Erstes Buch I . Der Großbauer Traugott Büttner ging mit seinen zwei Söhnen zur Kirche . Die drei Männer konnten sich sehen lassen . Der Büttnerbauer selbst war ein Sechziger , groß , hager , bartlos , rotbraun im Gesicht , mit graugelbem Haupthaar , das er nach altmodischer Weise lang ins Genick hinab wachsen ließ . Breitspurig und wuchtig trat er mit schwerem Stiefel auf , wie es ihm , dem Besitzer des größten Gutes im Dorfe , zukam . Seine starken , etwas eckigen Gliedmaßen , die sich ausnahmen wie knorrige Eichenäste , waren in einen Rock von dunkelblauer Farbe mit langen Schößen gezwängt . Die engen Ärmel behinderten ihn offenbar in der Freiheit der Bewegung . Dafür war das auch der nämliche Rock , in welchem der Büttnerbauer vor mehr als dreißig Jahren getraut worden war . Daß der Rock inzwischen etwas knapp geworden in den Schultern und über die Brust , störte den Alten nicht , im Gegenteil ! diese Gebundenheit und enge Verschnürung des Leibes stimmte so recht zu der Weihe und feierlichen Gemessenheit , die nun einmal zum Sonntagmorgen gehört . – Auf dem langen , straffen Haar trug er einen Zylinder , den das Alter nicht glatter , sondern recht widerhaarig gemacht hatte . Der Bauer schritt zwischen seinen beiden Söhnen : Karl und Gustav . Karl , der ältere , war in gleicher Größe mit dem Vater , aber beleibter und fleischiger als dieser . Auch er rasierte sich , nach guter Bauernweise , den ganzen Bart . Seine großen , etwas verschlafenen Augen und die vollen , roten Wangen gaben ihm das Aussehen eines großen , gutgearteten Jungen . Aber wer sich die Fäuste des Mannes näher betrachtete , dem verging wohl die Lust , mit solchem Burschen anzubinden . Heute trug er wie der Alte ein dickleibiges Gesangbuch in der Hand . Auch er war in einen langschößigen Kirchenrock gekleidet und trug einen breitkrämpigen Zylinder auf dem runden Kopfe . Im ganzen war Karl Büttner die wohlgenährtere und um dreißig Jahre jüngere Ausgabe von Traugott Büttner . Verschieden von den beiden zeigte sich der jüngere Sohn Gustav , Unteroffizier in einem Kürassierregiment . Vielleicht war es die schmucke Uniform , die seine Figur hob , ihm etwas Gewandtes und Nettes gab , daß er sich von den beiden plumpen Bauerngestalten vorteilhaft abhob . Er war etwas kleiner als Vater und Bruder , sehnig , gut gewachsen , mit offenem , einnehmendem Gesichtsausdruck . Gustav wiegte seinen schlanken Oberkörper ersichtlich in dem Be wußtsein , ein hübscher Kerl zu sein , auf den heute die Augen der gesamten Kirchfahrt von Halbenau gerichtet waren . Nicht selten fuhr seine behandschuhte Rechte nach dem blonden Schnurrbart , wie um sich zu vergewissern , daß diese wichtigste aller Manneszierden noch an ihrem Platze sei . Im Heimatdorfe hatte man ihn noch nicht mit den Tressen gesehen . Zum heurigen Osterurlaub zeigte er sich der Gemeinde zum ersten Male in der Unteroffizierswürde . Gesprochen wurde so gut wie nichts während des Kirchganges . Hin und wieder grüßte mal ein Bekannter durch Kopfnicken . Zum Ostersonntage war ganz Halbenau auf den Beinen . In den kleinen Vorgärten rechts und links der Dorfstraße blühten die ersten Primeln , Narzissen und Leberblümchen . In der Kirche nahm der Büttnerbauer mit den Söhnen die der Familie angestammten Kirchenplätze ein , auf der ersten Empore , nahe der Kanzel . Die Büttners gehörten zu der alteingesessenen Bauernschaft von Halbenau . Gustav sah sich während des Gesanges , der mit seinem ausgiebigen Zwischenspiel der Beschaulichkeit reichlichen Spielraum gab , in der kleinen Kirche um . Die Gesichter waren ihm alle bekannt . Hie und da vermißte er unter den älteren Leuten einen oder den anderen , den der Tod wohl abgerufen haben mochte . Sein Blick schweifte auch gelegentlich nach dem Schiffe hinab , wo die Frauen saßen . Die bunten Kopftücher , Hauben und Hüte erschwerten es , das einzelne Gesicht sofort herauszukennen . Unter den Mädchen und jungen Frauen war manch eine , mit der er zur Schule gegangen , andere kannte er vom Tanzboden her . Gustav Büttner hatte es bisher geflissentlich vermieden , nach einer bestimmten Stelle im Schiffe zu blicken . Er wußte , daß dort eine saß , die , wenn sie überhaupt in der Kirche war , ihn jetzt ganz sicher beobachtete . Und er wollte sich doch um keinen Preis den Anschein geben , als kümmere ihn das nur im geringsten . – Wenn er dorthin blicken wollte , wo sie ihren Kirchenstand hatte , mußte er den Kopf scharf nach links wenden , denn sie saß seitlings von ihm , beinahe unter der Empore . Bis zum Kanzelvers tat er sich Zwang an , dann aber hielt er es doch nicht länger aus , er mußte wissen , ob Katschners Pauline da sei . Er beugte sich ein wenig vor , so unauffällig wie möglich . Richtig , dort saß sie ! Und natürlich hatte sie gerade auch nach ihm hinaufblicken müssen . Gustav war errötet . Das ärgerte ihn erst recht . Zu einfältig ! Warum mußte er sich auch um das Mädel kümmern ! Was ging die ihn jetzt noch an ! Wenn man sich um jedes Frauenzimmer kümmern wollte , mit dem man mal was gehabt , da konnte man weit kommen . Überhaupt , Katschners Pauline ! – In der Stadt konnte man sich mit so einer gar nicht sehen lassen . In der Kaserne würden sie ihn schön auslachen , wenn er mit der angezogen käme . Nicht viel besser als eine Magd war sie ! wochentags womöglich barfuß und mit kurzen Röcken ! – Er nahm eine hochmütige Miene an , im Geiste die ehemalige Geliebte mit den » Fräuleins « vergleichend , deren Bekanntschaft er in den Kneipen und Promenaden der Provinzialhauptstadt gemacht hatte . In der Stadt hatte , weiß Gott , das einfachste Dienstmädel mehr Lebensart , als hier draußen auf dem Dorfe die Frauenzimmer alle zusammen . Er verachtete Katschners Pauline so recht aus Herzensgrunde . Und einstmals war die dort unten doch sein Ein und Alles gewesen ! – Auf einmal zog durch seinen Kopf die Erinnerung an das Abschiednehmen damals , als er mit den Rekruten weggezogen in die Garnison . Da hatten sie gedacht , das Herz müsse ihnen brechen beim letzten Kusse . Und dann , als er wiederkam , zum ersten Urlaub , nach einjähriger Trennung . – Was er da angestellt hatte vor Glückseligkeit ! Und das Mädel ! Sie waren ja wie verrückt gewesen , beide . Was er ihr da alles versprochen und zugesagt hatte ! Er versuchte die Gedanken daran zu verscheuchen . Damals war er ja so dumm gewesen , so fürchterlich dumm ! Was er da versprochen hatte , konnte gar nicht gelten . Und außerdem hatte sie ihm ja selbst auch nicht die Treue gehalten . – Was ging ihn der Junge an ! Überhaupt , wer stand ihm denn dafür , daß das sein Kind sei ! Er war ja so lange weggewesen . Na , mit der war er fertig ! Mochten die Leute sagen , was sie wollten ! Mochte sie selbst sich beklagen und Briefe schreiben und ihm zu seinem Geburtstage und zu Neujahr Glückwunschkarten schicken – das sollte ihn alles nicht rühren . So dumm ! Er hatte ganz andere Damen in der Stadt , seine Damen , die gebildet sprachen und » Hochwalzer « tanzen konnten . Was ging ihn Katschners Pauline an , deren Vater armseliger Stellenbesitzer gewesen war . Inzwischen hatte der Pastor zu predigen begonnen . Gustav versuchte nun , seine Gedanken auf das Gotteswort zu richten . Er war in der Garnison noch nicht gänzlich verdorben worden . Immer hatte er eine rühmliche Ausnahme vor den Kameraden gemacht , welche das Kirchenkommando meist zu Schlaf oder allerhand Unfug benutzten . Er war vom Elternhause her an gute Zucht gewöhnt , auch in diesen Dingen . Der alte Bauer ging den Seinen mit gutem Beispiele voran ; er fehlte kaum einen Sonntag auf seinem Platze und verpaßte kein Wort der Predigt . Auch im Singen stand er noch seinen Mann ; freilich mit einer Stimme , die durch das Alter etwas krähend geworden . Karl allerdings , der etwas zur Trägheit neigte , war von einem Kirchenschläfchen nicht abzuhalten . Bald nach dem ersten der drei angekündigten Teile der Predigt sah ihn Gustav bereits sanft vor sich hin nicken . Nachdem der Gottesdienst vorüber , stand man noch eine geraume Weile vor der Kirchtür . Der Büttnerbauer sah mit Behagen , daß sein Gustav der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit war . Alte und junge Männer umstanden den Unteroffizier . Der Anblick der Uniform erweckte die Erinnerung an die eigene Dienstzeit oder auch bei den Älteren an die Kriegsjahre . Der Büttnerbauer selbst führte die Denkmünzen der beiden letzten Feldzüge . Auch Karl Büttner hatte seine drei Jahre » weggemacht « , aber bis zur » Charge « hatte es bisher noch kein Büttner gebracht . Gustav mußte auf viele Fragen Rede und Antwort stehen . Ob er 's nicht bald dicke habe , und wann er nach Halbenau zurückkehre , fragte man ihn . Der junge Mann meinte mit dem Selbstbewußtsein , das die Uniform den gewöhnlichen Leuten gibt , vorläufig gefalle es ihm noch so gut bei der Truppe , daß er nicht daran denke , den Pallasch mit der Mistgabel zu vertauschen . Zwei Frauen kamen auf die Männer zu , eine ältere im bunten Kopftuch und eine jüngere mit einem schwarzen Hut , auf dem rosa Blumen leuchteten . Gustav hatte den Hut schon von der Empore aus wiedererkannt . Vor Jahren , als er noch mit Pauline Katschner gut war , hatte er ihr den Hut in der Garnison gekauft und , als er auf Urlaub nach Hause ging , mitgebracht . – Die ältere Frau war die Witwe Katschner , Paulinens Mutter . » Guten Tag och , Gustav ! « sagte Frau Katschner . » Guten Tag ! « erwiderte er stirnrunzelnd , ohne ihr die Hand zu geben . Das Mädchen hatte den Kopf gesenkt und blickte errötend auf ihr Gesangbuch . » No , bist de och wieder mal in Halbenau , Gustav ! « meinte die Witwe und lachte dabei , um ihre Verlegenheit zu verbergen . » Ja ! « sagte Gustav kühl und fragte einen der jungen Männer irgendetwas Gleichgültiges . Die Frauen zögerten noch eine Weile , wohl eine Anrede von ihm erwartend . Dann zog das Mädchen , dem das Weinen nahe schien , die Mutter am Rocke : » Kumm ack , Mutter , mir wollen gihn ! « – Darauf entfernten sich die beiden Frauen . » Die kennst du wohl gar nich mehr , Gustav ? « fragte einer der jungen Leute mit spöttischem Lächeln den Unteroffizier . Der zuckte die Achseln , wiegte sich in den Hüften und gab sich Mühe , so gleichgültig auszusehen wie nur möglich . Nun setzte man sich langsam in Bewegung , ein Trupp von zehn , zwölf jungen Männern , meist Schulkameraden Gustavs . Im Kretscham wurde ein Stehbier getrunken und die Zigarren in Brand gesetzt . Dann gings wieder auf die