Erstes Kapitel Mit der Natur im Bunde Als wir die Offiziere der Dschunub überholt hatten , befanden wir uns bereits im geologischen Gebiete der Landenge . Der Sand wechselte mit festem Gestein . Felsenstücke lagen zerstreut umher . Es bildeten sich Bodenerhebungen , die erst nur leise begannen , dann aber um so kräftiger wurden , je weiter wir kamen . Und da sahen wir Halef weit draußen am Horizont , zunächst nur als kleinen Punkt , doch kamen wir ihm so rasch näher , daß wir sehr bald Reiter und Pferd voneinander unterscheiden konnten . Er ritt nicht mehr Galopp , sondern Trab . Darum zügelten wir unseren rasenden Lauf , zumal Halef anhielt , um auf uns zu warten , als er uns kommen sah . Er lachte mit dem ganzen Gesicht . » Ist er auf den Dicken gestiegen ? « fragte er uns schon von Weitem entgegen . » Ja , « antwortete ich . » So sei Allah ihm barmherzig und gnädig ! Was es heißt , auf diesem Ungetüm zu sitzen , das können nur meine Knochen und Knöchelchen schildern ; leider aber bin ich es allein , der ihre Sprache empfindet . Wie kommst du zu diesen Menschen ? Was wollen sie ? Warum nahmen sie dich gefangen ? Oder vielmehr , warum gingst du darauf ein , als Gefangener zu gelten ? « » Davon später , lieber Halef . Vor allen Dingen muß ich wissen , wie du auf den Gedanken gekommen bist , uns entgegenzureiten , und zwar auf Smihk , der doch in der Hauptstadt zu sein hat , aber nicht hier ! « » Er hat da zu sein , wo sich sein Herr befindet ! « » Ganz recht ! Ich habe mir auch , sobald ich ihn sah , sofort gesagt , daß Scheik Amihn uns nachgekommen ist . « » Nicht nur er , sondern auch Taldscha , seine Frau ! « » Auch sie ? Was ist geschehen ? « » Etwas außerordentlich Wichtiges . Du sollst es sofort hören ! « Dieses » Sofort « war bei ihm niemals wörtlich zu nehmen . Er pflegte Dinge , die er für wichtig hielt , stets so ausführlich wie möglich zu behandeln . Darum machte er , während wir weiterritten , eine kleine Kunstpause , um unsere Spannung zu erhöhen , und begann dann an einem Punkte , der scheinbar gar nicht zur Sache gehörte : » Sihdi , weißt du , daß Ardistan zwar bis an das Meer reicht , aber ohne Häfen und darum auch ohne Schiffahrt ist ? « » Ja . Nur zuweilen kommt ein kühner Indochinese oder Sundamalaye auf leicht gebautem Segler nach der unwirtlichen Küste von Ardistan , um bei den wenigen Menschen , die da wohnen , Waren einzutauschen . « » Ganz recht , Effendi ! Und mit so einem Malayen ist der Diener gekommen . « » Welcher Diener ? « » Welcher – – – ? Ah , richtig ! Das weißt du ja noch nicht ! Also , der Mir von Ardistan hat jetzt endlich dem Mir von Dschinnistan den Krieg erklärt , offen , gerade heraus oder – – wie nennt man das in eurem Abendlande ? « » Amtlich , offiziell . « » Ja , so ist es richtig : amtlich , offiziell . Daß die beiden Söhne des Scheiks der Ussul zur Leibwache des Mir von Ardistan gehören , ist dir bekannt ? « » Ja . Doch glaube ich , daß sie trotz dieser Stellung nur Bewachte , nicht aber Wächter sind . Ich halte sie nicht für Kommandierende , sondern für Geiseln , durch welche sich der Mir Gehorsam erzwingen will . « » Diese Vermutung scheint sich zu bewähren . Denn die beiden Söhne des Scheiks sind ganz plötzlich verschwunden . Der Mir hat verlangt , daß ihm der Scheik tausend Ussulkrieger sende , um ihm gegen Dschinnistan beizustehen . Da haben die Söhne sich geweigert , dies ihrem Vater zuzumuten . Sie haben erklärt , daß die Ussul nicht den geringsten Grund haben , den Mir von Dschinnistan zu bekämpfen . Hierauf sind sie mit ten in der Nacht , als alles schlief , ergriffen und mit einem ihrer Diener , der sich bei ihnen befand , heimlich fortgeschafft worden . Wohin , das hat man ihnen nicht gesagt . Der Diener aber behauptet , wahrscheinlich nach der Todesstadt , denn sie sei der schon von alters her gebräuchliche Ort , mißliebig gewordene hohe Personen verschwinden zu lassen . Sie wurden auf Pferde gebunden . Der Ritt dauerte lang . Am zweiten Abend gelang es dem Diener , zu entwischen . Er entkam nach der Küste und wurde dort von einem malayischen Schiffer aufgenommen , der ihn gegen das Versprechen einer guten Belohnung quer über die Bai und dann den Fluß hinauf fast bis nach Ussula brachte . Er kam nach der Stadt , gerade als der Dschirbani mit seinen Hukara von dort abgezogen war . Die Aeltesten wurden schnell zur Beratung zusammengerufen , und man beschloß , dem Dschirbani rasch zu folgen , um mit dir und ihm das Nötige zu besprechen . Die Angst hat den Eltern Flügel verliehen . Sie kamen heut früh hier an . « » Und der Dschirbani ? « » Schon gestern abend . « » Aber nicht mit allen seinen Hukara ! Das ist nicht möglich ! « » Nein , nur mit einigen . Die übrigen kamen dann während der Nacht , in der Reihenfolge der Leistung ihrer Pferde . Er hat sich keinen Schlaf gegönnt , sondern sofort alle Vorbereitungen getroffen , denen du gewiß gern zustimmen wirst . Es wurden von dem Engpasse bis nach der Hauptstadt Zwischenstationen eingerichtet und bis zum Flusse Wasserposten gestellt , die erst die geleerten und dann die wiedergefüllten Schläuche einander zu reichen haben . Ich habe ihn auch schon zum Brunnen des Engels geführt , über dessen Wert er von sehr hoher Meinung ist . Er hat die Strecke vom Felsenloch bis zum Felsentor genau untersucht – – – « » Auch den verborgenen Weg ? « unterbrach ich ihn . » Ja , auch den . Und er sagte , daß es keine bessere Falle geben könne als diese . Seine Hukara sind auch schon ganz genau so aufgestellt und unterwiesen , als ob die Feinde augenblicklich zu erwarten seien . Ich glaube nicht , daß du noch irgend Etwas hinzuzufügen hast . Du wirst zufrieden sein . « » Wie steht es mit dem Palang und seinen beiden Gefährten ? « » Die stecken in einer Felsenenge gefangen , aus der sie nicht entkommen können , und werden von meinem Hu bewacht . « Und der oberste Minister und der oberste Geistliche von Dschunubistan ? « » Die stecken in einer anderen Felsenspalte , aus der sie nicht herauskönnen , und werden von Hi bewacht . « » Also auch gefangen ? « » Natürlich ! Sie waren unterwegs dem Dschirbani begegnet und von ihm veranlaßt worden , mit ihm umzukehren , da er derjenige sei , der über ihre Wünsche zu bestimmen habe . Er hatte an ihre Ehrlichkeit geglaubt und sie darum ihrem hohen Range gemäß behandelt . Sobald er aber dann von mir erfuhr , was eigentlich ihre Absicht sei , wurden sie ebenso eingesperrt wie die drei Tschoban . « » Haben die Tschoban und die Dschunub einander gesehen ? « » Ja . Es ist nicht zu vermeiden gewesen . « » Nun , und warum kamst Du uns jetzt entgegengeritten ? War das der Wille des Dschirbani ? « » Nein ; der wünschte es nicht . Aber der Scheik und die Scheikin trieben mich ; sie haben Angst um ihre Söhne , und sie glauben , sich mehr auf dich als auf den Dschirbani verlassen zu können . Sie sind ungeduldig zunächst auf deinen Rat . Darum forderten sie mich auf , dir mit der Bitte entgegenzureiten , dich zu beeilen . Und als der Dschirbani meinte , daß dies überflüssig , unter Umständen sogar gefährlich sei , veranlaßten sie mich , es ohne sein Wissen zu tun . Ich konnte nicht widerstehen und hätte gern ein Pferd der Tschoban oder der Dschunub genommen ; das hätte mich aber dem Dschirbani verraten , und so war ich denn gezwungen , auf Smihk , dem Dicken , zu klettern und heimlich fortzureiten . Und der war gescheidter als ich . Ich wollte nach Nordost ; er aber ging mit mir durch und rannte nach Nordwest ; da , Sihdi , traf ich dich ! « Wir waren während dieses Berichtes so weit gekommen , daß wir jetzt die See erblickten und den Felsenzug des Engpasses vor uns liegen sahen . Ich erzählte Halef , was wir unterwegs erlebt und erfahren hatten . Dann war die Landenge erreicht ; das Meer erschien auch auf der andern Seite , und in einiger Entfernung stieg gerade vor uns das Felsentor empor . Noch eine Strecke weiterhin trat der erste Posten der Ussul , um sich uns zu zeigen , hinter Steinen hervor , die ihn verborgen hatten . Dieser Posten bestand aus Irahd , dem bekannten Anführer , und acht seiner Leute . Er hatte diesen wichtigen Posten selbst übernommen , um gewiß zu sein , daß nichts Fehlerhaftes geschehe . Und eben , als wir mit ihm sprachen , kam der Dschirbani mit vielleicht einem Dutzend seiner Hukara geritten , um diesen Teil des Kampfplatzes zu besichtigen . Es war ein lieber , warmer , aufrichtiger Händedruck , mit dem er mich begrüßte ; vor Abd el Fadl aber verbeugte er sich tief und feierlich , wie vor einer Person vom höchsten Stande . Das fiel mir auf . Einige kurze Fragen und Antworten genügten für ihn und mich , uns gegenseitig das Nötigste mitzuteilen ; dann bat er mich , mir die Aufstellung seiner Truppen zeigen zu dürfen . Ich willigte ein , obgleich es mir Spaß gemacht hätte , bei der Gefangennahme der Dschunuboffiziere , die nun bald erscheinen mußten , zugegen sein zu können . Ich belehrte Irahd , wie das zu machen sei , und Halef versicherte mir mit sehr unternehmendem Lächeln , daß ich da ganz unbesorgt sein könne , weil er selbst hierbleiben werde , um für einen festlichen Empfang dieser Herren einzutreten . Der Dschirbani ließ seine Begleiter hier , um bei der Gefangennahme der Dschunub behilflich zu sein . Er ritt den edlen Schimmel des Maha-Lama , der ein so schnelles Pferd war , daß wir unsere Besichtigung beträchtlich verkürzen konnten . Ich war nämlich überzeugt , daß der ältere Prinz der Tschoban sich beeilen werde , noch vor Nacht auf der Landenge einzutreffen , und wollte unbedingt dabei sein , wenn er festgenommen wurde . Da galt es also , keine Zeit zu verlieren . Wir ritten zunächst nach dem Felsentore , wo ich Merhameh begrüßte . Hier stand ein Posten von dreißig Mann , die sich aber bei der Annäherung der Feinde zurückzuziehen hatten . Von da ging es nach dem Felsenloche , wo wir auf einen gleichgroßen Posten trafen . Hier war die Stelle , an welcher der erste Stoß der Tschoban ausgehalten und zurückgewiesen werden mußte ; für jetzt aber genügte diese schwache Zahl . Das Gros der Hukara lag noch weiter zurück , nämlich da , wo die Landenge auf ihrer südlichen Seite begann . Wir stießen da auf ein Kriegslager im wahrsten und romantischesten Sinne des Wortes . Man denke sich die Gestalten dieser riesigen Ussul und ihrer ebenso riesigen Pferde , ihre Bewaffnung , die eigenartige Gewichtigkeit und Massigkeit in ihren Bewegungen und in Allem , was sie taten ! Nur ein Homer würde sich an die Beschreibung dieses Lagers wagen dürfen . Durch die Kunde , daß die beiden Söhne des Scheik verschwunden seien , war der Zuzug zu dem Heere des Dschirbani bedeutend vergrößert worden . Es zählte heut bereits zwölfhundert Mann . Und er wies keinen Einzigen zurück , der zu ihm kam , denn sein eigentlicher Plan ging weit über die Landenge Chatar hinaus , und wer sich nicht zum Krieger eignete , der konnte noch im Troß von Nutzen sein . Zwei Relaisketten führten von hier weiter . Die eine nach dem Flusse und von da nach der Hauptstadt ; sie hatte täglich den Proviant und das Wasser für die Pferde zu erneuern . Die andere bis nach dem Brunnen des Engels , von wo das Trinkwasser für die Menschen zu holen war . Hier , im Lager , trafen wir den Scheik und seine Frau . Die Begrüßung war beiderseits eine herzliche , doch hatte ich keine Zeit , länger als nur einige Minuten zu verweilen , denn wir mußten nach dem nördlichen Auslauf des Engpasses zurück , weil von dieser Seite Alles kam , was zu erwarten war . Vorher aber warf ich noch einen Blick in die beiden Felsenengen , in denen der » Panther « mit seinen beiden Gefährten und die zwei hohen Dschunub steckten . Ich überzeugte mich , daß es aus diesen Gefängnissen kein Entkommen gab , zumal vor jedem einer der Hunde Halefs Wache hielt . Es gab im hiesigen Felsengewühl noch ähnliche Orte in Menge . Wir suchten einen passenden auch für den älteren Prinzen der Tschoban aus , den wir mit seinem jüngeren Bruder nicht zusammenbringen wollten . Es waren teils rein menschliche und teils diplomatische Gründe , die es uns verboten , den Letzteren wissen zu lassen , daß der Erstere anwesend sei , und zwar auch als unser Gefangener . Nun ritten wir wieder über den Paß zurück und hatten das Vergnügen , schon unterwegs die Beweise zu erhalten , daß Halef und Irahd ihre Pflicht sehr wohl , sogar mit Humor , erfüllten . Wir hatten nämlich , indem wir uns wieder nordwärts wendeten , das » Felsenloch « noch nicht erreicht , so kam uns ein sehr kräftiger Vorposten entgegengeritten . Er saß auf dem Pferde des Generals der Dschunub . Dieser aber lief , sehr gut gefesselt und mit der einen Hand an den Steigbügel gebunden , als Gefangener nebenher . Er wurde zu dem Maha-Lama und dem » obersten Minister « gebracht . Wir ritten sehr ernst vorüber und taten , als ob wir ihn gar nicht sähen ; innerlich aber mußte ich doch lächeln , wenn ich an die ironischen Ermahnungen dachte , die Halef ihm auf alle Fälle mitgegeben hatte . Nur kurze Zeit später brachte ein anderer Ussul in ganz gleicher Weise den Oberst geführt , dem schnell darauf der Major folgte . So ritten wir auch noch an dem Hauptmanne , dem Leutnant und dem Unteroffizier vorbei und erreichten den Posten gerade in dem Augenblick , in dem auch der Soldat gefesselt worden war und soeben fortgeschickt wurde . » Bist du mit uns zufrieden , Effendi ? « fragte Halef . » Mit diesen sind wir fertig . Und nun schau einmal dort hinaus ! Da kommen auch noch die letzten Zwei , aber nicht auf- , sondern hintereinander ! « Er deutete nach der Gegend , aus der wir vorhin gekommen waren . Da sahen wir zunächst Smihk , den dicken , der mit gesenktem Kopfe im Zotteltrab auf die Landenge zusteuerte und uns schon ziemlich nahe war . Weit draußen kam der Stratege hinterhergelaufen , und zwar so schnell , wie seine langen Beine den kurzen Körper tragen konnten . Die Kopfbedeckung mit dem Reiherbusch hielt er in der einen Hand , den Säbel in der andern . Am rechten Ort gelassen , hätten beide es ihm unmöglich gemacht , einen solchen Dauerlauf auszuführen . » Seht , wie er kommt ! « forderte Halef die Hukara auf . » Es ist der Tertib We Tabrik Kuwweti Harbie Feminde Mahir Kimesne des tapferen Scheiks von Dschunubistan ! Und – – « Er hielt mitten in seiner Rede , die jedenfalls satirisch werden sollte , inne . Sein Auge war auf einen weiter nach rechts liegenden Punkt des nördlichen Horizonts gefallen , an dem eine Gruppe von drei Reitern erschien , deren Richtung auch gerade nach der Landenge lag . Wer mag das sein ? « fragte er . » Der ältere Prinz der Tschoban , « antwortete ich , » mit seinem Freunde und seinem Führer . « » Hamdulillah ! So ist dann unser Tagwerk vollendet ! Wie gut , daß er noch vor Abend kommt ! Wie soll er behandelt werden ? « Er richtete diese Frage nicht an mich , sondern an den Dschirbani , weil ich ihn angewiesen hatte , nur allein diesen als den gebietenden Feldherrn zu betrachten . Dessen Antwort lautete : » So , wie ein guter Mensch behandelt werden muß , selbst wenn er als Gegner erscheint . Ich will die Tschoban nicht vernichten , sondern sie aus Feinden in Freunde verwandeln . Und dieser Prinz ist es besonders , auf den ich mich dabei zu stützen habe . Allerdings nur derjenige Sieg ist ein wirklicher Sieg , der alle Feinde vernichtet und keinen einzigen von ihnen übrig läßt . In vergangenen , grausamen Zeiten suchte man dies dadurch zu erreichen , daß man sie ausrottete , sie tötete . Heute und noch viel mehr in der Zukunft aber kommt man viel leichter , viel sicherer und viel menschlicher zu ganz demselben Ziele , indem man den Haß in Liebe kehrt und sich dadurch den Widersacher zum Verbündeten und Helfer macht . Diese letztere Weise soll auch die unsere sein . Ich will durch Liebe siegen , nicht durch Blut und Tod ! « Nun war Smihk so weit herangekommen , daß er uns nicht nur sah , sondern auch erkannte . Er war des fremden Reiters überdrüssig geworden und hatte ihn abgeworfen . Nun er aber bekannte Gestalten erblickte , stieß er einen Jubelschrei aus , der Alles überbot , was bis jetzt von ihm zu hören gewesen war . Ich ging ihm einige Schritte entgegen , um ihn zu liebkosen , wobei er den Schwanz in einen erstaunlichen Freudenwirbel versetzte . Kurze Zeit darauf stellte sich der Stratege ein , natürlich zu Fuß . Er war ganz außer Atem . Als er Halef und mich sah , blieb er pustend vor uns stehen und begann dann , ein Donnerwetter über uns loszulassen , wurde aber schnell unterbrochen : Zwei stämmige Hukara ergriffen ihn bei den Armen und zogen ihn fort , um ihn dahin zu bringen , wohin ihm seine Untergebenen vorausgeschickt worden waren . Die Sonne war dem Untergange nahe , als der Prinz der Tschoban sich der Stelle näherte , an der wir uns befanden . Wir waren von den Pferden gestiegen , hatten diese versteckt und dann auch für uns selbst hinter Steinen so gute Deckung gesucht , daß wir nicht gesehen werden konnten . Die drei Reiter hielten sich für vollständig sicher . Sie waren darum nicht wenig überrascht , als wir plötzlich aus unserer Verborgenheit hervortraten und einen so dichten Kreis um sie bildeten , daß sich ihre Pferde nicht bewegen konnten . » Ussul ! « rief der Prinz , der sofort aus dem Aeußeren der Leute , die ihn überfielen , ersah , zu welchem Volke sie gehörten . » Wer bist du ? « Diese Frage war an den Dschirbani gerichtet , der zu ihm herantrat und nach der Maulkette seines Pferdes griff , um vor allen Dingen dieses in seine Gewalt zu bringen . » Man nennt mich den Dschirbani , « lautete die Antwort . » Der Dschirbani bist du ? « sagte er , indem er ihn mit einem langen , aufrichtig forschenden Blicke musterte . » Ich habe dich noch nie gesehen , und doch ganz anders von dir gedacht , als törichte Leute denken . Und nun ich dich zum ersten Male sehe , gefällst du mir , und ich möchte darauf schwören , daß ich mich nicht in dir geirrt habe . Was willst du von mir ? Warum drängt ihr euch an uns heran ? « » Um euch gefangen zu nehmen . « » Aus welchem Grunde ? Euch an uns zu vergreifen , habt ihr weder Ursache noch Recht . Der Engpaß von Chatar liegt zwischen eurem und unserm Gebiet . Nur seine südliche Hälfte gehört euch , die nördliche aber uns . Wir befinden uns jetzt auf der nördlichen , also auf unserm eigenen Gebiete . Wie könnt ihr es wagen , uns da gefangennehmen zu wollen ? « » Weil ihr nach der Landenge kommt , um sie zu überschreiten und uns zu überfallen ? « » Kennst du mich ? « » Ja . Und ich will ebenso aufrichtig sein wie du , indem ich dir sage , daß ich dich achte . Aber wir haben deinen Bruder ergriffen , als er bei uns spionierte , und wir wissen Alles . Du wirst sehr bald erkennen , daß ich weder dein Feind noch derjenige deines Stammes bin , doch jetzt muß ich mich für einstweilen deiner Person versichern . « » Mit welchem Rechte gerade du ? « » Ich bin der Anführer der Ussul ? « » Du ? Du ? Der Anführer der Ussul ? « fragte der Prinz erstaunt . » Seit wann haben die Ussul begonnen , klug und einsichtsvoll zu werden ? « Da trat Irahd an ihn heran und antwortete an Stelle des Dschirbani : » Seit sie sich entschlossen haben , die Verteidigung in den Angriff zu verwandeln . Du bist Sadik , der erstgeborene Prinz der Tschoban , und ich bin Irahd , der Unteranführer der Ussul . Es wird dir nichts geschehen . Du sollst nur für heute gefangen sein . Komm , wehre dich nicht ! « Der Prinz wurde mit seinen Begleitern von den riesigen Ussul derart zusammengedrängt , daß er sich abführen lassen mußte , ohne den geringsten Widerstand leisten zu können . Nachdem hierauf die nötigen Weisungen für die Nacht erteilt worden waren , ritten wir wieder den ganzen Engpaß entlang dem Lager zu . Dort war für den Scheik ein Zelt errichtet , vor dem das Abendessen auf uns wartete . Bewirtet wurden wir von ihm und seiner Frau . Geladen waren Abd el Fadl , Merhameh , der Dschirbani , mein Hadschi Halef und ich . Der Dschirbani hatte geglaubt , daß ich Abd el Fadl kenne . Erst während dieses Rittes zum Abendessen erriet er aus einer Aeußerung von mir , daß dies nicht der Fall sei . Da fragte er mich : » Wann hast du Abd el Fadl zum ersten Male gesehen ? « » Erst vor einigen Tagen , hier , « antwortete ich . » Weißt du , wer er eigentlich ist ? « » Nein . « » So erfahre und erstaune : er ist der Fürst von Halihm . An Reichtum kommt ihm Keiner gleich im ganzen Ardistan . Und doch siehst du ihn einfacher und bescheidener , als mancher Bettler ist . Er hat ein Gelübde getan ; welcher Art es ist , das weiß man nicht genau , weil er niemals davon spricht . Es ist das ein Geheimnis , das er nur mit Merhameh , seiner Lieblingstochter , teilt . « » So ist sie nicht sein einziges Kind ? « » Nein . Er hat noch Söhne und Töchter , die hoch am Throne wohnen . Nimmt er sich unser an , so ist uns viel geholfen ! « Das heutige Nachtmahl war dadurch ausgezeichnet , daß der Simmsemm vollständig fehlte . Es gab nur Wasser zu trinken . Die Einladung kam aus dem Herzen , hatte aber auch noch den besondern Zweck , uns die Befreiung der beiden Söhne des Scheiks an das Herz zu legen . Der Letztere war mit dem festen Entschlusse gekommen , an unserm Zuge nun persönlich teilzunehmen , um den Mir von Ardistan zur Herausgabe der Gefangenen zu zwingen . Es kostete uns viele Mühe , ihn davon abzubringen , indem wir ihn zu