Das erste Abenteuer Handelt von Fürzeichen und heimlichen Künsten Zu zweien Malen bin ich geboren , und beide Male hieß meine Heimat eine Burg : Magdeburg die eine , Abendburg die andere . Ward ich zu Magdeburg geboren für das Zeitliche , so geschah auf der Abendburg meine Wiedergeburt für das Ewige . In der Stadt am Elbstrom , am Tage der sommerlichen Sonnenwende des sechzehnhundert und sechsten Jahres drang ich aus dunklem Schoße zum Licht , ein Sprößling des Fleisches mit Odem und Geschrei . Johannes Martinus Tilesius , vulgo Tielsch , ward ich in der Taufe benamset , weil ich ja am Johannistage geboren , und weil überdies mein Vater zu Sankt Johannis Kirche ein Prädikante war . Sein ehelich Weib , meine gute Mutter , hieß Barbara Tilesia , und war eine geborene Angern . Wie mir von den Eltern oft erzählet worden , habe ich die ersten Monde meines irdischen Aufenthalts schier Tag und Nacht geweinet , also daß meine Mutter nicht schlafen gekonnt und zu manchen Malen vor übergroßer Müdigkeit über dem Tischgebete eingenickt ist . Es spricht aber ein alter Kirchenlehrer : So ein neugeboren Kindlein anhaltend weinet , ist es ein Prophet trübseliger Lebensjahre . Das ist gewißlich bei mir eingetroffen . Zähle ich nämlich all die Ängste und Plagen , durch die ich in Junggesellen- und Mannesjahren Spießruten gelaufen bin , all die Tränen , darinnen ich als in einem Flusse geschwommen , Tränen über Waffen- und Hungersnot , Tränen über verloren Gut , entschwundene Lieb und Treue , Tränen ohnmächtigen Zornes und enttäuschter Hoffnung , auch Tränen der Reue über begangene Missetat , Tränen endlich des heißen Verlangens , aus diesem finstern Tale mich zu erretten zum heiligen Lichte droben ... dies alles bedenkend , muß ich schon glauben , daß mein kindisch Heulen eine Ahnung des Zukünftigen gewesen und ein dunkel Begehren , unsere bange Welt recht balde wieder zu verlassen . Zeiten sind kommen , da hab ich mir die Haare gerauft und gejammert : » Warum hat man damals das schreiende Kindlein nicht verstanden und nicht lieber in der ersten Bademulde ersaufen lassen wie einen Katzenbalg ! « Doch freilich , jetzo weiß ich : Nicht um hier eitel Lust zu genießen , trieb uns der Urquell herfür , sondern daß wir uns von trüber Täuschung erlösen zur verklärten Abendburg . In meiner irdischen Vaterstadt lebte ich eilf Jahre . Alsodann verzogen meine Eltern nach Hirschberg im Schlesierlande , dieweil den Vater Sehnsucht zum Schlesischen Gebirge trieb , das seine angestammete Heimat ist . Also gelangte ich in die Gegend der Abendburg . Magdeburg und Abendburg – beide Namen haben guten Klang . Magdeburg bedeutet die Burg einer Magd , so mit ihrer Unschuld den Angreifer zurücke schlägt . Und da ich als Kind die ersten Male von der Abendburg reden hörte , dachte ich an gülden Abendgewölk , anzuschauen als eine Burg ; auch an eine Veste dachte ich , trutzig in den Abendhimmel gerecket , gewappnet wider den Feind , der im Finstern schleicht . Und es war eine Stimme in dem Namen wie Herbstwind , abendlich am Gitterfenster säuselnd , oder wie der verlassenen Jünger fromme Bitte : » Bleibe bei uns , Herr , denn es will Abend werden , und der Tag hat sich geneiget . « Magdeburg stehet in meiner Erinnerung als eine Hauptstadt , gelegen in der Ebene am Elbstrome , hat einen Dom und andere stattliche Kirchen , große schmucke Häuser , bewohnet von viel tausend Menschen , so mit Lärmen durch die Gassen strömen . In den Werkstätten pochen und basteln die Handwerker , in den Kaufläden und Schreibstuben wird gekramt , gebucht , bankerottiert und Geld in die Truhen gescharrt . Schiffer verladen Ballen und Kisten in ihre Kähne , die das gelbe Wasser umspület . Soldaten bauen auf den Schanzen , Bauern treiben Vieh und fahren über die lange Brücke , und die Windmühlen auf den Feldern schwenken ihre Flügel . Sonntags vernehmen die Magdeburger die wohlgesetzten Kanzelreden ihrer eifernden Prädikanten , dann schleppen die Weiber neumodischen Putz durch den Straßenstaub , auf den Tanzböden scharmieren Gesellen und Jungfern , Gevatter Handelsmann und Lohgerber aber sitzen auf der Sudenburger Dingebank , knöcheln und schandieren über Kaiser und Papst . Ihres hitzigen Hopfenbieres voll , pochen sie auf ihre Freiheit , die vom ersten Kaiser Otto hergeleitet wird , und auf den Schutzgeist ihrer Stadt , im Wappen abgebildet . Eine Magd ist es , so auf einer Burg steht und in der Hand ihr Kränzel , der Reinheit Symbolum , stolz erhoben hält . Es hat aber eine schaurige Bewandtnis mit diesem Schutzgeiste , wenn anders ein scheu Geflüster der Leute Wahrheit vermeldet . Mit der Magd soll nicht , wie man in katholischer Zeit fürgab , die Jungfrau Maria gemeinet sein , auch nicht Frau Venussin aus der Heidenzeit , sondern ein unerwachsen Mägdlein , so lebendig in die Burg ward eingemauert , dieweil man gläubete , die konservierte Unschuld habe Macht , den Angreifer zurückezuwerfen . Als den Platz , allwo vor Alters des Mägdleins Burg gestanden , bezeichnet die Sage das jetzige Krökentor . Sooft im Laufe der Zeiten der dicke Turm am Tor morsch geworden und von neuem auferbauet werden gemußt , versäumete man niemalen , die Kraft des Schutzgeistes zu erneuern , nämlich ein frisch Mägdlein einzumauern . Die steinalte Olsche des Bäckermeisters Kahle hat uns Kindern diese Mär anvertrauet . Gern saß sie an milden Abenden in unserm Kreise auf der steinernen Freitreppe des Nachbarhauses und erzählete von Zauberei und Räuberei , Spuk und Gespenstern . Wollte auch wissen , daß der runde Turm am Krökentor erst zu ihres Großvaters Zeiten erbauet worden und auch damals nach altem Brauche sein eingemauert Mägdlein erhalten habe . Des näheren beschrieb sie den Hergang also : Zuerst waren die Ratsherren unschlüssig , woher das Mägdlein zu nehmen sei . In alten Zeiten war es wohl vorgekommen , daß eine Mutter freiwillig ihr Kind geopfert , vermeinend , ein gut Werk zu tun . Jetzt aber dachten die Mütter allzu christlich , wie denn überhaupt das Magdeburgische Volk dem Opfern also wenig geneigt war , daß es wie ein heimlich Gericht mußte betrieben werden bei Nacht und Nebel . Da nun die Eingeweiheten nicht wußten , wie ein Opferkind zu erlangen , gab ihr Anstifter , der schwarze Burgemeister , den Rat , von den städtischen Waisenkindlein solle das Los gezogen werden . Gleicherweise ward beschlossen , und wurden nun dreizehn Mägdlein , so ohne Vater und Mutter auf Stadtkosten Pflege erhielten , ins Rathaus beschieden , angeblich , um mit Namen in ein Buch eingetragen zu werden . Auf den Tisch aber hatte man mit Fleiß einen Apfel gelegt , der die Kinder in Versuchung führen sollte . Wie nun das kleinste Mägdlein den Apfel sahe , nahm es ihn und biß hinein . Dies nun war das verabredete Los ; das Mägdlein ward daher still beiseite in Gewahrsam geführet . Des Nachts aber brachte man es in einem Wagen nach dem Krökentor , wo bei Fackelschein Männer stunden , die Angesichter geschwärzt . Man setzte nun das Mägdlein in die offen gelassene Stelle der Mauer , gab ihm seinen Apfel in die Hand und mauerte die Lücke mit Steinen zu . Wie es ringsum finster geworden , hub das Mägdlein an zu weinen . Draußen freilich vernahm man nur ein leis Gewimmer . Es zu übertönen , begunnte der schwarze Burgemeister seine Weiherede : » Gleichwie das Lamm Gottes am Kreuzesstamme sein Blut dahingegeben zur Erlösung der Menschenkinder , also bist du , unschuldig Mägdelein , ein heilsam Opfer für unser Magdeburg . Gebenedeiet bist du ! Denn was ist süßer denn Honigseim ? « Hier wollte er selber antworten : » Zu sterben fürs Vaterland . « Doch aus der steinernen Gruft drangen mit wimmernder Stimme die Worte herfür : » Der Mutter Brust ! « Verwirrt hörte es der Burgemeister , wollte aber die unheimlichen Laute übertönen und sprach : » Wo ruhet es sich weicher denn auf Daunenpfühle ? « Wollte nun fortfahren : » Im Grabe für das gemeine Wohl . « Doch es wimmerte abermals und sprach vernehmlich : » An der Mutter Herzen ! « Da ergriff ein Grausen die Anwesenden , und einer flehete : » Reißet das Gemäuer nieder ! Gebet das Kindlein frei ! « Doch ihm wehrete der schwarze Burgemeister , das Wimmern im Gemäuer verstummte , und vollendet war das Werk . Zum Wahrzeichen aber ward an die Stelle , wo des eingemauerten Mägdeleins Füße ruhen , ein Stein in die Mauer eingelassen , so zwei Kinderfüßlein abbildet . Wiederholt habe ich die kleinen Zehen betrachtet , wenn ich durch das Krökentor ging . Als ich einmal mit meinem Vater vorbeikam , meinte ich : » Das Mägdlein hätte lieber den Apfel nicht sollen nehmen . Ob es ihn wohl noch gegessen hat in seinem Mauerloche ? « » O mein Kind , « antwortete mein Vater erschrocken , » glaub doch nicht , was die Leute schwatzen ! Diese Füßlein sind nur zum Gedächtnis der alten Mär abgebildet ; es brauchet deswegen kein Mägdlein dahinter zu stecken . Zauberische Menschenopfer hat man wohl in heidnischen Zeiten dargebracht . Jetzt aber sind die Magdeburger Christenmenschen und kennen die Gebote : Du sollst nicht töten und sollst nicht zaubern . « » Die Gebote kennen sie wohl , « – schwatzete ich – » deswegen aber zaubern und töten sie doch . Hat man nicht vorige Woche einen Schiffer auf dem Marktplatz an den Galgen gehenket ? Und unser Küster erzählt , als Junge habe er eine Hexe brennen sehen , die auf einem Besenstiel zum Blocksberg gefahren sei . Eine Nachbarin , die sie mitnehmen gewollt , habe alles vor Gericht ausgesagt . « Da seufzete mein Vater : » Ja , es ist eine arge Welt ! Aber laß uns lieber nicht daran gedenken . Sollte es aber wirklich wahr sein , daß ein Mägdlein eingemauert ward , so ist das schlimm für die Magdeburger . Hätten lieber nach eigener Unschuld trachten , als sich mit fremden Federn schmücken sollen . Durch die geopferte Unschuld sind sie selber schuldig worden und müssen dafür büßen . Werden dereinst noch erleben , wie ihr gefeiet Krökentor von stürmender Hand genommen wird , und wie die stolze Stadt – ein ander Ilium und Jerusalem – in Rauch und Asche aufgehet ... « » Nicht doch , Vater ! « sprach ich . » Warum gläubest du also ? « » Es gehet der Krug zu Wasser , bis er bricht , und einer jeglichen Burg auf Erden ward vom Himmel beschieden , früher oder später zu fallen , wie ein Kriegesmann zu fallen pflegt . Der Himmel meinet es gut mit solchem Verhängnis . Blühet doch alles Lux herfür aus Crux , alles Licht aus Kreuz und Leide . Die Menschen zu erleuchten , muß