Dorfstraße hinaus . Einer nach dem anderen suchte nun sein Haus auf , denn die Mittagsstunde war herangekommen . Abends wollte man sich auf dem Tanzboden wieder treffen . Das Büttnersche Bauerngut lag am obersten Ende des Dorfes . Der Bauer und Karl waren bereits vorausgegangen . Gustav wollte in einen Feldweg einbiegen , der ihn in kürzester Frist nach Haus geführt hätte , da hörte er seinen Namen rufen . Er wandte sich . Katschners Pauline war nur wenige Schritte hinter ihm . Sie keuchte , beinahe atemlos vom schnellen Laufen . Er nahm eine finstere Miene an und fragte in barschem Tone , was sie von ihm wolle . » Gustav ! « rief sie und streckte ihm die Hand entgegen . » Bis doch nicht so ! Du tust ja gerade , als kennt'st de mich am Ende gar nich . « Ich hab keine Zeit ! « sagte er , wandte sich und wollte an ihr vorbei . Aber sie vertrat ihm den Weg . » Ne , Gustav ! Aber , Gustav , bis doch nicht so mit mir ! « Sie stand da mit fliegendem Busen und sah ihm voll in die Augen . Er hielt ihren Blick nicht aus , mußte wegsehen . Sie griff nach seiner Hand und meinte : » Ene Hand hättst de mir immer geben kennen , Gustav ! « Das sei gar keine Manier , ihm so nachzulaufen und ihn am hellen lichten Tage anzureden , sagte er , und sie solle sich wegscheren . Er gab sich alle Mühe , entrüstet zu erscheinen . Pauline schien keine Furcht vor ihm zu haben . Sie stand dicht vor ihm . Eine Bewegung seines Armes hätte genügt , sie beiseite zu schieben . Aber er hob die Hand nicht . » Iber Johr und Tog is es nu schon , Gustav , daß mer uns niche gesehn haben ! Und geontwortet hast du och nich , suviel ich dir och geschrieben habe . Du tust doch gerade , als wär'ch a schlechtes Madel , Gustav ! « – die Augen standen ihr auf einmal ganz voll Tränen . Heulen ! das hatte gerade noch gefehlt ! Weibertränen waren für ihn etwas Entsetzliches . Er war ja sowieso schon halb gewonnen durch ihren bloßen Anblick , durch den vertrauten Klang ihrer Stimme . Was für Erinnerungen rief ihm dieses Gesicht zurück ! Er hatte so glücklich mit ihr gelebt wie noch mit keiner anderen . Sie war doch seine Erste gewesen . Es lag in dem Gefühle so etwas ganz Besonderes , so etwas wie Heimweh , wie Dankbarkeit für ihre Güte gegen ihn . – Daß sie jetzt weinte , war schlimm ! Er kam sich schlecht vor und grausam . Das verdroß ihn . Nun würde er das Mädel schwer wieder los werden , fürchtete er . Sie wischte sich die Tränen mit einer Ecke ihrer schwarzen Schürze ab und fragte : » Was hast de denn egentlich gegen mich , Gustav ? Sag mersch nur a enzigstes Mal , was de hast , daß de so bist ! – « Er kaute an seinem Schnurrbarte mit verdüsterter Miene . Es wäre ein leichtes gewesen , ihr auf den Kopf zuzusagen , sie habe es inzwischen mit einem anderen getrieben . Aber in diesem Augenblick , unter den Blicken ihrer treuen Augen , fühlte er mit einem Male , auf wie schwachen Füßen dieser Verdacht eigentlich stehe . Er hatte ja die ganze Geschichte , die ihm von anderen hinterbracht worden war , nie recht geglaubt . Das war ja nur ein willkommener Vorwand für ihn gewesen , auf gute Art von ihr los zu kommen . Als sie nun jetzt so vor ihm stand , einen Kopf kleiner als er , frisch und gesund wie ein Apfel , mit ihren guten , großen Augen und den leuchtenden Zähnchen , da befand er sich wieder ganz unter ihrem Banne . » Ich habe mich su ärgern missen über dich ! « sagte sie leise und schluchzte auf einmal auf . Die Tränen saßen sehr locker bei ihr . Zwischen dem Weinen durch konnte sie so lieb und schmeichelnd dreinblicken wie eine zahme Taube . Niemand hatte dem Mädchen diese Künste gelehrt , aber die raffinierteste Kokette hatte keine wirksameren Mittel , das Herz eines Mannes zu bestricken als dieses schlichte Naturkind . Plötzlich senkte sie den Kopf , errötend und noch leiser als vorher meinte sie : » Willst de dir nich deinen Jungen ansehn , Gustav ? Er is nu bald een Jahr ! « Der junge Mann stand unschlüssig , im Innersten bestürzt . Er fühlte sehr deutlich , daß dieser Augenblick für ihn die Entscheidung bedeute . Wenn er ihr jetzt den Willen tat , mit ihr ging und sich den Jungen ansah , dann bekannte er sich zur Vaterschaft . Bisher hatte er das Kind nicht als das seine anerkannt , sich hinter der Ausflucht verschanzend , daß man ja gar nicht wissen könne , von wem es sei . Pauline hatte den Kopf wieder aufgerichtet und bat ihn mit den Augen . Dann mit ihrer weichen Mädchenstimme : » Ich ha dem Jungen nu schun su viel vun dir vorderzahlt . Er kann noch ne raden . Aber ,Papa ! das kann er duch schun sagen . – Komm ack , Gustav , sieh der 'n wen'gsten a mal an ! « – Sie nahm ihn an der Hand und zog ihn nach der Richtung , wohin sie ihn haben wollte . » Komm ack , Gustav , komm ack mitte ! « so ermunterte sie den immer noch Zaudernden . Er folgte ihr schließlich . Dabei ärgerte er sich über sich selbst , daß er so nachgiebig war . Er verstand sich darin selbst nicht . Es gab in der ganzen Unteroffiziersabteilung keinen schneidigeren Reiter als ihn . » Remonte dressieren « , das war seine Lust . Und dabei konnte er so weich sein , daß ihn der Wachtmeister schon mal einen » nassen Waschlappen « genannt hatte . Das war damals gewesen , als seine Charge , die » Kastanie « , den Spat bekommen und zum Roßschlächter gemußt . Da hatte er geweint wie ein kleines Kind . Pauline schien sich darauf zu verstehen , ihm beizukommen . Sie konnte , wenn sie wollte , so was recht » Betuliches « haben . Sie tat , als habe es niemals eine Abkühlung zwischen ihnen gegeben . Kein weiteres Wort des Vorwurfes kam über ihre Lippen . Um keinen Preis wollte sie ihn in schlechte Laune versetzen . Ihr Bestreben war , ihn gar nicht erst zur Besinnung kommen zu lassen . Sie erzählte von der Mutter , von ihrem Jungen , allerhand Lustiges und Gutes , brachte ihn so mit kleinen Listen , deren sie sich kaum bewußt wurde , bis vor ihre Tür . Pauline wohnte mit ihrer Mutter , der Witfrau Katschner , in einer strohgedeckten Fachwerkhütte , einem der kleinsten und unansehnlichsten Anwesen des Ortes . Es war nur eine Gartennahrung , nicht genug zum Leben und zuviel zum Sterben . Die beiden Frauen verdienten sich etwas durch Handweberei . Früher war Pauline zur Arbeit auf das Rittergut gegangen , aber in letzter Zeit hatte sie das aufgegeben . Pauline hatte ihr eigenes Stübchen nach hinten hinaus . In Gustav rief hier jeder Schritt , den er tat , Erinnerungen wach . Durch dieses niedere Türchen , das er nur gebückt durchschreiten konnte , war er getreten , als sie ihn in einer warmen Julinacht zum ersten Male in ihre Kammer eingelassen . Und wie oft war er seitdem hier aus und ein gegangen ! Zu Tag- und Nachtzeiten , ehe er zu den Soldaten ging und auch nachher , wenn er auf Urlaub daheim gewesen war . In dem kleinen Raume hatte sich wenig verändert während des letzten Jahres . Sauberkeit und peinlichste Ordnung herrschten hier . Er kannte genau den Platz eines jeden Stückes . Dort stand ihr Bett , da das Spind , daneben die Lade . Der Spiegel mit dem Sprung in der Ecke unten links , über den eine Neujahrskarte gesteckt war , hing auch an seinem alten Platze . Unwillkürlich suchte Gustavs Blick das Zimmer spürend ab . Aber er fand nicht , was er suchte . Pauline folgte seinen Augen und lächelte . Sie wußte schon , wonach er sich umsah . – Sie ging auf das Bett zu und drückte die bauschigen Kissen etwas nieder . Ganz am oberen Ende , tief versenkt in den Betten , lag etwas Rundliches , Dunkles . Sie gab ihm ein Zeichen mit den Augen , daß er herantreten solle . Er begriff , daß der Junge schlafe und bemühte sich infolgedessen leise aufzutreten , den Pallasch sorgsam hochhaltend . » Das is er ! « flüsterte sie und zupfte glückselig lächelnd an dem Kissen , auf dem der Kopf des Kleinen lag . Der junge Mann stand mit verlegener Miene vor seinem Jungen . Der Anblick benahm ihn ganz ; nicht einmal den Helm abzusetzen , hatte er Zeit gefunden . Hinzublicken wagte er kaum . Das sollte sein Sohn sein ! Er hatte ein Kind ! – Der Gedanke hatte etwas eigentümlich Bedrückendes , etwas Dumpfes und Beengendes legte sich auf ihn wie eine große , noch unübersehbare Verantwortung . Sie half ihm , nahm ihm zunächst den Helm ab , rückte das Kind etwas aus den Betten heraus , daß er es besser sehen solle , führte selbst seine große Hand , daß er sein eigenes Fleisch und Blut betasten möchte . Dann fragte sie , sich an ihn schmiegend , wie es ihm gefalle . Er erwiderte nichts , stand immer noch ratlos , bestürzt vor seinem Sprößling . Jetzt ging ein Lächeln über die Züge des Kleinen , er bewegte im Schlafe ein paar Finger des winzigen Händchens . Nun erst begriff der Vater , daß es wirklich ein lebendiges Wesen sei , was da lag . Der Gedanke rührte ihn auf einmal in tiefster Seele . – So ein kleines Ding , mit solch winzigen Gliedmaßen , und das lebte doch und war ein zukünftiger Mensch , würde ein Mann sein – sein Sohn ! Pauline und er hatten es hervorgebracht ; aus seinem und ihrem Gebein stammte dieses neue Wesen . Das ewige Wunder des Werdens trat vor ihn in seiner ganzen unheimlichen Größe . – Gustav merkte , wie ihm die Tränen in die Augen traten , es würgte ihn im Halse , es kitzelte ihn an der Nase . Er biß die Zähne fest aufeinander und schluckte die Rührung hinunter ; weinen wollte er um keinen Preis . Pauline eilte derweilen geschäftig auf und ab im Zimmer . Sie hatte den schwarzen Hut mit den rosa Blumen abgelegt , die Ärmel ihres Kleides aufgeknöpft und bis an die Ellbogen zurückgeschlagen und eine weiße Schürze vorgesteckt . Ohne Hut sah sie noch hübscher aus . Ihr blondes Haar , von selten schöner Färbung , kam jetzt erst zur Geltung , sie trug es nach Art der Landmädchen , schlicht in der Mitte gescheitelt und hinten zu einem Nest von vielen kleinen Fechten verschlungen . Das schwarze Kleid war ihr Konfirmationskleid . Nur durch Auslassen und Ansetzen hatte sie es zuwege gebracht , daß es ihre frauenhaft entwickelte Fülle auch jetzt noch faßte . Jetzt eilte sie wieder an das Bett . Sie meinte , der Junge habe nun genug geschlafen , er müsse die Flasche bekommen . Sie weckte den Kleinen , indem sie ihn sanft aus den Kissen hob und ihn auf die Stirn küßte . Das Kind schlug ein Paar große , dunkle Augen auf , sah sich verwundert um und begann sofort zu schreien . Der Vater , der an solche Töne noch nicht gewöhnt war , machte ein ziemlich verdutztes Gesicht hierzu . Pauline meinte , das sei nicht so schlimm , das Kind habe nur