der Ueberzeugung brachten , daß er uns viel eher hinderlich als förderlich sein werde . Seine brave , einsichtsvolle Frau ging uns hierbei recht wacker an die Hand . Sie war nur mitgekommen , um ihn von der Ausführung dieser seiner Absicht abzuhalten . Sie liebte ihre Söhne nicht weniger als er ; aber sie wußte , daß er seinem ganzen Wesen nach weiter gar nichts als nur Ussul war und jenseits der Grenzen seines Landes und seiner persönlichen Verhältnisse auf Gehorsam und Erfolg verzichten müsse . Ich fühlte mich außerordentlich befriedigt , als es uns mit dieser ihrer Hilfe gelungen war , seinen Plan zurückzuweisen und ihn zur Heimkehr zu bewegen . Freilich sollte diese Heimkehr nicht eher angetreten werden , als bis der Sieg hier an dem Engpasse endgültig entschieden sei ; das machte er zur Bedingung . Eine wirkliche Freude war es mir , zu sehen , daß der Scheik sich schon heut , nach so wenig Tagen , zum Dschirbani ganz anders verhielt als bisher . Nun , wo nicht mehr die Materie , sondern der Geist zu gebieten hatte , ließ sie sich allmählich herbei , seine Rechte anzuerkennen . Von Abd el Fadl und seiner Tochter sei heute nicht besonders gesprochen . Wir standen vor großen , hochbedeutenden Ereignissen , die sich auf dem Engpasse , und zwar genau auf der Mitte desselben , vollziehen sollten . Es ist also gar wohl am Platze , heut , am letzten Abende vor Eintritt dieser Ereignisse , ein kurzes , deutliches Bild ihres Schauplatzes zu geben . Die Landenge verband die im Norden von ihr liegende Wüste der Tschoban mit dem südwärts angrenzenden Lande der Ussul . Im Süden gab es Wasser , im Norden aber nicht . Es war zu erwarten , daß die Tschoban mit ihren Pferden halbverdurstet anlangen würden . Sie rechneten jedenfalls darauf , über den Paß sehr schnell hinwegkommen und drüben den Fluß erreichen zu können . Dies ihnen unmöglich zu machen , darin bestand unser Plan . Sie mußten auf der Landenge festgehalten werden . Der Durst sollte unser Verbündeter sein . Wir hofften , daß er sie zwingen werde , sich uns auf Gnade oder Ungnade zu ergeben . Dazu war freilich nötig , daß die Einschließung sich so eng und so qualvoll für sie gestaltete , daß ihnen keine Hoffnung auf irgend eine andere Rettung blieb . Glücklicherweise kam uns die Natur durch die eigenartige Gestaltung des Engpasses in ganz besonders freundlicher Weise entgegen . Er zerfiel nämlich in drei fast ganz gleich lange Teile . Zwei Querhöhen reichten über ihn hinweg von einem Meere bis zum andern . Es gab also einen nördlichen , einen mittleren und einen südlichen Teil , die vollständig voneinander getrennt gewesen wären , wenn sich nicht in jeder der beiden Querhöhen ein schmaler Durchgang befunden hätte , durch den die Verbindung sich ermöglichte . Diese beiden natürlichen Quermauern waren das » Felsentor « und die hohe , steinige Wand des » Felsenloches « . Das erste , nördliche Drittel des Passes ging von der Wüste der Tschoban bis nach dem » Felsentore « . Das letzte , südliche Drittel reichte vom Lande der Ussul bis an das » Felsenloch « . Zwischen beiden , also zwischen dem » Felsentore « und dem » Felsenloche « , lag das mittelste Drittel , welches die eigentliche Falle bilden sollte . Wenn meine Berechnung richtig war , so gingen die Tschoban ganz bestimmt in diese Falle , und zwar nicht etwa zögernd , sondern schnell . Ich glaubte nicht , daß sie sich Zeit nehmen würden , die Oertlichkeit genau zu untersuchen , sondern ich war überzeugt , daß der Durst sie treiben werde , so rasch wie möglich über den Paß hinüber zu kommen . Das » Felsentor « stand ihnen offen , sollte aber hinter ihnen sofort besetzt werden . Wenn sie das » Felsenloch « erreichten , wurden sie nicht hindurchgelassen . Dann konnten sie weder vor- noch rückwärts und waren ganz in unserer Hand . Es war mein Wunsch , daß gar kein Blut vergossen werde ; aber wenn ich mich in die kommende Situation hineindachte , erschien es mir als sehr wahrscheinlich , daß wenigstens an beiden Enden der Falle ein Kampf nicht zu vermeiden sei . Denn es war anzunehmen , daß die Tschoban den Versuch machen würden , sich hier oder dort , vielleicht gar an beiden Stellen , den Durchlaß zu erzwingen . Daß diese Versuche ebenso erfolglos wie blutig sein mußten , verstand sich ganz von selbst . Als ich während des Abendessens gegen den Dschirbani hierüber eine Bemerkung machte , sagte er : » Sei ohne Sorge ! Es wird kein einziger Tropfen Blut vergossen werden . Die Vorbereitungen sind schon getroffen , nur sahst du sie noch nicht , denn du hattest keine Zeit . Ich werde sie dir nach dem Essen zeigen . Ich habe mich mit allen vier Elementen verbunden – – – « » Etwa mit Feuer , Wasser , Luft und Erde ? « unterbrach ich ihn . » Ja . Und diese unsere vier Freunde sind , wie ich sehe , fest entschlossen , sich unserer Sache kräftigst anzunehmen . « Indem er das sagte , warf er einen forschenden Blick auf die beiden Meere hinaus und dann nach dem Himmel empor . » Von zwei Elementen gebe ich das zu , « bemerkte ich . » Die Erde hat uns aus ihrem festesten Gestein die Riesenfalle gebaut , und das Wasser hält an beiden Seiten die Tschoban ab , diese Falle zu verlassen . Wie aber ist es mit dem Feuer und der Luft ? « » Schau zum Himmel auf ! Zwar scheint der Mond , aber kein einziger Stern ist zu sehen , obgleich ihrer Tausende dort stehen müßten . Das Firmament gleicht einer Stubendecke , die mit gelber , dicker Tünche angestrichen ist . Nur der Mond dringt da hindurch , ein Stern aber nicht . Das fällt nur dir nicht auf , der du ein Fremder bist . Wir aber kennen unser Land und ebenso auch unsern Himmel . Morgen gibt es Sturm , und dann wirst du deutlich sehen , daß die Luft mit uns im Bunde ist . « » Und das Feuer ? « fragte ich . » Das wird uns Pulver ersparen , « antwortete er . » Sobald ich hier ankam , wurde ich von Halef und Merhameh auf das Felsentor geführt . Indem ich von da oben herab die ganze Falle überblickte , kam mir der Gedanke , ihre beiden Ausgänge nicht mit Pulver und Blei , sondern durch das Feuer bewachen zu lassen . Ich säumte nicht , die hierzu nötigen Vorbereitungen zu treffen . Eine Schar meiner Hukara mußte zurückreiten , um da , wo der Wald beginnt , das nötige Holz zu fällen und mit Hilfe ihrer starken Pferde herbeizuschleppen . Schon liegt ein großer Vorrat hier , und sie arbeiten noch immer . Während der heutigen Nacht wird davon so viel , wie wir brauchen , nach dem Felsenloch geschafft , um dort , sobald es morgen dunkel wird , in Brand gesteckt zu werden – – – « Das ist ja ein ganz vortrefflicher Gedanke ! « unterbrach ich ihn . » Natürlich geschieht ganz Aehnliches am Felsentore ? Nur daß wir das Holz leider nicht vorher dort aufstappeln können , denn es würde uns verraten . Wie werden wir das machen ? « » Es ist bereits gemacht oder doch wenigstens schon im Gange . Dieses Holz wird nämlich in Gestalt von kleinen Flößen längs des Ufers der heut noch ganz ruhigen See nach dem nördlichen Ende der Landenge gerudert und dort so versteckt , daß die Tschoban , wenn sie kommen vorüberreiten , ohne es zu sehen . Du weißt , wie prächtig die Ussul mit solchen Flößen umzugehen verstehen . « » Das weiß ich wohl , und ich muß dich herzlich loben . Wie vortrefflich wäre es , wenn wir die Passage nicht nur teilweise , sondern ganz und vollständig mit Feuer verstopfen könnten . Leider aber ist , um nur von der einen Stelle zu reden , das › Felsenloch ‹ nicht ein wirkliches , kleines Loch zu nennen , welches nur die Breite des Weges besitzt , sondern es kommt hierzu auch noch die ganze Breite des alten Flußbettes . Es ist aber ganz unmöglich , so viel Holz herbei zu schleppen , um ein Feuer von solcher Ausdehnung anzünden und unterhalten zu können . « » Da kommt das Wasser zu Hilfe ! « lächelte er . » Bei solchem Sturm , wie für morgen zu erwarten ist , füllt der Fluß sich schnell mit Wasser . Die Wogen werden hoch am Felsen emporgetrieben und treten da in Risse und Rinnen ein , die in das trockene Bett hinunterführen . Wenn der Sturm sich nach der Ebbe mit der steigenden Flut verbindet , kommt es vor , daß der alte Fluß das eindringende Seewasser nicht zu fassen vermag . Es tritt dann über die Ufer und steigt auch dort noch mehrere Fuß empor , um an dem Wege längs der Felsen Spuren zu hinterlassen , die du nur deshalb nicht bemerkt oder nicht beachtet hast , weil du so Etwas für ausgeschlossen hältst . « » Höchst wunderbar ! Und einen solchen Sturm vermutest du grad für morgen , also für den Tag , an dem die Tschoban kommen und hier gezwungen werden sollen , Frieden zu halten . Ist das Zufall ? « » Zufall ? « antwortete er . » Ich weiß , daß auch du nicht an den Zufall glaubst , Shahib . Sobald der Mensch nicht künstlichen Gesetzen folgt , sondern nur den natürlichen , die ihm Gott gebietet , steht ihm die ganze irdische Natur als Helferin zur Seite . Dann geschehen Zeichen und Wunder , deren Zusammenhang mit unserm Wünschen und Wollen nur Gott allein erklären könnte , wenn wir klug und gläubig genug wären , ihn zu begreifen . Doch , philosophieren wir nicht , sondern bleiben wir praktisch ! Fassen wir dankbar zu , wenn uns der Himmel Hilfe schickt , obgleich wir nicht glauben , sie auf uns beziehen zu dürfen . Sie ist dennoch für uns bestimmt ! « Als wir uns nach dem Essen von unserm Wirte und unserer Wirtin verabschiedet hatten , führte er mich an die See , wo ich sah , wie die Flöße gebildet und dann längs der Küste fortgerudert wurden . Dann ritt ich mit Halef noch nach dem » Felsentore « , wo wir an derselben Stelle schlafen wollten , an der wir am ersten Abend nach unserer Ankunft hier geschlafen hatten , im weichen Sande , der zwischen schützenden Felsen lag , die den Sturm abhielten , falls er sich schon während der Nacht erheben sollte . Bei unserer Ankunft am » Felsenloche « fanden wir vor diesem schon solche Mengen Holz aufgestapelt , als ob wir glaubten , die beabsichtigten Feuer nicht nur einen Tag , sondern eine ganze Woche brennen lassen zu müssen . Und das war gut , wie sich bald zeigen wird ! Mein kleiner Hadschi Halef war , ganz gegen seine sonstige Art und Weise , heut abend auffallend still . Er fühlte , daß ich dies besonders bemerkte , und sagte , um mir eine Erklärung dafür zu geben : » Wir haben schon viel erlebt , Sihdi , aber so Wichtiges , wie jetzt , wohl noch nie . Selbst jenes alte Ereignis im › Tal der Stufen ‹ , das dem gegenwärtigen so ähnlich scheint , hat mich nicht so tief ergriffen , wie mich die jetzige Zeit berührt . Und weißt du , was das Sonderbarste hierbei ist ? « » Nun ? Was ? « » Daß ich dem Dschirbani vollständig vertraue . Früher hätten alle Fäden in