ihr irdisch Vaterland zerstöret werden , daß kein Stein auf dem andern bleibet . Also werden sie vermahnet , die bessere Heimat aufzusuchen – eine Burg der wahren Unschuld – eine Burg aus eitel Licht ... « Hierauf so schwiegen wir lange . Ich aber dachte der Rede nach . Und wie wir am Abend an einem Kornfelde lagerten bei dem Lusthaine , den die Magdeburger Vogelsang nennen , kam ich noch einmal auf das eingemauerte Mägdlein zu sprechen . Über dem Kornfelde schwebte eine Wolke , anzuschauen wie ein gülden Gebirg , und ich sprach : » Siehe , Vater , da ist eine Burg aus eitel Licht – eine wunderschöne Abendburg ! « Mit großen Augen sahe mich der Vater an : » Ei , Johannes , was weißest du von der Abendburg ? « » Ich weiß nichts davon , aber du hast wohl einmal von der Abendburg geredet , und nun dünket mich , das da sei solch eine Abendburg . « Schmunzelnd nickte der Vater : » Wie rotgülden Wolkengebirg mag die Abendburg allerdings ausschauen , id est in der Johannisnacht , wenn sie von ihrer Verwünschung erlöset wird . Aber für gewöhnlich ist sie nur ein wüst Felsengestein . « Ist sie denn keine Burg ? « » Mitnichten eine Burg , sondern gänzlich wild Gestein , an die zwo Stunden entfernt von meinem heimatlichen Dorfe Schreiberhau . Raget jäh aus den Wettertannen jenes langerstreckten Gebirges , allwo der Queißfluß und der Kleine Zacken ihren Ursprung nehmen . Von der Abendburg schaust du gen Mittag über dunkle Wipfel nach den Riesenbergen . Die wogen dunkelblau , und in ihren Abgründen schimmert Schnee . « » Wahr , Vater , da kann man im Sommer Schneebälle machen ? « » Freilich ! In den hochgelegenen Felsenspalten gen Mitternacht ist es also kalt , daß der Schnee bis Ende Juli dauert . « » Wie hoch sind wohl die Riesenberge , Vater ? Etwa so hoch wie unser Dom ? « » Weit höher , Johannes ! Oft ragen sie über die Wolken hinaus . « » Ei wie denn , Vater ? Wenn sie bis über die Wolken ragen , so kann man von dorten wohl ins Himmelreich schauen , allwo die schönen Engel auf Wolken wandeln ? Ach , ich möchte über die hohen Berge gen Himmel klettern . « » Ei ja doch ! « lachte der Vater . » Wie auf einer Leiter , nicht wahr ? Nein , Johannes , das Himmelreich ist nicht an einem entlegenen Orte und kommet nicht mit äußeren Gebärden ; inwendig im Herzen tut es sich auf . « Ich war enttäuschet . » So können uns die schönen hohen Berge nicht zum Himmelreiche helfen ? Warum verlangest du alsdann immer nach deinen lieben Bergen ? « Der Vater lächelte für sich und nickte : » Ob sie zum Himmelreiche helfen ? Das können sie allerdings ! So du nämlich Liebe für sie hegest , tun sie dir das Herze auf , und also wird dein innerlich Himmelreich offenbar . Solches ist mir geschehen auf der Abendburg . Und glaube mir , so du dorten hoch vom Steine in die blauen Weiten schauest , und dein Ohr dabei keinen Menschenlaut vernimmt , sondern nur den Wind in den Nadelwipfeln harfen , einen Specht an Baumesrinde hämmern , oder einen Hirschen röhren – und tage- und mondelang immer nur diese Gestalten und Stimmen der Einöde zur Gesellschaft hast , widerfähret dir wohl ein Mirakel , ähnlich dem , was über die Abendburg gemeldet wird . « » Erzähle , Vater ! « » Die Abendburg , so sagen die Leute von Schreiberhau , ist einmal eines Königs Schloß gewesen . Ward aber verwunschen und in wüst Gestein verwandelt . Zuweilen nur , je nach langem Raume , in Sankt Johannis heiliger Nacht , erscheinet es wieder in alter Pracht . Aufgetan ist dann ein Tor , und wer eintritt , findet wohl Mulden voll Gold und bunten Edelsteinen . Aber man muß des Sonntags geboren und anoch unschuldig sein , sonsten kann man den Schatz nicht heben , kriegt auch die entzauberte Abendburg nimmer zu schauen ... « » Aber du , Vater , hast sie zu schauen gekriegt . « » Ach nein , ich bin kein Sonntagskind . « » Aber sagtest du nicht , dir sei das Mirakel wider fahren ? « » Ein ander Mirakel meine ich und auch eine andere Abendburg . Doch solches zu verstehen , bist du noch zu jung , lieber Johannes . « » Ach , Vater , so erkläre es mir – vielleichte , daß auch mir solch Mirakel widerfahren mag . « » Nun wohl , mein Kind , « sagte der Vater , und seine Augen waren leuchtend aufgetan . » Die Abendburg , die ich jetzo meine , ist das Menschenherz . Verwunschen ist es von einem bösen Geiste – demselbigen , so die schwarzen Männer angestiftet , das Mägdlein einzumauern . Dieser Geist kann die ewige Seele also verstören , daß sie einer Wüstenei gleichet , dem düstern Felsen der Abendburg . Doch einen Johannistag gibt es , der den Zauber lösen kann . Das ist die Sonnenwende des Menschenherzens , da es spüret , wie nun die Tage kürzer werden , und wie alles Leben vergehen muß gleich Heu . Nun seufzet es : Ach komm doch endlich , du mein ewig Heil , denn ich bin müde , leibeigen zu dienen dieser unwerten Welt ! Da auf einmal ist ausgesprochen das heilige Wort . Die Abendburg , so nichts anderes ist denn der innere Mensch , wird erlöset und strahlet nun als eines Königs Schloß . Auf springet die heimliche Pforte , da gleißet in den tiefen Kammern der Schatz des Menschensohnes , und nimmer fressen den die Motten und der Rost . O mein Johannes , siehe zu , daß selbige Abendburg dereinst dir nimmer verwunschen und verschlossen bleibet . « Ich hatte aufmerksam gelauschet , zwar nicht verstanden , was ich jetzo weiß , doch eine Ahnung verspüret von dem Heiligtum tief im Menschen . Und wie mein staunend Auge auf dem Vater ruhte , hatte ich gedacht : Also muß ein Prophete aussehen ! Nach einer Weile fragte ich : » Aber wie ist es denn mit der richtigen Abendburg , so bei Schreiberhau gelegen ? Hat die jemals einer zu schauen gekriegt ? « » Die Mär vermeldet , in einer Johannisnacht sei eine arme Frau mit ihrem Kindlein zur Abendburg gekommen . Da hat sich der Fels verwandelt , und die Mutter , ihr Kindlein an der Hand , ist eingegangen in das strahlende Schloß und hat in den Gängen Gold gefunden , das von der Decke herabhing wie Tannenzapfen von den Nadelzweigen . Wie sie nun genung abgebrochen und zusammengerafft , ist sie enteilet und hat in der Hast ihres Kindleins vergessen . Draußen erst hat sie mit Schrecken sich umgewandt , es zu holen . Da ist ihr vor der Nase die Türe zugeschlagen , und auf einmal die Abendburg wieder wüster Fels gewesen , und drinnen war das Kindlein . Geweinet und sich das Haar geraufet hat die Mutter , auch vor Verzweiflung das Gold weggeworfen , weil das sie nicht glückselig machen konnte , nun ihr Kindlein verloren . Aber wie sie nach Jahresfrist zur Abendburg kommen ist , sich auszuweinen , hat sich der Felsen abermals zum Schlosse verwandelt , und siehe , drinnen an einem steinernen Tische sitzet das Kindlein frisch und gesund , einen Apfel in der Hand , und winket lächelnd der Mutter , hereinzukommen . Diesmal hat die Mutter nicht nach den kalten Schätzen gegriffen , sondern nach dem lieben Kindlein . Ist mit ihm eilend zum Burgtor hinaus und hat das Wiedergefundene geherzet und geküsset . Der Apfel aber ist eitel Gold worden , also daß die Mutter von ihrer Armut fürder frei . « » Ei , Vater , « sagte ich verwundert , » wie gleichet doch das Kindlein im Abendburgfelsen dem Mägdlein im Krökentor . Beide sind in Stein eingeschlossen , und beide haben auch einen Apfel in der Hand . « » O schweig , mein Kind , laß ruhen den alten Frevel ! « » Aber kann nicht auch das Krökentor entzaubert werden wie die Abendburg und das Kindlein herauslassen ? « Sinnend nickte der Vater : » Wenn einst die Gräber sich auftun , wird auch das Mägdlein erlöset , aus dem kalten düstern Gemäuer kommt es lachend heraus , und siehe , ein Mutterherz ist ihm beschert . Unschuld ist ewig bei der Liebe . « Nach solchem Trostworte erleichterte ein Seufzer meine beklommene Brust . Ich bedachte , es werde vielleicht , wie dem Krökentore , also gemeiniglich für alles Unheimliche , so mich ängstete , ein Stündlein der Erlösung und Verklärung schlagen . Es gab des Unheimlichen nicht wenig in meiner Vaterstadt , und das Mägdelein im Krökentor mag als ein zusammenfassend Symbolum gelten für die Finsternisse meiner Kindheit . Von einer Scheu vor der Gegenwart und einer Sehnsucht in die Ferne war meines Vaters Seele ständig bewegt . Dem verlieh er gern einen stummen Ausdruck durch kleine Gemälde , wie er denn den Tuschpinsel schier als ein Künstler zu führen wußte . So hatte er einen Felsblock gemalt , aus dem ein Quell schäumend schoß . Darunter stund geschrieben : » Ich steh am Quell und dürste . « Als ich ihn um die Bedeutung der Inschrift befragte , gab er zur Antwort : » Ach wie oft stehet ein Mensch am Quell und muß doch dürsten , dieweilen er nicht trinken darf , nicht trinken kann , nicht trinken mag . « Zu einem andern Gemälde , das einen grauen Wolkenhimmel und darunter ein violenfarben Gebirg fürstellte , sprach der Vater : » Dies Gewölk bedeutet meine Trübsal , und darunter wallet der blaue Strom meiner Sehnsucht . « Gemeinet war wohl die Sehnsucht nach der ewigen Heimat ; doch dies allerinnigste Verlangen kleidete sich beim Vater gern in das irdische Gewand seines Heimwehs nach dem Schlesischen Gebirge . Des Magdeburgischen Amtes waltete er ohne frischen heitern Sinn . Hatte es ja nicht aus Herzensdrange übernommen , sondern mehr um meine Mutter ehelichen zu können . Das mochte nun seine Kirchengemeinde spüren ; drum war sie kühl gegen ihn gesonnen . Redete ihm nach , er predige nicht für das Volk , sondern für sich selber und für Schwarmgeister seinesgleichen . Wie der Rat von Magdeburg einmal uneins mit dem Administrator des Erzstiftes gewesen , und schier alle Prediger auf der Kanzel die Bürgerpartei verfochten , mein Vater aber gänzlich von solchen Welthändeln schwieg , ward ein Gespött über ihn im Ratskeller laut . Davon ist er völlig verschüchtert worden ; fühlte sich halt nicht zum Eifern geschaffen , wie er denn von je mehr den Studiis gewogen war als dem Predigen , und insonderheit den milden Gelahrten Melanchthon liebte , dem streitbaren Luthero indessen nur Ehrfurcht entgegenbrachte . Was meines Vaters Kleinmut auf die Mutter übertrug , war die Schmalheit seiner Besoldung , so noch aus der alten katholischen Zeit stammte und wohl für einen ledigen Mann zulangte , nicht jedoch für einen Familienvater . Solche Unzufriedenheit ließ den Vater nach einem andern Amte umschauen , und weil er bereits früher im Schuldienste sich herfürgetan , auch eine angesehene Grammaticam herausgegeben