Hunger . Sie nahm eine Blechkanne aus der Röhre . Das Zimmerchen hatte keinen eigenen Ofen , sondern nur eine Kachelwand mit einer Röhre , die vom Nebenzimmer aus erwärmt wurde . In der Blechkanne befand sich ein Fläschchen Milch . Pauline , auf dem einen Arm das Kind , führte die Flasche zum Munde , kostete schnell , stülpte einen Gummizulp über den Flaschenhals . Dann legte sie den Kleinen wieder aufs Bett , dessen Blicke und Hände begierig nach der wohlbekannten Flasche strebten . Nun endlich steckte sie dem Schreihals den Zulp zwischen die Lippen . Sofort verstummte das Gezeter und machte behaglich glucksenden Lauten Platz . Gustav atmete erleichtert auf . Der ganze Vorgang hatte etwas Beklemmendes für ihn gehabt . Während Pauline voll Wonne und Stolz war , konnte er sich einer gewissen Gedrücktheit nicht erwehren . Mit dem Ausdrucke einer Zärtlichkeit , wie sie nur eine Mutter hat , beugte sich das Mädchen über das kleine Wesen , dessen ganze Kraft und Aufmerksamkeit jetzt auf den Nahrungsquell gerichtet war , und richtete ihm die Kissen . Erst nachdem der Kleine völlig glücklich zu sein schien , kam Gustav wieder an die Reihe für Pauline . Sie wischte ihm einen Stuhl ab mit ihrer Schürze und bat ihn , sich zu setzen . Er hatte noch immer kein Wort über den Jungen geäußert ; jetzt nötigte sie ihn geradezu , sich auszusprechen . Er meinte , das Kind sehe ja soweit ganz gesund und kräftig aus . Aber das genügte ihrem mütterlichen Stolze nicht . Sie begann ihrerseits das Lob des Jungen zu singen , wie wohlgebildet er sei und stark . Ja , sie behauptete sogar , er sei ein Wunder an Klugheit , und führte dafür einige seiner kleinen Streiche an . Groß sei er für sein Alter wie kein anderes Kind , schon bei der Geburt sei er solch ein Riese gewesen . Und sehr viel Not habe er ihr gemacht beim Kommen , setzte sie etwas leiser mit gesenktem Blicke hinzu . Dann erzählte sie , daß sie ihn bis zum sechsten Monate selbst genährt habe . Er hörte diesem Berichte von Dingen , die für sie von größter Bedeutung und Wichtigkeit waren , nur mit halbem Ohre zu . Er hatte seine eignen Gedanken bei alledem . Was sollte nun eigentlich werden , fragte er sich . Er hatte sich zu diesem Kinde bekannt . Als anständiger Mensch mußte er nun auch dafür sorgen . Burschen , die ein Kind in die Welt setzen und dann Mädel und Kind im Stiche ließen , hatte er immer für Lumpe gehalten . Einstmals hatte er Paulinen ja auch die Ehe versprochen . Und wenn er sie so ansah , wie sie hier schaltete und waltete , sauber und nett , geschickt , sorgsam und dabei immer freundlich und voll guten Mutes , da konnte ihm der Gedanke einer Heirat schon gefallen . Daß sie ein durch und durch braves Mädel sei , das wußte er ja . Aber , überhaupt heiraten ! Er dachte an das Elend der meisten Unteroffiziersehen . Da hätte man sich ja schütteln mögen bei dem bloßen Gedanken . Und dann gab es da noch eins : er hätte mit verschiedenen Frauenzimmern in der Garnison brechen müssen . – Das alles machte ihm den Kopf schwer . – Pauline fing jetzt an , von ihren eigenen Angelegenheiten zu sprechen , sie erzählte , wie einsam und traurig der letzte Winter für sie gewesen sei , die Mutter wochenlang bettlägerig , dazu kein Geld im Hause , kein Mann in der Nähe , der ihnen geholfen hätte . Sie selbst durch die Pflege des Kindes abgehalten , viel zu schaffen . Und zu alledem habe er nichts mehr von sich hören lassen . Was er denn eigentlich gehabt habe gegen sie , verlangte das Mädchen von neuem zu wissen . Er wich der Antwort aus , fragte seinerseits , warum sie denn gar nicht mehr aufs Rittergut zur Arbeit gegangen sei . Das habe seinen guten Grund , erklärte sie und sprach auf einmal mit gedämpfter Stimme , als fürchte sie , das Kind könne etwas verstehen . Der Eleve dort habe sich Unanständigkeiten gegen sie erlaubt , deshalb sei sie lieber aus der Arbeit fortgeblieben , obgleich sie den Verdienst schwer vermißt hätte . Gustav horchte auf . Das war ja gerade die Geschichte , über die er gern etwas Genaueres erfahren hätte . Mit diesem Eleven nämlich hatte man ihm das Mädchen verdächtigt . Er forschte weiter : Was hatte sie mit dem Menschen gehabt , wie weit war er gegangen ? Pauline zeigte sich im Innersten erregt , als diese Dinge zur Sprache kamen . Sie sprach in den schärfsten Ausdrücken über den jungen Herrn , der seine Stellung ausgenutzt hatte , ihr in zudringlicher Weise Anträge zu machen . Mehr noch als ihre Worte sagten es ihm ihre Mienen und die ganze Art , in der sie sich äußerte , daß sie ihm treu geblieben sei . Gustav ließ ihr seine Befriedigung durchblicken , daß nichts an dem Gerede sei . Nun erfuhr sie erst , daß er darum gewußt habe . Deshalb also hatte er mit ihr gegrollt ! Wer hatte sie denn nur ihm gegenüber so angeschwärzt ? Er sagte ihr nur , daß er's gehört hätte von » den Leuten « . Daß die Verdächtigung aus seiner eigenen Familie gekommen , welche sein Verhältnis mit Pauline niemals gern gesehen hatte , verschwieg er . Pauline nahm die Sache ernst . Daß er sie in solch einem Verdachte gehabt und noch dazu so lange und ohne ihr ein Wort davon zu sagen , das kränkte sie . Das Mädchen wurde auf einmal ganz still . Sie empfand die Ungerechtigkeit und Erniedrigung , die in seiner Auffassung lag , wie Frauen solche Dinge empfinden , jäh und leidenschaftlich . Sie machte sich im Hintergrunde des Zimmers zu schaffen , ohne ihn anzusehen . Ihm war nicht wohl dabei zumute . Er wußte zu gut , wieviel er sich ihr gegenüber vorzuwerfen hatte . – Er blickte verlegen auf seine Stiefelspitzen . Es entstand eine Pause , während der man nur die leichten Atemzüge des Kindes , das inzwischen mit seiner Flasche fertig geworden war , vernahm . Plötzlich ging Pauline nach dem Bette . Sie nahm den Kleinen aus dem Kissen . » Du hast den Jungen noch gar niche uf 'n Arm gehat , Gustav ! « sagte sie , unter Tränen lächelnd , und hielt ihm den Kleinen hin . Er nahm das Kind in Empfang , wie man ein Paket nimmt . Der Junge blickte mit dem starren , leeren Blicke der kleinen Kinder auf die blanken Treffen am Halse des Vaters . » Getost is er och schon , « sagte Pauline . » Ich ha dersch ja damals geschrieben , aber du hast nischt geschickt dazu . Der Paster war erscht böse und hat tichtig gebissen uf mich , daß mer sowas passiert wor . « Gustav war inzwischen ins Reine mit sich gekommen , daß er Kind und Mutter anerkennen wolle . Der Junge streckte die kleine Hand nach dem Schnurrbart des Vaters , Pauline wehrte dem Händchen sanft . » Se sprechen alle , daß er dir su ähnlich säke , Gustav ! Wie aus'n Gesichte geschnitten , sprechen de Leite . « – Der junge Vater lächelte zum ersten Male sein Ebenbild an . Pauline hatte sich bei ihm eingehängt , ihre Blicke gingen liebend von Gustav zu dem Kleinen . Der Bengel hatte endlich den Schnurrbart des Vaters erwischt und stieß einen schrillen Freudenschrei aus . So gewährten sie das Bild einer glücklichen Familie . II . Gustav Büttner kam heute viel zu spät nach Haus zum Mittagbrot . Die Familie hatte bereits vor einer Weile abgegessen . Der alte Bauer saß in Hemdsärmeln in seiner Ecke und schlummerte . Karl hielt die Tabakspfeife , die er eigentlich nur während des Essens ausgehen ließ , schon wieder im Munde . Die Frauen waren mit Abräumen und Reinigen des Geschirrs beschäftigt . Die Bäuerin sprach ihre Verwunderung darüber aus , daß Gustav so lange ausgeblieben . In der Schenke sitzen am Sonntag Vormittag , das sei doch sonst nicht seine Art gewesen . – Gustav ließ den Vorwurf ruhig auf sich sitzen . Er wußte wohl warum ; seine Leute brauchten gar nicht zu erfahren , was sich inzwischen begeben hatte . Schweigend nahm er auf der Holzbank , am großen viereckigen Familientische Platz . Dann heftelte er seinen Waffenrock auf , wie um sich Platz zu machen für das Essen . Die Mutter brachte ihm das Aufgewärmte aus der Röhre . Die Büttnerbäuerin war eine wohlhäbige Fünfzigerin . Ihr Gesicht mochte einstmals recht hübsch gewesen sein , jetzt war es entstellt durch Unterkinn und Zahnlücken . Sie sah freundlich und gutmütig aus . Gu stav sah ihr von den Kindern am ähnlichsten . In ihren Bewegungen war sie nicht besonders flink , eher steif und schwerfällig . Der schlimmste Feind der Landleute , das Reißen , suchte sie oftmals heim . Eine der Töchter wollte ihr behilflich sein , aber sie ließ es sich nicht nehmen , den Sohn selbst zu bedienen . Der Unteroffizier war ihr Lieblingskind . Sie setzte die Schüssel , die noch verdeckt war , vor Gustav hin und stützte die Hände auf die Hüften . » Nu paß aber mal auf , Gust ! « rief sie und sah ihm schmunzelnd zu , wie er den schützenden Teller abhob . Es war Schweinefleisch mit Speckklößen und Birnen im Grunde des Topfes zu erblicken . » Gelt , dei Leibfrassen , Gust ! « sagte sie und lachte den Sohn an . Sie ließ die Blicke nicht von ihm , während er zulangte und einhieb . Jeden Bissen schien die liebevolle Mutter für ihn mitzuschmecken . Gesprochen wurde nichts . Man hörte das Klappern des Blechlöffels gegen die irdene Schüssel ; denn der Unteroffizier ersparte sich den Teller . – In der Ecke schnarchte der alte Bauer , sein Ältester war auf dem besten Wege , ihm nachzufolgen , trotz der Pfeife . Am Ofen , der eine ganze Ecke des Zimmers einnahm , mit seiner Hölle und der breiten Bank , hantierten die jüngeren Frauen an dem dampfendem Aufwaschfaß mit Tellern , Schüsseln und Tüchern . Der Büttnerbauer besaß zwei Töchter . Die dritte Frauensperson war Karls , des ältesten Sohnes , Frau . Die Büttnerschen Töchter zeigten sich sehr verschieden in der Erscheinung . Man würde sie kaum für Schwestern angesprochen haben . Toni , die ältere , war ein mittelgroßes , starkes Frauenzimmer mit breitem Rücken . Das runde Gesicht , mit roten Lippen und Wangen , erschien wohl hauptsächlich durch seine Gesundheit und Frische hübsch . Sie stellte mit ihrem drallen Busen und kräftigen Gliedmaßen das Urbild einer Bauernschönheit dar . Ernestine , die jüngere Schwester , war erst vor kurzem konfirmiert worden . Sie stand noch kaum im Anfange weiblicher Entwickelung . Sie war schlank gewachsen , und ihre Glieder zeigten eine bei der ländlichen Bevölkerung seltene Feinheit . Dabei war sie sehnig und keineswegs kraftlos . Ihren geschmeidigen , flinken Bewegungen nach zu schließen mußte sie äußerst geschickt sein . Die Arbeit flog ihr weit schneller von der Hand als der älteren Schwester . Der Schlummer des Vaters wurde respektiert ; man vermied