deiner und meiner Hand vereinigt sein müssen . Wenn nicht , so hätte ich von der ganzen Sache nichts wissen mögen . Und heute ist es ganz anders . Ich trete mit Vergnügen zurück . Ich gönne dem Dschirbani die Kraft und den Mut , seinen eigenen , großen , gefährlichen Weg zu gehen . Es ist mir ganz recht , daß wir nicht an der Spitze stehen . Wir wollen hinter ihm bleiben , ihn schützen , ihm helfen . Und so freue ich mich darüber , daß er jetzt beginnt , selbständig aufzutreten . Wie höflich er während des Essens mit dem Scheik war , und wie rücksichtsvoll gegen dessen Frau ! Und doch wie energisch schob er jeden Versuch zurück , ihm Verhaltungsmaßregeln vorzuschreiben ! Er sagte , es gebe hier nur einen einzigen Kommandanten , und der sei er . Der Scheik sei verpflichtet , für das Heer zu sorgen . Das nehme alle seine Kraft und Zeit so sehr in Anspruch , daß er sich ganz unmöglich auch noch um die Taktik und Strategie bekümmern könne . Und die Frau des Scheiks gab unserm Schützling recht ! Er beginnt , sich zu fühlen und sich zu entwickeln ! « Es war still um uns her , als wir uns niederlegten , und es blieb auch ferner still . Wir schliefen , wie bereits gesagt , an derselben Stelle ; aber heut erklang das » Gebet von Dschinnistan « nicht von der Höhe des Felsentores herab . Waren Vater und Tochter nicht oben ? Oder schwiegen sie , weil ein Posten der Hukara hier in der Nähe lagerte ? Uebrigens verhielten sich diese Leute außerordentlich ruhig . Sie störten uns nicht . So schliefen wir ganz prächtig , von meinen Hunden bewacht , die in der ganzen Zeit , auch während des Essens , nicht von unserer Seite gekommen waren . Wir erwachten erst bei Tagesanbruch . Es war ein wichtiger Tag , der schon gleich früh durch sein ungewöhnliches Aussehen zeigte , daß er sich nichts Uebliches , sondern ganz Absonderliches vorgenommen hatte . Wir befanden uns zwischen engen , steil anstrebenden Felsen und hatten infolgedessen einen kleinen , sehr schmalen Horizont . Aber so unbedeutend das Stück Himmel war , das wir über uns sahen oder vielmehr gar nicht sahen , es war doch groß genug , uns zu zeigen , daß der Dschirbani mit seiner Voraussage , es gebe heute Sturm , Recht gehabt hatte . Als wir vom Schlafe erwachten , hörten wir ein Brausen wie von den allertiefsten Orgelstimmen , durch welches von Zeit zu Zeit das hohe , spitze , schrille Pfeifen einer Klarinette fährt . Und dieses Pfeifen und Brausen hörte nicht auf ; es dauerte fort . Wenn es ja einmal für einige Augenblicke schwächer wurde , so stieg es dann um so höher zur vollsten Stärke auf . Für uns wurde es durch die Felsen gemildert , die uns wie mächtige Wände beschützten und das Toben des Sturmes nicht direkt an unser Ohr gelangen ließen . Der Himmel hing , wie man sich auszudrücken pflegt , fast bis zur Erde herab . Er bestand nur aus dunklen , schweren Wolken , die aber keine kompakte Masse bildeten , sondern wie zerfetzte und zerrissene Teppiche , Tücher und Schleier quer über die Landenge dahingejagt wurden . Ich sage quer ; denn der Sturm kam aus Ost und traf den Engpaß also in seiner ganzen Länge . Er wühlte die Wasser des Meeres auf , hob sie hoch empor und zwang sie , an den Felsen hinaufzuklettern und jene Risse , Rinnen und Rillen zu finden , die bereits erwähnt worden sind . Aus diesen ergoß sich die Flut dann zu uns herein in das alte Flußbett . Sie stürzte , so weit wir sehen konnten , wie in zahlreichen Sturzbächen nieder , die nicht kontinuierlich , sondern stoßweise arbeiteten , ganz den Stößen des Orkans gemäß , die von Pause zu Pause erfolgten . Die Menge des Seewassers , die in dieser Weise draußen empor- , und dann zu uns hereingetrieben wurde , war sehr bedeutend . Sie hatte bis jetzt schon den ganzen Grund des Flusses ausgefüllt und stieg immer höher und höher . Hierzu kam , daß die Nordwinde den Sand der Wüste jahrhundertelang wie durch ein Blasrohr über die ganze Länge des Engpasses gepustet hatten . Auf der anderen Seite , also im Süden , hatte er sich angesetzt . Hierdurch war das Gefälle des Flußbettes so verringert worden , daß es fast gar keines mehr gab . Das Wasser stand ; es floß nicht ab , wenigstens jetzt noch nicht . Vielleicht konnte es später , wenn es höher gestiegen war , ins Fließen kommen . Es stand jetzt schon mehrere Fuß hoch . Wenn der Seegang in der bisherigen Weise arbeitete , handelte es sich nur um einige Stunden , so war das Flußbett vollständig unwegsam gemacht und wir konnten die beiden einzigen passierbaren Stellen , um mich des Ausdruckes zu bedienen , den der Dschirbani angewendet hatte , » mit Feuer verstopfen « . Eben als wir aufgestanden waren , kam Merhameh . Sie hatte gewußt , wo wir schliefen , und uns ein Frühstück zubereitet , das sie uns jetzt brachte . Während wir es verzehrten , kam der Dschirbani , um nach Norden hin , woher wir die Tschoban erwarteten , Ausschau zu halten . Ich begleitete ihn . Er deutete nach dem Flusse und sagte : » Du siehst , der Sturm ist da . Ich vermute sogar , daß er sich zum Orkan erhebt . Und auch die Wasser kommen . Nur noch zwei Stunden , so sind nicht nur wir , sondern auch alle Elemente vollständig bereit , die Tschoban zu empfangen . « » Die , wenn sie einmal kommen , « fügte ich hinzu , » gewiß keinen Augenblick säumen werden , in die Falle zu gehen . « » Zu dem Durste gesellt sich nun auch der Sturm , um sie schnell hinein zu treiben . « » Mich und Halef aber verhindert er , ihnen entgegen zu reiten . « » Du wolltest ? « fragte er . » Ja , natürlich ! Unser Warten auf sie ist doch immerhin ein ungewisses ; wir aber hätten euch Gewißheit gebracht . Darauf müssen wir nun leider verzichten . Draußen in der Wüste sieht es jetzt ja noch ganz anders aus als hier bei uns , die wir uns im Schutz der Felsen befinden . Da denke ich eben daran , daß sich die Flößerei des Brennholzes bei diesem Wogengang von selbst verbietet . Haben wir auf dieser Seite Holz genug ? « » Ich hoffe es . Wir werden ja gleich sehen . Der Transport auf dem Wasser ist nicht mehr möglich . Wird mehr gebraucht , als geschafft werden konnte , so muß es auf dem verborgenen Pfad geschehen , der das Felsenloch mit dem Felsentor verbindet . Komm ! « Mein und Halefs Schlaf war so fest gewesen , daß wir von den Vorbereitungen , die während der Nacht getroffen worden waren , gar nichts bemerkt hatten . Es lag in der Möglichkeit , daß die Tschoban sich nicht erst heut , sondern schon während der Nacht einstellten . Darum hatte der Dschirbani schon gestern abend , noch während wir aßen , so viel Hukara nach Norden geschickt , wie nötig waren , die Falle hinter den Hineingeratenen zu schließen . Eine Anzahl von ihnen hatte sogar hinaus in die offene Wüste reiten müssen , um auch während der Nacht die etwaige Ankunft der Erwarteten zu erspähen und zu melden . Diese Leute lagen auch jetzt noch draußen , trotz des Sturmes und trotz der ungeheuren Mengen von Sand , mit denen er die Luft erfüllte und die es ganz unmöglich machten , einen Blick in die Ferne zu werfen . Die Hukara , welche außerhalb des Felsentores postiert waren , bildete ein Drittel unseres Heeres , also vielleicht vierhundert Mann . Das ist schon eine nicht unbedeutende Zahl . Dennoch war , als wir jetzt hinauskamen , keine Spur von ihnen zu sehen , so gut hatten sie sich versteckt . Auch das Brennholz lag verborgen . Der Dschirbani , der die Stelle kannte , führte mich hin . Es war kaum glaublich , welche Haufen von Stämmen , Klötzen , Aesten und Reisern man da zusammengeschleppt hatte . Mir kam es weit mehr als genügend vor , und doch stellte sich dann später heraus , daß es noch nicht reichte . Es mußte noch mehr hinzugetragen werden , und zwar auf dem geheimen Bergpfade , ganz so , wie der Dschirbani gesagt hatte . Hier auf diesem nördlichen Drittel des Engpasses befehligte Irahd . Als er uns sah , kam er aus seinem Versteck hervor und begleitete uns weiter . Das Wasser stieg im Flusse zusehends . Das Heulen des Sturmes war hier außen noch ganz anders zu hören als innerhalb des Felsentores . Und je weiter wir kamen , um so stärker fühlten wir die Luftbewegung , die auch uns erfaßte . Der Sturm wurde so kräftig , daß es schien , als ob er uns umwerfen werde . Und als wir das Ende der hohen uns schützenden Felsendünen erreichten , war die Luftbewegung viel richtiger eine Sandbewegung zu nennen . Das ganze Sandmeer der Wüste schien aufgewühlt zu sein . Es wurde in riesigen Streuwürfen und Schwaden vor dem Winde hergetrieben , eine fliegende Wüste , die der Geist der Lüfte mit tausend Geißeln peitschte ! Wie gern wäre ich mit meinen Hunden mitten in dieses Unwetter hineingeritten , um selbst zu sehen , ob und wann die Tschoban zu erwarten seien . Ich traute den paar Ussul , die da draußen lagen , nicht die nötige Uebung und Ausdauer zu . Aber mein Syrr war mir denn doch zu kostbar , als daß ich ihm zumuten durfte , Augen , Ohren und Nüstern in zehn Minuten voller Sand zu haben und um eines groben Dienstes willen , für den er viel zu fein und edel war , an einer Lungenentzündung zu Grunde zu gehen . Ich verzichtete also darauf und kehrte mit dem Dschirbani und Irahd nach dem Felsentore zurück , um sodann mit Halef nach dem Felsenloch zu reiten , wo auch vierhundert Hukara lagen , die den Anprall der Tschoban auszuhalten hatten . Sie waren hierzu so wohlgerüstet , daß an ein Mißlingen ihrer Absicht gar nicht gedacht werden konnte . Denn das Wasser im Flusse war mittlerweile schon über einen Meter hoch gestiegen und begann nun , auch auf der Leeseite hereinzuströmen , nachdem sich der ungeheure Wogenschlag auch nach der westlichen Seite der Halbinsel der Ussul fortgepflanzt hatte . Nun , da die Füllung der Flußrinne von zwei Seiten aus geschah , war das Passieren des Felsenloches nur auf dem schmalen Uferpfade möglich , und diesen hatte man mit einem mächtigen Holzhaufen versperrt , der nur angezündet zu werden brauchte , um jeden Versuch , ihn zu entfernen , zu vereiteln . Dabei standen die Vierhundert mit ihren Waffen , um das Feuer unablässig zu schüren und jedes Vordringen der Feinde zurückzuweisen . Hierauf ritten wir nach dem südlichen Ende des Engpasses , wo sich , um mich militärisch auszudrücken , das Hauptquartier befand . Noch gestern abend hatte es draußen , vor den Felsenhöhen , auf der freien Ebene gelegen ; jetzt aber war es wegen des Sturmes hereinverlegt worden , wenn auch nur für die Menschen , denn für die vielen Pferde gab es hier innen keinen Raum . Die letzten vierhundert Ussul , das dritte Drittel , das nicht direkt mit dem Feind zu tun bekam , war mit der Unterhaltung der Zwischenposten , der Beschaffung von Wasser und Proviant und