hatte , so ward er von seinen Hirschbergischen Landsleuten zum Konrektor ihres Gymnasii erkoren . Da nun beschlossen war , daß wir gen Schlesien ziehen sollten , kam eine freudige Aufregung über meinen Vater und auch über mich . Nur die Mutter seufzete , und ihre Augen waren oft verweint . Mich deuchte es eine große Sache , bei dem Umzuge andere Länder und Städte zu schauen und gar nach dem ersehnten Gebirge zu gelangen . Wie aber der Tag der Abreise nahe war , kam mir doch ein Bangen , weil ich hinfürder von meiner guten Stadt Magdeburg geschieden sein sollte . Beschloß derohalben , alle trauten Orte noch einmal zu besuchen und ihr Bildnis getreulich meinem Gemüte einzuprägen . Ging auf den Marktplatz , wo ich gern Ball oder Kreisel gespielt , und über den Breiten Weg , so die Stadt vom Krökentor bis zum Sudenburger Tor durchquert . Prächtig sind allda die Bürgerhäuser , haben breite Freitreppen , künstlich geschmiedete Gitter und am Dache speiende Ungetüme . Über den eisenbeschlagenen Pforten pranget mancherlei Zierat , als da sind Pferdeköpfe , wilde Männer , fromme Sprüche oder Sinnbilder , etwan ein steinern Rad , ein Pflug , eine fette Henne , ein gülden Hufeisen . Wenn ich einem stadtbekannten und kuriösen Menschen begegnete , dem dicken Hökerweibe , Appelolsche benamset , oder dem wilden Peter , dessen Haare und Nägel seit Jahren unverschnitten geblieben , so dachte ich in meinem Sinn : du ahnest nicht , daß ich dich jetzo zum letzten Male anschaue und die weite Reise ins Schlesingerland fürhabe ! Bei solchem Umherwandeln merkte ich , daß mein Abschied nicht bloß der Vaterstadt galt , sondern auch bereits meinem Kindesalter . Zu manchen Malen ward mir klar , wie ich bisher als rechter Einfaltspinsel in die Welt gegafft und mich mit allerhand dummen Einbildungen getragen . Das Haus am Knochenhauer Ufer , drin meiner Mutter Vater wohnte , trug auf dem Dach ein Türmlein , von wo mein Blick oft über das Gewimmel der Dächer ins Weite geschweift war , auch über die Elbe hinweg bis zur grünen Zollschanze , wo der Himmel sich emporzuwölben begunnte . » Dahier muß die Stelle sein , wo die Welt mit Brettern zugenagelt ist , « hatte ich stets bei diesem Anblicke gedacht – als ob hinter den grünen Wällen nichts Irdisches mehr zu finden sei . Jetzo schlug ich mich vor die Stirn und schalt : » Welch Asinus bist du gewesen ! Hat nicht der Vater gesagt , hinter der Zollschanze sei die Stadt Wittenberg gelegen , und in dieser Richtung führe die Straße gen Hirschberg ? Du Narre sollst noch das Maul aufreißen , wie die Welt so lang und breit . « Eine andere kindische Einfalt hatte mir eingebildet , der Kaiser Otto , vor dem Rathause hoch zu Rosse abgebildet , sei derselbige , von dem die Bürgersleute sprachen : » Unser Kaiser « , und die um den Kaiser Otto stehenden steinernen Weibsbilder seien die Frau Kaiserin nebst ihren Mägden . Nunmehr zur Nachdenklichkeit gestimmt , befragte ich meinen Vater nach dem Kaiser Otto und erfuhr zu meiner Verwundernis , der habe schon vor vielen hundert Jahren gelebt , und was ich für Mägde angesehen , seien Symbola , Fürtrefflichkeiten seiner glorreichen Regierung , zum Exempel seine Justitia oder Gerechtigkeit , seine Frömmigkeit und Tapferkeit ; jetzo aber werde die Krone des Römischen Reiches Teutscher Nation vom Kaiser Matthiae getragen , der wohne im Österreiche , in der Stadt Wien , zwiefach so entfernt wie Hirschberg . Das Besteigen unseres Dachtürmleins erinnerte mich daran , daß ich ja noch nicht auf dem Magdeburger Dome gewesen sei , von wo man , wie die Leute rühmten , viele Meilen weit in die Runde sehen und bei klarer Luft sogar den Harz erkennen kann . Bat derohalben meinen Vater , mich auf den hohen Turm zu geleiten , und erhielt die Zusage . Sollte jedoch nicht zum Ziel gelangen . Denn wie wir eines Spätnachmittages beim Küster des Domes vorsprachen , damit er uns den Turm auftue , war weder der Küster noch sein Weib daheim , und also blieb uns der Turmschlüssel verwehret . Wir begnügten uns damit , von unten zu betrachten , was des Anschauens würdig . Da staunte ich über die mächtigen Türme mit ihrem aus Stein gemeißelten Zierate . Der Sonnenuntergang entzündete in den Scheiben der hohen Fenster Purpurflammen , und rosig angehaucht war der graue Sandstein , während die Schnörkel und Pfeiler bläuliche Schatten warfen . So hatte ich den Dom noch nie gesehen . Alsdann gingen wir zum Kreuzgang . In seine Wände sind Steinplatten eingelassen , auf denen geistliche Herren aus alter Zeit , mit Kutten angetan , abgebildet sind ; und ich war bisher , weiß nicht aus was Ursach , der erschrecklichen Meinung gewesen , hier habe man Mönche zur Strafe für Ungehorsam lebendig eingemauert , also daß ihre Gestalt unter dem angeworfenen Kalke noch erkennbar . Von diesem Aberglauben heilte mich mein Vater : » Solch Einmauern , « sagte er , » ist in den papistischen Klöstern zwar vorgekommen , aber doch nicht also oft , auch nicht in dieser Weise zur Schau gestellet . « Ich fragte nun , ob es wahr sei , was ein Klosterschüler mir anvertrauete , daß nämlich ein heimlicher Gang unter der Erde den Dom mit unserer Johanniskirche und sogar mit dem Kloster Berge verbinde . Hierauf antwortete mein Vater : » Also reden die Leute ; wollen auch wissen , daß Kurfürst Moritz , wie er Magdeburg belagerte , durch den unterirdischen Gang in des Dompredigers Wohnung gedrungen sei , um daselbst mit dem Stadtrate ohne Wissen der Bürgerschaft zu akkordieren . Das soll vor mehr denn sechzig Jahren geschehen sein . Den früheren Domprediger habe ich gefragt , was Wahrheit daran sei , und die Auskunft erhalten , in den Kirchenschriften werde nichts dergleichen vermeldet . Was aber die Johanniskirche anlangt , so weiß ich allerdings von einem unterirdischen Gang ; er führet aus dem Keller unseres Predigerhauses in ein Gewölbe unterhalb der Kirche , weiter jedoch nicht . Wenigstens hat unser Küster keine Fortsetzung des Ganges gefunden . « » Wie denn ? Aus dem Keller unseres Predigerhauses ? « fragte ich . » Wir wohnen ja im Predigerhause . « » Aus unserm Keller , « bestätigte der Vater . » Hinter Gerümpel befindet sich da eine kleine Tür , unser Küster hat den Schlüssel . Ich bin niemals hineingekrochen . Der Gang soll baufällig sein und gefährlich zu betreten . « Daß diese Worte mir später einmal zum Schicksal werden sollten , ahnte ich damals nicht , prägte sie aber meinem Gedächtnisse ein , weil sie meine Phantasie aufregten . Im weiteren Gespräche fragte ich , was für Bewandtnis es mit jener Belagerung durch den Kurfürsten Moritz habe . Es fiel mir bei , daß Tages zuvor der Prediger von Sankt Kathrinen zu meinem Vater die Äußerung getan : » Ein neuer Kurfürst Moritz tut dem Reiche not . « – » Wie denn ? « fragte ich jetzo verwundert . » Kurfürst Moritz war doch unser Feind . Hat er nicht Magdeburg belagert ? « » Ja , weil es der Kaiser also gewollt hat , und weil Moritz damals kaiserlicher Feldherr gewesen . Doch unser Feind war Moritz nicht . Denn nur ein Gaukelspiel ist seine Belagerung gewesen . Mit dem Scheine des Gehorsams hat er den Kaiser sicher gemacht , um dann auf einmal gegen ihn die Waffen zu kehren . « » Ei , so ist Kurfürst Moritz ja falsch und treulos gewesen . « » Das freilich , « versetzte mein Vater , » aber dem evangelischen Glauben hat er durch solch Vorgehen großen Nutzen gebracht , und denen Politicis kommt es mehr auf den Nutzen an , als auf die Treue . « Also hat schon das Herannahen meines Abschiedes von der Vaterstadt mich aus der Enge kindischer Meinung zu einem weiteren Gesichtskreis geführt . Wie erstaunte ich aber erst , als wir die Reise angetreten , und jeder Tag meiner Neugier frische Weide sattsam bescherte ! Wir fuhren große Landstraßen dahin , zumeist auf Leiterwagen , die bei schlechtem Wetter mit Leinewand bedeckt wurden . Rechts und links zogen Bäume vorbei , Wiesen und Stoppelfelder , Flüsse und Sümpfe , Gutshöfe und Windmühlen ; und wenn die eine Kirchturmspitze hinter einer Erdwelle versank , war schon die neue vorn aufgetaucht . Bald holperten unsere Räder über das Pflaster einer Stadt , bald schlichen sie mühselig durch Sand und Heide oder beklebten sich mit der schwarzen Erde feuchter Wälder . In den Einöden besorgten meine Eltern , es möchte mausend Gesindel auf der Lauer liegen . Widerfuhr uns aber keine Gewalttat , sintemalen wir gefährliche Gegenden niemals ohne bewaffnete Reisegesellschaft passierten . Wir begegneten Leuten mancher Art : Handwerksburschen und Bettlern , Bauern und Viehhirten , reisenden Kaufleuten und Soldaten , auch Bärenführern und Komödianten . Sahen bei Lohburg eines Seiltänzers Künste , manchmal einen Galgen mit Gehenketen dran , zu Wittenberg ein Blutgerüst und im Wendischen Lande eine schreckliche Balgerei bezechter Burschen . Täglich an die zehn Stunden ging die Reise . Dann waren wir so derbe durchgerüttelt , daß uns alle Glieder wehtaten . Als wir in die Lausitz kamen , fühlte sich meine Mutter elend . Und zu Wittichau mußten wir ihrethalben zween Tage im Gasthause verweilen , da sie aus kaltem Regenwetter ein Fieber davongetragen . Bei der Stadt Görlitz schimmerte durch herbstlichen Dunst ein spitzer Berg , die Landeskrone geheißen , und fröhlich sagte mein Vater : » Jetzo fanget das Gebirge an , und so Gott uns behütet , sind wir übermorgen abend am Ziele . « Ich spähete eifrig nach den Bergen aus , da es aber andauernd nebelig war , sah ich nur die nächsten Hügel . Merkte aber an Felsen und schäumenden Bächen , daß wir im Gebirge waren . Am Morgen ging es durch hohen Fichtenwald , ich nickte in Schlaf , fuhr aber bei einem Ausruf meines Vaters empor . Der Nebel war gewichen , und die Frühsonne strahlte von links ; zur Rechten hub sich eine blaue Wolkenwand , nach der meine Eltern heitern Antlitzes hinschauten . » Da haben wir das Isergebirge , Johannes , und heute abend sind wir in Hirschberg . « Nun erst erkannte ich , daß die blaue Wand wellenförmig gegliedert war und aus Bergen bestund , die höher und höher ragten , immer hellblauer gefärbt , je ferner sie waren . Der Kegel ganz hinten ist der höchste Berg , Schneekoppe geheißen . Dorten wohnet der Herr der Berge , der verrufene Rübenzagel – doch das sind Fabulae , « sagte mein Vater . Nach einer Pause fügte er hinzu : » Der wahre Herr der Berge ist Gottes Geist ; den spürest du in den Bergen . Willst du Gott schauen , so vergiß die Berge nicht – auch nicht das Meer . « Nickend