das allzu laute Klappern mit dem Geschirr . Am wenigsten besorgt um den Schlaf des Alten schien Therese , die Schwiegertochter , zu sein . Sie sprach mit tiefer , rauher , etwas gurgelnder Stimme , wie sie Leuten eigen ist , die Kropfansatz haben . Therese war eine große , hagere Person , mit langer , spitzer Nase , ziemlich blaß , aber von knochig-derbem Wuchse , mit starkem Halse . Sie ging jetzt daran , die abgewaschenen Teller in das Tellerbrett zu stellen . Als sie an ihrem Gatten vorbeikam , dem der Kopf bereits tief auf die Brust herabgesunken war während ihm die Tabakspfeife zwischen den Schenkeln lag , stieß sie ihn unsanft an . » Ihr Mannsen braucht o ne en halben Tog zu verschlofa ; weil wir Weibsen uns abrackern missen . Das wär ane verkehrte Welt . Wach uf , Karle ! « – Karl fuhr auf , sah sich verdutzt um , nahm seine Pfeife auf , die er langsam wieder in Brand setzte , und blinzelte bald von neuem mit den Augenlidern . Seine Ehehälfte ging inzwischen brummend und murrend auf und ab . Theresens Wut wurde gar nicht durch die Schlafsucht des Gatten erregt , an die sie schon gewöhnt war . Vielmehr ärgerte sie sich darüber , daß Gustav von der Bäuerin mit den besten Bissen bewirtet wurde . Sie war ihrem Schwager überhaupt nicht grün . Der jüngere Sohn werde dem älteren gegenüber von den Alten bevorzugt , fand sie . Sie fühlte wohl auch , daß Gustav ihrem Gatten in vielen Stücken überlegen sei , und das mochte ihre Eifersucht erregen . Ganz erbost flüsterte sie den Schwägerinnen zu – soweit bei ihr von einem Flüstern die Rede sein konnte – » de Mutter stackt's Gustaven wieder zu , vurna und hinta ! « Endlich war Gustav fertig mit Essen . Zur Freude seiner Mutter hatte er reine Wirtschaft gemacht . Sich streckend und gähnend , meinte er , daß es in der Kaserne so was freilich nicht gäbe . Inzwischen war der alte Bauer erwacht . » War Gustav doe ? « fragte er , sich mit leeren Augen umsehend . Als er gehört hatte , daß Gustav bereits abgegessen habe , stand er auf und erklärte , mit ihm hinausgehen zu wollen auf die Felder . Der junge Mann war gern bereit dazu . Er wußte so wie so nicht , wie er den langen Sonntagnachmittag verbringen solle . Karl ging mit Vater und Bruder aus dem Zimmer , scheinbar , um mit auf's Feld zu gehen . Aber , er verschwand bald . Er hatte nur die Gelegenheit benutzt , herauszukommen , um auf dem Heuboden , ungestört von seiner Frau , weiter schlafen zu können . Der Bauernhof bestand aus drei Gebäuden , die ein nach der Südseite zu offenes Viereck bildeten . Das Wohnhaus , ein geräumiger Lehmfachwerkbau , mit eingebauter Holzstube , ehemals mit Stroh gedeckt , war von dem jetzigen Besitzer mit Ziegeldach versehen worden . Mit dem schwarz gestrichenen Gebälk und den weiß abgeputzten Lehmvierecken zwischen den Balken , den unter erhabenen Bogen wie menschliche Augen versteckten Dachsenstern , blickte es sauber , freundlich , altmodisch und gediegen drein . Die Winterverpackung aus Moos , Laub und Waldstreu war noch nicht entfernt worden . Das Haus war wohl versorgt , die Leute , die hier wohnten , das sah man , liebten und schützten ihren Herd . Unter einem langen und hohen Dache waren Schuppen , Banse und zwei Tennen untergebracht . Ein drittes Gebäude enthielt Pferde- , Kuh- und Schweineställe . Scheune wie Stall wiesen noch die althergebrachte Strohbedachung auf . Die Gebäude waren alt , aber gut erhalten . Man sah , daß hier Generationen von tüchtigen und fleißigen Wirten gehaust hatten . Jeder Ritz war zugemacht , jedes Loch beizeiten verstopft worden . In der Mitte des Hofes lag die Düngerstätte mit der Jauchenpumpe daneben . Am Scheunengiebel war ein Taubenhaus eingebaut , welches eine Art von Schlößchen darstellte ; die Türen und Fenster des Gebäudes bildeten die Ein- und Ausfluglöcher für die Tauben . Ein Kranz von scharfen , eisernen Stacheln wehrte dem Raubgetier den Zugang . In dem offenen Schuppen sah man Brettwagen , Leiterwagen und andere Fuhrwerke stehen , die Deichseln nach dem Hofe gerichtet . Unter dem vorspringenden Scheunendach waren die Leitern untergebracht . Im Holzstall lag gespaltenes Holz für die Küche , Reisig zum Anfeuern und Scheitholz . Das Kalkloch , der Sandhaufen und der Stein zum Dengeln der Sensen fehlten nicht . Der Sinn für das Nützliche und Notwendige herrschte hier wie in jedem rechten Bauernhofe vor . Aber auch der Gemütlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen . Ein schmales Gärtchen , von einem Holzstaket eingehegt , lief um die Süd- und Morgenseite des Wohnhauses . Hier zog die Bäuerin neben Gemüsen und nützlichen Kräutern verschiedene Blumensorten , vor allem solche , die sich durch starken Geruch und auffällige Farben auszeichneten . Und um die Pracht voll zu machen , hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln angebracht . In der Ecke des Gärtchens stand eine aus Brettern zusammengestellte Holzlaube , die sich im Sommer mit bunt blühenden Bohnenranken bezog . Im Grasgarten standen Obstbäume , von denen einzelne , ihrem Umfange nach zu schließen , an hundert Jahr alt sein mochten . Die Tür des Wohnhauses war besonders schön hergestellt . Drei glatt behauene steinerne Stufen führten hinauf . Die Pfosten und der Träger waren ebenfalls von Granit . Auf einer Platte , die über der Tür angebracht war , stand folgender Spruch eingegraben : » Wir bauen alle feste , und sind doch fremde Gäste , und wo wir sollen ewig sein , da bauen wir gar wenig ein ! « Gustav und der Bauer schritten vom Hause , ohne daß einer dem anderen ein Wort gesagt oder einen Wink gegeben hätte , geraden Weges nach dem Pferdestalle ; denn hier war der Gegenstand des allgemeinen Interesses untergebracht : eine zweijährige braune Stute , die der Bauer vor kurzem gekauft hatte . Zum dritten oder vierten Male schon besuchte der Unteroffizier , der erst am Abend vorher in der Heimat eingetroffen war , das neue Pferd . Er hatte sich die Stute auch schon ins Freie hinausführen lassen , um ihre Gänge zu beobachten ; aber ein Urteil über das Pferd hatte er noch immer nicht abgegeben , obgleich er ganz genau wußte , daß der Alte darauf wartete . Gustav sagte auch jetzt noch nichts , obgleich er prüfend mit der Hand über die Sehnen und Flechsen aller vier Beine gefahren war . Die Büttners waren darin eigentümliche Käuze . Nichts wurde ihnen schwerer , als sich gegen ihresgleichen offen auszusprechen . Oft wurden so die wichtigsten Dinge wochenlang schweigend herumgetragen . Jeder empfand das als eine Last , aber der Mund blieb versiegelt , bis endlich die eherne Notwendigkeit oder irgend ein Zufall die Zungen löste . – Es war fast , als schämten sich die Familienmitglieder , untereinander Dinge zu besprechen , die sie jedem Fremden gegenüber offener und leichteren Herzens geäußert haben würden . Vielleicht , weil jedes die innersten Regungen und Stimmungen des Blutsverwandten zu genau kannte und seine eigenen Gefühle wiederum von ihm gekannt wußte . Vater und Sohn traten , nachdem man das Pferd genügend geklopft und gestreichelt und ihm die Streu frisch aufgeschüttelt hatte , wieder auf den Hof hinaus . Hier verweilte sich Gustav nicht erst lange . Es hatte sich in der Wirtschaft sonst nichts weiter verändert , seit er das letztemal auf Urlaub gewesen war . Die neu aufgestellten Ferkel und die angebundenen Kälber hatte er schon vor der Kirche mit der Bäuerin besehen . Man schritt nunmehr unverweilt zum Hofe hinaus . Das Gut bestand aus einem langen , schmalen Streisen , der vom Dorfe nach dem Walde hinauslief . Am unteren Ende lag das Gehöft . Im Walde , der zu dem Bauerngute gehörte , entsprang ein Wässerchen , das mit ziemlich starkem Gefälle zum Dorfbach hinabeilte . An diesem Bächlein lagen die Wiesen des Büttnerschen Grundstückes . Zwischen den Feldern zog sich der breite Wirtschaftsweg des Bauerngutes , mit alten , tief eingefahrenen Gleisen , holperig und an vielen Stellen von Rasen überwachsen , vom Gehöft nach dem Walde hinauf . Vater und Sohn gingen langsam , jeder auf einer Seite des Weges für sich . Heute konnte man sich Zeit nehmen , heute gab es keine Arbeit . Gesprochen wurde nichts , weil einer vom anderen erwartete , daß er zuerst etwas sagen solle . Bei den einzelnen Schlägen blieb der alte Bauer stehen und blickte den Sohn von der Seite an , das Urteil des jungen Mannes herausfordernd . Gustav war nicht etwa gleichgültig gegen das , was er sah . Er war auf dem Lande geboren und aufgewachsen . Er liebte den väterlichen Besitz , von dem er jeden Fußbreit kannte . Der Bauer hatte die Hilfe des jüngeren Sohnes in der Wirtschaft all die Zeit über , wo Gustav bei der Truppe war , aufs empfindlichste vermißt . Karl , der eigentliche Anerbe des Gutes und Hofes , war nicht halb soviel wert als Arbeiter und Landwirt wie der jüngere Sohn . Sie hatten bereits mehrere Stücke betrachtet , da blieb der Bauer vor einem Kleeschlage stehen . Er wies auf das Stück , das mit dichtem , dunkelgrünem Rotklee bestanden war . » Sicken Klee hat 's weit und breit kenen . – Haa ! – In Halbenau hoat noch kee Pauer su an Klee gebrocht . Und der hoat in Haber gestanda . – Haa ! – Do kann sich in April schun der Hoase drine verstacken , in dan Klee ! « – Er stand da , breitbeinig , die Hände auf dem Rücken , und sein altes , ehrliches , rotes Bauerngesicht strahlte vor Stolz . Der Sohn tat ihm den Gefallen , zu erklären , daß er besseren Klee zu Ostern auch noch nicht gesehen habe . Nachdem man sich genügsam an dieser Pracht geweidet , ging's langsam auf dem Wirtschaftswege weiter . Nun war das Schweigen einmal gebrochen , und Gustav fing an zu erzählen . Im Manöver und bei Felddienstübungen war er viel herumgekommen im Lande . Er hatte die Augen offen gehalten und sich gut gemerkt , was er anderwärts gesehen und kennen gelernt von neuen Dingen . Der alte Bauer bekam von allerhand zweckmäßigen Maschinen und Einrichtungen zu hören , die ihm der Sohn zu beschreiben versuchte . » Bei Leiba , bei Leiba ! « rief er ein über das andere Mal erstaunt aus . Die Berichte des Sohnes klangen ihm geradezu unglaublich . Besonders daß es jetzt eine Maschine geben solle , welche die Garben bände , das wollte ihm nicht in den Sinn . Säemaschinen , Dreschmaschinen , das konnte er ja glauben , die hatte er auch schon selbst wohl gesehen , aber eine Maschine , welche die Garben raffte und band ! » Da mechte am Ende ener och a Ding erfinden , das die Apern stackt oder de Kihe von selber melken tut . Ne , das