ähnlichen wirtschaftlichen Dingen betraut , die zwar nicht kriegerisch sind , aber doch zum Kriege und auch zum Siege gehören . Ich erkundigte mich nach unsern Gefangenen und erfuhr , daß der Panther mich dringend zu sprechen wünsche ; ich beschloß , noch im Laufe des Tages zu ihm zu gehen . Vor allen Dingen hatten wir unsere beiden Pferde , die wir jetzt nicht mehr brauchten , weil alle Wege zu Fuß gemacht werden mußten , so unterzubringen , wie es ihr Wert erheischte . Wir fanden zwischen schützenden Felsen einen Platz für sie , wo sie vor den Unbilden des Sturmes geschützt waren und von Niemand belästigt werden konnten . Von dem Augenblicke an , da die Ankunft der Tschoban gemeldet wurde , war Folgendes vorgesehen : Der Dschirbani sollte als Kommandant seinen Platz möglichst in der Mitte der Aufstellung haben . Er wählte sich hierfür eine Stelle , die oben an dem verborgenen Pfade fast grad auf halbem Wege zwischen dem Felsenloche und dem Felsentore lag . Da gab es ein überhängendes , ausgehöhltes Felsenstück , welches Platz für wohl ein Dutzend Personen bot und selbst beim ärgsten Regen trocken blieb . Von hier aus hatte man gleich weit nach den beiden Punkten , wo die Feuer brennen sollten , und die Meldungen und Befehle konnten hin und hergehen , ohne von den dazwischen , aber tief unten liegenden Tschoban bemerkt und aufgefangen zu werden . Der Dschirbani bat Halef und mich , ihm an dieser Stelle Gesellschaft zu leisten ; ich aber wollte ihm so viel wie möglich freien Willen und freie Hand lassen und erwirkte also seine Einwilligung , dahin zu gehen , wohin es mir beliebte . Es war noch nicht Mittag , so gegen elf Uhr europäischer Zeit , als die in die Wüste hinausgesandten Posten mit der Meldung zurückkehrten , daß die Feinde im Anzug seien . Diese wackern Hukara hatten vom Sande und vom Sturme viel auszustehen gehabt und ihre Sache sehr gut gemacht . Sie waren ungesehen geblieben und sahen sehr mitgenommen aus . In welchem Zustande mußten sich da erst die Tschoban befinden ! Der Dschirbani begab sich sofort nach seinem Posten . Wir Beide , nämlich Halef und ich , schnallten meinen zwei Hunden so viel Proviant und Wasser auf , als wir von heut bis morgen brauchten . Dadurch machten wir uns frei von Ort , Zeit und Pflege . Dann gingen wir am immer höher wachsenden Flusse bis zum Felsentore . Indem wir hierbei die Falle in ihrer ganzen Länge durchschritten , sahen wir , daß die Hukara jede Spur von sich und uns sorgfältig vertilgt hatten . Das machte mich noch ruhiger und zuversichtlicher , als ich ohnehin schon war . Vom Felsentore aus nahmen wir genau denselben Weg empor , den wir mit Merhameh hinaufgestiegen waren . Da oben wütete der Sturm so heftig , daß man sich zuweilen festhalten mußte , um nicht umgerissen und weggefegt zu werden . Nach Abd el Fadls Steinhütte zu gelangen , war ganz und gar unmöglich . Wir waren froh , eine nach Norden offene Felsenritze zu finden , an welcher der von Osten wehende Sturm vorüberging . Wir setzten uns da hinein und brauchten auch gar nicht lange zu warten , so sahen wir sie kommen : es war ein dünner , oft unterbrochener , ewig langer Zug von ermüdeten , hungernden und durstenden Menschen und Pferden , denen man es schon von Weitem ansah , daß sie sich kaum mehr aufrecht halten konnten . So , wie wir sie sahen , so konnten wir selbstverständlich auch von ihnen gesehen werden , und darum machten wir uns nun schleunigst von dannen , um ihre Ankunft in der Falle zu beobachten . Wir gingen den heimlichen Hochpfad entlang , bis wir den Dschirbani erreichten , der es sich mit seinem Stabe unter dem oben beschriebenen Felsen möglichst bequem gemacht hatte . Hier in der Nähe zweigte der Treppensteig ab , der nicht ganz nach unten , sondern nur bis zu der offenen Platte ging , die ich bereits beschrieben habe . Wir stiegen nicht ganz bis zu dieser Platte hinab , denn wir trafen auf Merhameh und ihren Vater , die an einer sehr praktisch gelegenen Stelle saßen , von der aus man fast die ganze Falle überblicken konnte , ohne selbst gesehen zu werden . Wir nahmen bei ihnen Platz und entlasteten die Hunde , indem wir ihnen die Tragsattel abschnallten . Für unsere Bedürfnisse war nun gesorgt , selbst wenn wir bis morgen an dieser Stelle bleiben mußten . Wir hatten sogar unsere Decken mitgenommen , für den Fall , daß wir gezwungen sein sollten , hier zu schlafen . Wir saßen so , daß der Durchgang durch das Felsentor , sobald wir uns nach der linken Seite wendeten , gerad vor unsern Augen lag . Es dauerte ziemlich lange , ehe dort der erste der Tschoban erschien . Ich vermutete , daß man draußen vor dem Tore halt gemacht hatte , bis der Scheik kam , und zwar aus dem sehr selbstverständlichen Grunde , um seine Befehle für den Durchzug des Engpasses zu erfahren . Diese Vermutung war richtig , denn der Erste , der endlich durch das Tor geritten kam , war der Scheik . Ich kannte ihn nicht ; aber die Art und Weise , wie er sich gab und wie man ihn nahm , ließ es erraten . Er ritt ein starkknochiges , sehr kräftig gebautes Pferd von derselben Rasse , wie ich bei dem Panther , seinem Sohne , gesehen hatte . Freilich jetzt schien es mit dieser Kraft des Tieres vorüber zu sein . Denn es war so ermüdet , daß es nur noch langsam gehen konnte , und als er so weit vorgeritten war , daß er sich uns gegenüber befand , begann es gar , zu wanken , blieb stehen und wollte nicht weiter . Er schlug es nicht und peinigte es nicht . Er trug überhaupt sehr kleine Sporen , nicht die großen , fürchterlichen Marterwerkzeuge , die ich bei seinem Sohne und dessen Begleitern gesehen hatte . Er liebkosete das Pferd ; er streichelte ihm den Hals und versuchte , es in Liebe zum Weitergehen zu bringen . Das gefiel mir sehr von ihm , war aber ohne Erfolg . Das Pferd wollte zwar , konnte aber nicht weiter . Da stieg er ab . Sobald es sich seiner Last ledig fühlte , ging auch der letzte Rest der künstlich erregten Energie verloren . Es begann zu zittern und brach dann halb zusammen , halb legte es sich hin . Da setzte er sich bei ihm nieder , nahm seinen Kopf in den Schoß , streichelte ihn und frug und schaute emsig aus , ob einer der Vorüberreitenden noch eine Spur von Wasser in seinem Schlauche habe . » Sihdi , dieser Mann ist gut ! « sagte Halef . » Der liebt sein Pferd . Dem darf nichts geschehen ! Bist du einverstanden ? « Ich nickte nur . Meine ganze Aufmerksamkeit war durch die Menschen in Anspruch genommen , die sich durch das verhängnisvolle Tor , vom Durste getrieben , förmlich hereindrängten , ohne zu ahnen , daß sie sich dadurch um ihre Freiheit brachten . Und so , wie sie hereindrängten , so drängten sie weiter . Wie sahen ihre Kleider , ihre Gesichter , ihre Pferde aus ! Jede Falte , jede Oeffnung stak voll Sand . Sowohl Mensch wie auch Tier konnte kaum noch aus den Augen sehen . Alles hustete , keuchte und ächzte . Die Pferde waren bis zum Umstürzen ermüdet , wurden aber mit Hilfe von Peitsche und Sporen doch noch vorwärts getrieben . Nur von Zeit zu Zeit blieb Einer bei dem Scheik halten , um ihm ein aufmunterndes Wort zu sagen , aber Wasser hatte kein Einziger mehr , um es ihm für sein Pferd zu geben . Wir erfuhren später , daß diese Leute laut aufgejubelt hatten , als sie den Fluß erreichten . Schnell aber hatte sich ihre Freude in Schreck verwandelt , als sie schmeckten , was für Wasser er enthielt . Und dieser Schreck hatte sich zum Entsetzen gesteigert , als sie sich sagen mußten , daß dieses Seewasser sich aus dem oberen , ausgetrockneten Fluß in den unteren Fluß ergießen und auch dessen Wasser , von dem sie Rettung erwarteten , ungenießbar machen werde . Und dennoch drängten sie mit aller Gewalt nach vorwärts . Das Flußbett war noch nicht so weit gefüllt , daß das Seewasser Abfluß fand . Man sah , daß es stand . Es hatte sich noch nicht in die trinkbare Flut des Unterlaufs ergossen . Also vorwärts , weiter , weiter ! Nun folgte die Bagage , Kamelreiter mit leeren Schläuchen und abgetriebenen Tieren , ermüdete Reiter zu Fuß , die ihre Pferde am Zügel hinter sich herzogen , weil die armen Geschöpfe vor Durst und Hunger nicht mehr imstande waren , ihre Herren zu tragen . Und da , da krachten von unten herauf , von dem Felsenloche her , einige Schüsse . Draußen in der Wüste hätte der Orkan ihren Schall verschlungen ; hier aber , wo seine Kraft von den Felsen gebrochen wurde , hörte man sie . Sie waren das verabredete Zeichen für uns , daß die Tschoban das Felsenloch erreicht hatten , aber nicht weiter konnten , weil von unsern Hukara der Holzstoß angezündet worden war . Es erhob sich da unten ein Geschrei , welches sehr schnell von Mann zu Mann bis zu uns herauf getragen wurde . Das Vorwärtsdrängen kam ins Stocken . Man blieb stehen . Von oben herab , also vom Felsentore her , kamen nur noch einige einzelne Tschoban , bis auch der Letzte in der Falle war . Da krachten auch von dorther einige Schüsse . Jetzt sprang der Scheik auf und schrie in den Lärm hinein : » Schweigt , schweigt ! Was ist geschehen ? Warum reitet ihr nicht weiter ? « Das Getöse war so groß , daß man seine Worte nicht hörte . Doch sah man , daß er fragte , und Jedermann antwortete ihm . Es entstand dadurch noch ein viel schlimmerer Tumult , aus dem nur wenige deutliche Worte wie » Ussul ! Gefangen ! Wasser ! Feuer ! « herauszuhören waren . Der Scheik wiederholte seine Frage , aber mit genau demselben Mißerfolge . Da stand Merhameh auf , von Niemand veranlaßt und nur ihrer inneren Eingebung folgend . Sie ergriff einen unserer Wasserschläuche , stieg mit ihm bis zur Platte hinab , legte ihn dort hin , trat ganz bis an den Rand der Platte vor und gab mit erhobenem Arm den Befehl zu schweigen . Ich sage absichtlich , daß sie nicht das Zeichen , sondern den Befehl zum Schweigen gegeben habe . Wie sie so niederstieg , wie sie so dastand , mit erhobenem Arm und königlicher Haltung , das ist nicht zu beschreiben . Der Scheik war der Erste , der sie sah . Er machte eine Bewegung der Ueberraschung , trat um einige Schritte zurück , um sie zu betrachten , deutete auf sie und gebot Ruhe . Auch diese seine Worte verhallten in dem allgemeinen Spektakel , aber man folgte mit den Augen seinem Winke , und Jedermann , der Merhameh stehen sah , wurde still . Ihr Anblick besaß jene Macht , die nur dem begreiflich ist , der die unwiderstehliche Gewalt eines seelisch reinen Wesens an sich selbst erfahren hat . Jeder Blick war auf Merhameh gerichtet , und man hörte trotz des Sturmes deutlich , was sie mit heller , klarer Stimme dem Scheik zurief : » Wirf mir deinen Schlauch herauf ! Ich will dir Wasser geben für dein armes Pferd ! « Sein Pferd war das