wiederholte er : » Berge und Meer ! « Zu Greifenberg angelangt , freuten wir uns der großen prächtigen Burg , die über dem Städtlein am Berge liegt als ein gewaffneter Schirmherr . Heißet der Greifenstein und ist Residenz des Freiherrn von Schaffgotsch . Als unser Wagen in der Laubaner Gasse Halt machte , kam aus dem Wirtshause , von den Schlesingern Kretscham geheißen , ein Mann , dem Aussehen nach ein Viehhändler , und fragte den Vater in seiner Mundart , die ich schwer verstund , ob er der neue Konrektor von Hirschberg sei . Drauf berichtete der Mann , daß meines Vaters Bruder , Tobias Tilesius , uns bis Hirschberg entgegengereiset sei und da bereits zween Tage im Schwarzen Rössel unserer Ankunft harre , in Sorgen , es möchte uns unterwegs ein Mißgeschick widerfahren sein . Mein Vater traktierte den Viehhändler mit einem guten Botentrunk und forschte ihn nach seinem Bruder aus . Den nennete der Viehhändler immer nur den Kräutertobias , dieweilen mein Oheim die wertvollen Gebirgskräuter sammelte und zu Markte brachte . Früher ein kunstfertiger Glasmacher und Schleifer , hatte mein Oheim sich in diesem Handwerk , das die Brust angreift und mit Glasstaube anfüllt , einen schweren Odem zugezogen und sich nun dem Laborantenwesen zugewandt . Wohnte hoch im Gebirge zu Schreiberhau . Es dämmerte bereits , als wir an einem zweiten Schlosse des Herrn Schaffgotsch , auf einem Berge über dem Städtlein Kemnitz gelegen , vorbeifuhren . Noch ein paar Stunden , und aus der Dunkelheit schimmerten die Lichter von Hirschberg . Unter einer Brücke schoß rauschend Wasser dahin , und nun fuhren wir durch ein festes Tor in die Stadt , um bald vor dem Schwarzen Rössel zu halten . Aus dem Gasthause trat ein hochgewachsener , doch im Rücken gebeugter Mann , spähete nach dem Wagen und kam hastig herbei . » Tobias ! « rief mein Vater froh , sprang vom Wagen und umarmte seinen Bruder . Hierauf begrüßte der Oheim meine Mutter und küßte mich auf die Wange . Wie mein Vater war er lang und hager von Gestalt , auch melancholischen Antlitzes . Während aber mein Vater versonnen und sehnsüchtig aussah , beseelte den Oheim eine wilde Unrast . Grau und verwittert seine Haut , wie Fichtenrinde , struppig der große Bart , keuchend sein Odem . Die Augen lagen in tiefen Höhlen unter buschigen Brauen und glommen düster . Wie wir so auf der Gasse stunden , nur trübe von der Wagenlaterne beleuchtet , stumm und bewegten Herzens , da ja diese Stadt unser neues Vaterland sein sollte , war mir seltsam zumute . Hörete die Mutter heimlich weinen , den Vater aber mit gefalteten Händen die Worte sprechen : » Arm zages Pilgramherze , Irrst lange schon im Dunkeln . Da siehst du eine Kerze Durch Nacht und Nebel funkeln . Gewiß , wer die entzündet Dem Irrenden zur Hut , Hat also ihm verkündet : Komm her , ich bin dir gut ; In meiner treuen Klause Sei endlich nun zu Hause . « Du lieber Boberfluß , dein Murmeln tönet hold durch mein Gedenken , so ich des Nachts im Kämmerlein die zurückgelegte Lebensreise betrachte . Dann seh ich frischgemut wie in den Knabentagen deine Wellen an der Sonne blinken und über moosige Felsen hüpfen , vorbei an Stauden und Gebüsch , an Häusern und Gartenmauern . Aus einem finstern Walde bei Schatzlar kommst du her , wo vorzeiten eine Glashütte gestanden . Zwingest und windest dich schäumend durch die Berge bis zu meinem guten Hirschberg , dessen Stadtmauern du gen Mitternacht berührest , um dicht dabei den Zackenfluß zu verschlucken . Als ich mit meinen Eltern nach Hirschberg gezogen kam , war die Stadt noch schön gebaut und volkreich , hatte gedoppelte Mauern , Brustwehre , Schanzen und Gräben , drei starke runde Tortürme und andere Fortifikationen . War bewohnt von Ackerbürgern , Kaufleuten , Handwerkern , insonderheit Webern . Die lebten ein lustig Leben , liebten wackern Schmaus und Trunk , Gesang und Tanz . Zogen Feiertags vor die Tore zum dörfischen Kretscham , hatten viel Freude am Armbrustschießen und küreten jährlich einen Schützenkönig , so am besten den Vogel auf der Stange getroffen . Waren dabei gar betriebsam und kunstfertig . Das Weibesvolk wirkte Borten und Schleier , die weithin nach Polonien und Böheim , sogar nach Reußenland zu den Moskowitern verführet wurden . Vor der Stadtmauer auf den Uferwiesen des Zacken und Bober lagen die schlohweißen Gewebe hingebreitet , ähnlich Schneeresten im Märzen . Schwatzende Mägde schritten barfüßig über den Rasen , aus gesiebten Kannen Wasser auf die Bleiche zu gießen . Das Hirschbergische Leben behagte uns allen weidlich . Gern war der Vater im neuen Amte , die Mutter erfreute sich eines reicheren Haushaltes , und ich empfing mit aufgeschlossenen Sinnen all das Neue und Wunderschöne der Gebirgslandschaft . Vernachlässigte dabei die Studia mit nichten . Nachdem ich allbereits zu Magdeburg » amo , amas , amat « gelernt hatte , drang ich jetzo unter Vaters Leitung in der Grammaticae tiefere Gründe ein und galt als ein tüchtiger Scholar . Die Stunden meiner Muße verbrachte ich gern einsam vor den Stadttoren . Ging abends etwa auf den Hausberg , wo vorzeiten ein fest Gehäus gestanden , vom Herzog Boleslao erbaut , von den Hussiten aber in Asche gelegt , daß nunmehr bloß etliche Mauerfragmenta aus dem Busche ragen . Hier bin ich oft gesessen , in ein Buch vertieft , zum Exempel in die Beschreibung Schlesiens durch Caspar Schwenkfeld . Meditierete dann über die wunderlichen Abenteuer , so dieser Autor vom verrufenen Rübenzagel berichtet . Wie einmal mein Vater mit mir auf den Hausberg gegangen ist , habe ich den Blick auf die blaue Schneekoppe geheftet und nach einer Weile gesprochen : » Sage mir , lieber Vater , was vermeinest du über den Rübenzagel ? Mag wohl etliche Wahrheit in diesem Glauben an den Geist der Berge sein ? « Zur Antwort gab mein Vater : » Was gemeiniglich in Spinnstuben und Schenken vom Rübenzagel laut wird , sind Fabulae . Gleichwohl gibt es einen Geist der Berge . Denn versenkest du dein Schauen in die Art unseres Gebirges , so spürest du darin eine eigne Lebendigkeit . Sie ist ein Teil des göttlichen Odems , der die ganze Welt durchflutet , und ohne dessen Spiritum kein Erdending bestehen mag – das Wasser nicht ohne Undinen , der Fels nicht ohne Kobolde , und kein Elementum ohne seine Elementargeister . Drum gebe ich Unrecht gleichermaßen denen , so den Rübenzagel für eitel Aberglauben halten , als auch jenen anderen , so ihn für eine teuflische Riesengestalt ausgeben . Es lebt der Herr der Berge und ist ein Geist , aber nur im Gemüt spürest du ihn . Er ist groß und gütig , freilich auch rauh und wetterwendisch , wie halt unseres Gebirges Art . « Mich freute solcher Bescheid . » So ist also der Rübenzagel kein Teufel , und wir brauchen uns nicht vor ihm zu fürchten ? « » Nein , Johannes , das brauchen wir mitnichten . Der Teufel , den wir Menschen zu fürchten haben , hauset nicht in Wäldern und Gebirgen , sondern in uns selber , im menschlichen Herzen . « Derweilen uns das Gespräch in solch Meditieren einspann , regten sich raunend die Gebüsche im Winde , und es erlosch mählich das Abendrot ob den Tannenwipfeln . Auf dem Heimwege blieben wir noch ein Weilchen stehen bei der Quelle an des Hausbergs Fuße , das Mirakelbörnel benamset . Gedachten der alten Mär , dorten liege ein Schatz vergraben , den die Jungfer Praxedis bewache . Und in tiefer Dämmerung , wann Fledermäuse schattenhaft um uns huschten , und ein Nebel aufstieg , schien aus dem Dickicht die Jungfer im weißen Gewande mir zuzuwinken , daß ich den Schatz heben solle . Im zweiten Frühjahre unseres Hirschberger Aufenthaltes hat sich ein Omen begeben . Durch die Luft kamen grausam viel Heuschrecken geschwirrt , aus dem südlichen Reußenlande . Haben im Fluge die Sonne verdunkelt , und wo sie niederfielen , ward der Boden ein viertel Ellen hoch bedeckt , also daß man in dem grünen Gewimmel waten gemußt bis an die Knöchel . In ihrer Freßsucht haben sie Gras , Laub und Getreide abgebissen bis auf das letzte Hälmlein und Stümpflein , und ist davon ein Geräusch gewesen , als ob eines Pappelhaines Blätter zittern . Mit Dreschflegeln haben die entsetzten Landleute dreingeschlagen , auch in Karren das Ungeziefer geschaufelt und verbrannt . Haben die Säue und Schafe auf diese seltsamliche Weide getrieben und so die grünen Leiber zerstampfen lassen . Aber die Säue haben so massenhaft vom Geziefer gefressen , daß viele hernach einer Seuche erlegen sind , und der rote Jörge , unser Schinder , genung tote Säue mit seinem blinden Gaule hat hinausführen und beim Gerichte verscharren müssen . Kaum waren die Heuschrecken so ziemlich fort , da ist eine neue Plage und Beunruhigung losgegangen . Zigeuner , wohl an die hundert Häupter , sind gekommen , auch zwanzig Zeltwagen mit kleinen zottigen Pferden . Haben vor dem Schildauertore ein Lager gemacht . Um dieses Volkes wundersame Art und Sitte zu betrachten , ist die Bürgerschaft in Menge hinausgezogen , nicht ohne Waffen . Auch mein Vater ist hingegangen und hat mich mit sich genommen . Da sah ich denn viel braune Gesichter mit blitzenden Augen und Rabenhaar . Kauderwelsch haben sie geschwatzt , auch mit Bettelei die Besucher angeschrien und um Geld aus der Hand geweissagt . Mein Vater hat mancherlei von diesem Volk berichtet : » Rechte Zieh-Gauner sind es , ohne Vaterland , im Umschweifen geboren , allezeit Stehlens und Raubens beflissen . Geben für , ihre Urväter in Kleinägypten seien vom christlichen Glauben abgefallen , und hierauf habe ihnen Gott die Buße auferlegt , daß sie so viele Jahre im Lande umziehen sollten , als sie dem Unglauben gehuldigt . Aber das ist schelmenhafte Heuchelei , zu dem Ende ersonnen , sich bei den Christen lieb Kind zu machen . « Unter solchem Gespräche waren wir an Zigeunerlagers Ende gekommen . Am Feuer saß hier ein altes Weib und kochte Gerste mit gebackenen Pflaumen . Auch war sie damit beschäftigt , die stachlichten Körper etlicher Igel mit Lehm zu umhüllen und solchergestalt in der Glut zu rösten . Derweilen ich ihrem Treiben verwundert zuschaute , sagte mein Vater : » Ei , da ist ja der Tobias ! « Allerdings war mein Oheim in der Nähe ; eifrig redend stund er bei einem Zigeunermanne , dessen gepichter Schnauzbart schwarz und stechend wie sein Auge . Der Vater schien ebenso befremdet , seinen Bruder im Gespräch mit einem Zieh-Gauner anzutreffen , als dieser verlegen war , solchen Umganges überführt worden zu sein . Indessen mein Vater und