glob'ch ne ! – dernoa , wenn 's suweit käma , da kennten mir Pauern glei gonz eipacken . Si 's su schun schlimm genuche mit a Pauern bestellt . Dar Edelmann schind uns , und dar Händler zwickt uns ; wenn och noch de Maschinen , und se wullen alles besurgen , dernoa sein mir Pauern glei ganz hin ! « – Gustav lächelte dazu . Er hatte in den letzten Jahren doch manches bäurische Vorurteil abgestreift . Er versuchte es , den Vater zu überzeugen , daß das mit den neuen Erfindungen doch nicht ganz so schlimm sei ; im Gegenteil , man müsse dergleichen anwenden und nutzbar zu machen suchen . Der Alte blieb bei seiner Rede . Zwar hörte er dem Jungen ganz gern zu ; Gustavs lebhafte und gewandte Art , sich auszudrücken , die er sich in der Stadt angeeignet , machte ihm , der selbst nie die Worte setzen gelernt hatte , im stillen Freude und schmeichelte seinem väterlichen Stolze , aber von seiner ursprünglichen Ansicht ging er nicht ab . Das war alles nichts für den Bauern . Solche Neuerungen waren höchstens dazu erfunden , den Landmann zu verderben . Sie waren unter solchen Gesprächen an den Wald gelangt . Hier lief die Flur in eine sumpfige Wiese aus , die in unordentlichen Niederwald überging . Dahinter erhoben sich einzelne Kiefern , untermengt mit Wacholdersträuchern , Ginster und Brombeergestrüpp . Der Boden , durch die jährliche Streunutzung völlig entwertet , war nicht mehr imstande , einen gesunden Baumwuchs hervorzubringen . Der Büttnerbauer war , wie die meisten seines Standes , ein schlechter Waldheger . Der alte Mann wollte nunmehr umkehren . Aber Gustav verlangte noch das » Büschelgewände « zu sehen , da sie einmal so weit draußen seien . Diese Parzelle hatte der Vater des jetzigen Besitzers angekauft und dem Gute einverleibt . Der Bauer zeigte wenig Lust , den Sohn dieses Stück sehen zu lassen , und mit gutem Grunde . Das Stück lag brach , allerhand Unkraut machte sich darauf breit . Der Bauer schämte sich dessen . » Was habt Ihr denn dort stehen heuer ? « fragte Gustav völlig arglos . » Ne viel Gescheits ! Dar Busch dämmt's Feld zu siehre , und a Zehnter-Rehe san och allendchen druffe ; da kann duch nischt ne gruß warn . « Er verschwieg dabei , daß dieses Gewände seit anderthalb Jahren nicht Pflug und nicht Egge gesehen hatte . » Will denn der Graf immer noch unseren Wald kofen ? « fragte Gustav . Der Büttnerbauer bekam einen roten Kopf bei dieser Frage . » Ich sullte an Buusch verkofen ! « rief er . » Ne , bei meinen Labzeiten wird suwas ne ! 's Gutt bleibt zusommde ! « Die Zornader war ihm geschwollen , er sprach heiser . » Ich meente ock , Vater ! « sagte Gustav beschwichtigend . » Uns nutzt der Busch doch nich viel . « Der Büttnerbauer machte Halt und wandte sich nach dem Walde zu . » Ich verkofe och nich an Fußbreit von Gutte , ich ne ! Macht Ihr hernachen , wos der wullt , wenn'ch war tud sein . Vun mir kriegt dar Graf dan Buusch ne ! Und wenn er mir nuch su vill läßt bietan . Meenen Buusch kriegt ar ne ! « Der Alte ballte die Fäuste , spuckte aus und wandte dem Walde den Rücken zu . Gustav schwieg wohlweislich . Er hatte den Vater da an einer wunden Stelle berührt . Der Besitzer der benachbarten Herrschaft hatte dem alten Bauer bereits mehr als einmal nahe legen lassen , ihm seinen Wald zu verkaufen . Solche Ankäufe waren in Halbenau und Umgegend nichts Seltenes . Die Herrschaft Saland , die größte weit und breit , ursprünglich nur ein Rittergut , war durch die Regulierung und die Gemeinheitsteilung und später durch Ankauf von Bauerland zu ihrer jetzigen Größe angewachsen . Das Büttnersche Bauerngut lag bereits von drei Seiten umklammert von herrschaftlichem Besitz . Der Büttnerbauer sah mit wachsender Besorgnis dem immer weiteren Vordringen des mächtigen Nachbars zu . Seine Ohnmacht hatte allmählich eine grimmige Wut in ihm erzeugt gegen alles , was mit der Herrschaft Saland in Zusammenhang stand . Verschärft war seine Gehässigkeit noch worden , seit er bei einem Konflikte , den er mit der Herrschaft wegen Übertritts des Damwildes auf seine Felder gehabt , in der Wildschadenersatzklage abschlägig beschieden worden war . Man schritt den Wiesenpfad hinab , am Bache entlang . Von rechts und links , von den höher gelegenen Feldstücken , drückte das Wasser nach der Bachmulde zu . Das dunkle , allzu üppige Grün verriet die Feuchtigkeit einzelner Flecken . Es gab Stellen , wo der Boden unter dem Tritt des Fußes erzitterte und nachzugeben schien . Der ganze Wiesengrund war versumpft . Gustav meinte , daß hier Drainage angezeigt sei . » Wu fullt ak daderzut 's Geld rauskumma , un de Zeit ! « rief der Büttnerbauer . » Mir warn a su och schunsten ne fertg ! Unserens kann'ch mit su was duch ne abgahn . Drainierchen , das is ganz scheen und ganz gutt for an Rittergutsbesitzer oder anen Ökonomen ; aber a Pauer ... « Er vollendete seine Rede nicht , verfiel in Nachdenken . Die ganze Zeit über hatte er etwas auf dem Herzen dem Sohne gegenüber , aber er scheute das unumwundene Geständnis . » Es mechten eben a poar Fausten mehr sein für's Gutt ! « sagte er schließlich . » Mir sein zu wing Mannsen , Karle und ich , mir zwee alleene . Die Weibsen täten schun zulanga ; aber dos federt ne su : Weiberarbeit . Mir zwee , Karle und ich , mir wern de Arbeit ne Herre . A dritter mechte hier sein ! « – Gustav wußte nun schon , worauf der Alte hinaus wollte . Es war die alte Geschichte . Daß er dem Vater fehle bei der Arbeit , wollte er schon glauben . Denn Karl war ja doch nicht zu vergleichen mit ihm , in keiner Weise , das wußte der selbstbewußte junge Mann recht gut . – Der Vater klagte ja nicht zum ersten Male , daß die Wirtschaft zurückgehe , seit Gustav bei der Truppe sei . Aber , das konnte nichts helfen , Gustav war nicht gesonnen , die Tressen aufzugeben für die Stellung eines Knechtes auf dem väterlichen Hofe . Ja , wenn 's noch für eigene Rechnung gewesen wäre ! Aber für die Familie sich abschinden , für Eltern , Bruder und Schwestern . Für ihn selbst sprang ja dabei gar nichts heraus . Das Gut erbte ja einstmals nicht er , sondern Karl . – Er erwiderte daher auf die Klage des Vaters in kühlem Tone : » Nehmt Euch doch einen Knecht an , Vater ! « Der Alte blieb stehen und rief mit heftigen Armbewegungen : » An Knacht ! Ich sull mer an Knacht onnahma ? Ich mecht ock wissen , wu dar rauswachsen sillte . Achzig Toler kriegt a su a Knacht jetzt im Juhre , und's Frassen obendrein . Und do mechte och noch a Weihnachten sen und a Erntescheffel . Mir hon a su schun zu vills Mäuler zu stopfa , hon mir ! Wusu kann ich denne , und ich kennte mer an Knacht halen ! – Ne , hier mechte ener har , dar zur Familie geherte , dan wer keenen Lohn ne brauchten zahla . So ener mechte hier sen ! « Der Unteroffizier zuckte die Achseln , und der Vater sagte nichts weiter . Der Rückweg wurde schweigend zurückgelegt . In dem Gesichte des Alten zuckte und witterte es , als führe er das Gespräch innerlich weiter . Ehe sie das Haus betraten , hielt er den Sohn am Arme fest und sagte ihm ins Ohr : » Ich will der amal a Briefel weisen , Gustav , das'ch gekriegt ha' . Komm mit mer ei die Stube ! « – Der Büttnerbauer ging voraus in die Wohnstube . Außer der alten Bäuerin war hier nur die Schwiegertochter anwesend . Therese schaukelte ihr Jüngstes , das an einem durch zwei Stricke am Mittelbalken der Holzdecke befestigten Korbe lag , hin und her . Der Bauer begann in einem Schubfache zu kramen . » Woas suchst de denne , Büttner ? « fragte die Bäuerin . » 's Briefel von Karl Leberechten . « » Dos ha'ch verstackt ! « rief die alte Frau , und kam aus ihrer Ecke hervorgehumpelt . » Wart ack , wart ! « Sie suchte auf der Kommode , dort lag in einem Schächtelchen ein Schlüssel , mit diesem Schlüssel ging sie zum Spind , schloß es auf und entnahm dem obersten Brett ein altes Buch mit vielen Einlagen und Buchzeichen . In dem Buche blätterte sie eine Weile , bis sie endlich auf das gesuchte Schreiben kam . » Doe is er ! « Der Büttnerbauer berührte den Brief wie alles Geschriebene mit besonderer Vorsicht , ja mit einer Art von Scheu . Dann schob er ihn dem Sohne hin : » Lase a mal dos , Gustav ! « Der Briefbogen hatte großes Quartformat und trug rechts oben eine Firma : » C.G. Büttner , Materialwarenhandlung en gros & en detail . « Folgte die Ortsbezeichnung . Gustav sah nach der Unterschrift . Sein eigener Name stand darunter : Gustav Büttner . Der Briefschreiber war demnach sein ihm gleichaltriger Vetter , Kompagnon im Geschäfte des alten Karl Leberecht Büttner . Gustav hatte Onkel und Vetter ein einziges Mal gesehen in seinem Leben , als sie vor Jahren dem Heimatdorfe einen flüchtigen Besuch von der Stadt aus abgestattet . Dieser Karl Leberecht war ein um wenige Jahre jüngerer Bruder des Büttnerbauern . Er hatte Halbenau frühzeitig verlassen als ein großer Tunichtgut . Jahrelang war nichts von ihm verlautet . Dann tauchte er plötzlich als verheirateter Mann und Inhaber eines Grünwarengeschäftes in einer mittelgroßen Stadt der Provinz auf . Inzwischen hatte sich sein Geschäft zur » Materialwarenhandlung en gros & en detail « ausgewachsen . Die beiden Familien , die eine in der Stadt , die andere auf dem Dorfe , hatten so gut wie gar keine Berührungspunkte mehr . Nur bei der Erbschaftsregulierung , vor nunmehr dreißig Jahren , war man einander auf kurze Frist wieder einmal näher getreten . In den letzten Jahrzehnten hatte man nur ganz gelegentlich etwas voneinander gesehen oder gehört . G. Büttner jun. also schrieb im Namen seines Vaters , daß man die Hypothek , welche von der Erbteilung her noch auf dem Büttnerschen Bauerngute in Halbenau stand , hiermit kündige , und daß man den Eigentümer besagten Bauerngutes ersuche , Zahlung zum Iohannitermine zu leisten . Als Grund der Kündigung war Erweiterung des Geschäftes angegeben . Der Brief war durchaus in geschäftlichem Stile gehalten und enthielt nichts , was darauf hindeutete , daß Schreiber und Empfänger in naher Blutsverwandtschaft standen . Vater und Mutter hielten sich hinter dem Sohne , während er las , und blickten ihm über die Schulter . Habt Ihr schon was derzu getan , Vater ? « meinte Gustav , als er fertig war mit lesen . » Wie meenst de ? « fragte der Alte und sah ihn verständnislos an . » Ob Ihr schon derzu getan habt wegen an Gelde ? Am ersten Juli müßt Ihr zahlen . « » Siehst de , Moann ! « rief die Bäuerin . » Ich ho dersch immer geseut , de mechtest federn und nach an Galde sahn . « » Ich bin o schun , und ich ha mich