt ihn gern an mich reißen , als ich von Dir ging , drum biß ich Dich und schrie . – Ja , es ist Eifersucht – wie soll ich aber nicht eifersüchtig sein , es ist ja die einzige Möglichkeit meines Gefühls , schmeichlen kann ich ihm nicht , ihm vertrauen , wie kann ich das , ich weiß ja nicht , ob er mir lauscht . Aber daß meine Eifersucht rege wird , wo ich ihn ahne , daß ich da mächtig mit den Flügeln schlage um ihn , der mich selber dazu reizt , das ist die Stimme der Wahrheit heißer Liebe . Ja ! ja ! ja ! – Da brauch ich mich nicht zu erschöpfen in Vorbereitungen , da bin ich nicht mehr zerstreut und zaghaft gar nicht . Ach Günderode ! Und nun antwortet er mir so sanft in Deinem Brief , Du bist ganz mitleidig geworden durch ihn , er hat Dich so gestimmt und verkündet mir in Deinen Worten , wie der Baum der Treue zwischen uns erwachsen und erstarken werde , und daß ich nicht verzage . – Ja , ich glaub's , daß er mir alles sagt , was Du mir schreibst , er versüßt mir die Pausen mit Träumen von ihm und verheißt mir , daß er allen Raum ausfüllen werde mit Geistesblüten , wie das Meer mit Wellen ausgefüllt ist . Ewigkeit ist allumfassendes Empfinden , nicht wahr , das sagt die Narzisse zur Viole , und die senkt den Blick in den eignen Busen und beschränkt sich in die Unumkränztheit der Liebe , die sie da ahnt und fassen lernt . – Nicht alles ist der Liebe fähig , aber wenn ich dem nachgehe , was ihrer fähig ist , dann werd ich 's durchdringen . Wo soll mein Geist den Fuß aufsetzen , überall ist er fremd , wenn es nicht selbst erobertes Eigentum der Liebe ist . – Versteh ich mich ? – Ich weiß selbst nicht . – Die Augen sind mir vor Schlaf zugefallen , so plötzlich über dem Besinnen , ich muß morgen früh um sieben Uhr den Brief dem Boten mitgeben , überdies brennt mein Licht so düster , es wird bald ausgehen , gute Nacht , Brief ! Der Mond scheint so hell in meine Stube , daß sie ganz klingend aussieht – die Berge gegenüber sind prächtig , sie dampfen Nebel in den Mond . Alleweil will das Licht den Abschied nehmen , ich will aber sehen , ob ich nicht im Mondschein schreiben kann . – Ich bin so vergnügt , wie die Blätter , wenn sie ganz beregnet sind vom Gewitter in der Nacht , und der Himmel wird wieder hell , und sie schlafen dann ruhig ein , weil's Gewitter vorbei ist . – Da hör ich schon die ganze Zeit einen fremdartigen Vogel schreien , sollte das ein Käuzchen sein , das die Frau Hoch einen Totenvogel nennt , er schreit ganz dicht vor meinem Fenster ; ach , Günderödchen , ich schäm mich ein wenig , weil ich mich ein wenig fürchte . Meine Stube ist so düster , das Licht wird gleich ausgehn , die Berge da üben sind so grausend , man sieht sonderbare Gestalten , die kleine Quell unter meinem Fenster ruschelt so leis und bedächtig wie ein alt Hausgespenst . Was bin ich so dumm ? – Da fällt mir der Dämon ein , und sollt mich fürchten vor dem Käuzchen , siehst Du , so albern bin ich , und doch macht die inwendig Seel solchen Anspruch , der Geist soll sie heimsuchen , und fürcht mich vor dem Käuzchen ! – Gleich mach ichs Fenster auf und seh nach ihm , da fliegt's weg , die Sterne funklen zu Tausenden am Himmel , da unter meinem Fenster steht meine alte Invalidenschildwach und paßt vermutlich auf ein Ständchen von meiner Gitarre , was er gewohnt ist , alle Nacht zu hören , ich werd ihm ein Lied von der heiligen Jungfrau Maria singen , denn es ist heut Maria Himmelfahrt und nicht Sonntag , wie ich irrigerweise sagte , ich hab diese Seite im Mondschein geschrieben , Du wirst nicht lesen können , nun , es schad nichts , es steht auch nichts drauf , was Du notwendig wissen müßtest , es ist mir doch so wohl seit dem kleinen Schauerchen von Furcht , ich hab auch keinen Schlaf mehr . Der Mond schwimmt so eilig hinter den weißen Wölkchen hervor , daß es mir ordentlich im Herzen Gewalt antut . Ich muß singen , sonst muß ich weinen . Gute Nacht ! Bettine Günderödchen . Die Engländer sind recht närrische Passagiere , sie brachten mir einen Brief vom L'ange mit , der mich warnt , mich nicht in sie zu verlieben . – Der mit dem gepuderten Haupte , Mr. Haise ließ sich gestern in einem Nankingmorgenrock auf der Terrasse sehen und gelben Pantoffeln , die Tonie sah zum Fenster hinaus , sie wollte nicht hinunter , sie schämte sich vor den Leuten , wenn er mit ihr spreche , weil er so absonderlich aussieht . – Ich sah aber , wie er herauflugte nach unsern Fenstern , und wie er die Tonie erblickte , da rief er sie an , bei dem herrlichen Wetter herunterzukommen , ich mußte mit ; er spannte einen grünen Parapluie über ihr auf , um sie vor der Sonne zu schützen , so mußte sie mit ihm die Terrasse auf und ab wandlen , ich lief herauf und machte eine Zeichnung davon , die ich der Tonie ins Arbeitskästchen legte , was sie immer mitnimmt auf die Terrasse zum Tee , und freute mich schon auf die Bewundrung , wenn es erblickt würde . Aber sie legte das Papier schnell zusammen und wickelte Seide drauf ; sie wollte nachher schmälen , ich hatte ihr aber einen so schönen Kranz gemacht von Farrenkraut , der ihr so gut stand und ihre Wunderschönheit noch erhöhte , daß wir ganz kontent auf den Ball kamen , der beinah aus soviel Karikaturen bestand , als Menschen da waren . Der Clemens hat mir aus Weimar geschrieben und mich gewarnt vor dem Verlieben , – überflüssig ! – wär er doch auf dem Ball gewesen – höchstens , daß man einem Rippenstoß ausgesetzt ist , sonst ist keine Gefahr . – L.H. war auch da mit seinen Schwestern , wird alle Tage blauschwärzer von seinen Stahlbädern ; sein extraweißer Jabot und Halsbinde machten dies in die Augen fallend , er war sehr fein und elegant gekleidet , denn da er eine diplomatische Ambition hat , so versäumt er keine Gelegenheit sich standesmäßig auszuzeichnen . Solange wir am Eingang saßen , wo viele Menschen sich drängten , merkte keiner was , als L.H. aber vortrat , um irgendwem sein Kompliment zu machen , entdeckte man und Franz , der an meiner Seite saß , zuerst , daß er statt eines Fracks einen Joppel anhatte ohne Schößen , rund wie ein Fleischerwams , dies sah gar zu närrisch aus , mit schwarzseidnen Beinkleidern , weißseidnen Strümpfen und Schnallenschuh , kurz , vollkommene Hofetikette und Federclaque unterm Arm . – Er hatte , während die Familie sich zum Ball fertig machte , den Überrock angezogen , dann lief er in sein Zimmer , wo ihm der Wind das Licht auslöschte , um den Frack anzuziehen , und ergriff statt dessen einen englischen Halbrock , den die Herrn nach neuster Mode bei kühler Witterung über den Frack anziehen . – Er hatte sich bis jetzt noch nicht von hinten dem großen Publikum präsentiert und noch mit dem Rücken gegen uns gewendet ; es wurde in Eile Konzilium gehalten und beschlossen , zwei Damen , Lotte und die B. sollten ihn gesprächsweise sanft rückwärts schreiten machen , ohne ihm das verfänglich Dilemma , in welchem er sich befinde , zu entdecken , bis er gerettet sei ; dabei sollten Tonie , Franz und Voigt eine kleine Hintertruppe bilden , um seinen Rückzug zu decken ; ich wurde ausgemerzt von dieser Expedition , weil ich vor Lachen über die unerschöpflichen Witze von Franz untauglich dazu war . Der Zug rückte aus und drängte sich schon zwischen manchen verwunderten Blick , der auf dem schößlosen Rücken haftete , sie schlichen immer behutsamer heran , je näher sie kamen , so schleicht man sacht hinter einem Vogel her , dem man Salz auf den Schwanz streuen will , um ihn fangen zu können , aber er