müdeste und durstigste von allen . Er hatte es abgehetzt , um seine Schar im Sturme zusammenzuhalten , wie ein Schäferhund unausgesetzt die Herde umkreist , damit kein Schaf verloren gehe . » Wasser ? Für mein Pferd ? « fragte er zu ihr hinauf . » Ja gib ! Allah segne dich für deine Barmherzigkeit ! Sag , wer du bist ! « » Ich bin Merhameh , « antwortete sie einfach . » Merhameh ? Also die , von der ich rede , die Allah segnen soll , die Barmherzigkeit ? « Er nahm den Schlauch vom Sattel und warf ihn ihr zu . Sie füllte ihn aus dem unseren und reichte ihn , indem sie niederkniete , so weit hinab , daß er ihn auffangen konnte . Er trat sofort zu seinem Pferde , um es zu tränken . Während er dies tat , schaute Merhameh froh lächelnd zu ihm nieder . Und die Menge der Tschoban hielt Mann an Mann da unten auf dem Wege und schaute zu ihr hinauf . Es war doch eigentlich gar nichts Sonderliches , was da geschah ! Ein Mädchen gab einem Reiter Wasser für sein durstiges Pferd . Aehnliches hatte man schon tausendmal gesehen . Wie kam es , daß der Anblick grad dieses Mädchens so unbedingt beruhigend wirkte und das vorherige Gezeter in plötzliches , tiefes Schweigen verwandelte ? Jetzt war der Schlauch leer . Der Scheik richtete sich aus seiner gebückten Stellung empor , und zu gleicher Zeit sprang sein Pferd vom Boden auf . Er schaute zu Merhameh hinauf , nickte ihr dankend zu und fragte : » Hat sich die himmlische Barmherzigkeit in irdische Form gekleidet ? Oder ist hier Merhameh der Name eines wirklichen Menschenkindes ? « » Ich bin wirklich ! « antwortete sie . » Mein Vater hat mich so genannt . « » Dein Vater ? Wer ist er ? « » Er heißt Abd el Fadl . « Da trat der Scheik mit dem Ausdruck der Ueberraschung noch einige Schritte zurück und fragte : » Etwa gar Abd el Fadl , der Fürst von Halihm , der das berühmte Gelübde tat ? « » Derselbe ! « nickte sie . » Ist er hier ? « » Ja . « » Darf ich ihn sprechen ? « » Nein . Sein Name sagt , was er ist und was er will . Er kennt keine andere Herrscherin als nur die Güte allein , der es verboten ist , mit Menschen zu verkehren , die rauben und morden und Blut vergießen wollen . Es gibt nur Zwei , die mit euch reden können , nämlich die Strenge und die Barmherzigkeit . « » Die Barmherzigkeit bist du . Und wer ist die Strenge ? Wer gebietet hier ? Warum hält man uns auf ? Man scheint das Felsenloch besetzt zu haben und uns nicht weiterlassen zu wollen . Wer ist es , der das tut ? « » Das bin ich ! « erklang es neben Merhameh . Der Dschirbani war von seiner hohen Stelle herabgestiegen und neben Merhameh getreten . Er glich in seiner edlen Haltung , seiner vornehmen Art , sich zu bewegen , und seinem ledernen Gewande einem Winnetou in Riesengestalt , und mit der herabwallenden Haarmähne einem noch nicht ganz gezähmten Löwen . » Du ? « fragte der Scheik der Tschoban . » Ich kenne dich nicht ; ich habe dich noch nie gesehen . « Der Gefragte brauchte nicht zu antworten . Es erhob sich unter seinen Leuten eine Stimme : » Der Dschirbani ! Der Räudige , der Verrückte ! « Und eine andere Stimme fügte hinzu : » Der , wenn er von den Ussul eingesperrt wurde , immer herüber zu uns floh , um hinauf nach Dschinnistan zu laufen . Wir aber ließen ihn nicht durch ! « » Der Dschirbani ! Der Verrückte ! Der Verachtete ! Der Räudige ! « rief ein Dritter und ein Vierter . » Der Verachtete ! Der Räudige ! Der Verrückte ! « schrien ihnen viele Andere nach . » Ist das wahr ? « fragte der Scheik zu ihm hinauf . » Daß man mich den Dschirbani nennt , ist wahr , « antwortete der Geschmähte ruhig . » Ob ich verrückt oder räudig bin , das wirst du sehr bald selbst beurteilen können . Dein Sohn , der falsche Ilkewlad , der nicht der Erstgeborene ist , fiel in unsere Hände . Er plauderte eure Pläne aus . Da zogen wir euch entgegen , um euch eine Falle zu stellen . Wir sind weit über tausend Mann und haben da unten das Felsenloch besetzt , um euch nicht hindurch zu lassen – – « » Eine Falle ? « unterbrach ihn der Scheik . » Wir scheinen allerdings da unten nicht weiterzukönnen ; wer aber hindert uns , dahin zurückzukehren , woher wir gekommen sind ? « Der Hunger , der Durst und das Feuer . Schau hin ! « Er deutete nach dem Felsentore . Die wenigen Minuten hatten genügt , so viel Holz , wie nötig , herbeizuschaffen und in Brand zu stecken . Weil das Feuer draußen brannte , sah man es nicht ; aber der Wind blies den Rauch herein , verhinderte ihn , emporzusteigen , und zwang ihn , wie eine sich tief am Boden windende Schlange dem Ufer des Flusses zu folgen . Der Scheik stieß einen Schreckensruf aus . » Auch dein anderer Sohn , der wirkliche Erstgeborene , geriet in unsere Hände , « fuhr der Dschirbani fort . » Wir haben ihn gestern noch vor Abend ergriffen , als – – « » Mein Sohn Sadik ? « unterbrach ihn der Scheik . » Ja . « » Das ist nicht wahr ! Das ist Lüge ! « » Gut ! Nimm es für Lüge ! « » Er kann nicht hier sein , ich glaube es nicht . Er ist daheim ! « » Ich wiederhole nur : Nimm es als Lüge ! Und sei auch stolz genug , mit mir , dem Lügner , nicht weiter zu verkehren ! « Er wendete sich ab und stieg langsamen Schrittes wieder hinauf nach seinem Platze . Auch Merhameh verließ die Platte und gesellte sich wieder zu uns . Ich fand das sehr richtig . Des Dschirbani Weise war ganz die rechte , um sich in Respekt zu setzen . Der Scheik rief noch mehrere Male nach ihnen herauf , bekam aber keine Antwort . Da beschied er eine Anzahl seiner Leute zu sich , in denen ich die Aeltesten vermutete . Sie setzten sich in einem Kreise nieder , um mit ihm zu beraten . Eine solche Beratung der Stammesältesten wird bekanntlich Dschemma genannt . Die jetzige fand grad vor unsern Augen statt . Es wurden Leute sowohl nach dem Felsentore wie auch nach dem Felsenloche gesandt , um über diese beiden Orte zu berichten . Was sie nach ihrer Rückkehr sagten , konnten wir natürlich nicht hören . Wir hatten wegen des Sturmes ja kaum das verstehen können , was zwischen uns und ihnen vorher sehr laut gerufen worden war . So weit unsere Augen reichten , hatte sich die anfängliche Aufregung der Tschoban gelegt . Die noch nicht von ihren Pferden gestiegen waren , taten das nun jetzt ; sie setzten sich nieder , um das Ergebnis der Dschemma abzuwarten . Ich muß erwähnen , daß das Wasser des Flusses noch immer stieg . Der nördlich vom Felsentore und südlich vom Felsenloche wehende Sturm trieb den Rauch der beiden Riesenfeuer in die Falle herein . Die stechend und brenzlich riechenden Wolken krochen von unten herauf und von oben herunter , bis sie sich in der Mitte , wo die Beratung stattfand , trafen . Der Luftdruck hielt den Rauch nieder . Zuweilen war dieser so dicht , daß er uns den Blick auf die Tschoban raubte . Dann mußten wir warten , bis ein pfeifender Windstoß hereinfuhr und den Rauch in die Höhe wirbelte . Das gab der ganzen Szene etwas eigentümlich Urwelt-Elementares . Die Tschoban erschienen wie eine verlorene Schar von Pygmäen , die von unwiderstehlichen , riesigen Gewalten zermalmt und vernichtet werden sollten . Sie waren sich über ihre Lage noch nicht im Klaren und beschlossen also , sie zu untersuchen . Es wurde nach Wegen geforscht , die empor zur Höhe führten , zunächst hüben auf unserer Seite . Man fand keinen einzigen Pfad . Dann schwammen Einige quer durch den Fluß , natürlich auf ihren Pferden , denn man weiß ja , daß die Tschoban das Wasser scheuen und keine Schwimmer sind . Sie sagen , wenn Allah gewollt hätte , daß die Menschen schwimmen sollen , hätte er ihnen Flossen gegeben . Man suchte hierzu Pferde aus , die noch kräftig genug waren ; deren gab es aber nur sehr wenige . Diese Reiter sollten drüben suchen ; sie kehrten aber ebenso unverrichteter Sache zurück . Dann folgte wieder eine längere Beratung . Hierauf setzten sich zwei Abteilungen zu Pferde . Die eine ritt nach Süden und die andere nach Norden . An der letzteren sahen wir , welchen Zweck sie verfolgten . Sie ritt so weit an das Felsentor heran , als der qualmende Rauch erlaubte , und ging dann in das Wasser , um zu versuchen , ob wohl da hinauszukommen sei . Wir sahen , wie die Pferde sich weigerten ; sie hatten Angst vor dem nassen Element . Derartige Mengen Wassers waren ihnen fremd . Und als man sie endlich hineingezwungen hatte , war es auch den Reitern erwünscht , daß ihre Tiere nicht vorwärts schwammen , sondern schleunigst nach dem sichern Ufer zurückkehrten , weil von draußen auf sie geschossen wurde . Die Tschoban begriffen , daß an ein Hindurchkommen gar nicht zu denken war , und wendeten sich der Dschemma wieder zu . Bald kehrte auch die andere Abteilung zurück , die ebenso wenig erreicht hatte . Man sah es den Aeltesten an , daß sie nun an das Ende ihres Witzes gelangt waren , was aber nicht etwa zur Folge hatte , daß sie sich zu ergeben beschlossen . Sie waren eingefleischte Moslemin und also Fatalisten . Sie hatten zu entkommen versucht , jedoch vergeblich . Damit , glaubten sie , hatten sie ihre Pflicht getan . Das war genug . Was nun geschah , das wurde Allah überlassen , der am besten weiß , was seinen Tschoban frommt . Dieser Fatalismus hätte vielleicht nicht so unmittelbar und augenfällig gewirkt , wenn ihm nicht die ebenso tiefe wie allgemeine Ermüdung zu Hilfe gekommen wäre . Wir sahen , daß Viele sich hinsetzten und einfach die Hände in den Schoß legten . Andere wickelten sich in ihre Decken , um einzuschlafen . Ueber diesen Schlaf hinauszudenken , dazu fehlte ihnen die Energie . Auch bemerkten wir , daß die Dschemma unter sich nicht einig war . Zwar konnten wir nicht hören , was die Mitglieder untereinander sprachen , aber aus ihren sehr lebhaften und sehr ausdrucksvollen Gebärden war zu schließen , daß sie vielfach gespaltene Meinungen vertraten . Erst nach längerer Zeit schienen sie sich über einen Entschluß geeinigt zu haben . Um ihn auszuführen , stand der Scheik von seinem Sitze auf , kam wieder näher herbei und rief nach Merhameh . Es war bezeichnend , daß er nicht mit dem Dschirbani zu sprechen verlangte . Merhameh stieg wieder zur Platte hinab und ließ sich vor ihm sehen . Er war außerordentlich höflich gegen sie . Er gab zu , daß er mit seinen Tschoban eingeschlossen sei , doch behauptete er , durch einen kräftigen Vorstoß sofort entkommen zu können , selbst durch das Feuer . Es sei ja Wasser genug vorhanden , um sogar die größte Glut sofort zu löschen . Er forderte ein wahrheitstreues Bild der gegenwärtigen Situation und eine ebenso aufrichtige Darlegung über die Absichten der Ussul . Wie konnte er ein derartiges Verlangen an ein so junges , unerfahrenes Mädchen stellen ? So fragte ich mich . Aber Merhameh antwortete sofort , und