befrogt im a Gald . Bei Kaschelernsten bi'ch gewast ; der spricht , ar wullt mersch ack gahn , wenn'ch 'n sechsdehalb Prozent versprechen täte . « » Das sieht dem Kujon ähnlich ! « rief Gustav . Sein Onkel Kaschel war der Inhaber des Kretschams von Halbenau . Er war Witwer , ehemals mit einer Schwester des Büttnerbauern verheiratet . Er galt in Halbenau , wo Bargeld ziemlich rar war , für den ersten Kapitalisten . » Da mechte aber bald Rat werden , « sagte Gustav nachdenklich . » Sonst werdet Ihr verklagt , Vater ! « » Mei Heiland ! Siehste's Moann ! « rief die Bäuerin . » Ich ho 's schun immer geseut iber den Pauer : mir wern noch gepfändt , ho'ch ibern geseut , de werscht 's derlaben , Traugott ! « » Nu , dos gleb ' ch do ne von Karl Leberechten ! « meinte der Alte ; aber sein unsicherer Blick zeigte , daß ihm nicht ganz geheuer zumute sei . » Die werden wohl nich lange fackeln ! « meinte Gustav . » Siehste , Traugott , siehste ! Gustav meent och su ! « rief die Bäuerin . » Su is er aber nu , der Vater . Er bedenkt sich , und er bedenkt sich , und er tut nischt derzu . Er werd's nuch soweit bringa , daß se 'n 's Gut wagnahmen kumma . « Der Büttnerbauer warf seiner Ehehälfte einen finsteren Blick zu . Das Wort hatte ihn getroffen . » Halt de Fresse , Frau ! « rief er ihr zu . » Was verstiehst denn du vun a Geschäften ! « Die Bäuerin schien mehr betrübt als beleidigt über diese Worte des Gatten . Sie zog sich schweigend in ihre Ecke zurück . Gustav überlegte eine Weile , welchen Rat er seinem Vater geben solle . Einen Augenblick dachte er daran , dem Vater abermals vorzuschlagen , daß er seinen Wald an die Herrschaft verkaufen möchte . Aber , dann fiel ihm ein , wie dieser Vorschlag den Alten vorhin erbost hatte . Er kannte seinen Vater , den hatte noch niemals jemand von seiner Ansicht abgebracht . » Ich weiß keenen andern Rat , Vater , « sagte er schließlich . » Ihr müßt in die Stadt . Hier weit und breit is doch keen Mensch mit Gelde , außer Kaschelernsten . In der Stadt , dächt'ch , müßte doch Geld zu bekommen sein . « » Das ho' ch och schun gedacht ! « meinte der Büttnerbauer mit nachdenklicher Miene . Es trat ein langes Schweigen ein . Man hörte nur das leichte Knarren der Stricke in den Haken und das Knistern des Korbes , in welchem Therese den Säugling hin und her schaukelte . – Jetzt traten die beiden Mädchen ins Zimmer . Toni war im vollen Staate . Ihre üppigen Formen waren in ein Kleid von greller , blauer Farbe gezwängt , das vorn etwas zu kurz geraten war , und so die plumpen , schwarzen Schuhe sehen ließ . An ihrem Halse blitzte eine Brosche von buntem Glase . Ihr blondes Haar hatte sie stark pomadisiert , so daß es streifenweise ganz braun aussah . Offenbar war sie sehr stolz über den Erfolg ihrer Toilettenkünste . Steif und gezwungen , als sei sie von Holz , bewegte sie sich . Denn die Zugschuhe , der Halskragen und das Korsett waren ihr ungewohnte Dinge . Sie ging einher wie eine Puppe . Gustav , der in der Stadt seinen Geschmack gebildet hatte , belächelte die Schwester . Heute abend sei Tanz im Kretscham , berichtete Toni dem Bruder . Sie hoffte , daß er sie dahin begleiten würde , darum hatte sie sich auch so besonders herausgeputzt , um vor seinem verwöhnten Auge zu bestehen . – Der alte Bauer , der allen Putz und unnützen Tand nicht leiden mochte , brummte etwas von » Pfingstuchse « ! Aber , die Bäuerin nahm die Tochter in Schutz . Am Sonntage wolle solch ein Mädel auch einmal einen Spaß haben , wenn sie sich Wochentags abgerackert habe im Stalle , Hause und auf dem Felde . Das Abendbrot wurde zeitiger anberaumt , damit die Kinder nichts von dem Vergnügen versäumen sollten . Gustav begleitete die Schwester zum Kretscham . Unterwegs erzählte ihm Toni , daß Ottilie , die Tochter Kaschelernsts , des Kretschamwirtes , in den letzten Tagen wiederholt und zuletzt heute früh in der Kirche gefragt habe , ob Gustav nicht zum Tanze in den Kretscham kommen werde . Der Unteroffizier konnte sich eines Lachens nicht enthalten , sobald er nur die Cousine erwähnen hörte . Ottilie Kaschel war um einige Jahre älter als er , aber , als die Tochter Kaschelernsts , wohl die beste Partie von Halbenau . Gustav hatte sich in früheren Zeit gelegentlich sein Späßchen mit ihr erlaubt ; er wußte ganz gut , daß sie ihn gern mochte , aber der Gedanke an ihre Erscheinung machte ihn lachen . Sie hatten ein Pferd bei der Schwadron , einen alten Schimmel : die » Harmonika « , dürr , überbaut , mit Senkrücken ; an den erinnerte ihn seine Cousine Ottilie . Gustav ließ die Schwester allein in den Kretscham treten . Er sagte , er werde nachkommen . Oben im Saale glänzten schon die Fenster , das Schmettern der Blechmusik , untermischt mit dem dumpfen Stampfen und Schleifen der Tänzer , drang auf die Straße hinaus . Gustav lockte das nicht ; ihn erwarteten heute abend ganz andere Freuden . Auf Seitenpfaden , zwischen Gärten und Häusern hin , schlich er sich durch die Nacht . Um nicht angesprochen zu werden , stieg er , als ihm ein Trupp junger Leute entgegenkam , über einen Zaun . Bei Katschners Pauline brannte ein Lämpchen . Sie wartete auf ihn . Sie hatten nichts verabredet heute früh , und doch wußten beide , was der Abend bringen würde . Er klopfte vorsichtig an ihr Fenster . Da wurde auch schon der Vorhang zurückgeschoben . Eine weiße Gestalt erschien für einen Augenblick hinter den Scheiben . Ein kleines Schiebefensterchen öffnete sich . » De Tiere is uff , Gustav ! Mach keenen Lärm , de Mutter is derheme . « Der Unteroffizier zog sich die Stiefeln aus und reichte sie wortlos dem Mädchen zum Fenster hinein . Dann schlich er sich , mit den Bewegungen einer Katze , durch die niedere Tür in das Häuschen . Gleich darauf verlöschte das Licht in Paulinens Zimmer . III . Einige Tage später fuhr der Büttnerbauer im korbgeflochtenen Kälberwägelchen durchs Dorf . Er saß ganz vorn im Wagen , so daß er den Pferdeschwanz beinahe mit den Füßen berührte , auf einem Gebund Heu , hinter ihm lagen eine Anzahl gefüllter Säcke . Er hatte sich rasiert , was er sonst nur am Sonnabend abend tat , er trug ein reines Hemd , den schwarzen Rock und einen flachen Filzhut – sichere Wahrzeichen , daß es nach der Stadt ging . Als er am Kretscham von Halbenau vorbeikam , stand dort sein Schwager Ernst Kaschel in der Tür , Zipfelmütze auf dem Kopfe , die Hände unter der Schürze , in der echten Gastwirtspositur . Der Bauer stellte sich , als sähe er den Gatten seiner verstorbenen Schwester nicht , blickte vielmehr steif geradeaus auf die Landstraße , während er sich dem Kretscham näherte , und gab dem Rappen die Peitschenschmitze zu fühlen , damit er sich in Trab setzen solle . Der Büttnerbauer war seinem Schwager Kaschel niemals grün gewesen . Das gespannte Verhältnis zwischen den Verwandten stammte von der Erbauseinandersetzung her , die der Bauer nach dem Tode des Vaters mit seinen Geschwistern gehabt hatte . Aber der Gastwirt ließ den Schwager nicht unangeredet vorüberfahren . » Gun Tag o , Traugott ! « rief er dem Bauer zu . Und als dieser auf den Gruß nicht zeichnete , sprang der kleine Mann behende die Stufen vom Kretscham auf die Straße hinab , trotz seiner Holzpantoffeln , und lief auf das Gefährt zu . » Holt a mal , Traugott ! Ich ha mit dir zu raden . « – Der Bauer brachte das alte Tier , das , wenn einmal im Schusse , schwer zu parieren war , durch ein paarmaliges kräftiges Anziehen der Zügel endlich zum stehen und fragte mit wenig erfreuter Miene , was » zum Schwerenschock « jener von ihm wolle . Der Kretschamwirt lachte ; es war dies eine von Ernst Kaschels Eigentümlichkeiten , in allen Lebenslagen zu grinsen . Es gab ihm das etwas Verlegenes , ja geradezu Törichtes und Tölpelhaftes – jedenfalls hatte es der Mann trotz dieser Eigenheit in seinem Leben zu einer gewissen Macht über seine Mitmenschen gebracht . Kaschelernst , wie er meist genannt wurde , verzog also sein kleines , bartloses Gesicht zu einem Grinsen und fragte , statt zu antworten : » Hast de 's denne so eilig , Traugott ! Ich wollt ack freun , wu de su frih an Tage schun hin wolltest ? « » Ei de Stadt , Hafer verlosen , « erwiderte Büttner , ärgerlich über den Aufenthalt und über das verhaßte Lächeln des Schwagers , dessen wahren Sinn er am eigenen Leibe oft genug erfahren hatte . Schon hob er die Peitsche , um den Rappen von neuem anzutreiben . Aber der Wirt hatte das Pferd inzwischen am Kehlriemen gefaßt und kraute es in den Nüstern , so daß der Bauer , wäre er jetzt losgefahren , den Schwager höchst wahrscheinlich über den Haufen gerannt hätte . Kaschelernst war ein kleines , hiefriches Männchen , mit rötlich glänzendem , dabei magerem Gesicht . Den feuchten , schwimmenden Augen konnte man die Liebhaberei des Wirtes für die Getränke ansehen , die er selbst verschänkte . Mit dem kahlen , spitzen Kopfe , dem fliehenden Kinn und dem Rest von vorspringenden Zähnen in dem bartlosen Munde sah er einer alten Ratte nicht unähnlich . Seine Glatze deckte tagein , tagaus eine gewirkte Zipfelmütze , der Leib war in die Wirtsschürze eingeschnallt , an den Füßen trug er blaue Strümpfe , in denen die Beinkleider verschwanden . Er ließ ein » Ho , Alter , ho ! « vernehmen – was dem Pferde galt – dann wandte er sich mit blödem Lachen an seinen Schwager : » Wo in drei Teifels Namen nimmst denn du dan Hafer her , zum verkefen , jetzt im Frühjuhre ? « » Mir hon gelt allens zusommde gekroatzt uf'n Schittboden , 's is'n immer nuch ane Handvell ibrig fir de Pferde . Ich dachte ock , und ich meente , weil er jetzt on Preis hat , dacht'ch , du verkefst'n , ehbs daß er wieder billig wird , dar Hafer . « » Ich kennte grode a Zentner a zahne gebrauchen , « meinte der Gastwirt , » wenn er nich zu huch käme . « » Der Marktpreis stieht ja im Blattel . « » An Marktpreis mecht' ch nu grode ne zahlen , wenn'ch 'n vun dir nahme , den Hafer . Du wirst duch an nahen Verwandten ne iberteuern wullen , Traugott . « – Kaschelernst verstand es , ungemein treuherzig dreinzublicken , wenn er wollte . » Vun wegen der Verwandtschaft ! ... « rief der Büttnerbauer erregt . » Sechsdeholb Prozent von an nahen Verwandten furdern , wenn ersch's Geld nötig hat , das kannst du ! – Gih mer aus 'n Wege , ich will furt ! « Kaschelernst ließ den Kopf des Pferdes nicht los , trotz des drohend erhobenen Peitschenstils . » Ich will der wos sagen , Traugott ! « meinte er , » ich ha' mersch iberlegt seit neilich wegen der Hypothek von Karl Leberechten . Ich will