fliegt weg , ehe man nah genug kommt ; so kam es auch hier , als sie schon ganz nah waren und eben ihn zu haschen meinten , wendete er sich plötzlich um . Ach ! ich sprang hinter den Vorhang am Fenster und wickelte mich hinein und biß in den Vorhang vor Lachvergnügen und ging nachher auch fort , denn mir war's zu übermütig für den Gesellschaftssaal ; der Voigt begleitete mich und erzählte mir , daß die Arrieregarde ihn durchpassieren lassen , sich dann dicht angeschlossen und wie einen vornehmen Staatsgefangenen transportiert bis zum Eingang , dort habe er sich niedergelassen , wo man ihm seine ästhetische Fatalität mitteilte und er sich umgeben von seinen Getreuen zurückzog ; jetzt würden sie wohl die ganze Nacht kein Auge zutun , denn da er bei dem hessischen Hof angestellt sein möchte , so ist ihm gewiß bange , sein Schicksal untergraben zu haben durch den zipfellosen Aufzug . Voigt ging noch eine Weile mit mir auf der Terrasse , wo es so still war , man hörte die Violinen vom Ball ; die Wolken überzogen prophezeiend ( ein Gewitter nämlich ) das Sternenheer und senkten sich auf unsere Berge , die Bäume standen so ehrfurchtsvoll still , den Gewittersegen erwartend ; die ganze Gegend sah aus , als ob sie sich zu ihrem Schöpfer wende , Voigt vergaß darüber seine unzähligen Witze , mit denen er mich überschwemmt hatte , die entfernten Lichter und Feuer , die in den umliegenden Hütten brennten , funkelten durch das Grün der Bäume wie Opferfeuer zum Alliebenden . Soweit man sehen konnte , sah die Welt aus , als ob sie unsern Herrgott um eine sanfte Nacht bitten wolle für alle ; für Dich und für mich , für unser ganz Leben , bis an die letzte Nacht . – So ist die Natur süße Fürbitterin , immerdar ; alle Seufzer wiegt sie ein , so wollen wir ihr denn danken dafür und ihr vertrauen bis an die letzte Nacht . Der Clemens mit seinen Warnungen ? – Ich hab ihm heut geschrieben . Die Linden blühen wohl noch und hauchen einem süß an , aber keine Menschen , und die Natur ist schöner und gütiger und größer als alle Weisheit dieser Welt . Was einer mit mir spricht , darauf möcht ich ihm antworten mit einem Tannenzapfen , den ich ihm in die Hand drücke oder eine Schnecke , die am Weg kriecht , oder einen angebißnen Holzapfel , es wär immer noch gescheiter als die Antwort , die mir einfällt . Mich geht kein Erdenschicksal was an , weil ich doch nicht Freiheit es zu lenken hab . – Wär ich auf dem Thron , so wollt ich die Welt mit lachendem Mut umwälzen , sagte ich gestern abend zum Voigt . » Meinetwegen , « sagte er , » schad ist 's nicht drum , auf der neuen Seite kann sie nicht verkehrter liegen als auf der alten . Alle die mühseligen Personagen , die etwas unter Narren bedeuten , sind ein absurdes Zeugnis von ihrer lächerlichen Autorität , solche haben so großen Respekt vor ihrer hohen Tendenz , daß sie sich nicht getrauen , sich ins Gewissen zu reden , sie meinen , was durch sie geschähe , wär der Schicksalsschlüssel , der durch sie die Zukunft aufschließt , die schon fertig da läge und nicht erst durch ihren Unsinn verkehrt gemacht wird , sie würden sich nicht getrauen , vollkommne Menschen aus sich zu bilden und allenfalls die Bedürfnisse der höheren Menschenrechte vor sich selber zu vertreten . O nein ! Je dringender die Forderungen der Zeit ihnen auf den Hals rücken , je mehr glauben sie sich mit Philistertum verschanzen zu müssen und suchen sich Notstützen an alten wurmstichigen Vorurteilslasten und erschaffen Räte aller Art , geheime und öffentliche , die weder heimlich noch öffentlich anders als verkehrt sind – denn das rechte Wahre ist so unerhört einfach , daß schon deswegen es nie an die Reihe kommt . Wenn alle Pharisäer an der Regierungsmaschine auf einmal die Starrsucht bekämen , es würde der Welt nichts abgehen an ihrer Gesundheit , nicht einmal verschnupfen würde sie . « – So politisiert mir der Voigt gewöhnlich unterm Sternenhimmel noch eine Stunde vor , wo ich bei schönem Wetter auf der menschenleeren Terrasse mit ihm wandle ; er sagt : » Hören Sie mir immer zu , Sie sind noch jung und haben mehr Energie im Judicium vor den andern allen oder vielmehr : wo ist's geblieben , könnte man die andern fragen , denen die Ohren nach Fabeln jücken , und die sich von der Wahrheit abwenden oder sie nach eignem Gelüst auslegen , daß sie ihnen zur Fabel wird . « – Den Voigt will kein Mensch anhören , jedermann schreit über ihn , ich aber fühl mich sehr geehrt , daß er mir gern das ernste Große seines Geistes darlegt , ich hör ihm begierig zu . Er ist so kurz und entschieden zwischen Recht und Unrecht , daß man keine Zeit im Schwanken verliert , und daß man einen Heldencharakter bedarf , ihm zu folgen . » Für einen Freund muß man in den Tod gehen können . – Wer nicht alles hingibt , den eignen Genuß , die selbsterworbne Größe , um den Freund zu stützen , gehört nicht zu der Gattung Geschöpfe , die Freundschaft empfinden . – Was ist Gefühl ? – Farbe , die nicht lebendig ist als nur im Lichtstrahl , der ist die Liebe – also braucht man vor keinem Sentiment Respekt zu haben , es ist lauter eingebildet Zeug . – Es gibt tausend Handlungen , die man niemand verargen kann , wer aber Hochsinn hat , der wird selbst aus Demut solche Handlungen töten , zum Beispiel : einer , der seinem Freund alles Böse , was in seiner Natur ihm widerspricht , offenbarte , tötet der nicht auf der Stelle alle Pharisäer ? « – Das war noch gestern abend , was ich von seinem Gespräch behielt , nicht der zehnte Teil , denn er ist rasch wie ein Schmied beim glühenden Eisen ; ich frug ihn , warum er vor andern nicht auch so spreche , er sagte : » Wenn ich mit einem Wein will trinken , so muß ich einen Becher haben , in den ich ihn eingieße . Ihre Seele ist ein Becher . « Montag Zwei- , dreimal zwischen Eichen und Buchen und jungem lichten Gebüsch , bergauf , bergab – da kommt man an einen Fels , glatte glänzende Basaltfläche , die die Sonnenstrahlen wie ein dunkler Zauberspiegel auffängt , dazwischen grüne Moossitze ; heute morgen war ich hierher gegangen , es ist mein gewöhnlicher Spaziergang , wenn ich allein bin , nicht zu weit und doch versteckt – da sah ich noch den Nebel wie jungen Flaum zwischen den Felsspalten hin und her schwimmen , und über mir ward 's immer goldner , die Morgenschatten zogen ab , die Sonne krönte mich , sie prallte scharf vom schwarzen Stein zurück , sie brennte sehr stark , sie drückte doch nicht meine Stirn , ich wollte eine Krone schon tragen , wenn sie nicht schärfer drückt als die heiße Augustsonne , so saß ich und sang gegen die Felsen hin und hörte aufs Echo , und die Regierungsgedanken stiegen mir in den Kopf . So nach Grundsätzen die Welt regieren , die in innerster Werkstätte meiner Empfindung erzeugt wären , und alles Philistertum um und um stoßen , das sind solche Wünsche , die an einem so heißen Sommermorgen mir in den Kopf steigen , und wozu Voigts Sternengespräche einen starken Reiz geben ; er sagte , alles Gefühl , aller Begriff werde zu einem Vermögen , es ziehe sich wohl zurück , aber zur unerwarteten Stunde trete es wieder hervor – und da setze ich mich an einsame Orte und simuliere so ins Blaue hinein und komme zu nichts , zu keinem hellen Augenblick , nur daß mir oft das Herz unbändig kopft , wenn ich dran denke , daß ich das Geschrei der Philister , die des Geistes Stimme mit Grundsätzen bedrängen , durch das bloße Regiment meiner Empfindung ersticken wolle ; ja , es wär eine himmlische Satisfaktion für die Rutenstreiche , womit sie blind alle Begeistrung verfolgen . Günderode , ich wollt , Du wärst ein regierender Herr und ich Dein Kobold , das wär meine Sach , da weiß ich gewiß , daß ich gescheut würde vor lauter Lebensflamme . Aber so ! – ist es ein Wunder , daß man dumm ist ? – Und so war ich bald im Sonnenbrand ganz träumerisch versunken und jagte im Traum auf einem Renner wie der Wind nach allen Weltgegenden und richtete mit hoher übertragner Begeistrung von Dir die Welt ein und kommandierte wohl auch hier und da mit einem Fußtritt , mit einem Fluch dazwischen , damit es geschwind gehe – aber Dein Dramolet zu lesen , was ich mitgenommen hatte , mich recht hinein zu studieren , das hab ich versäumt durch die vielen heftigen Bewegungen meiner Seele , ich mußte mich beschwichtigen mit Schlafen , was mich immer befällt , wenn mir die Schläfe so brennen vor heißem Eifer in die Zukunft . O Seelenbecher , wie kunstreich und göttlich begabt ist Dein Rand geformt , daß er die brausenden Lebensfluten faßt , wie unrettbar wär ich sonst über dich hinausgebraust . – Mein Freund , das Windspiel , hatte mich aufgespürt , es weckte mich mit seinem Bellen und wollte mit mir spielen , es bellte , daß alle Felsen dröhnten und echoten , es war , als wenn eine ganze Jagd los wär , ich mußte jauchzen vor Vergnügen und Lust mit dem Tier ; es hatte mir meinen Strohhut apportiert , den ich dem steilen Fels hinabgeworfen hatte , mit so zierlichen langhalsigen Sprüngen – so ist's , wenn man einem gut ist , da mißt man nicht die Gefahr des Abgrundes , man vertraut in die eignen Kräfte , und es gelingt . – Ach , Günderode , es wär viel , wenn der Mensch nur erst so weit wär , seinem eignen Genie zu trauen wie so ein Windspiel , es legte mir seine Pfoten um den Hals , wie es mir meinen Hut gebracht hatte , ohne ihn zu verderben ; ich nannte es zum Scherz Erodion und dachte , so müsse der an der Göttin Immortalita hinaufgesehen haben ; denn es ist so edel und schön und kühn , und Menschen sehen nicht leicht so einfach groß und ungestört aus in ihrer Weise , wie Tiere es oft sind . Der Herzog war dem Bellen seines Hundes nachgegangen und kam hinter den Bäumen hervor , er fragte , warum ich den Hund so nenne , dem er Cales ruft , und sagte , es sei der Name eines Wagenführers vor Troja , den der Diomedes erschlagen , ich zeigte ihm Dein Gedicht , um zu erklären , wo mir der Name Erodion herkomme , er setzte sich auf den Fels und las es teilweis laut und machte mit dem Bleistift Bemerkungen , die send ich Dir , Du siehst , er hat es mit Sammlung gelesen und dann sogar mit Liebe . Ich weiß nicht , wie oft Dich der Zufall begünstigen wird , die feineren Saiten der Seele zu rühren , so wird's Dich freuen . – Er frug mich , ob ich denn das Gedicht verstehe ? – Ich sagte nein ! Aber ich lese es gern , weil Du meine Freundin seiest und mich erziehst . Er sagte , eine Knospe ist dieses kleine , sorgsam vor jeder fremden Einwirkung geschützte Erzeugnis , die die große Seele der Freundin umschließt , und in diesen sanft gefalteten Keimen einer noch unentwickelten Sprache schlummern Riesenkräfte . Die Inspiration der Wiedergeburt hebe ahnungsvoll die Schwingen in Dir ; und weil die Welt zu schmutzig sei für so kindlich reine Versuche , Deine Ahnungen auszusprechen , so werde sie diesen anspruchslosen Schleier , der Deine weit ausgreifende Phantasie und Deinen hohen philosophischen Geist umschlinge , nicht entfalten . – Ich ließ mir dieses Lob verwundert gefallen ; er begleitete mich , ich mußte ihm auf dem Weg von Dir erzählen , von unserm Umgang , von Deinem Wesen , von Deiner Gestalt , da hab ich mich zum erstenmal besonnen , wie schön Du bist , wir sahen eine vollsaftige weiße Silberbirke in der Ferne mit hängenden Zweigen , die mitten am Fels aus einer Spalte aufgewachsen ist und vom Wind sanft bewegt gegen das Tal sich neigt ; unwillkürlich deutete ich hin , wie ich von Deinem Geist sprach und auch von Deiner Gestalt , der Herzog fragte , die Freundin werde wohl jener Birke gleich sein , auf die ich hinweise ? – Ich sagte , ja . So wollte er mit mir zusammen hin und Dich von nahem beschauen , aber es war so glatt und steil da hinan , ich meinte nicht , daß wir hinkommen würden – er vertraute auf den Cales , der werde uns schon einen Weg ausfinden . » Was hat sie denn für Haar ? « – Schwärzlich glänzend braunes Haar , das in freien weichen Locken , wie sie wollen , sich um ihre Schultern legt . – » Was für Augen ? « – Pallasaugen , blau von Farbe , ganz voll Feuer , aber schwimmend auch und ruhig . – » Und die Stirn ? « – Sanft und weiß wie Elfenbein , stark gewölbt und frei , doch klein , aber breit wie Platons Stirn ; Wimpern , die sich lächelnd kräuseln , Brauen wie zwei schwarze Drachen , die , mit scharfem Blick sich messend , nicht sich fassend und nicht lassend , ihre Mähnen trotzig sträuben , doch aus Furcht sie wieder glätten . So bewachet jede Braue , aufgeregt in Trotz und Zagheit , ihres Auges sanfte Blicke . – » Und die Nase und die Wange ? « – Stolz ein wenig und verächtlich , wirft man ihrer Nase vor , doch das ist , weil alle Regung gleich in ihren Nüstern bebet , weil den Atem sie kaum bändigt , wenn Gedanken aufwärts steigen von der Lippe , die sich wölbet frisch und kräftig , überdacht und sanft gebändigt von der feinen Oberlippe . – Auch das Kinn mußt ich beschreiben , wahrlich , ich hab nicht vergessen , daß Erodion dort gesessen und ein Dellchen drin gelassen , das der Finger eingedrückt , während weisheitsvolle Dichtung füllet ihres Geistes Räume ; und die Birke stand so prächtig , so durchgoldet , so durchlispelt von der Sonne , von den Lüftchen , war so willig sich zu beugen , hold dem Strom der Morgenwinde , wogte ihre grünen Wellen freudig in den blauen Himmel , daß ich nicht entscheiden konnte , was noch zwischen beiden liege , jenem zukömmt und dem andern nicht . – Cales fand mit manchen Sprüngen erst den Weg zur Birke , dann der Herzog , ich blieb zurück , ich hätte leicht nachkommen können , aber ich wollte nicht in seiner Gegenwart . Er schnitt dort Buchstaben in die Rinde ganz unten am Fuß und sagte , er wolle , sie solle die Freundschaftsbirke heißen ; und er wolle auch unser Freund sein . Ich war bereitwillig dazu . Ach laß ihn , er kommt den Winter nach Frankfurt , erstlich vergißt ein Prinz leicht so was über vielen andern Zerstreuungen , denn der glaubt gar nicht , daß es möglich wär , daß wenn man sich ganz an etwas hingäbe , daß dadurch grade allein der Scharfblick , die Wägungskraft der Allseitigkeit entspringe , nach der sie alle jagen und sich drin verflattern , und dann ist er auch krank und hat wenig gesunde Tage , einem solchen muß man alle heilenden Quellen zuströmen . – Adieu . Morgen nachmittag ist eine große Partie zu Esel , und morgen vormittag geht die gute Kurprinzessin weg . – Und in aller Früh um drei Uhr wollen die Engländer mit uns einen Berg ersteigen und die Sonne aufgehen sehen , die andern wollten den Voigt nicht mit haben , ich hab's ihm aber doch gesteckt , sonst langweile ich mich , so wie die andern behaupten , daß er sie langweilt . Morgen früh kommt die Botenfrau , ich schicke diesen Brief mit , obschon er noch nicht so gefährlich lang ist wie mein erster , aber Du bist maulhängolisch , und da will ich Dich ein bißchen kitzeln , mit der anmutigen Geschichte vom Herzog , daß Du mit Gewalt lachen mußt , wenn Du auch noch so sehr den Mund zusammenziehst . Gelt , es macht Dir doch Pläsier ? Ich