wie ! Weder der Dschirbani noch ich hätten es besser ma chen können . Sie sprach völlig der Wahrheit gemäß , jedoch so vorsichtig und diplomatisch , daß ich erstaunte . Auf jede Frage , die er ihr dazwischen warf , war sie sofort mit der richtigen Antwort bei der Hand . Sie sprach wie ein Anwalt , der sich mit scharfem Geiste auf Alles , was zu sagen ist , wohl vorbereitet hat und dem Gegner keine Lücke läßt , etwaige Widerlegungen anzubringen . Und zugleich sprach sie auch als mild und freundlich denkendes Weib , dem es viel mehr darauf ankommt , zu verzeihen , als zu siegen . Und doch klang es auch wieder , als spräche nur ein Kind , dem es in seiner Natürlichkeit und Naivität ganz unverständlich ist , daß ein vernünftiger Mensch sich in der Weise benehmen kann , wie eben der Gegner sich benimmt . Es lag etwas Unwiderstehliches , etwas geradezu Siegreiches in den Worten , die sie wählte , und in dem herzlich eindringlichen Tone , den sie ihnen gab . Das kam Alles so klar perlend , so selbstverständlich und so ungesucht . Das war nicht gemacht , das war angeboren ; das war Talent oder gar vielleicht Genie . Ich habe viele hervorragende , ja sogar große Redner gehört ; nie aber hörte ich in der unbeschreiblich hinreißenden , unbezwingbaren , zugleich überzeugenden und beseligenden Weise sprechen , in der Merhameh zu sprechen pflegte , wenn ihr das , was sie sagte , aus eigenem Herzen kam . Heut hörte ich sie zum ersten Male , und zwar unter erschwerenden Umständen . Der Sturm verschlang die Hälfte ihrer Rede ; der Haß stand ihr entgegen , und was sie sprach , sprach sie zu erschöpften Leuten , und doch war der Erfolg ein außerordentlicher . Später habe ich sie noch oft , sehr oft gehört , unter Verhältnissen von viel günstigerer Resonanz , und niemals ist es mir eingefallen , etwa an ihrer Stelle einen Andern sprechen zu lassen oder das Wort gar selbst zu ergreifen . Es kam zuweilen vor , daß , wenn gar nichts helfen wollte , sie mit einigen kurzen Sätzen erreichte , was wir mit all unsern Reden nicht hatten erreichen können . Als sie jetzt sprach , saß Halef neben mir . Zufälligerweise glitt mein Blick auf sein Gesicht hernieder . Da sah ich , wie erstaunt er war . Seine Augen waren groß ; sein Mund stand offen . Man sah es ihm an , daß er in diesem Augenblick nur für die junge , schöne Sprecherin vorhanden sei . Als sie geendet hatte , holte er tief Atem und sagte : Hast du es gehört , Effendi ? Maschallah ! Ich habe mich für einen unübertrefflichen Redner gehalten ; aber weißt du , was ich bin ? « » Nun , was ? « » Ein blökendes Schaf , eine schreiende Krähe , ein gähnendes Kamel ! Aber so eine Stimme und solche Töne und derartige – « Er hielt inne , um den Scheik zu hören , der wieder zu sprechen begann . Dieser stand ganz unter dem Eindrucke dessen , was er gehört hatte , und rief zu Merhameh herauf : » Ich glaube dir Alles , was du sagst . Denn alle Welt weiß , daß aus dem Munde von Abd el Fadl oder Merhameh nie eine Lüge kommt . Du bestätigst also , daß Sadik , mein ältester Sohn , bei euch gefangen ist ? « » Ja , « antwortete sie . » So fordere ich vom Dschirbani , von jetzt an gerechnet , zwei volle Stunden Zeit , um unsere Lage genau zu untersuchen . Sobald diese Frist vorüber ist , bin ich wieder hier an dieser Stelle , um weiter mit dir zu sprechen . Ich bitte dich , ihm das zu sagen ! « Hierauf entfernte er sich , um , gefolgt von seinen Aeltesten , weiter abwärts zu gehen , wo er noch nicht gewesen war . Er wollte mit eigenen Augen sehen , ob er vorhin von seinen Leuten der Wahrheit gemäß berichtet worden sei . Ich gedachte , während dieser Pause zu dem » Panther « zu gehen , welcher verlangt hatte , mit mir sprechen zu dürfen . Ich nahm Halef mit , weil seine Hunde es waren , denen man die Bewachung der Gefangenen anvertraut hatte ; sie sollten nur ihm gehorchen . Wir gingen auf dem Höhenpfade zunächst nach dem » Felsenloche « hinab . Unterwegs konnten wir den Scheik der Tschoban beobachten , wie er , von Gruppe zu Gruppe gehend , sich mit seinen Leuten verständigte . So oft wir eine Stelle erreichten , an der wir von unten gesehen werden konnten , sahen wir , daß man nach uns heraufdeutete und sich über uns unterhielt . Das schadete nichts . Es war sogar für uns gut , wenn die da unten sahen , daß wir hier oben miteinander verkehren konnten , ohne daß es ihnen möglich war , es zu verhindern . Auf dieser Höhe fühlten wir den Sturm noch ganz anders als bisher , und wir waren froh , als der Pfad uns wieder zu Tale führte , wo die Felsen schützten . Die vierhundert am » Felsenloche « stehenden Hukara waren wohlgemut . Sie sahen ebenso ein wie wir , daß den Tschoban gar nichts Anderes übrig blieb , als sich zu ergeben . Unser Ziel , der Felsenriß , in dem der » Panther « steckte , lag noch weiter unten . Die Natur hatte da zwei große Steinblöcke aneinandergeschoben und dabei an ihrer vorderen Seite eine Lücke zwischen ihnen gelassen , welche so groß war , daß sie ein Dutzend Männer fassen konnte . Oben war diese Lücke zu . Infolgedessen war es nur in ihrem vorderen Teile hell , im hinteren aber dunkel . Da hinein hatte man den » Panther « mit seinen beiden Begleitern gesteckt . Hu , der Hund des Hadschi , bewachte sie . Er saß vor der Spalte , als wir kamen , und begrüßte uns mit freundlichem Schweifwedeln , seinen besonderen Herren aber auch noch dadurch , daß er ihm die Hand leckte . Ich trat allein in das Gefängnis . Halef blieb draußen . Der Palang lag an der Erde , die beiden Andern saßen neben ihm . Sie standen auf , als sie mich sahen ; sie blieben während des ganzen Gespräches stehen , weil auch ich stehen blieb und sie nicht aufforderte , sich wieder niederzusetzen . Ich grüßte und fragte dann : » Du hast mit mir zu sprechen gewünscht . Sprich ! Ich höre ! « Das war sehr kurz . Er warf einen sehr langen und sehr unsicheren Blick auf mich , ehe er antwortete : » Darf ich dich , wie andere Leute , Effendi nennen ? « » Ja . « » Und darf ich so aufrichtig mit dir reden , wie man mit einem Manne spricht , dem die Wahrheit über Alles geht ? Ich habe nämlich gehört , daß du ein solcher Mann bist . « » Du darfst es . Ja , du mußt es sogar . Es würde dir überhaupt schwer fallen , mich zu belügen . « Da glitt ein Zug höhnischer Grausamkeit über sein nicht unschönes Gesicht , und er sagte : » So wisse zunächst , daß ich dich hasse , glühend hasse ! Das ich dich so hasse , wie ich noch niemals einen Menschen gehaßt habe . Du hassest mich natürlich auch ! « » Ich dich ? O nein ! Gleichgültige Menschen haßt man nicht . Zudem bin ich Christ . « » Ja , Christ ! « rief er , indem er ausspuckte . » Das kenne ich ! Und sollte ich dir wirklich gleichgültig sein , wie du sagst ? Ich bin Prinz ! Verstanden ? « » Und ich bin keiner ! Das ist der ganze Unterschied ! Sprich weiter ! « » Ich war , wie alle Prinzen von Geblüt , eine Zeitlang am Hofe des Mir von Ardistan . Ich war sein ganz besonderer Liebling und bin es auch noch heut ! « » Was geht das mich an ? Nur weiter , weiter ! Ich habe keine Zeit ! « » Nur Geduld , mein edler Christ ! Du wirst sehr schnell lernen , dich für das , was ich sage , zu interessieren . An jenem Hofe lernte ich nämlich den Offizier kennen , der jetzt der Oberstkommandierende des Heeres der Ussul ist . « » Du irrst . Der Oberstkommandierende ist der Dschirbani . Du aber meinst jedenfalls jenen alten , verwundeten Oberst , dessen Pulver niemals trocken ist und der nur Invaliden kommandiert . « » Höhne nicht ! Er hat mich während meiner jetzigen Gefangenschaft wiederholt besucht und stundenlang mit uns gesprochen , auch von dir . « Da horchte ich auf , ließ mir aber nichts merken . Sollte dieser sonderbare Held sich mit Verrätereien abgegeben haben ? Zu meiner Beruhigung erfuhr ich bald , daß er das nicht getan hatte . Es war geschwatzt worden , weiter nichts ! Der Prinz fuhr fort : » Glaube ja nicht , daß er zu viel gesprochen hat ! Es ist kein Wort über euern jetzigen Zug hierher aus seinem Mund gefallen . Doch warnte er mich . Er behauptete , wenn wir gekommen seien , nicht den Frieden , sondern den Krieg zu bringen , so würden wir in unser Verderben rennen . Seit deiner Ankunft sei ein ganz neuer Geist in die Ussul gefahren ; mehr dürfe er nicht sagen . Was für ein Geist es ist , den er da meinte , das habe ich bis heut beobachten können . Kennst du den heutigen Tag ? « » Ich kenne ihn , « versicherte ich . Da stemmte er sich mit einem Arme auf , hob den Oberkörper und fragte : » Du weißt , wer kommen will ? Heut ? Hierher ? « » Ich weiß es . Alle Ussul wissen es . « » Du hast es erlauscht und es ihnen verraten ! Du sagst , du seiest ein Christ und bist doch nur ein Teufel ! Und sag – « Er stemmte sich nun noch auf den andern Arm , richtete sich noch weiter auf und fuhr fort : » Sind sie da ? Sind sie eingetoffen ? « » Ja , sie sind da , « nickte ich . » Hier ? Auf der Landenge ? « Ja , hier ? Ganz genau so , wie sie es beschlossen hatten . « » Und ihr ? Was habt ihr getan ? Wir hörten Schüsse fallen und Menschen schreien ! « » Wir haben sie nur bis zur Mitte des Engpasses kommen lassen . Nun sitzen sie da fest . Vor ihnen haben wir das Felsentor besetzt . Sie können weder vor- noch rückwärts . Die brandende See hat den Fluß mit Wasser gefüllt , und an den beiden Durchgängen brennen Feuer , durch die kein Mensch zu kommen vermag . Die Tschoban haben im Orkan einen entsetzlichen Marsch gehabt . Sie sind vor Hunger und Durst beinahe verschmachtet . Das Pferd deines Vaters fiel vor Erschöpfung um – « » Meines Vaters ? « unterbrach er mich da schnell . » Mein Vater ist dabei ? Er selbst ? « » Er selbst . « » So ist mein Bruder daheimgeblieben ! Dadurch ist das Land und das Volk in die Hand dieses Knaben gegeben ! Ich bin gefangen ! Mein Vater steht ebenso in Gefahr , ergriffen zu werden ! Dann wird es ja ganz anders kommen , als – als – « Er vergaß , daß sein Fuß verletzt war ; er wollte aufspringen , fiel aber mit einem Schmerzensschrei in sich zusammen . Da ballte er die Faust , schüttelte sie mir drohend zu und knirschte : » Daran bist nur du allein schuld , nur du , nur du ! Christenhund , verfluchter und verdammter ! « Sein Gesicht war , als er das sagte , nicht allein häßlich , sondern von einer geradezu abstoßenden Widerlichkeit , » Was habt ihr vor mit den Tschoban ? « brüllte er mich an . » Was werdet ihr tun ? Heraus damit ! « Ich brauchte ihm nicht zu antworten ; ich konnte einfach gehen . Aber ich hatte ein ganz eigentümlich geartetes Mitleid mit diesem jungen , reichbegabten aber vollständig un- oder falscherzogenen Menschen und gab ihm also in aller Ruhe die so stürmisch