dersch Geld mit finf Prozent burgen . Ich will 's machen , ock weil du 's bist , Traugott ! Du brauchst's am Ende netig . Ich ha' mersch iberlegt ; ich will dersch gahn , mit finf Prozent . « Der Bauer blickte seinen Schwager mißtrauisch an . Was hatte denn den auf einmal so umgestimmt ? Neulich hatte er noch sechs und ein halb Prozent verlangt , und keinen Pfennig darunter , wenn er die Hypothek , die dem Büttnerbauer von seinem Bruder Karl Leberecht gekündigt worden war , übernehmen solle . Daß Kaschelernst ihm nichts zuliebe tun werde , wußte der Bauer nur zu genau . Andererseits lockte das Anerbieten . Fünf Prozent für die Hypothek . – Es war immer noch Geld genug ! Vielleicht bekam man 's doch noch um ein halb Prozent billiger in der Stadt . Überhaupt war es vielleicht besser , sich mit Kaschelernst nicht weiter einzulassen ; er besaß ja sowieso weiter oben noch eine Hypothek auf dem Bauerngute eingetragen , und leider hatte er ja auch überdies Forderungen . » No , wie is ! « mahnte Kaschelernst den Überlegenden . » Sein mir eenig ? Finf Prozent ! « » Mir worsch aben racht , wenn'ch 's Geld glei kriegen kennte . « » 's Geld is da ! Ich ha's huben liegen . Da kannst's glei mitnahmen , Traugott , uf de Post , wenn de Karl Leberechten auszahlen willst . Also , wie is , sein mer eenig ? « Der Bauer similierte noch eine ganze Weile . Er mißtraute der Sache . Irgendwo war da eine Hintertür , die er noch nicht sah . Wenn Kaschelernst die Miene des Biedermanns aufsetzte , da konnte man sicher sein , daß er einen begaunern wollte . » Du soist , du hättst's Geld da liegen ; soist du ? « » Tausend Taler und drüber ! se liegen bei mer im feuersicheren Schranke . Willst se sahn , Traugott ? « » Also finf Prozent ! Kannst de 's ne drunger macha ? « » Ne , drunger gar ne ! Und ees wolt'ch der glei noch sagen , Traugott , bei der Gelegenheit : für meine eegne Hypothek , die'ch von deiner Schwester geerbt ha' , dos wullt'ch der glei noch sagen : da mecht'ch von Michaelis an och finf Prozent han , viere dos is mer zu wing , verstiehst de ! « » Du bist wuhl verrikt ! « » Finf Prozent für beide Hypotheken ! hernachen sollst du 's Geld han . Anderscher wird keen Geschäft ne , Traugott ! « Jetzt riß dem Büttnerbauer die Geduld . Er hob die Peitsche und schlug auf das Pferd . Der Gastwirt , erkennend , daß es diesmal Ernst sei , hatte gerade noch Zeit , beiseite zu springen . Der Rappe bockte erst ein paarmal ob der unerwarteten Schläge , dann zog er an . Kirschrot im Gesicht wandte sich der Bauer nach seinem Schwager um und drohte unter wilden Schimpfreden . Dabei ging das Geschirr in Bogenlinien von einer Seite der Straße auf die andere und drohte in den Graben zu stürzen , weil der Bauer in seiner Wut abwechselnd an der Hotte- und an der Hüsteleine riß . Der Kretschamwirt stand mitten auf der Straße und sah dem davoneilenden Gefährte nach , sich die Seiten vor Lachen haltend . Er sprang vor Vergnügen von einem Bein auf das andere , kicherte und schnappte nach Luft . Sein Sohn Richard , ein sechzehnjähriger Schlacks , hatte die Verhandlungen zwischen Vater und Onkel vom Gaststubenfenster aus neugierig verfolgt . Jetzt , da er den Büttnerbauer erregt abfahren sah , kam er heraus zum Vater , um zu erfahren , was eigentlich vorgegangen sei . Kaschelernst , dem die Augen übergingen , konnte seinem Sohn vor Lachen kaum etwas erzählen . Der Büttnerbauer machte seinem Ärger noch eine geraume Weile durch Flüche Luft . Am meisten ärgerte er sich über sich selbst , daß er sich abermals hatte verführen lassen , mit seinem Schwager Kaschel zu sprechen . Als ob jemals ein Mensch mit diesem » Würgebund « etwas zu tun gehabt hätte , ohne von ihm übers Ohr gehauen worden zu sein . Der war ja so ein » gerissener Hund « mit seinem blöden Lachen . Als ob er nicht bis drei zählen könne , so konnte dieser Lump sich anstellen , und gerade damit fing er die meisten Gimpel . Als Kaschelernst ins Dorf gekommen war vor Jahren , hatte er nicht einen roten Heller sein eigen genannt , und jetzt war er der anerkannt reichste Mann in Halbenau . Der Kretscham , zu welchem ein nicht unbedeutendes Feldgrundstück gehörte , war sein eigen . Er hatte einen Tanzsaal mit großen Fenstern eingebaut , zwei Kegelbahnen und einen Schießstand angelegt . Außer dem Schnaps- und Bierausschank betrieb er den Kleinkram , gelegentlich auch Fleischerei und Getreidehandel . Alles gedieh ihm . Auch Landverkäufe vermittelte er . Man munkelte allerhand , daß er seine Hand im Spiele gehabt bei Güterzerschlagungen , wie sie in der letzten Zeit nicht selten in und um Halbenau stattgefunden hatten . Mit den Händlern , Mäklern und Agenten der Stadt stand er in regem Verkehr ; kaum eine Woche verging , wo nicht einer von dieser Zunft im Kretscham von Halbenau abgestiegen wäre . Und zu denken , daß dieser Mensch alles das nur dadurch erreicht hatte , daß er eine Tochter aus dem Büttnerschen Gute geheiratet ! – Der alte Bauer gab sich trüben Gedanken hin , nachdem der erste Ärger verflogen war . Wie war das alles nur so über ihn und seine Familie gekommen ! – Es war doch keine Gerechtigkeit in der Welt ! Der Pastor mochte von der Kanzel herab sagen , was er wollte : die schlechten Menschen fänden schon hier auf Erden ihre Strafe und die guten ihren Lohn ; für ihn und die Seinen stimmte das nicht . Da war es eher umgekehrt . – » Es gab keine Gerechtigkeit auf der Welt ! « * * * Das Büttnersche Gut war eine der ältesten spannfähigen Stellen im Orte . Es war , wie die Kirchenbuchnachrichten auswiesen , stets mit Leuten dieses Namens besetzt gewesen . Lange vor dem großen Kriege schon hatten die Büttners dem Dorfe mehrere Schulzen geschenkt . Und unter den alten Grabsteinen auf dem Kirchhofe war mancher , der diesen Namen aufwies . Während des Dreißigjährigen Krieges , wo Halbenau und Umgegend mehrfach arg mitgenommen wurden , war mit dem » großen Sterben « auch die Büttnersche Familie bis auf vier Augen ausgestorben . Seitdem gab es nur noch diesen einen Zweig in Halbenau . Nicht , daß es der Familie an Nachwuchs gefehlt hätte ! aber , entweder heirateten die jüngeren Söhne nicht , oder wenn sie eigene Familien begründet hatten , blieben sie doch mit Frau und Kind auf dem Hofe ihrer Väter , halfen bei der Bestellung und arbeiteten die Frondienste für den Grundherrn ab . Die Kinder mußten , wie üblich , der Gutsherrschaft zum Zwangsgesindedienst angeboten werden . Man befand sich ja nicht auf eigenem Grund und Boden ; der Gutsherr hatte die Obrigkeit und besaß Verfügungsrecht über Land und Leib seiner Untertanen . Aber die besondere Stellung der Büttnerschen Familie , ihre Tüchtigkeit und Nützlichkeit war auch von seiten der Gutsherrschaft respektiert worden . Niemals war einer aus diesem Gute , wie es in der Zeit der Erbuntertänigkeit den Bauern nicht selten zu geschehen pflegte , in eine geringere Stelle versetzt worden . Man leistete durch Spanndienste und Handdienste der Herrschaft ab , was man ihr schuldig war . Großen Wohlstand hatte man dabei nicht sammeln können ; dazu war auch die Kopfzahl der Familie meist zu stark gewesen und der Boden zu ärmlich . Aber man hatte nichts eingebüßt an Land und Kraft in den Zeiten der Hörigkeit , die nur zu viele Bauern herabgedrückt hat zur Unselbständigkeit und Stumpfheit des abhängigen Subjekts . Und der Hausverband , die Zusammengehörigkeit der Familie war gewahrt worden . Unter dem Großvater des jetzigen Besitzers trat die Bauernbefreiung in Kraft . Die Erbuntertänigkeit wurde aufgehoben , alle Fronden abgelöst . Bei der Regelung verlor das Bauerngut ein volles Dritteil seiner Fläche an die Herrschaft . In dem Vater des jetzigen Büttnerbauern erreichte die Familie einen gewissen Gipfelpunkt . Er war ein rühriger Mann , und es gelang ihm , sich durch Fleiß und Umsicht , begünstigt durch gute Jahre , zu einiger Wohlhabenheit emporzuarbeiten . Durch einen günstigen Kauf verstand er es sogar , den Umfang des Gutes wieder zu vergrößern . Vor allem aber legte er das erworbene Geld in praktischen und bleibenden Verbesserungen des Grund und Bodens an . Es war kein kleines Stück für den Mann , sich dem Vordringen des benachbarten Rittergutes gegenüber , das sich durch Ankauf von kleineren und größeren Parzellen im Laufe der Jahre zu einer Herrschaft von stattlichem Umfange erweitert hatte , als selbständiger Bauer zu erhalten . Unter diesem Besitzer war die Familie , dem Zuge der Zeit folgend , in alle Windrichtungen auseinandergeflogen . Nur der älteste Sohn , Traugott , war als zukünftiger Erbe auf dem väterlichen Hofe geblieben . Als der alte Mann ziemlich plötzlich durch Schlagfluß starb , fand sich kein Testament vor . Als echtem Bauern war ihm alles Schreibwesen von Grund der Seele verhaßt gewesen . Gegen Gerichte und Advokaten hatte er ein tiefeingefleischtes Mißtrauen gehegt . Zudem war der Alte einer von denen , die sich nicht gern daran erinnern ließen , daß sie dieser Welt einmal Valet sagen müssen . Auch schien jede Erbbestimmung unnötig , weil als selbstverständlich angenommen wurde , daß , wie seit Menschengedenken , auch diesmal wieder der Älteste das Gut erben werde , und daß sich die übrigen Geschwister murrlos darein finden würden . Das kam nun doch etwas anders , als der Verstorbene angenommen hatte . Es waren fünf Kinder vorhanden und die Witwe des Dahingeschiedenen . Traugott , der Älteste , war durch den Tod des Vaters Familienoberhaupt und Bauer geworden . Der zweite Sohn hatte vor Jahren das Dorf mit der Stadt vertauscht . Ein dritter war auf der Wanderschaft nach Österreich gekommen und dort sitzen geblieben . Außer diesen drei Söhnen waren zwei Töchter da . Die eine war mit dem Kretschamwirt von Halbenau verehelicht , die andere hatte einen Mühlknappen geheiratet , mit dem sie später von Halbenau fortgezogen war . Im Erbe befand sich nur das Bauerngut mit Gebäuden , Vorräten und Inventar . Das bare Geld war zu Ausstattungen der Töchter und zu Meliorationen verwendet worden . Der älteste Sohn erklärte sich bereit , das Erbe anzutreten und die übrigen Erben mit einer geringfügigen Auszahlung abzufinden , wie es der oftmals ausgesprochene Wunsch des Verstorbenen gewesen war . Aber der Alte hatte da mit einer Gesinnung gerechnet , die wohl in seiner Jugend noch die Familie beherrscht hatte : der Gemeinsinn , der aber dem neuen Geschlechte abhanden gekommen war . Zugunsten der Einheitlichkeit des Familienbesitzes wollte keiner der Erben ein Opfer bringen . Es