hab mir seine Liebeserklärung abgeschrieben an Deine Immortalita , die von seiner Hand gehört Dein – er hat's geschrieben für Dich , Du kannst Wert darauf legen , ich hör , daß er sehr berühmt ist , großartig , witzig und sehr gefürchtet deswegen von manchen Menschen , er wär aber auch sehr großmütig und gutmütig , aber viele wollen doch nicht gern mit ihm zu tun haben aus Furcht , seine beste Freundlichkeit wär doch ein heimlicher Witz . Was das für eine Narrheit ist , über mich möcht einer sich lustig machen , soviel er wollt , es wär mir recht angenehm , wenn 's ihm Pläsier macht . Bettine Beilage zum Brief an die Günderode Immortalita Personen Immortalita , eine Göttin Erodion Charon Hekate Erste Scene Eine offene schwarze Höhle am Eingang der Unterwelt , im Hintergrunde der Höhle sieht man den Styx und Charons Nachen , der hin und her fährt , im Vordergrund der Höhle ein schwarzer Altar , worauf ein Feuer brennt . Die Bäume und Pflanzen am Eingang der Höhle sind alle feuerfarb und schwarz , sowie die ganze Dekoration , Hekate und Charon sind schwarz und feuerfarb , die Schatten hellgrau , Immortalita weiß , Erodion wie ein römischer Jüngling gekleidet . Eine große feurige Schlange , die sich in den Schwanz beißt , bildet einen großen Kreis , dessen Raum Immortalita nie überschreitet . IMMORTALITA aus der Betäubung erwachend . Charon ! Charon ! CHARON seinen Kahn innehaltend . Was rufst du mich ? IMMORTALITA . Wann kommt die Zeit ? CHARON . Sieh die Schlange zu deinen Füßen , noch ist sie fest geschlossen , der Zauber dauert , solange dieser Kreis dich umschließt , du weißt es , warum fragst du mich ? IMMORTALITA . Ungütiger Greis , wenn es mich nun tröstet , die Verheißung einer bessern Zukunft noch einmal zu vernehmen , warum versagst du mir ein freundlich Wort ? CHARON . Wir sind im Land des Schweigens . IMMORTALITA . Wahrsage mir noch einmal . CHARON . Ich hasse die Rede . IMMORTALITA . Rede ! Rede ! CHARON . Frage Hekate Er fährt hinweg . IMMORTALITA streut Weihrauch auf den Altar . Hekate ! Der Mitternacht Göttin ! Der Zukunft Enthüllerin , die schläft in des Nichtseins dunklem Schoß ! Geheimnisvolle Hekate ! Hekate ! erscheine . HEKATE . Mächtige Beschwörerin ! Was rufst du mich aus den Höhlen ewiger Mitternacht ; dies Ufer ist mir verhaßt , sein Dunkel zu helle , ja mir deucht , ein niederer Schein aus des Lebens Lande habe hierher sich verirrt . IMMORTALITA . O vergib Hekate ! und erhöre meine Bitte . HEKATE . Bitte nicht , du bist hier Königin , du herrschest hier und weißt es nicht . IMMORTALITA . Ich weiß es nicht ! Warum kenn ich mich nicht ? HEKATE . Weil du nicht dich selber sehen kannst . IMMORTALITA . Wer wird mir einen Spiegel zeigen , daß ich mich schaue ? – HEKATE . Die Liebe . IMMORTALITA . Warum die Liebe ? HEKATE . Weil ihre Unendlichkeit nur ein Maß für deine ist . IMMORTALITA . Wie weit erstreckt sich mein Reich ? HEKATE . Über jenseit einst , über alles . IMMORTALITA . Wie ? – die undurchdringliche Scheidewand , die mein Reich scheidet von der Oberwelt , wird sie einst zerfallen ? HEKATE . Sie wird zerfallen ! Du wirst wohnen im Licht ! – alle werden dich finden . IMMORTALITA . O wann wird dies sein ? – HEKATE . Wenn gläubige Liebe dich der Nacht entführt . IMMORTALITA . Wann ? – in Stunden ? – in Jahren ? HEKATE . Zähle nicht die Stunden , bei Dir ist keine Zeit . Siehe zur Erde ! – die Schlange , die ängstlich sich windet – fester beißt sie sich ein , vergeblich möcht in ihrem engen Kreis sie dich gefangen halten , vergeblich ist ihr Widerstand – des Unglaubens Herrschaft , der Barbarei und der Nacht sinkt dahin . Sie verschwindet . IMMORTALITA . O Zukunft , wirst du ihr gleichen ? – jener seligen fernen Vergangenheit , wo ich mit Göttern in ewiger Klarheit wohnte . Ich lächelte sie alle an , und ihre Stirnen verklärte mein Lächeln , wie kein Nektar sie verklären konnte , und Hebe dankte ihre Jugend mir , und immer blühender Aphrodite ihre Reize . Aber durch der Zeiten Finsternis getrennt von mir , noch ehe mein Hauch ihnen Dauer verliehen , stürzten von ihren Thronen die seligen Götter und gingen zurück in die Lebenselemente ; Jupiter in des Urhimmels Kräfte , Eros in die Herzen der Menschen , Minerva in die Sinne der Weisen , die Musen in der Dichter Gesänge ; und ich Unseligste von allen wand nicht des unverwelklichen Lorbeers um die Stirne dem Helden , dem Dichter . Verbannt in dies Reich der Nacht , der Schatten Land , dies düstere Jenseit , muß ich der Zukunft nun entgegenleben . CHARON fährt mit Schatten vorüber . Neigt euch , Schatten , der Königin des Erebos , daß ihr noch lebt nach eurem Leben , ist ihr Werk . Chor der Schatten Stille führet uns der Nachen Nach dem unbekannten Land , Wo die Sonne nicht wird tagen An dem ewig finstern Strand . – Zagend sehen wir ihn eilen , Denn der Blick möcht noch verweilen An des Lebens buntem Rand . Sie fahren weg . Die vorige Szene Charons Nachen landend . Erodion springt ans Ufer . Immortalita im Hintergrund . ERODION . Zurück , Charon , von diesem Ufer , das kein Schatten darf betreten ! Was siehst du mich an ? – Ich bin kein Schatten wie ihr ; eine frohe Hoffnung , ein träumerischer Glaube haben meines Lebens Funken zur Flamme angefacht . CHARON für sich . Gewiß ist dieser der Jüngling , der die goldne Zukunft in sich trägt . Er fährt ab mit seinem Nachen . IMMORTALITA . Ja , du bist's , von dem Hekate mir weissagte , bei deinem Anblick werde des Tages Strahl durch diese alten Hallen , durch diese erebische Nacht hereinbrechen . ERODION . Wenn ich der Mann bin deiner Weissagungen , Mädchen oder Göttin ! Wie ich dich nennen soll , so glaube , du bist die innerste Ahnung des Herzens mir . IMMORTALITA . Sage , wer bist du , wie heißest du , und wo fandst du den Weg zum pfadlosen Gestade hierher ? – wo Schatten nicht noch Menschen wandlen dürfen , nur unterirdische Götter . ERODION . Ungern möcht ich zu dir von anderm reden als nur von meiner Liebe . Aber red ich dir von meiner Liebe , so ist 's ja mein Leben . Höre mich denn : Eros' Sohn bin ich und seiner Mutter Aphrodite , der Liebe und Schönheit Doppelverein hatte in mein Dasein schon die Idee jenes Genusses gelegt , den ich nirgend fand und überall doch ahnete und suchte . Lange war ich ein Fremdling auf Erden , von ihren Schattengütern mocht ich nichts genießen , bis träumend mir durch deine Eingebung eine dunkle Vorstellung von dir in die Seele kam . Überall geleitete mich dieser Idee Abglanz von dir , überall verfolgte ich ihre geliebte Spur , auch wenn sie mir untertauchte im Land der Träume , und so führte sie mich zu den Toren der Unterwelt , aber nie konnt ich zu dir durchdringen ; ein unselig Geschick rief mich immer wieder zu der Oberwelt . IMMORTALITA . Wie Knabe ! – so hast du mich geliebt , daß lieber den Helios und das Morgenrot du nicht mehr sehen wolltest , als mich nicht finden ? ERODION . So hab ich dich geliebt , und ohne dich konnte die Erde nicht mehr mich ergötzen , nicht mehr der blumige Frühling , der sonnige Tag , die tauige Nacht , die zu besitzen der finstere Pluto gern sein Zepter hätt vertauscht . Aber wie eine größere Liebe in meiner Eltern Umarmungen sich vereint hatte als alle andre Liebe – denn sie waren die Liebe selbst – so die Sehnsucht auch , die zu dir mich trieb , war die mächtigste , und über alle Hindernisse siegreich war mein Glaube , dich zu finden ; denn meine Eltern wußten , daß , der aus Lieb und Schönheit entsprungen , nichts Höheres auf