sein Bruder einander durch Zuwinken grüßten , lief ich erfreut zum Oheim und gab ihm die Hand . » Schucker tschawo , scheen Bub mit Weißhand ! « sprach auf einmal eine helle Stimme , und neben mir stund eine Zigeunerjungfer . Aus dem zartbraunen , von schwarzen Locken umloderten Angesichte blitzten die großen dunkeln Augen in mein Herz hinein , und ihrer geschmeidigen Glieder Form , kaum verhüllt durch ein zerrissen Hemde und ein kurz Röcklein , stiftete in mir eine seltsame Verwirrung an . » Schucker tschawo , mit Güldenhaar – wird sich rot wie Blut – ah bravo ! « lachte die Jungfer , wobei ihre Zähne wie Perlen blitzten . » Gib Hand , Bub ! Turkewawa , wahrsagen will Zigeunermadel . Tsi kosteles – kostet nix ! Turkewawa ohne Geld , wahrsagen ganze wahr ! « Der Zudringlichen ließ ich willig meine Hand , die sie lächelnd streichelte und betrachtete . Aufmerkend war der Oheim herbeigetreten , und die Wahrsagerin sprach : » Oh , oh , schucker tschawo werden wie Keenig Salomo – finden Stein der Weisen – heben Schatz – oh , oh , große Schatz ! « Und die Zigeunerjungfer ließ meine Hand und blickte mich an , als ob sie über mein Glück staune . Der Oheim schien erregt , da er oft hustete und unter den düstern Brauen die Augen rollte . Seine Hand reichte er hin und sagte : » Prophezeie sie auch mir ! « Spöttisch blinzelte ihn die braune Jungfer an : » Will er auch Stein der Weisen ? « Und die Hand betrachtend , schüttelte sie verächtlich den Kopf : » Eh , narbulo ! ist sich nix von Weisheit , nix Salomo ! Ist sich narbulo – hier Linie von narbulo ! Ist sich narrisch – narbulo und wie ewige Jüd – ha , ha , ewige Jüd ! « Höhnisch auflachend sprang die Jungfer fort wie eine wilde Katze . Doch bevor sie hinter den Zelten verschwand , drehte sie sich noch einmal um , tat beide Hände küssend an ihren Mund und streckte sie nach mir aus : » Schucker tschawo – Bub mit güldene Haar – oh , oh , Keenig Salomo ! « » Nun aber komm , Johannes ! « rief mein Vater und fügte für den Oheim hinzu : » Ade , Tobias ! laß dich hernach bei uns sehen . « Wie bestürzt und verwirrt blieb der Oheim stehen , seine Augen suchten bald die entwichene Wahrsagerin , bald die von ihr gedeutete Linie seiner Hand . Da ich ihm Lebewohl sagte , blickte er mich stumm an . Auf dem Heimwege berichtete ich dem Vater , was mir widerfahren . Er aber meinte : » Ei ja doch ! Sei kein Narr ! Willst du etwan betrogen sein , wie das dumme Volk , das blind vor Aberglauben ? Einer zusammengeklaubten Schelmenrotte darf man nicht trauen . Noch ist die Welt nicht witzig – sei du es wenigstens ! « Da die Zigeuner Getreide und Hühner stahlen , so sprachen die Bauern : » Da sehen wir nun , was die vorjährigen Heuschrecken anzukündigen hatten . Ein Fürzeichen waren sie dieser zigeunerischen Landplage , haben anzeigen wollen , daß hinter ihnen menschliche Fresser und Mausköpfe kommen , und daß wohl gar noch schlimmere Verwüster folgen werden , als da sein Tartern oder Türken – sintemalen von den Zigeunern das Gerücht geht , sie seien der Türken Ausspäher , beflissen , der Christen Land den Heiden zu verkundschaften . « Solche Sorge ward genähret durch die seltsamliche Gestalt der Heuschrecken , von denen etliche geblieben waren . » Sehet doch « – sprach man – » wie gewappnete Krieger ist dies Geziefer , mit festen Sturmhauben bedeckt und mit Fühlhörnern als Spießen bewehret . Ihr Schwirren und Zirpen hört sich an , als wetze man Schwerter und rassele mit Rüstungen . Fürwahr auf Schlimmeres denn auf Zigeuner deuten die Heuschrecken . Ein grausam Kriegesheer wird von Osten einbrechen , räuberische Heiden , alles Land kahl und wüste zu machen . « Der Aberglaube fand an den Heuschrecken fürchterliche Hieroglyphen . Meines Vaters Collega , der Linguiste Hinschius , wollte auf den Flügeln Schriftzeichen aus dem arabischen Alkoran erkennen ; andere Zeichen glichen wiederum hebräischen Buchstaben , und ein Scholar las auf einer Heuschrecke das lateinische Wort : cave ! – zu Teutsch : hüte dich ! So ward der Leute Sinn gemeiniglich voll Sorgen auf die Zukunft gelenkt . Insonderheit erwartete man für den evangelischen Glauben ein groß Unheil . Munkelte , der Erzherzog Ferdinandus habe den Jesuitern angelobet , das ganze Reich von der lutherischen Pest – dies Wort soll er gebraucht haben – mit dem Schwerte zu kurieren . Bei den in Österreich und Böheim entbrannten Streitigkeiten der Konfessionen war manchem nachdenklichen Menschen zumute wie Pilato , da er die Frage tat : » Was ist Wahrheit ? « Und wie der Parteien Hader im ganzen Reiche enden werde , konnte kein Menschenverstand berechnen . Nur das eine wußte man , daß grausame Kämpfe , jammervolle Zeiten bevorstünden . Ratlos starrte man dem Himmel ins Angesicht , von ihm etwan zu erspähen , was im höchsten Rate beschlossen sei . Damals kam der Spruch auf : » Sechszehnhundert zehn und acht , Wenn ich dies Jahr recht betracht , Geht darin die Welt nicht unter , So geschehn doch schlimme Wunder . « Zu Hirschberg lag ich mit Eifer den Studiis ob , ward dabei mitnichten ein Stubenhocker . Zum langen starken Burschen emporgeschossen , trieb ich mich mit andern Scholaren umher und machte gern ihren Rädelsführer . Zur Erinnerung an die Hussitenzeit spielten wir Krieg auf dem Hausberge . Die kämpfenden Parteien aber hießen wir Union und Liga . Führer der Liga war ein katholischer Junker namens Zetteritz , während ich die Union befehligte . Den Anlaß dazu gab ein Mann kindischen Gemüts . Ehedem Kapuzinermönch , war er durch die Ausbreitung des evangelischen Glaubens seines Klosters verlustig gegangen und fristete als Dachdecker sein Leben . In diesem Handwerk war er einmal vom Dache gefallen , aber so seltsam , daß er auf beide Füße zu stehen gekommen , als sei er gesprungen . Mit Gelächter ist er in den » Schöpsen « zu einem Kruge Bier gegangen und bald auf sein Dach zurückgekehrt . Doch es sollte wohl sein , daß er zu Schaden käme , denn kaum hatte er die Arbeit begonnen , so stürzte er abermals , und diesmal so schlimm , daß er unbewußt liegenblieb und eine Verkürzung des Verstandes davontrug . Blieb indessen wohlgemut und nicht übel gelitten bei alt und jung . Saßen die Bürger beim Trunke , so trat er pfiffig herbei , griff ungeladen nach einem Kruge und sprach , erst nachdem er ihn geleeret : » Mit Verlaub , Herr Bruder ! « – » Hol dich der Kuckuck , Kapuzinerwenzel ! « ward ihm entgegnet . Aber die Herumsitzenden lachten und lobten den Kerl . Dieser Kapuzinerwenzel also war mit uns , als wir Scholaren auf dem Hausberge Krieg spielten . Es ward aber die Präpositio getan , unsere zween Haufen Union und Liga zu benamsen , nach den beiden Religionsparteien , in die sich die teutsche Fürstenschaft gespalten hatte . Sintemalen nun die meiste Bevölkerung von Hirschberg lutherisch war , begehrten die Knaben fast allesamt zur protestantischen Union , und das Los mußte entscheiden , wer der katholischen Liga angehören sollte . Zum Hauptmann der Liga proponierte ich den Kapuzinerwenzel . Da trat der Zetteritz auf und rief : » Eine Schande , wenn vor die Katholischen ein abtrünniger Mönch gesetzet würde , so sein Ordensgelübde gebrochen hat . « – » Oho , « rief ich , » er hat wohl getan , sich vom Papste zu wenden . Aber gut , der Kapuzinerwenzel soll nicht Hauptmann der Ligisten sein , dafür ist er viel zu schade . Mag derohalben der Zetteritz selber seine Partei anführen . Was mich betrifft , so bin ich Hauptmann der Union . « Jubelnd traten mir viele Knaben bei . Der Zetteritz aber sprach grimmig zu seinen Ligisten : » Auf denn , streiten wir für den Erzherzog Ferdinandum , so geschworen hat , er werde alle Ketzer ausrotten . « Da erhub sich groß Protestieren , selbst unter den Ligisten : » Mit dem papistischen Ketzerfresser haben wir nichts zu schaffen . « Ich maß den Zetteritz herausfordernden Blickes und sprach : » Wärest du nicht ganz ohne Beistand , ich möchte dir schon weisen , wie man denen heimleuchtet , so uns Ketzer schimpfen und ausrotten wollen . « Da fletschte der Zetteritz die Zähne und stieß mit der Faust nach meiner Brust . Ich aber packte ihn flugs , warf ihn zu Boden und hielt ihm die Arme fest , bis der Kapuzinerwenzel uns voneinander brachte . Der Vorfall legte den Grund zu einer Feindschaft , die späterhin entsetzliches Unglück angestiftet hat . War auch ein Fürzeichen der grimmen Kämpfe , so demnächst zwischen den Konfessionibus entbrennen sollten . Zu Hirschberg und in der Umgegend waren meist nur solche Leute katholisch , die aus einem katholischen Lande stammeten oder wegen ihres Amtes zu den Papisten hielten . Die Religionsparteien suchten einander den Rang abzulaufen bei den hohen Herren , und solche Nebenbuhlerschaft trat ergötzlich zutage , als der Warmbrunner Grundherr , Hans Ulrich Schaffgotsch , auf seinem Schlosse Kynast bei Hermannsdorf seinen Geburtstag feiern wollte . Wiewohl Hirschberg nicht zur Herrschaft Schaffgotsch gehöret , waren Vertreter des Rates , der Kirche und Schule , darunter mein Vater , abgeordnet worden , den Freiherrn beim Hermannsdorfer Teich zu begrüßen , wo er einem Fischzuge beiwohnen wollte . Von Böllern begrüßt , kam Hans Ulrich die Straße von Kemnitz dahergesprengt , nebst einem Gefolge von Reitern . Feuer in den blauen Augen , antwortete er auf unsern Jubel mit dem Schwenken seines Federhutes . Er war ein schöner , langer , blondlockiger Mann . Der Prediger von Giersdorf wollte seine Rede anheben ; da ward auf einmal zwischen den Scheunen eine Prozession sichtbar , Gepränge , Fahnen , brennende Kerzen . Papisten waren es , gesonnen , um des Grundherrn Gunst zu buhlen , der Meinung , auf seiner Reise durch Welschland und Hispanien habe er sich dem Papismo zugeneiget . Auch der Zetteritz war bei der Prozession . Angetan mit weißem Chorgewande , schwang er sein Weihrauchfässel und plärrete : » Sanctus spiritus « , riß den Hals immer weiter auf : » Adveni–i–sti , desiderabilis . « Bei Herrn Schaffgotsch angelanget , neigeten sich die Papisten devotest , und ihr Führer kam dem Giersdorfer Prädikanten zuvor , indem er einen salbungsvollen Glückwunsch sprach und dabei eine Schrift überreichte . Hans Ulrich las den Titul » Die wahre Religion der Schlesier « und gab die kühle Antwort : » Wir danken euch , sind aber nicht hergekommen , über Religion zu disputieren . « Und mit der Zunge seinem Rosse schnalzend , galoppierte er zum nahen Teiche . Unsere Schar stund verblüffet , alsdann erhub sich