wurde Taxe verlangt zum Zwecke der Erbregulierung . Als diese nach Ansicht der Pflichtteilsberechtigten zu niedrig ausfiel , focht man die Erbschaftstaxe an und forderte Versteigerung des Gutes . Der älteste Sohn , der sein ganzes Leben auf dereinstige Übernahme des väterlichen Gutes zugeschnitten hatte , wollte den Besitz um keinen Preis fahren lassen . Er erstand schließlich das Gut zu einem von seinen Geschwistern künstlich in die Höhe geschraubten Preise . Natürlich war er außer stande , die Erben auszuzahlen . Ihre Erbteile wurden auf das Gut eingetragen ; Traugott mußte froh sein , daß man ihm das Geld zu vier Prozent stehen ließ . So saß denn der neue Büttnerbauer auf dem väterlichen Grundstücke , das mit einem Schlage aus einem unbelasteten in ein über und über verschuldetes verwandelt worden war . Es kamen Kriege , an denen Traugott Büttner teilnahm . Die schlechten und die guten Zeiten wechselten wie Regen und Sonnenschein . Aber die guten Jahre kamen dem Braven nicht recht zu statten , da er nicht kapitalkräftig genug war , um den allgemeinen Aufschwung und die Gunst der Verhältnisse auszubeuten . Die schlechten Jahre dagegen drückten auf ihn wie ein Panzerkleid auf einen schwachen und wunden Leib . Der Büttnerbauer war freilich nicht der Mann , der sich leicht werfen ließ . Sein Gut war ausgedehnt , die äußersten Feldmarken lagen in beträchtlicher Entfernung von dem am untersten Ende eines schmalen Landstreifens gelegenen Hofe . Der Boden war leicht und die Ackerkrume von geringer Mächtigkeit . Dazu waren die Witterungsverhältnisse nicht einmal günstige ; denn nach Norden und Osten lag das Land offen da , vom Süden und Westen her aber wirkten Höhezüge ein , Kälte und Feuchtigkeit befördernd und die warme Jahreszeit abkürzend . Der Acker trug daher nur spärlich zu , der Emsigkeit und der rastlosen Anstrengung des Bauern zum Trotze . Die Zinsen verschlangen die Ernten . Die Schulden mehrten sich langsam aber sicher . An Meliorationen konnte man nicht mehr denken . Wenn der Bauer auch hie und da einen Anfang machte , stärker zu düngen , Abzugsgräben baute , an den Gebäuden besserte und flickte oder auch neues Gerät anschaffte , so warfen ihn unvorhergesehene Unglücksfälle : Hagelschlag , Viehseuchen , Erkrankungen , Tod und sonstiges Elend immer wieder zurück und verdarben ihm seine Arbeit . Es war der Verzweiflungskampf eines zähen Schwimmers in den Wellen , der sich mit aller Anstrengung gerade nur über Wasser zu erhalten vermag . In diesem Kampfe war der Büttnerbauer ein Sechziger geworden . IV . Der Büttnerbauer fuhr in der Kreisstadt ein . Er spannte wie immer im Gasthofe » Zum mutigen Ritter « aus . Nachdem er seinen Rappen in den Stall geführt und selbst versorgt hatte , begab er sich auf den Markt . Es war heute der Hauptwochenmarkt . Die Stadt wimmelte daher von Fuhrwerken und Leuten , die vom Lande hereingekommen waren . Der Büttnerbauer war nicht unbekannt ; vielfach wurde er von den Kleinhändlern und Handwerkern , die bei offenen Ladentüren in ihren Geschäften standen , angerufen und gebeten , einzutreten . Aber er wollte sich heute nicht beschwatzen lassen zu irgendwelchen Einkäufen . Erst wollte er mit Profit verkaufen , dann würde man weitersehen , ob ein Groschen zu dergleichen übrig sei . Auf dem Marktplatze gab es eine jedem Eingeweihten wohlbekannte Ecke , wo die Käufe und Verkäufe in Getreide abgeschlossen zu werden pflegten . Als sich der Bauer diesem Flecke näherte , kam ihm einer der Händler sofort mit ausgestreckter Hand entgegen und erkundigte sich nach seinen Wünschen . Dann wurde er in den Kreis der dort versammelten Männer gezogen , man klopfte ihm auf die Schulter und meinte , er habe sich recht lange nicht mehr blicken lassen . Aber , dieses auffällige Entgegenkommen von Leuten , die er kaum kannte , machte den alten Mann stutzig . Wollte man ihn hier etwa dumm machen ? Als man ihn fragte , ob er was zu verkaufen habe , antwortete er vorsichtig und zurückhaltend . Dann ging er von dieser Gruppe weg zu einer anderen . Er wollte sich die Sache scheinbar nur mit ansehen . Die Hände auf dem Rücken hörte er überall ein wenig zu . Die Kauflust war groß , besonders nach Hafer wurde stark gefragt . Es ward auch manches Geschäft abgeschlossen , nach den Handschlägen zu schließen , die zur Besiegelung jedesmal gegeben wurden . Nachdem sich der Büttnerbauer eine Weile hier aufgehalten , verließ er den Marktplatz wieder . Es waren ihm allerhand Bedenken gekommen . Bei dieser Art zu handeln , wie sie hier in so lauter und nachlässiger Weise von den Händlern betrieben wurde , schien es ihm auf ein Betrügen des Landmannes herauszukommen . Heute lag ihm daran , einen möglichst hohen Preis zu erzielen aus seinem Hafer ; denn er hatte vor , mit dem Erlös eine Kuh anzukaufen zum Ersatz für eine , die er im Laufe des Winters hatte stechen lassen müssen . Nun entsann er sich , daß er vorm Jahre in einem Getreidegeschäfte der inneren Stadt für Roggen einen guten Preis bezahlt erhalten hatte . Das Geschäft schickte ihm seitdem vierteljährlich seinen Katalog zu . Erst vor ein paar Tagen noch war ihm ein solcher Prospekt in die Hände gefallen . Die Zahlung der » höchstmöglichen Preise « und die » koulantesten Bedingungen « wurden darin versprochen . Der Bauer meinte , er könne es mit Samuel Harrassowitz wieder einmal versuchen . War dort nichts zu machen , dann konnte man den Hafer ja immer noch auf dem Markte losschlagen . Das Geschäft von Harrassowitz lag in einer ziemlich engen Gasse zu ebener Erde . Man trat zunächst in eine tonnenartige Einfahrt , die in einen gepflasterten Hof einmündete . Eine Seitentür führte von der Einfahrt aus in das Kontor . Der Büttnerbauer trat , seinen Hut schon vor der Tür abnehmend , nachdem er angeklopft hatte , ein . Es war ein langer , schmaler Raum , in der Mitte durch einen Ladentisch geteilt , hinter dem mehrere Schreiber auf Drehschemeln an hohen Pulten saßen . Ein junger Mann mit einer Brille sprang von seinem Schemel herab , kam auf den Bauer zu und fragte , was er wünsche . Der Alte meinte , er habe etwas Hafer zu verkaufen . Wieviel es sei , fragte der junge Mensch , die Feder an seinem Ärmel auswischend . » Sacke a Sticker zahne kennten's schun sein , « gab der Büttnerbauer zurück . Der Jüngling lächelte darauf überlegen und meinte , daß sein Haus sich mit » Detaileinkäufen « nicht abgebe . Für den Bauer war die Ausdrucksweise des jungen Herrn unverständlich . Es gab Frage und Antwort und abermaliges Fragen . Die Schreiber drehten sich auf ihren Sesseln um und betrachteten sich den alten Mann im altväterischen Rocke mit spöttischen Mienen . Darüber war ein mittelgroßer , zur Korpulenz neigender Mann mit kahlem Kopfe , gebogener Nase und brandrotem Backenbart von einem Nebenraume aus ins Kontor getreten . Sofort fuhren alle Drehschemel wieder herum , und die jungen Leute steckten mit gebeugtem Rücken die Nasen eifrig in ihre Schreiberei . Samuel Harrassowitz – denn er war es selbst – maß die Gestalt des Bauern mit spähendem Blicke . Dann trat er auf ihn zu , streckte die Hand aus , lächelte verbindlich und sagte : » Grüß Sie Gott , mein lieber Herr Büttner ! Was steht zu Ihren Diensten ? « Der Bauer war völlig überrascht . Woher kannte ihn dieser Herr ? Er konnte sich nicht entsinnen , dieses Gesicht jemals gesehen zu haben . » Ich werde Sie doch wahrhaftig kennen , Herr Büttner ! « meinte der Händler . » Sie sind eine bekannte Persönlichkeit bei uns . « » Besitzen Sie nicht ein schönes Gut in Halbenau – nicht wahr ? « Der Bauer stand da mit offenem Munde , starrte jenen an , der ihm die Allwissenheit in Person schien , und konnte sich von seinem Staunen gar nicht wieder erholen . » Kenne Sie ! Kenne Sie ganz gut , Herr Büttner ! Also , womit können wir dienen ? « Der junge Mann raunte inzwischen seinem Chef mit halblauter Stimme etwas zu . » Nun , und ich hoffe stark , daß Sie Herrn Büttner den Hafer abgenommen haben , Herr Bellwitz ! « rief der Händler . » Ich dachte ... « meinte der so Angeredete . – » Ach was , dachte ! Sie denken immer ! Verscherzen mir darüber womöglich eine solche Kundschaft . – Natürlich nehmen wir den Hafer , Herr Büttner ! Unbesehen nehmen wir alles , was Sie uns bringen . Haben Sie den Hafer mit in der Stadt ? « Der Büttnerbauer brachte mit Rucken und Zerren ein Säckchen von grauer Leinwand aus seiner hinteren Rocktasche hervor . » Ach so , eine Probe ! Ist eigentlich gar nicht nötig , Herr Büttner . Kennen Ihre Ware schon . Prima , natürlich ! « Er öffnete das Säckchen aber dennoch und ließ die Körner prüfend durch die Finger gleiten . » Kaufen wir ! Geben den höchsten Marktpreis . Herr Bellwitz , gleich einen Mann nach dem , Mutigen Ritter ' schicken ! Der Hafer soll her . – Inzwischen kommen Sie mal auf ein Augenblickchen hier herein , mein guter Herr Büttner ! Sie müssen mir was über den Saatenstand bei Ihnen da draußen erzählen . « Der Bauer befand sich , ehe er sich dessen recht versehen , im Nebenzimmer , einem kleinen Gemache , dessen einziges Fenster nach dem Hofe hinausführte . Dort wurde er aufs Sofa genötigt ; der rotbärtige Händler nahm ihm gegenüber am Tische Platz . » Nun , mein Lieber , wie steht 's denn , wie geht 's denn in Halbenau ? Ich kenne dort verschiedene Ökonomen . Mittlerer Boden – was ! Liegt auch schon ein bißchen hoch – was ? Sie leiden an späten Frösten . Nachher will das Korn nicht recht schütten , wenn 's vorher noch so schön gestanden hat . Kenne das , kenne die ganze Geschichte . – Also nun erzählen Sie mir mal . Wie weit ist 's mit der Sommerung ? « » Mei Suhn und de Madel stacken heite de latzten Apern . Hernachen is nur noch 's Kraut . In a Wochen a zwee noch hin , denk'ch , sein mer fertig . « » Gratuliere , gratuliere ! – Sie haben wohl eine starke Familie , Herr Büttner ? « » 's langt zu , Herr Harrassowitz , 's langt Se gerade zu , « meinte der Bauer und lachte in sich hinein . » Mit de Enkel sein 's 'r immer a Mäuler achte , die gefittert sein wullen – ju , ju ! « » Nun , um so mehr Hände sind dann auch da zur Bestellung und in der Erntezeit – nicht wahr , Herr Büttner ? Eine zahlreiche Familie ist ein Segen Gottes , besonders für den Landmann . Ich kenne die ländlichen Verhältnisse , ich kenne sie ! Sie mögen mir das glauben , lieber Büttner . – Und wie steht 's denn mit der Winterung ? « Der Bauer berichtete , daß der Roggen gut durch den Winter gekommen und nur wenig ausgewintert sei . » Ene wohre Pracht !