Erden finde als sich selbst , und hatten diesen Glauben zu dir mir gegeben , daß meine Kraft nicht sollt ermüden , nach Höherem zu streben außer mir . IMMORTALITA . Aber wie kamst du endlich zu mir ? Unwillig nimmt Charon Lebende in das morsche Fahrzeug , für Schatten nur erbaut . ERODION . Einst war mein Sehnen dich zu schauen so groß , daß alles , was die Menschen erdacht , dich ungewiß zu machen , mir klein erschien und nichtig . Mut begeisterte mein ganzes Wesen : ich will nichts , nichts als sie besitzen , so dacht ich , und kühn warf ich dieser Erde Güter alle weg von mir und führte mein Fahrzeug hin zu dem gefahrvollen Fels , wo alles Irdische scheitern sollte . Noch einmal dacht ich : wenn du alles verlörst , um nichts zu finden ? – aber hohe Zuversicht verdrängte den Zweifel , fröhlich sagt ich der Oberwelt das letzte Lebewohl , die Nacht verschlang mich – eine gräßliche Pause ! – ich fand mich bei dir . – Die Fackel meines Lebens flammt noch jenseits der stygischen Wasser . IMMORTALITA . Die Heroen der Vorwelt haben diesen Pfad schon betreten , der Mut hat herüber zu streifen gewagt , aber der Liebe nur war vorbehalten , ein dauernd Reich hier zu gründen . Die Bewohner des Orkus sagen , mein Dasein hauche ihnen unsterbliches Leben ein ; so sei denn auch du unsterblich ; denn du hast Unnennbares in mir bewirkt , ich lebte ein Mumienleben , aber du hast mir eine Seele eingehaucht . Ja , teurer Jüngling ! In deiner Liebe erblicke ich mich verklärt ; ich weiß nun , wer ich bin , daß ein sonniger Tag diese alten Hallen beglänzen wird . Hekate tritt hinter dem Altar hervor . HEKATE . Erodion , trete in den Kreis der Schlange . Er tut es : die Schlange verschwindet . Zu lange , Immortalita , warst du , durch die Macht des Unglaubens und der Barbarei , von wenigen gekannt , von vielen bezweifelt , in diesen engen Kreis gebannt . Ein Orakel , so alt als die Welt , sagt , der gläubigen Liebe werde gelingen , dich selbst in dem erebischen Dunkel zu finden , dich hervorzuziehen und deinen Thron in ewiger Klarheit zu gründen , zugänglich für alle . Die Zeit ist nun gekommen , dir , Erodion , bleibt nur noch etwas zu tun übrig . Der Schauplatz verwandelt sich in einen Teil der elysäischen Gärten , die Szene ist matt erleuchtet , man sieht Schatten hin und wieder irren . Zur Seite ein Fels , im Hintergrund der Styx und Charons Nachen . Die Vorigen HEKATE . Sieh , Erodion , diesen einsturzdrohenden Fels , er ist die unübersteigliche Scheidewand , der des sterblichen Lebens Reich von dem deiner Gebieterin scheidet , er verwehrt der Sonne , ihre Strahlen her zu senden , und getrennten Lieben , sich wieder zu begegnen . Erodion ! versuch es , diesen Felsen einzustürzen , daß deine Geliebte auf seinen Trümmern aus der engen Unterwelt steigen möge , daß ferner nichts Unübersteigliches das Land der Toten von dem der Lebenden mag trennen . Erodion schlägt an den Felsen , er stürzt ein , es wird plötzlich helle . IMMORTALITA . Triumph ! Der Fels ist gesunken , von nun an sei den Gedanken der Liebe , den Träumen der Sehnsucht , der Begeisterung der Dichter vergönnt , aus dem Lebenslande in das Schattenreich herabzusteigen und wieder zurückzugehen auch . HEKATE . Heil ! Dreifaches , unsterbliches Leben wird dies blasse Schattenreich beseelen , nun dein Reich gegründet ist . IMMORTALITA . Komm , Erodion , steige mit mir auf in ewige Klarheit ; und alle Liebe , alles Hohe soll meines Reiches teilhaftig werden . Du , Charon , entfalte deine Stirn , sei freundlicher Geleiter denen , die mein Reich betreten wollen . ERODION . Wohl mir , daß ich die heilige Ahnung meines Herzens wie der Vesta Feuer treu bewahrte ; wohl mir , daß ich , der Sterblichkeit zu sterben , der Unsterblichkeit zu leben , das Sichtbare dem Unsichtbaren zu opfern Mut hatte . Von der Hand des Herzogs Emil August von Gotha auf das Manuskript der Immortalita geschrieben . Es ist eine Kleinigkeit , die deiner Aufmerksamkeit nicht wert ist , daß ich es ein Geschenk des Himmels achte , dich zu verstehen , du edles Leben . Siehst du zur Erde nieder , gibst gleich der Sonne du ihr einen schönen Tag , doch auf zum Himmel wirst du vergeblich schauen , suchst deinesgleichen du unter den Sternen . Wie frische Blütenstengel so schmückt deiner Gedanken sorglos Leben den bezwungenen Mann ; sein Busen bebt von tiefen Atemzügen , wenn dein Geist gleich aufgelösten Locken , die jetzt dem Band entfallen , ihn umspielt . Er sieht dich an , ein Liebender ! Wie stille Rosen und schwankende Lilien schweben deiner segnenden Gedanken Blicke ihm zu . Vertraute , nahe dem Herzen sind sie . Wahrhaftiger , heller und schöner beleuchten sein Ziel sie ihm und seinen Beruf , und auf schweigendem Pfade der Nacht sind hochschauende Sterne Zeugen seiner Gelübde dir . Doch ist eine Kleinigkeit nur , die deiner Aufmerksamkeit nicht wert ist , daß ich als ein Geschenk des Himmels es achte , dich zu verstehen , du edles Leben . Emil August An die Bettine Dein Brief , liebe Bettine , ist wie der Eingang zu einem lieblichen Roman , ich habe ihn genippt wie den Becher des Lyäus , der ein Sorgenbrecher ist , es tat mir auch sehr wohl , mich bewegten grade Sorgen um Dinge , die eine notwendige Folge des Lebens und daher nicht unerwartet sind ; die ich Dir nicht mitteile , weil sie in Deinen Lebensgang nicht einstimmen . Du bist mein Eckchen Sonne , das mich erwärmt , wenn überall sonst der Frost mich befällt . Ich werde die Stadt auf ein paar Wochen verlassen , ein Brief wird mich am Donnerstag noch treffen , dann aber , den nächsten find ich , wenn ich zurückkomme , und dann sind wir bald wieder ganz beisammen . Lasse Deine Briefe recht heiter sein ohne schwermütigen Nachklang , Deiner Natur ist eine freie ungehemmte Lebenslust gemäß ; die trüben mißmutigen Regungen , mit denen Du zuweilen prahlst , sind nur Zeichen geheimnisvoller Gärungen , denen der Raum zu eng ist , sich zu läutern , das muß ich glauben , wenn ich Deine jetzige natürliche Stimmung vergleiche mit jener gereizten , die Dich zuletzt hier befiel , wo mir ganz bange um Dich war . Es war Dir nichts weiter nötig , als die beengende Stadtluft nicht mehr zu atmen . Du bist wie eine Pflanze , ein bißchen Regen erfrischt Dich , die Luft begeistert Dich , und die Sonne verklärt Dich . – Die Tonie schreibt hierher , daß Du gesund aussähest und keine Spur von der interessanten Blässe übrig sei ; – rate , wer darüber seinen Ärger nicht verhehlen kann ? – » Elle ne sera plus ce quelle a été « gab er mir auf alle Trostgründe zur Antwort . Indessen hoffe ich , daß unsereins auch noch bei Dir gilt , und mir ist's lieber , daß Du auf Kosten jener interessanten Blässe zunimmst , als daß ich immer hören muß , Deine Lebendigkeit werde Dich noch töten , was komisch klingt und auf mich gestichelt ist . Ich habe mir selber die Vorwürfe nicht erspart . – Was Du Schlaftrunkenheit nenntest , das war nach Sömmering Nervenfieber , er sagt , Du habest keinen Sinn für Krankheitszustände , Du habest die Kinderkrankheiten wie lustige Spiele durchgemacht , diesmal sei es von überspanntem Studieren gekommen . Die philosophischen Ausdrücke Absolutismus , Dualismus , höchste Potenz usw. , mit denen Du in Deinen Fieberphantasien spieltest , zeugten wider mich . Ich habe mir fest vorgenommen , diesen Winter nur solche Sachen mit Dir zu treiben , die Dir recht von Herzen zusagen . – Ich bin zwar nicht so ganz allein an diesem Mißgriff schuld , andre , denen ich vertraue , die , wie mir schien , nicht mit Unrecht Dir viel philosophischen Sinn zusprechen , meinten , er müsse entwickelt werden , ich folgte unschuldig diesen Weisungen und nahm Deinen Widerspruch für die gewohnte Unbequemheit , Dich etwas Ernstem zu fügen . Der Hohenfeld sagte mir , Ebel erzähle , Du habest aus überreiztem Widerwillen gegen die Philosophie starkes Erbrechen gehabt , daraus sich ein galliges Nervenfieber gebildet habe ; er warnte mich und sagte , Du seiest ein unbedeutendes Mädchen und kein philosophischer Kopf , der Deine könne zwar übermütig und überspannt , weiser aber nicht werden usw . – Ich erriet , daß er ein diplomatischer Abgesandter sei von klugen Leuten , die viel von einem wissen , und von denen man nichts weiß ; seine Zitationen von überspannten Reden und absurden Behauptungen , die hier unter den Philistern im Umlauf sind , ergötzten mich : Dein eigner Brief , der wie der junge Strauch das kränkelnde Laub abwirft und in frischen Trieben ergrünt , macht mich mit dem guten Hohenfeld einverstanden über Deine Unbedeutenheit , auch gefällt sie mir besser , als was ich an Gelahrtheit Dir zuschanzen könnte , Du bist gefühlig für die Alltäglichkeit der Natur , Morgendämmerung , Mittagschein und Abendwolken sind Deine lieben Gesellen , mit denen Du Dich verträgst , wenn kein Mensch mit Dir auskommt . – Wenn Du willst , so können wir umtauschen und ich Dein Jünger werden in der Unbedeutenheit , so wie Du Dich für meinen Schüler hieltest , als ich einen starken Geist aus Dir bilden wollte . Jetzt , wo es rückwärts geht , mußt Du mein Lehrer sein , ein Zaghafter kann sicherer bergauf gehen , aber einen steilen Weg hinab , dazu gehört Entschlossenheit , die hast Du , Du schwindelst nicht und hast Dich noch nie besonnen , über Hecken und Gräben zu setzen . Es dämmern mir schon ganz glückliche Spekulationen über den Geist der Unbedeutenheit auf ; ich hatte unsägliche Lust , dem Domdechant , der mich so hoch stellt , als Überläufer ein paar Dummheiten zu sagen , die ihm Zweifel in sein Urteil gäben , ich habe ihm auch eine gesagt , worüber er die Hände zusammenschlug und meine Behauptung , daß ich viel von Dir empfange und Dein Umgang mich belehre , auf mein Unvermögen , mich selbst zu schätzen , schob , das mir da einen absurden Streich spiele , alle Welt wundere sich , daß ich meine Zeit mit dem Sausewind verbringe und ihm vor andern solche köstliche Minuten schenke . – Nun , es wird mir nicht fehlen , daß mir nächstens die ergötzliche Unbedeutenheit aus diesen meinen Verkehrtheiten zuerkannt werde , um die mich keiner beneiden wird , weil man eben das Bedeutende nicht zu schätzen weiß . Ich ahne sehr hell , daß , wenn in dem bescheidenen Knospenzustand Unbedeutenheit verborgen , nicht der volle innere Lebenstrieb wirkte , das Bedeutende nie ans Licht blühen würde , am wenigsten , wenn diebischer Eigennutz sich der Zeit vordrängt , bloß um auf der Höhe zu stehen , wo die andern zu seinen schimmernden Phantomen aufsehen müssen . Wie die Titanen mit großem Gepolter ihre Treppe zu der Götter Burgen auftürmten und die stillen Gipfel des Olympos als unbedeutend hinabstürzten . Eins empfinde ich in Dir , daß die Natur das Ideal des Menschengeistes gleichwie das Pflanzenglück unter warmer , nährender Decke vorbereiten muß , sonst werden die Menschen davon nicht wachsen und reifen und im Sonnenglanze grünen . Deine Begebenheiten , Deine Bemerkungen , alles macht mir Freude , sorge , daß mir nichts verloren gehe , wenn 's nur Deiner Gesundheit nicht schadet , so schreibe doch jeden Abend , darum bittet der Dämon , der mir's zuflüstert und gern alles von Dir bewahren will . Wo soll ich mit Deinem Kanarienvogel hin ? Ich nehme ihn mit in fremde Lande , es wird nicht viel Mühe machen , ich kann ihn niemand anvertrauen , so wenig wie Dich . – Apropos ! Wenn ich nun auch eifersüchtig sein wollte auf die Prinzeß , mit der Du immer Hand in Hand gehst ! Hast Du Dich je von mir an der Hand führen lassen , wenn wir draußen waren ? – Summtest umher wie eine wilde Hummel durch alle Gebüsche und ließest mich allein nachsteigen ? Was vermag doch diese Fürstlichkeit über Dich , daß Du Dich so zahm an der Hand führen läßt im Freien ? – Dein Vogel ist mir ebenso zahm geworden , daß er mir in den Mund pickt , das ist nichts anders als Liebe zu mir , ich weiß nicht , ob er mir jetzt nicht mehr zutunlich ist wie Dir , grad wie Du mit der Kurprinzeß . – Ich war in Sorgen um ihn ; denn wie ich einmal zur Gartentür hinausging , flog er mir nach in den Garten , aber wie er eine Weile unter den Bäumen herumgeflattert war , setzte er sich mir auf den Kopf und ließ sich ruhig wieder hineintragen , ich war recht froh ; denn ich hätte nicht gewußt , wie ich bestehen solle , wenn Du ihn nicht wiederfandst . – Der Feigen waren elf an Deinem Baum , ich habe am Montag Ernte gehalten , drei davon habe ich vom Baum verspeist , drei habe ich in Gesellschaft verzehrt mit dem Jemand , der mir in der Tür begegnete , er begleitete mich nach Haus und schien sich zu freuen , daß der Baum , der von ihm stammt , so süße Früchte bringt . Nun liegen noch fünf Früchte , die noch etwas härtlich waren , unter der Glasglocke beim Apoll , die ich in die Sonne gestellt habe , sie haben auch schon nachgereift , ich werde sie vor meiner Abreise in Kompagnie verzehren , aber mit niemand , der sie allenfalls wie eine unbedeutende Frucht mit Stumpf und Stiel hinunterschluckte , sondern mit jemand , der Deiner Pflege für den Baum die Süßigkeit der Früchte zuschreibt und sie dankbar genießt . – Karoline Eine Merkwürdigkeit muß ich Dir noch melden von Deiner Altan , die Spinnen haben eine große Brabanter Spitze gewoben von einem Ende zum andern , von der kleinen Edeltanne über den Orangenbaum , über die Bohnenlaube , in die man nicht hinein kann , wenn man dies Kunstwerk nicht durchbrechen will , dann über den Granatbaum zum Feigenbaum ; ich habe alles geschont beim Brechen der Früchte . Dein Bruder Dominikus kam herunter und spritzte im Kreis sie alle an mit der kleinen Gießkanne , die Mittagsonne schien sehr hell . Da spiegelten die kristallnen Tropfen allerliebst in den Netzen , Dein Bruder meinte , wenn die Netze noch weiter gingen , so könne das eine Voliere für Schmetterlinge sein , die er vergeblich sich bemüht als Raupen zu zähmen ; denn wenn sie aus der Puppe ausflögen , so hätten sie aller Pflege und Nahrungssorgen , die er für sie als Raupen getragen , vergessen . – Mich amüsierte sehr seine ernsthafte Behauptung , bei der Raupe und Puppe auf die Seele des Schmetterlings wirken zu wollen . – Ich meine , die ungeheuren Spinnen würden wohl alle Dankbaren und Undankbaren verzehren , die in dieser Voliere eingefangen wären . – Noch soll ich Dir sagen von ihm , daß der Hopfen übers Dach hinaufgewachsen ist in die offnen Fenster herein . – Du hörst gern von Deinem kleinen Paradiesgarten , in dem alles so schön ist und kein Baum , von dem man die Äpfel nicht essen darf . An die Günderode Mit der einen Hand hab ich meinen Brief dem Bot ' gereicht , mit der andern Deinen genommen , wir kamen eben von unserm Sonnenaufgang zurück , so sah ich den Bot ' überm Tal am Berg hersteigen , ich wollt mit ihm zusammen ankommen , ich lief , die andern wußten nicht warum , sie riefen mir nach , ich galoppierte als an der Bergwand hin und schlug mit dem Stecken an die Äst , das regnete im heißen Lauf kühlen Tau auf mich , dann schoß ich bergab ins Tal und konnt nicht einhalten , der gut