ein Gemurmel , und die beiden Religionsparteien sahen einander wie knurrende Hunde an , bis sie schließlich Herrn Schaffgotsch zum Teiche folgten . Die Fischer waren bereits beim Einholen der Netze . Ihr Fischzug war nicht sonderlich mit Beute gesegnet , und Hans Ulrich sprach : » Wir hätten vermeinet , es müsse dahier mehr Fische haben . « Da brummte ein grauköpfiger Fischer : » Ei ja doch , lieber Junker ! Sollen wohl gar noch die Fische prozessionsweise ins Garn gehen ? « Lange Gesichter machten die Umstehenden . Hans Ulrich aber lachte und wandte sein Roß zu den Papisten : » Dieser Alte redet frisch heraus . Solch freier Mut , bar aller Schleicherei , gehöre alleweil zur wahren Religion der Schlesier . « Nun ernteten die Papisten schadenfrohe Blicke , und ich verspottete den Zetteritz durch Gebärden . Der nahm am Abend dafür Rache . Herr Schaffgotsch hatte Ritter , Prädikanten und etliche angesehene Bürger , auch meinen Vater , zum Festin geladen , auf daß männiglich mit ihm fröhlich sei und Gott für alles Gute danke . Bei der abendlichen Gasterei sollten etliche Scholaren eine artige Comödiam aufführen , angezettelt von Herrn Schönborn , dem ehemaligen Lehrer des Freiherrn . Ich hatte dabei kein geringer Amt , als Gott , den Vater , darzustellen , wie er vom Himmel herniederschwebet , den verlorenen Sohn aus Höllenflammen zu erlösen . Die Rolle des obersten Teufels aber war dem Zetteritz übertragen . Wie nun an mich die Reihe kam , war mein Antlitz rot bemalt , weiß umrahmt von Locken und Bart und gekrönt mit güldenem Heiligenschein ; es umwallete mich ein blauer Mantel mit Silbersternen . Auf einer Leiter stund ich , und unter meinen Armen hindurch ging ein Strick , daran ich schweben sollte . In der Tiefe lohete das Fegefeuer , und der Zetteritz als Satan befahl seinen Teufelsknechten , die Zangen glühend zu machen , um den verlorenen Sohn weidlich zu peinigen . Da sprang ich von der Leiter , schwebte in der Luft und hub mit Donnerstimme an : » Halt an , du Höllenfürst ! Entfleuch , du Satansbrut ! Ich lösche diesen Brand mit meines Sohnes Blut . Nicht alle Sünder sind zur Höllenpein erkoren , Und kein verlorner Sohn soll ewig sein verloren . Komm , arme Seele , komm .... ! « Auf einmal ward mein Strick losgelassen , und ich stürzte zu den Teufeln . Zetteritz starrete mich an , dann fiel er als ein Besessener über mich her , der ich auf dem Boden kauerte wie ein Vierfüßler . Das Sternengewand zog er mir prall und gerbte mein Fell . Dröhnend Gelächter erhub sich . Ich aber raffte mich auf und vergalt meinem Widersacher , bis man herbeigesprungen kam und uns mit Mühe trennte , worüber der Vorhang fiel . Herr Schönborn , Autor und Rektor der Comödia , war indigniert , aber Hans Ulrich tröstete ihn durch Lobsprüche , und der Hofnarr , Michel Puchhammer , so unter der Schellenkappe Witz und Weisheit trug , klopfte dem Poeten beifällig auf die Schulter , vermeinend : » Der letzte Effektus war das wahre Kleinod Seiner Comödia . Hand aufs Herze , ihr Herren , wäre es nicht fast klüglich und vergnüglich , wenn alle Händel dieser Welt in Summa könnten ausgefochten werden einzig durch unsere höchsten Potentaten , den lieben Gott und den leidigen Satan ? Machet nicht lange Gesichter , ihr Herren ! Glaubet mir , das wäre die erbaulichste Comödia , so wir dürften dem Duelle zuschauen , wie Israeliten und Philister zuschauten , als ihre Sache durch David und Goliath ausgefochten ward . Wir hätten alsdann nicht nötig , unsere Schwerter widereinander zu wetzen und zu disputieren , wie die wahre Religion beschaffen sei , wer die ledigen Klostergütel bekommen , und wer König in Böheim werden solle . Ei ja , vermieden wäre aller Bruderzwist von Kain und Abel bis zu Liga und Union . Wir wüßten , daß wir nichts mit menschlicher Macht ausrichten und daß wir uns ergeben müssen in das Verhängnus von oben – wie solches ja auch die Kunst der Künste gebeut , die himmlische Astrologia . « Im Anschluß an solche Worte , die mir mein Vater berichtet hat , mag jenes Mirakel vorgefallen sein , das später in allen teutschen Landen erzählet , aber freilich auch angezweifelt worden ist . Ich vermag darüber nichts Gewisses auszusagen , sintemalen ich nicht weiß , ob die Geschichte auf Angaben meines Vaters beruht . Genung , ich will sie hier mitteilen ; ob sie wahr , bleibe dahingestellet . Der Narr Michel galt für einen kundigen Astrologen , so die Zukunft des Menschen aus dem Stand der Sterne berechnen könne . Wie er nun von der » Kunst der Künste « räsonierete , fuhr Hans Ulrich auf einmal mürrisch dazwischen : » Schweig , Unglücksrab ! « Da die Beisitzenden befremdet stutzten , erklärte sich Hans Ulrich folgendermaßen : » Dieser Narre , der mit seinem Sterngucken prahlet , hat auch mir das Horoskop gestellet ; und wisset Ihr , was er geweissaget hat ? Ich werde sterben einen gewaltsamen Tod , und zwar am kalten Eisen . Merket wohl , nicht am heißen Eisen der Feldschlacht , von dem ich gern fallen will als ehrlicher Soldat ; nein , am kalten Eisen , wie es der Scharfrichter schwinget . Pfui , du grober Michel , deine himmlische Astrologia ist eher ein lausige Zigeunerin . « Michel zuckte die Achseln : » Kunst der Menschen kann irren , und ich wäre frohen Mutes , so ich Ihro Gnaden Nativität als ein Irrender hätte gestellet . Aber bei Ihro Gnaden Geburt sind Saturnus und Mars ins vierte Haus der Sonnen eingefahren , und was das nach den Regulis meiner Kunst andeutet , habe ich aufrichtigen Sinnes bekennet . Doch wir wollen den Himmel fußfällig bitten , daß er alles zum Besten unseres wertesten Herrn wenden möge . « Herr Schaffgotsch blickte unruhig in die Runde , schüttelte das Haupt und sagte nach etlichem Besinnen : » Ich hätte nimmermehr gedacht , daß unter Deiner Kappe , so doch viel Witz heget , dergleichen närrische und fanatische Dinge stecken sollten . Gläubet Er etwan , ein Fernglas zu haben , so ins Kabinett der göttlichen Geheimnisse eindringet ? Wie will Er Beweis und Rechenschaft davor geben , daß Er Zukünftiges in Wahrheit kann prognostizieren ? Wohlan , stellen wir Seine Sternguckerei auf die Probe ... Heda , Kuchelmeister Jochen , sage mir , ob im Burgstalle die ser Tage etwas jung geworden , und ob man auch die Stunde seiner Geburt erfahren kann . « » Ja , Euer Gnaden – vor fünf Tagen hat ein Mutterschaf ein Lamm geworfen , gerade wie man zur Vesper läutete . « Da sprach Hans Ulrich lauernden Blickes zu Michel : » Wohlan , so erkunde aus den Gestirnen , welchen Lebensgang das Lamm haben wird . « Der Sterndeuter trachtete mit einer Schelmerei von der Aufgabe loszukommen und meinte : » Ei ja , stellen wir dem Vieh das Horoskop ! Warum soll es nicht gelingen ? Wenn der Herrgott jedes Haar auf unserm Haupte gezählet hat , so wird er seine Sterne gewißlich angewiesen haben , nicht bloß der hochmütigen Menschlein Schicksal zu regieren , sondern auch jedem Schäflein , Grashupferlein oder Flöhlein fürzuschreiben , wie es zu hupfen , zu grasen und zu sterben habe . Ist denn überhaupt ein Unterscheid zwischen Mensch und Vieh ? Nun ja , im Saufen ist wohl einer . Säuft doch das liebe Vieh nur , bis es seinen Durst gestillet hat . Der Mensch aber , Herrgotts Ebenbild ... « Herr Schaffgotsch schnitt die weitere Rede ab : » Schon gut ! Diesmal gilt es keine Possen . Tu , was ich dich geheißen ! Geh alsogleich und erprobe deine Kunst ! « Unter spöttischem Gelächter der Tafelgäste ging der Sterngucker . Nach einer Stunde kehrte er mit dem Bescheide zurück , in den Sternen stehe geschrieben , der Wolf werde das Lamm fressen . Da lächelte Hans Ulrich triumphierend und rief : » He , Jochen , sage dem Koch , er soll sogleich das Lamm metzgen und heute abend gebraten auftischen . « Nun erscholl lauter Jubel , in den auch Michel einstimmte , indem er rief : » Bravissimo ! Ja , man muß dem Schicksal zu Leibe gehen und die Fortune korrigieren . « Der Abend kam , und allerlei Gebratenes war bereits aufgetragen . Da rief Hans Ulrich : » Wo bleibet das Lamm ? « » Mit Verlaub , « sagten die Tafelträger verlegen – » es brä – brät anoch . « » Ei , ei , « scherzte der astrologische Narr – » so hat es wohl doch der Wolf gefressen ? « Hans Ulrich ward verwirret und errötete . » Possen ! « rief er . » Wo bleibet der Kuchelmeister ? Holet ihn sogleich ! « Bleichen Antlitzes trat Jochen ein und stammelte offenbare Ausflüchte . Wie aber Hans Ulrich mit rauher Stimme rief : » Leuge Er nicht , sondern gestehe , was ist geschehen ? « Da fiel der Kuchelmeister auf seine Knie und berichtete unter Zittern : » Ach Gnaden , ein Mirakel ! Wohl ist mit dem Lamm nach Ihro Gnaden Geheiß verfahren worden . Gemetzget haben wir's , abgehäutet und auf den Bratspieß gestecket . Zum Drehen des Spießes aber haben wir eine Maschine , das ist ein Käfig , so vom hineingesperrten Hunde gedrehet wird . Früher war's ein Hund . Seit wir aber im Schlosse den Sultan haben , wie wir den zahmen Wolf heißen , ist es unsere Lust , von ihm den Bratspieß drehen zu lassen . Wie nun das Lamm gebraten auf der Schüssel liegt , ist der Bratenmeister mit seinem Kucheldiener auf ein Weilchen zu andern Verrichtungen aus der Küche gegangen . Da hat sich der Sultan aus seinem Käfig gemacht und hat das Lamm gefressen . « Erbleichend sprang der Freiherr auf und ließ sein Tafelmesser fallen . Voller Grauen starreten ihn die Gäste an . » Michel , « sprach Hans Ulrich sanft zum Hofnarren – » mit dem Lamm hat deine Kunst recht gehabt . Wie es aber mit mir kommen wird , stehet in Gottes Hand . Eins jedoch weiß ich : So ich dereinst durch kaltes Eisen gerichtet werde , ich sterbe unschuldig . « Niedergeschlagenen Auges wie ein Betender , fügte er leise hinzu : » Dulce decus , pro patria mori – süß und ehrenvoll ist es , fürs Vaterland sein Leben zu lassen . Dein Wille , o Herr , geschehe – denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit , Amen ! « Erschüttert , zum Teil weinend , falteten die Tafelgäste die Hände zum stillen Gebete . Den Herrn Schaffgotsch aber kam trotz seiner Gelassenheit eine Alteration mit Fieberschauern an , also daß er sich zu Bette legen mußte , worauf die Gäste nach Hause kehreten , mit traurigem Bedenken , wie es wohl am Ende kommen werde . Das andere Abenteuer Das Johanniskind will den winkenden Schatz heben Den Kräutertobias zu besuchen , hatte sich mein Vater mit mir im Frühjahr nach geschehener Übersiedelung aufgemacht . Fuhren auf einem Bauernwagen dem Zackenfluß