geforderte Auskunft : » Wir wollen euch besiegen , ohne daß ein Tropfen Blutes fließt . Ergeben sich die Tschoban freiwillig , so sind wir bereit , einen Frieden mit ihnen zu schließen , der beiden Teilen gleichgroßen Nutzen bringt . Ergeben sie sich aber nicht , so bleiben sie hier ohne Wasser und Nahrung eingeschlossen , bis sie verschmachten . « » Alle ? « fragte er in grimmigem Tone . » Alle ! Vom Ersten bis zum Letzten ! « » Hund ! « knirschte er . » Und das nennt sich einen Christen ! Ich muß mit meinem Vater sprechen ! Schafft mich hinaus zu ihm ! « » Du bleibst ! « antwortete ich . » So bringt ihn zu mir herein ! Aber vor dem Friedensschlusse ! Verstanden ? Vorher , vorher ! Ich befehle es dir ! « » Wurm ! « Ich sagte nur dieses eine Wort , aber es war genug . Zwar er wollte in seinem ungezügelten Temperamente noch zorniger losbrausen als bisher , aber seinen Gefährten wurde es angst um ihn , um sich selbst und auch um das Schicksal ihrer Kriegerschar , die sich in einer Lage befand , welche die größte Vorsicht erheischte . Sie sagten ihm das , sprachen besänftigend auf ihn ein und beschworen ihn , sich zu beherrschen . In einer Situation , wie die jetzige sei , komme man mit Freundlichkeit viel weiter als mit Gehässigkeit und Beleidigungen . Er hörte sie mit gesenktem Haupte an , so daß ich sein Gesicht nun gar nicht sah . Plötzlich hob er es empor . Es war ein ganz anderes geworden . Es glänzte vor lauter Wohlwollen . Und seine Stimme klang weich und gewinnend , als er sagte : Ihr habt Recht ! Ich war ein Tor ! Mein schneller Zorn übermannt mich allzu oft . Ich bitte euch , mich zu stützen , daß ich mich erheben kann . Ich will im Stehen zu dem Effendi sprechen . Mein hoher Stand und die Achtung , die er von uns fordern kann , gebieten das ! « Man hatte ihm den Beinamen » Panther « mit allem Grund gegeben . In dem einen Augenblicke fauchend , drohend , die Zähne knirschend und fletschend , im nächsten Momente sammetweich ! Er richtete sich mit Hilfe seiner beiden Mitgefangenen auf . Er konnte nur mit einem Fuße stehen . Darum stützte er sich mit den Armen auf die Schulter des Einen , der neben ihm stand , und kniete mit dem verletzten Fuße auf die Achsel des Andern , der sich niedersetzen mußte . Inzwischen sah ich mich in dem Raum schärfer um , als ich bisher getan hatte . Ich kehrte meinen Rücken dem Ausgange zu , hatte also den hinteren dunklen Teil der Felsenspalte vor mir . Ich stand nur erst einige kurze Minuten hier , aber meine Augen hatten sich doch bereits an dieses Dunkel gewöhnt . Ich sah , daß die beiden aneinanderliegenden Steine , welche die Spalte bildeten , sich nicht vollständig schlossen und trafen . Es gab da einige kleine , schmale Oeffnungen oder Löcher , welche weiterführten . Und auf dem Boden lagen da Exkremente , welche ich für die Ausscheidungen von Fledermäusen hielt . Hieraus schloß ich , daß die Spalte , in der ich mich jetzt befand , sich hinter diesem Raum weiter fortsetze , ohne daß die drei Gefangenen eine Ahnung davon hatten . In diesem Augenblicke aber konnte ich diesen Gedanken nicht weiter verfolgen , denn Prinz » Panther « hatte inzwischen seine aufrechte Stellung eingenommen und begann , zu sprechen . » Ich bitte dich , Effendi , « sagte er , » mich so ruhig anzuhören , wie ich jetzt mit dir spreche ! Du bist mit mir einverstanden , daß ich mich nicht zu scheuen brauche , mich nur an die Wahrheit zu halten . Aber die bedeutendste Wahrheit , mit der wir es hier zu tun haben , ist die , daß Alles , was in der letzten Zeit geschehen ist und auch Alles , was in der nächsten Zeit zu geschehen hat , von nicht mehr und nicht weniger als nur von zwei Menschen abhängig ist . Kennst du sie , diese Beiden ? « » Vielleicht lerne ich sie durch dich kennen , « antwortete ich . » Wir Beide sind es , ich und du ! « » Wieso ? « » Verstelle dich nicht ! Du weißt , daß ich Recht habe ! Schieb deinen Dschirbani so weit wie möglich vor , ich sehe doch den , der hinter ihm steht und der eigentliche Lenker und Leiter ist ; ich meine dich ! Und halte von mir , was du willst , aber sobald du die Augen weiter öffnest als bisher , wirst du den erkennen , nach dessen Janitscharenmusik die Tschoban alle marschieren ; ich meine mich ! Hüben und drüben , ich und du , die beiden eigentlichen und wirklichen Gebieter ! Gibst du das zu ? « » Sprich weiter ! « forderte ich ihn auf , ohne seine Frage zu beantworten . Er fuhr fort : » Ich habe gehört , daß du den Frieden willst ; ich will ihn auch ! Du bist ein Christ , ich aber bin Moslem . Hieraus folgt , daß unsere Mittel und Wege , den Frieden zu erreichen , nicht dieselben sind . Einer von Beiden muß sich irren , entweder du oder ich . Wer der Irrende ist , das lehrt die Geschichte . Der Islam begann mit Kampf und Krieg ; das Christentum begann mit dem Frieden . Wohin du schaust , liegt jetzt der Islam im Frieden ; das Christentum aber schwelgt , soweit die Erde reicht , in Eroberung , Blut und Krieg . Alle Länder und alle Völker , die es gibt , wissen es genau : Das Christentum geht von dem Frieden aus , bringt aber unbedingt Krieg ; der Islam aber geht vom Kriege aus und führt unbedingt zum Frieden ! Das ist doch richtig ? « Ich antwortete : » Beide , das Christentum und der Islam , von denen du redest , sind mir ganz unbekannt . Ich bitte dich , fortzufahren ! « Er hatte jetzt so mild , so freundlich , so warmherzig gesprochen . Fast war es unmöglich , ihn für denselben Menschen zu halten , der soeben noch so rücksichtslos grimmig gewesen war . Er sprach in dieser außerordentlich artigen , einnehmenden Weise weiter : » Sei nicht bescheiden , indem du sagst , du wissest es nicht ! Beide , diese Bescheidenheit und diese Unwissenheit , sind Lüge ! Ich aber sage die Wahrheit ! Ich bin weder Europäer noch Christ , sondern ich bin Asiat und Bekenner des Propheten . Und vor allen Dingen , mein Vater ist kein Knecht und meine Mutter keine Magd ; ich bin Prinz ! Weißt du , was das heißt ? Mein Vater hatte vier Frauen . Meine Mutter ist eine Mohammedanerin aus Sahrima , also von strengster Richtung ; ich bin ihr Sohn . Die Mutter meines älteren Bruders ist eine Christin ; Allah verdamme sie ! Er neigt im Stillen zu ihrer Lehre , nicht aber zum Glauben seines Vaters . Darum hat er mich und ich habe ihn gehaßt , seitdem wir Söhne eins Vaters und also Brüder sind . Er blieb daheim , denn seine Mutter gab ihn nicht her . Ich aber kam zum Scheik von Ardistan und lernte bei ihm Alles , was zum höheren Kampf , also zur Kunst des Krieges gehört . Aber glaube ja nicht , daß ich dadurch ein Knecht und Sklave des Krieges geworden bin . Ich bin ja Prinz und werde einst regieren – – « Er machte mit beiden Armen eine Rundbewegung , als ob er andeuten wolle , daß einst der ganze Erdkreis ihm untertan sein werde . Dann fuhr er , sich nach und nach begeisternd , in seiner Rede fort : » Ich bin frei geblieben . Mir ist selbst der Krieg kein Herrscher , sondern nur ein Mittel zum heiligen Zweck . Und dieser Zweck ist eben nichts anderes als nur – – Friede . Begreifst du das ? « » Ja . Ich begreife es . « » So sprich ! « » Deine Mutter ist Mohammedanerin ; sie geizt nach Ruhm und Ehre für sich und dich , aber sie ist kein gewöhnliches , sondern ein edles Weib . Sie denkt sich den Ruhm und die Ehre auch wieder als Mittel , und zwar zu einem noch viel höheren Zweck . Und dieser Zweck ist das Glück aller derer , über die du einst zu herrschen gedenkst , mit einem anderen Worte – – – der Friede . « » Was sagst du da ? « rief er erstaunt . » Fast ihre eigenen Worte ! Für mich ist der Krieg nicht um des Krieges , sondern um ganz anderer Dinge willen da . Die Seligkeit der Christen liegt im Himmel , also jenseits des gegenwärtigen Lebens . Ihr trachtet nach dem Frieden mit Gott , nach dem ewigen Frieden . Der Islam aber trachtet vor allen Dingen nach der irdischen Seligkeit , also nach dem Frieden aller Völker , der auch schon diesseits des einstigen Lebens liegt . Und diesen Frieden erlangt man weder durch menschenfreundliche Gottesdienste und Gebete , noch durch Gottes Gnade und Barmherzigkeit , sondern man hat ihn sich zu erkämpfen ; man hat die , welche ihn nicht wollen , zu zwingen , Friede zu halten ! Für mich ist der Krieg also das größte Friedenswerk , welches es auf Erden gibt . Euer Christentum ist fast zweitausend Jahre alt , aber noch keinem einzigen Volke hat es den Frieden gegeben , obgleich es gleich sein erstes Wort durch die Friedensposaune blies . Ich aber , der Moslem , werde nicht vom Frieden sprechen , kein einziges Wort vom Frieden . Ich werde vielmehr die Faust des Krieges ballen , um mit ihr den Krieg zu zerschmettern und zu vernichten ! › Auge um Auge , Blut um Blut ‹ , das ist das harte aber unendlich gerechte Gesetz des Islam . › Der Mörder werde ermordet ! ‹ Der Krieg , dieser scheußlichste aller Mörder , die es gegeben hat und jetzt noch gibt , unterliegt demselben Gesetze wie jeder andere Mörder . Und weil es Selbstmord ist , wenn die Menschheit sich selbst zerfleischt , so erfordert die göttliche Gerechtigkeit , daß auch der Krieg an sich selbst zugrunde gehe , am Selbstmorde , am tödlichen Schuß oder Stich in die eigene , atmende Brust ! Verstehst du das , Effendi ? « Was war denn das ? Dieser junge Mensch hatte nachgedacht , und zwar tief , sehr tief ! Und wie begeistert er jetzt vor mir stand ! Seine Wangen glühten , und seine Augen leuchteten . Die Züge seines Gesichtes schienen ganz andere geworden zu sein ; sie waren wie verklärt . Vorhin hatte er mich förmlich angewidert und angeekelt , und jetzt war es mir , als ob ich ihm die Hand drücken und ihn lieb haben müsse . » Ich verstehe es , « antwortete ich ; » es sind dieselben Gedanken , die auch in mir nach Geltung riefen , als es noch keine Klarheit in mir gab . « » Klarheit ? « fragte er . » In mir ist Alles klar . Darum haben sie bei mir die bleibende Stätte gefunden , die sie bei dir unmöglich finden konnten , denn du bist auch noch heut nicht in dir klar . Dein Christentum erlaubt dir nicht – – – « Er konnte nicht weiter sprechen ; er wurde unterbrochen . Der Eingang verdunkelte sich . » Ssahib ! « rief es hinter mir , und als ich mich umdrehte , sah ich den Dschirbani vor der Spalte stehen , der mir sagte , daß er mich sprechen wolle . Ich verabschiedete mich mit einigen kurzen Worten von dem Prinzen und folgte dem Wunsche unseres Oberstkommandierenden , der , als wir uns weit genug , um nicht gehört zu werden , von dem Felsenrisse entfernt hatten , mir die ebenso überraschende wie wichtige Mitteilung machte : » Die Dschunub kommen ! « » Die Dschnub ? « fragte ich . » Welche Dschunub ? «