Bot ' stellte sich gegenüber und fing mich auf ; oben stand die ganze Gesellschaft , ein Kopf über dem andern , der Mstr . Haise in der Mitt und guckt durchs Perspektiv , ich legt mich ins Gras und schnaufte aus . – Potztausend , wieviel Hämmerchen pochten in meinem Kopf , lauter Goldschmied , und der große Hammer in meiner Brust , das war ein Grobschmied ; die andern kamen herbei , wie ich im hohen Gras verschwand , glaubten sie , ich sei ohnmächtig oder sonst was , der Voigt schrie , Gott bewahr , solche Einbildungen hat sie nicht ; ich guckte aus dem Gras hervor und lachte sie aus , aber da schrie alles : ich hätt können den Hals abstürzen , ich hätt können Arm und Bein brechen , mich hätt können der Schlag rühren , unvorsichtig , tollkühn , sinnlos schrien sie . – Was Guckuck , ich wollt 's nicht mehr hören , ich setzt mich wieder in Galopp , der Badepeter hatte grad die Bäder angelassen , ich rief ihm zu : » Sagt nicht , wo ich geblieben bin ! « Und sprang ins Wasser mit Schuh und Strümpf und allen Kleidern ; da unterm Wasser warf ich die Kleider ab und dacht nicht gleich , daß ich Deinen Brief im Busen stecken hatt , bis er auf dem Wasser schwamm , ich hab ihn gleich auseinander gelegt und an dem Strick festgemacht in der Mitte vom Badegewölb , womit man die Klapp aufzieht , wenn 's zu heiß ist , er flatterte im Luftzug über mir und drehte sich hin und her , ich bin ihm immer nachgeschwommen , links und rechts und hab ihn buchstabiert , hier ein Teil und dort wieder , wie der Wind das Blatt drehte , das hat mich ergötzt , und auch hab ich mich gefreut , wenn ich aus dem Bad käm' , ihn zu lesen , und dann stimmt ich an : » O du der Götter Höchster , der über Olympia mächtiglich waltet , laß beim Laufe der Flur günstige Winde in den schläfebeschattenden Kränzen mir wehen . « – Da wußten sie auf einmal , wo ich geblieben war ; denn alles war in den Bädern und meine Stimme schallte laut am Gewölb , und da hört ich sie rufen : La voila ! – und : wieder eine Tollheit , so erhitzt ins Wasser zu springen . – Wollt ich nicht von allen Seiten schreien hören , so mußt ich wieder singen : » Laß , o Jupiter , mit leichten Füßen mich hingleiten dem schnellfüßigen Tage zuvor , der mich sieggekrönt am Abend begrüße mit der Unsterblichkeit süß hallendem Ruf . « – Da kam die Lisett als Gesandtschaft von den andern , was war die verwundert , als sie die Kleider unter Wasser sah und die Schuh auf der untersten Treppe , zwei volle Becher . – Ich sah ihr die Bestürzung an , sie glaubte , ich sei toll geworden , sie reichte mir verstummt ein Zettelchen , darauf stand : » Wohlan Füllenbändiger , opfere einen feisten Stier der Rossebezähmerin Pallas Athene und ihren goldgewirkten Zügel wirf schnell um den jungfräulichen Hals . « – Ich frag , wer ihr den Zettel gab , sie sagt der Badpeter , ich frag den Badpeter , der sagt sein Sohn Lipps , ich frag den Lipps , der sagt am Röhrbrünnchen ein Herr in Schlappschuhen , eine Zigarre im Mund . – Was hatte er an , wie sah er aus ? – Weißer Mantel , graue Sammetmütze . – Ich hielt fürs beste zu schweigen und niemand was vom Zettel zu sagen , den Zettel legt ich zu meiner merkwürdigen Naturaliensammlung , worunter ist ein goldglänzendes Horn von einem Weinschröter , das hohl ist und so zierlich , daß es sehr gut als Trinkhorn könnt passen für ein Elfchen , das ein Jäger wär , ich hab's deswegen aufgehoben , wenn mir einmal eins begegnet , ferner mehrere durchsichtige Steine , die sehr gut Edelsteine sein könnten , wenn die Sonn nur noch ein bißchen besser durchschien , und eine Puppe , aus der ich selbst den Schmetterling hab auskriechen sehen , die tut sich auf und entläßt den Schmetterling und schließt sich wieder , sie hat inwendig wie kleine Stahlfedern , an die rührt der Schmetterling , wenn er reif ist , und dann öffnet sie sich , außen ist die Puppe ganz hart , daß man sie nicht verletzen kann . – Ich hab mir's expreß aufgehoben für Dich , ich will Dir 's zeigen und über die Unsterblichkeit mit Dir nachdenken dabei . – Wenn ich so was seh in der Natur , wovor gesorgt ist , daß alles geschützt ist so sorgsam , daß es nicht gestört wird , bis es reif ist , das schauert mich an , und gewiß ist nichts so traurig als sie stören ; denn so zärtlich wie sie ist , muß es ihr durch die Seele gehen . – Ich mag mich nicht an ihr versündigen , nicht mich empordrängen und was sein wollen vor der Zeit , mag nicht ein starker Kopf werden , sie will 's nicht , die Natur , sie sagt , ich soll laufen und springen und Überlegung soll ich gar nicht haben , und in Deinem Brief steht 's nun auch geschrieben , was mich so sehr freut , unbedeutend ! – Da bin ich von Herzen dabei , wenn Du nur auch so dumm sein willst und mich den bedeutenden Leuten vorziehen . Du mußt allen Leuten zugeben , daß nichts ist mit mir , da wird sich 's bald geben ; eigentlich wer schuld ist , das ist der Clemens , der hat aus großer Lieb zu mir sich immer an allem gefreut , was ich getan hab , und hat meine unbedachtsame Reden als wunderschön gefunden . Nun , was liegt dran ? – Aber auf die Burg kommst Du doch noch ? – Nicht wahr ? Da sind wir zwei mit dem Dämon zusammen und fragen nach sonst niemand . – Ich freu mich so drauf , daß mir manchmal das Herz klopft , und wenn ich mich besinn , was es ist , so sind es die acht Tage , wo wir zwei zusammen in einer Stube schlafen , und der Herbstwind geht dann schon und schüttelt das Laub ab von den Platanen , und nachts wecken wir uns , wenn wir einen Gedanken haben , und schlafen dann gleich wieder . Ich kann Dir auch viel von hier erzählen , ich hab eine Menge Gedanken , die ich nicht aufschreiben kann , manchmal spring ich auf , als müßt ich zu Dir und Dir gleich was ganz neu Gedachtes sagen . – Aber ich hab Dir ja noch nicht erzählt , was heut noch vorgefallen ist . Um zwölf Uhr sind wir hinunter , bloß ich und die Tonie zur Kurprinzessin , um Abschied von ihr zu nehmen , die Tonie hatte ihr auf den Tisch im Vorsaal all die schönen Früchte aufgestellt und die Blumen dazwischen , sie nahm sehr freundlich von allen und sagt so viel herzlich Gutes zur Tonie , daß ich zum erstenmal empfand , als wenn es wahr wär , was ich bei andern nie glaub , wenn sie höflich sind . Du fragst : wenn Du nun auch eifersüchtig sein wolltest auf die Kurprinzeß . Ei warum bist du 's nicht ? – Das ist eben , was mir leid ist , wenn ich Dir heut sagte , sie wollt mich mitnehmen und ganz bei sich behalten , da würdest Du am End ganz kalt schreiben : » Liebe Bettine , es tut mir zwar leid , daß unser Umgang hierdurch unterbrochen wird , aber ich rate Dir sehr , laß Dich dadurch nicht abhalten . « – Und ich würde das aber nicht tun , selbst wenn ich mir denk , daß Du mir so kalt antworten könntest und könntest es leicht verschmerzen , obschon mir die Kurprinzeß am liebsten ist von allen , die ich gesehen hab , denn außer der Großmama und Dir hab ich nie Frauen gesehen , die mir edel vorkamen , denn ich häng innerlich mit Dir zusammen , das weiß ich , und der Dämon hält mich auch fest bei Dir ; und wo sollt ich noch einmal fühlen so vertraulich ? – Kann man so bei Prinzessinnen simulieren , so im Mondschein im Zimmer an der Erde liegen und ihm nachrücken und Geschichten erfinden wie wir den Winter , und wenn ich Dein Haar flechten wollt , da hast Du mich's lassen aufflechten und wieder flechten und erfandest Ossians Gesänge , während ich es kämmte . Deine Locken gleich den Raben düster , Deine Stimme wie des Schilfs