entgegen , jedoch nur bis Petersdorf , wo wir abstiegen , um zu Fuß das steile Waldgebirge zu erklimmen . Zur Linken in der Felsenschlucht brausete der Zacken . Rechts ging es einen schroffen Hang empor zu einem ragenden Stein . Von hier erscholl eines Mannes Zuruf . Der Oheim war es , so droben auf uns geharret hatte und nun gelaufen kam . Nachdem er mit Freuden seinen Willkommen geboten , berichtete er , wie ihm schon von weitem unser Wagen sichtbar gewesen . Mein Vater antwortete : » Allerdings gewähret dieser Stein , Wachstein geheißen , eine weite Aussicht über das Zackental , wie man ihn schon in der Hussitenzeit als Warte verwendet hat , den Paß nach Schreiberhau zu überwachen . « Der Weg , den wir nun gingen , stieg fast steil durch einen Bachgrund . Anfangs von schroffen Felsen und Fichten begleitet , führte er zu einer Aue , wo Bauden um ein Kirchlein lagen , und Kühe nebst weißen Gänsen weideten . » Hie beginnet Schreiberhau , « sagte mein Vater ; » es erstreckt sich eine gute Stunde in die Länge , und wir haben bis zu Oheims Häusel noch ein Stück Weges . « Nach fürderem Ansteigen ward der Weg eben , wir hatten seine höchste Erhebung erreicht und schauten in ein sanft abfallend Tal , breit und lieblich . Hinter vorderen Waldhöhen stieg jene Gebirgswand himmelan , die ich von fern oft betrachtet hatte . Jetzo , da sie in der Nähe ragete , ward mein Gemüt bewegt wie von tiefem Orgeldröhnen . Ein weithin ausgereckter Riesenrumpf , mit Tannen gleichwie mit bläulicher Wolle bewachsen . Wo der Wald zu Ende , schimmerten Matten , dann kam kahler Fels , mit dunkelgrünem Moose bedeckt . Droben in den Abgründen lag noch Schnee , und der Oheim wies mir , wie die weißen Flächen manchmal seltsame Formen bildeten , einen Stier oder eine Hose , von der die Leute sagten , es sei Rübenzagels Hose . Der Gebirgskamm bildete eine Reihe von Kuppen , die in der Ferne von zartem Blau waren . Gewölk kroch von der anderen Seite des Gebirges über den Sattel herüber , wie graues Raubgezücht , wie Drachen . Derweilen mein Vater in den Anblick seiner lieben Berge versunken war , wies der Oheim die einzelnen Gipfel : den Reifträger , die Sturmhaube , das Hohe Rad , den Mittagstein , die Schneekoppe . Erklärte mir auch , das graudüstere Gewächs zwischen den Felsen droben sei kein Moos , sondern Knieholz , ein struppicht Nadelgebüsch , so nicht in die Höhe wachse , sondern über das Geröll hinkrieche , die knorrigen Ruten wie zum Verhau verschränkt . Bald langten wir bei Oheims Häusel an . Es lag in der grünen Aue , wo Murmelbächlein rannen . Neben der Wiese gab es Saatfelder , Gärtlein und etliche Bauden . Gleichwie ein freundlich Auge lugte ein Mühlteich aus des Tales Mitte . Unweit waren dunkle Felsen und lichte Birken mit zarten Frühlingsblättlein . Einen freundlichen Anblick gewährte Oheims Häusel . Baute sich aus rohen Steinen auf , doch war die große Stube aus Balken gezimmert , wobei Moos und Lehm die Fugen verkitteten . Über das bemooste Schindeldach wölbeten zwo alte Linden ihre Kronen . Am Hause war auch ein Viehstall , und ein paar Kühe nebst Ziegen weideten auf der Wiese . Als wir durch das Blumengärtel gingen , wo gelbe Märzenbecher blüheten , während die Kirschbäume gleich Silberwölklein prangten , sprang ein Hund aus dem Hause auf uns zu und hüpfte mit jauchzendem Gebell am Oheim empor . War mein zukünftiger Freund , der gelbe Schäferspitz Wächter . Vor der Türe des Häusels stund ein weißhaarig Weibel und grüßte freundlich . Beate war es , des Oheims Base , die ihm Haus hielt . Wir gingen in die Balkenstube , und hier war es sehr warm , da mächtige Holzklötze im Ofen loheten . Weißgescheuert die Diele , alles Hausgeräte sauber und traulich . Bunt bemalt der große Schrank , sowie die Truhe daneben . Wir setzten uns um den Tisch , und nachdem der Vater das Gebet gesprochen , ließen wir uns Brot und Schinken munden . Da wir nun erquickt waren , sagte mein Vater : » Lieber Bruder Tobias ! Schreiberhau und das elterliche Häusel zu schauen , hat mich in der Fremde oft inniglich verlanget . Nun wird meine Sehnsucht durch Gottes Güte gestillet . Die Berge , Bäume und Bäche , alle lieben Orte und Dinge habe ich wiedergefunden . Nur weniges dünket mich verändert . Neu ist jedoch die große Backstube bei den Felsen mit dem tüchtigen Schornstein ... « » Keine Backstube ist das , « antwortete der Oheim belustigt ; » das ist ja mein Laboratorium . « » Laboratorium ? Ei wie denn ? Bist etwan ein Chymiste worden ? « meinte der Vater befremdet . Und bedächtig versetzte der Oheim : » Hum ! Du weißt ja ... hum ! Glas kann ich nicht mehr machen . Vom Blasen und staubigen Schleifen ist mir der Odem benommen . Und wann die Berge verschneiet liegen , mag ich nicht immer bloß Pillulen drehen . Habe mich also der chymischen Kunst ergeben und mir ein Laboratorium angelegt . « » Und bist wohl gar dem Goldmachen auf der Spur ? « Es war dem Oheim ganz ernst , als er erwiderte : » Aus menschlichem Vermögen kann ich sagen : ich hoffe . Wirst nun freilich denken : da haben wir abermalen einen neuen Grillenfänger , rußigen Kohlenbläser und gefährlichen Schwarzkünstler . So lauten ja wohl die Ehrentituli , mit denen die stolze Disputiergelahrtheit gemeiniglich den Jünger einer Kunst beleget , die in der ganzen untermondlichen Atmosphäre zwar die unsicherste , aber auch die allerkostbarste ist . « » Nun , nun , « – begütigte mein Vater – » will dich nicht schelten ; alle Kunst ist ja von Gott , wohl auch die alchymistische , wofern ... « » Amen , Amen , « unterbrach ihn der Oheim freundlich und rüttelte des Vaters Schulter : » Bruder Martin , hüpfen tut mein Herze , bisweilen du nicht bist wie jene törichten Prädikanten , so behaupten , daß allen Goldmachern und Schatzgräbern der Teufel im Nacken sitze . Solche Pfaffen mögen im Catechismo Lutheri beschlagen sein – von Magia verstehen sie so viel wie die Kuh vom Kanzelreden . « » Nun ja doch , Tobias , wohl , wohl ! Indessen du hast mich unterbrochen . Von Gott ist alle Kunst , wofern man sie rechten Sinnes übet . Sonsten aber schwarze Kunst und verwerflich . « Der Oheim winkte mit der Hand ab und kämpfte einen Hustenanfall nieder : » Schwarz ? Ah , nur die falsche Kunst ist schwarz , die Gaukelei der Afterchymisten ! Was der Mensch aus seines Geistes hohen Kräften suchet und vermag , ist weiß wie himmlisch Licht . Könnte es etwan wider Gottes Willen sein , so einer die Natur zu urkunden und zu meistern trachtet ? Soll ich mein Pfund vergraben und faul liegen lassen ? Wie spricht denn der Heiland ? Werdet vollkommen , gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist . « » Die wahre Vollkommenheit « – gab mein Vater zurück – » bestehet im reinen Herzen . Diene der Magiae reinen Herzens , nicht , wie die Schatzgräber , aus Goldgier . « Der Oheim stutzte : » Als ob nicht auch ein Schatzgräber reinen Herzens sein könnte ! « » Schon gut , « sagte mein Vater ; » wenn er mit dem Golde nicht seinen Lüsten dienen will , sondern dem Reiche Gottes . « » Selbiges will ich « – versetzte der Oheim fest . » Meine Lüste ? Die sind abgestorben ! Nur die Lust an der magischen Kunst ist übriggeblieben ; und so der Himmel sie segnet , will ich gern nach seinem Willen das Gold verwenden . « » Zum Exempel , wofür ? « Zum Exempel für deinen Sohn , unsern Johannem , damit er auf hohen Schulen ein großer Physikus und Adepte werde – ein rechter König Salomo . « Seit dieser Zeit hörte ich in mir eine Stimme mahnen : » Halte zum Oheim , er soll dich leiten ! « Je öfter ich nun nach Schreiberhau kam , desto besser behagte es mir daselbst . Die Wiesen mit ihrem Vieh , das Gärtlein und Roggenfeld , die großen Steine , das Laboratorium und der Stall , die Balkenstube , das Häusel mit allen Winkeln , auch die benachbarten Bauden , die Glashütte mit ihrer Schleifmühle , rings die Höhen mit Tannen und Rauschebächen – das alles ward mir bald so traut und lieb , daß es mich in jeder Schulvakanz zum Oheim , zur alten Beate und zu meinem Freunde Wächter zog . Selbst in den Tagen meines Hirschberger Aufenthaltes ist manch heimlich Stündlein gekommen , wo meine Gedanken gen Schreiberhau geflogen sind . Wenn ich zum Exempel vor dem Schlafengehen mit den Eltern das Abendlied sang : » Ich danke dir von Herzen , Daß du an diesem Tag ... « und dann an die Worte kam : » Noch meinem Vieh was schade , Es sei klein oder groß « , so dachte ich an des Oheims Kühe und Ziegen , die ich mit Wächter , eine Peitsche in der Hand , gern auf der Wiese hütete . Schloß sie voll einfältiger Liebe in mein Gebet mit ein , auch Gänse , Hühner und Karnikulein , auf daß nicht etwa Fuchs und Marder sie würge . Während der langen Ferien begunnte des Oheims Laborantenwesen und chymistisch Treiben meinen Sinn magnetisch zu fesseln . Von Wächter begleitet und auf dem Rücken die Hucke , tat ich manche Suche nach Kräutern . Lernte Pestwurz , Eisenhut , Aronstab , Johanniskraut , Stolzen Heinrich , Taubenkropf , Goldraute und Alraunknoblauch nebst ihren heilenden oder magischen Kräften kennen . Dabei ward mir auch das Gebirge immer bekannter . Im Laboratorio hatte ich mir bald die kleineren Fertigkeiten zu eigen gemacht , als da sind Säfte pressen , Machandelmus kochen , Eibergeist destillieren , Gestein im Mörsel zerreiben , Tiegel , Kolben und Retorten reinigen , Phiolen verstöpseln , Holzkohle bereiten und die Glut mit dem Blasebalg anfachen . Auch nahm der Oheim Gelegenheit , meine ziemliche Kenntnis des Lateinischen zu nutzen , indem er mir ein Buch ins Teutsche zu übertragen gab » De secretis operibus artis et naturae « – will heißen : von den geheimen Werken der Kunst und der Natur . Da ich nun die Arbeit vollendet hatte , legte der Oheim freundlich die Hand auf meine Schulter und sprach feierlich : » Lieber Johannes ! Aus dem übertragenen Buche wirst du vollends ersehen haben , wie falsch es ist , Schlimmes in den geheimen Künsten zu sehen . Über die ganze Erde hat Gott den Menschen gesetzet , also auch über ihre geheimen Schätze . Wie die Abendburg ist die Erde – heget Gold und Edelgestein , dem gemeinen Volke verschlossen , und nur dem Adepten zugänglich . Werde drum ein Adepte , Johannes . Hebe den Schatz , so nach himmlischer Bestimmung für dich bereit lieget . Willst du das , Johannes ? Nun wohl , so werde ich Mittel und Wege dazu ausfindig machen . Bist du aber auch bewandert in der Kunst des Schweigens ? Gänzlich unerläßlich ist sie dem Jünger geheimer