Geflüster , Wenn der Mittagswind sich leise wiegt . Weißt Du noch , wie ich 's Dir still nachsang , was Du so schauerlich mir vorsagtest , und weißt Du wohl , daß da mein Herz ganz voll Tränen war , mehr wie einmal , und heimlich stritt ich mit mir , daß ich stark sein wollt und meine Schmerzen bezwingen ? – Ich wollt Dir 's nicht zeigen , wie tief das in mich ging : Denn mein Schwert umgibt wie Blitzes Flügel Dich , du Liebliche , du schönes Licht . – Wie oft hab ich das gesungen für mich und war ein Held . – Collas Tochter sank zum Schlafe nieder , O ! Wann grüßest du den Morgen wieder ? Schöngelockte , wirst du lange ruhn ? – Ach ! Die Sonne tritt nicht an dein Bette , Spricht : » Erwach aus deiner Ruhestätte , Collas schöne Tochter , steig herauf ! « – Junges Grün entkeimet schon dem Hügel , Frühlingslüfte fliegen drüber her . Sonne , birg in Wolken deinen Schimmer ! Denn sie schläft , der Frauen erste ! – Nimmer Kehret sie in ihrer Schönheit mehr . Das hab ich so oft gesungen und auch am Fels vorgestern , und ich kann so schöne Melodien drauf , die mir alle durchs Herz gehen , und wenn wir auf der Burg sind den Herbst , dann wollt ich Dir 's vorsingen , wenn 's dunkel ist , eh das Licht kommt ; wie kannst Du denn nur denken , daß ich die Kurprinzeß lieber haben könnt ? – Aber Du denkst es auch nicht , Du stellst Dich nur so , denn sonst wär 's gar zu traurig für mich , daß Du nicht betrübt darüber wärst . – Ich kann mir unter Collas Tochter immer nur Dich denken ; denn sie schläft , der Frauen erste ! – Und so hab ich in mancher Stunde mit Tränen Dich besungen ; denn ich kann das nicht singen , ohne daß es mein Herz so stark bewegt , abends wenn ich allein bin , daß ich oft meinen Kopf in die Kopfkissen stecke und will alle Wehmut ersticken , weil sie mich gar zu schmerzlich befällt . – Aber was soll ich doch hier , so fern von Dir , Dir von meinen bitteren Stunden sagen , das kann Dich nur traurig machen , und Du bist jetzt so betrübt . – Aber laß dich 's nicht betrüben von mir , das ist nur so vorübergehend , wie eben die Schloßen , die hier fielen , ich will Dir lieber noch weiter erzählen von der Kurprinzeß , Du weißt , daß ich traue in Deine Lieb und gar nicht denk , daß ich Dir gleichgültig bin , und auch nicht , daß Du an mir zweifelst . Die Kurprinzeß verlangte heut morgen , ich sollte ihr noch ein Lied singen zur Gitarre , das sie als zuweilen vom Fenster gehört habe , das erschreckte mich sehr , denn der Herzog stand dabei und zog den Mund so kurios zusammen und sagte , er hab auch meine Stimme gehört , sie sei sehr schön ; ich hätt gern ausgewichen , aber ich fühlte , daß es unschicklich war , ich holte also meine Gitarre , und unterwegs bezwang ich meine Angst vor dem Herzog , vor der Prinzeß hätt ich mich auch nicht gefürcht ; denn ich hatte schon oft die Abende in dem Laubgang vor ihrem Fenster allerlei Melodien improvisiert , weil mich einmal eine geheime Neigung zu ihr anregte , daß ich als recht zärtliche Melodien erfand . Vor dem Herzog hätt ich mich auch nicht gefürcht , aber weil ich den Morgen im Bad gesungen hatte , so dacht ich , er hätt's gehört und möcht wohl gar davon anfangen , und an den Zettel dacht ich auch . – Aber da kam mir mit einmal ein Gedanke , der half mir drüber hinaus , ich nahm Dein Darthulagedicht aus meiner Brieftasche mit und sang draus , was ich da oben Dir hingeschrieben , aus dem Kopf in eine Melodie hinein , im Anfang war's ein wenig steif , aber bald ging 's recht , wie ich manchmal selbst überrascht bin und tief erschüttert , wie die Melodie soviel gewaltiger es ausdrückt und erst das Herz empfinden lehrt , und ich wiederholte es , da war's so schön , ach , wenn ich 's doch noch einmal so singen könnt vor Dir ; – der Herzog verlangte , ich sollte noch fortsingen , da war ich nicht mehr bang , ich sang gleich : Laß zehntausend Schwerter sich empören , Usnoth sollt von meiner Flucht nicht hören , Ardan ! Sag ihm , rühmlich war mein Fall . Winde ! Warum brausen eure Flügel ? Wogen , warum rauscht ihr so dahin ? – Wellen ! Stürme ! Denkt ihr mich zu halten ? Nein , ihr könnt's nicht , stürmische Gewalten ! Meine Seele läßt mich nicht entfliehn . Wenn des Herbstes Schatten wiederkehren , Mädchen , und du bist in Sicherheit , Dann versammle um dich Ethas Schönen , Laß für Nathos deine Harfe tönen , Meinem Ruhme sei dein Lied geweiht . – Und dies zweite Mal sang ich noch besser , mit tieferer Stimme und war selbstfühliger ; es sind die zwei Stellen , die ich aus Deinem Lied auswendig weiß , weil Du sie in meiner Gegenwart gemacht hast im Dunkel und sagtest zu mir : » Behalt es auswendig , bis Licht kommt , ich will unterdes weiter dichten , « und ich wiederholte immer vier Verse , bis noch vier dazu fertig waren , die Du auch meinem Gedächtnis vertrautest und immer weiter schifftest im Ozean , Günderode , wie schön war doch das ? – Wie werd ich je Schöneres erleben als mit Dir ? – Dem Herzog hab ich Dein Gedicht gegeben und gesagt , es sei von Dir und auch den Don Juan hab ich ihm geschenkt , er lag dabei , ich dacht , du gibst mir 's wieder ; ich wollt ihm es so gern geben , weil ich sah , daß er große Freude dran hatte , Du gibst mir 's wieder . – Die Kurprinzeß verlangte , ich soll ihr die Melodie abschreiben lassen von dem Lied , ich sagte ja , aber wo ist die hin ? Ich weiß nicht mehr – sie hat mich auch noch herzlich geküßt auf beide Wangen ; und der Tonie sagte sie sehr freundlich , wenn sie es erlaube , so wolle sie den Strauß aus der Ananas mitnehmen und zum Andenken in ihrem Treibhaus pflanzen lassen . – Gelt , das war so freundlich , und ich will Dir 's nur gestehen , daß mir heimlich recht leid getan hat , wie sie fort war , und alles kam mir so leer vor , daß ich doch drüber weinen mußte , obschon ich nicht wollt , ich hielt mich auch gar nicht dabei auf , eben weil ich an Dich dachte und Dir keine Untreue wollte begehen . – Wir begleiteten sie bis zum Wagen , und sie sagte mir noch , wo ich ihr begegnete , da sollte ich immer zu ihr kommen , ich küßte ihre Hand und ging zurück ; denn der Herzog sprach noch mit ihr . – Sein Wagen war auch vorgefahren , er legte mir die Hand auf den Kopf und sagte : » Auf Wiedersehen ! « – und lachte mich an , und ich dachte : » Ach Gott , am End hat er den Zettel dem Lipps gegeben . « Er stieg in den Wagen im leberfarbnen Rock , und wie das Windspiel nachsprang und sich zu seinen Füßen legte , da sah ich wohl so etwas auf dem Rücksitz liegen wie einen weißen Mantel , der hellblau gefüttert war , aber er sah doch nicht ganz weiß aus , sondern mehr hellgrau , aber die graue Mütze sah ich , wie mich deucht , auch . – Ja , ich sah sie gewiß , ich wollt sie nur nicht erkennen , weil ich mich schämte ; – aber das dauerte noch eine Weile , daß ich mich gar nicht trösten konnte , und so oft mir 's einfällt , werd ich aufs neue rot vor mir selber . – Aber ich denk nur immer , ein Prinz hat kein lang Gedächtnis , er wird 's bald vergessen . Ach , wenn er's nur recht bald vergäße ! – Gute Nacht . Morgen erzähl ich Dir noch mehr von heut , von unserm Sonnenaufgang hab ich Dir noch gar nichts erzählt , daß wir den gar nicht gesehen haben , und daß die Sonne hinter uns aufging , – und daß alles über die in der Ferne liegenden Berge sah und meinte , sie sollt dort hervorkommen , und daß sie hinter der Felswand in unserm Rücken aufstieg und der Mstr . Haise , mit dem Perspektiv bewaffnet , und der Voigt , der mir immer ins Ohr sagte :