Wissenschaft . Zu schweigen gilt es gegen jedermann – merke , auch gegen deine Eltern . Bist groß genung , jetzt ohne der Mutter Schürzenbändel deinen Weg zu gehen . « Da ich nun beteuerte , ich habe zum Schweigen jeglichen guten Willen und auch bereits etliche Kraft , loderten des Oheims Augen , und er sprach priesterlich : » Wohlan , so nehme ich dich zu meinem trauten Gesellen und Famulo an und verheiße , dich einzuweihen in alle Fertigkeiten , so ich errungen habe oder noch erringen werde . Künftigen Sonntag soll die Lehre anheben . « Dann wandte er das Angesicht zum Fenster , starrte nach den blauen Bergen und murmelte dunkle Worte . Als wir am Sonntag aus der Kirche heimgekehrt waren und zu Mittag gegessen hatten , richtete ich meine Augen ernst und fragend auf den Oheim . Er nickte mir zu , erschloß den Riegel der bunten Truhe und langte geheftete Skripturen heraus . Im Triumphe hielt er sie hoch : » Siehe hier den Mittler , so dich zum Goldschatz geleiten wird . Komm her und lies ! « Voll Ehrfurcht empfing ich die Skripturen , setzte mich an den Tisch und wollte still für mich lesen . Doch der Oheim nahm bei mir Platz und sprach : » Lies nur laut ! Nicht oft genung kann ich diese Wissenschaft vernehmen . Auch ist nötig , daß wir Rates darob pflegen . « So erhub ich denn die Stimme und las die verblichene Schrift , zu manchen Malen stockend und vor Beklommenheit seufzend . Der verschnörkelte Titul aber lautete : » Nachrichten von den Walen – wer sie gewesen , wo sie Golderz aufgesuchet und gefunden , wie solches geschmelzet und zu gut gemacht – auch wie sie aus Erzen und Kräutern Gold gebracht – nach alten Schriften denen Liebhabern des Bergwerkes und der chymischen Kunst eröffnet . « » Walen « – so sagte die Schrift – » heißet ein fremdländisch Volk . « Von diesen Leuten sind viele seit alter Zeit im Bergwerke wohl erfahren und haben ihre Kenntnis der Erze oftmals in teutschen Landen probieret . Sind als Landfahrer und Scholaren ins Erzgebirge und Schneegebirge gezogen , daselbst verborgene Edelmetalle auszuspüren . Nachdem sie erkundschaftet , wo die besten Goldkörner oder Edelgesteine liegen , haben sie an Felsen und Bäumen Erkennungszeichen angebracht , auch in Bücher geschrieben , wie man zu den Orten gelanget . Wie kostbar aber der Walen Wissenschaft , geht aus folgender wohlverbürgten Nachricht herfür . Vor mehr als einem Saeculo kam alle Jahr ein fremder Mann mit einer Hucke vom Gebirgskamm niedergestiegen . Was aber der Hucke Inhalt gewesen , ist hinterher an Tag gelanget . Ein Junker , so auf der Jagd hin und wieder dem Manne begegnet ist , kommt nach Venedig und siehet denselbigen fremden Mann in fürnehmer Kleidung mit Dienerschaft in einer Gondel fahren . Den Junker erkennend , lässet dieser Venediger anhalten , grüßet unsern Teutschen und ladet ihn ein , seinen Palazzo zu besichtigen . Nach der Gasterei bezwingt der Junker nicht länger seine Begierde und forschet , wie es denn hergegangen , daß aus einem armen Huckenträger solch ein Nobile worden . » Eben vom Huckentragen , « antwortet lächelnd der Venediger ; » denn in der Hucke ist eurer Berge Gold gewesen . « Und es hat nun der teutsche Junker vom Venediger vernommen : Hoch auf dem Reifträgergebirge , nahe bei dem zweispitzigen Steine habe er , der Huckenträger , auf einer Wiese Markasit gewaschen bis zur Größe einer Erbse . Damit er nun desto besser auf diesem goldreichen Gebirge ausdauere , habe er für eine Woche Proviant mitgenommen und bei klarem Wetter den Aupengrund hinter der Schneekoppe besucht . In einer Einöde seien Gerippe von Menschen gelegen , die sich vorzeiten an den goldreichen Ort begeben haben , doch , nicht genugsam verproviantieret , Hungers gestorben sind . Dorten nun habe er kostbare Edelsteine aufgelesen , auch viel gutes Gold , Körner wie Haselnüsse . Nachdem der Venediger solchen Bericht getan , hat er seinem teutschen Gaste im Marmor der Speisehalle folgende Inschrift gewiesen : » Montes corconos fecerunt nos dominos . « Zu teutsch : » Das Reifträgergebirge hat uns zu großen Herren gemacht ... « Hier stutzete ich und riß die Augen auf . Der Oheim nickte mir zu : » Ja , ja – unser Reifträger , auf der böheimischen Seite Korkonosch geheißen . Doch nun schlage einmal das Kapitul auf , so mit einem Buchzeichen angezeiget ist . « Und ich las weiter : Bei Hirschberg in Schlesien ist ein Dorf , Schreibers Hau . Gehe oben zum Dorfe hinaus über den Schwarzberg , so kommst du zum Weißen Bach . In einen Tränketrog fließen zwei Wässerlein . Am Wässerlein zur Rechten geh immer fort gen Abend . Findest auf Bergeshöh die Abendburg , einen haushohen Stein . Ist hohl , und tief innen liegt eines Königes Goldschatz begraben . Wie aber der Schatz zu heben , wird nur einem Adepten oder Johanniskinde offenbar ... « Ich hielt inne und sahe den Oheim fragend an . Dabei stellte sich meinem innern Auge die Abendburg dar , wie sie mein Vater geschildert . Den düstern Felsen sah ich durch Zauber zum Schlosse werden , gleißend vom roten Golde wie Abendgewölk . Und ich seufzete : » Ach Oheim Tobias ! Warum hast du mich noch niemals zur Abendburg geführet ? « » Ich führe dich hin , Johannes , und zwar ohne Verzug . Wohlan , mache dich fertig ! « Froh und kühn schlug mir das Herze , stracks rüsteten wir zum Aufbruche . Das kostbare Walenbüchel tat der Oheim in einen Ranzen . » Das nehmen wir mit , « sprach er und hing mir den Ranzen um . Drauf gab er noch ein Stück Brot in den Ranzen , bewehrte seine Rechte mit der alten Partisane , die er auf seinen Gängen ebenso als Stütze wie als Waffe zu verwenden pflegte , und rief die alte Beate herein . » Gehab dich wohl , Beate ! Vier gute Stunden bleiben wir aus . « » Mit Gott , ihr beede ! Und seid mir au für Dunkelheet wieder derheeme , « antwortete Beate und reichte uns die Hand . Mit freudigem Kläffen kam Wächter gesprungen , da er uns zum Aufbruche gerüstet sah , und sein wedelnder Schweif fragte , ob wir ihn mitnehmen möchten . Da des Oheims Antlitz gnädig war , fuhr Wächter als übermütiger Störer in unsern Hühnerschwarm und hüpfte nach dieser Heldentat bellend über die Wiese . Ins Weißbachtal ! « sprach der Oheim . » Nehmen wir selbigen Weg , der im Walenbüchel beschrieben stehet . « Und wir stiegen den nächsten Pfad hinan , so durch Gebüsch und Wiesen , vorbei an Bauden und Steinrücken über den Hüttberg führt , allwo sich der Blick ins Weißbachtal eröffnet . Zur Linken blieb die neue Glashütte von Preisler liegen , wir stiegen über ein Flüßlein , der Rote Floß geheißen , und bogen rechts ab , es aufwärts zu verfolgen . Murmelnd und schäumend kam das Wasser über die moosigen Blöcke gehüpft , als ein Geheimnis , geheget von den Fichten , so mit grauen Bartzotten behangen wie alte Riesen aussahen . An einer Stelle war ein feuchtquappig Waldmoos , davon wir naß Schuhwerk bekamen . » Hier hab ich oft nach Golde gesucht , « sagte der Oheim ; » auch etlichen Goldseifen ausgewaschen ; doch lohnet sich nicht die Mühe . « Bald nach dieser Stelle tat sich der Wald voneinander , und auf sonniger Wiese reckte ein dicker Buchenbaum den mächtigen Wipfel . In den Stamm waren Buchstaben , Kreuzlein , Herzen und andere Zeichen gegraben . Einen schier verwachsenen Riß wies mir der Oheim in der Rinde : » Siehe hier ein köstlich Symbolum von einem Walen eingeschnitten , das ist ein Bischofsstab , wiewohl kaum mehr zu erkennen . An dieser Stätte laß uns niedersitzen , und du sollst fürder aus dem Walenbüchel vorlesen . « Ich kauerte mich zwischen ein paar glatte Felsen , indessen der Oheim aus dem Ranzen das Manuscriptum holte . Von süßem Bangen war mein Herz erfüllt , wie ich so den heiligen Baum mit den Rätselzeichen anstaunte und auf sein Wipfelsäuseln lauschte . Aus Waldestiefe lockte die gurrende Taube , und wie ein fern Glöcklein klang des Kuckucks Ruf . Da reichte mir der Oheim das aufgeschlagene Walenbüchel , und ich fuhr fort , zu lesen : » Ich , der Jacobus Puschmüller , ein Kaufmann zu Regenspurg , war durch des Allmächtigen Verhängnus also verarmet , daß ich mit zehn Floren von Weib und Kind fortgemußt , ein neu Brot ausfindig zu machen . Da bescherete mir Gott einen guten alten Italiener , daß er sich mein erbarmet und mit nachfolgender Beschreibung reicher Schatzlager getröstet hat – wie ich denn an einem der beschriebenen Orte Goldes genung gefunden und mich wiederum zu Ehren gebracht habe . In Schlesien ist die Stadt Hirschperg , an zween Flüssen gelegen . Gehe von dorten fünf Stunden weit ins Gebirg . Kommest in ein Dorf , geheißen des Schreibers Hau . Gehe auf den Schwarzen Berg und immer gen Abend durch Gehölz , auf eines Pfades Spur , so durch hohe Beerenstauden führet . Kommest zu großen Steinen , sind aber noch nicht die rechten . Gehe vorbei , immer den Pfad entlang , bis haushohe Felsen ragen , anzuschauen als eine Purg . Schwarz ist das Gestein , hat aber eine weiße Stelle , gleichwie eine Pforte aus Marmel . Davor gen Mittag dreizehn Ellen weit findest du zwischen Felsen ein Loch . Stoße einen starken Knittel hinein , wuchte und wiege , bis du den übergelegten Stein aufwiegest . Nun lege ihm was unter und nimm die Kostbarkeit , so dir Gott bescheret , Goldkörner arabischer Art , gleich Haselnüssen ; lassen sich plätzen . Tu aber den Stein wieder an seine Stelle , sonsten möchte ein Gespenst dich erschrecken ; denn dorten ist es ungeheuer . So du aber keine Furcht kennest , begib dich zum weißen Stein der Abendpurg zu Walpurgis oder Johannis oder auch am ersten Advent eine Stunde vor Mitternacht . Einen Zauberkreis mache , nach den Regulis Magiae , zünde darinnen ein Feuer an und koche in einem neuen Kessel eine Zaubersuppen . Wie die zu bereiten , weiß ich nicht genau zu sagen . Es gehöret dazu eines Maulwurfes Pfote , und unter strengem Stillschweigen muß gekocht werden . Ist der Nacht Mitte da , so spritze etliches aus dem Kessel an die weiße Marmelpforte , rufend : Woide , Woide , Woide ! Da wird der Felsen sich auftun mit Getos , und du darfst eingehen . In einer Nischen des Stufenganges kauert eine vermummete Gestalt , reget sich nicht . Gehe dreist vorbei , kommest alsdann in eine schneeweiße Halle . An der Wand stehen Truhen mit Golde . Inmitten der Halle aber springet aus einem Marmelbecken ein brausend Sauerwasser an die fünf Ellen hoch , stäubet nieder mit Regenbogenglanz und bespület Edelgestein , so im Becken als Bachkiesel lieget : violenblaue Amethyste , rotgelbe Hyazinthen , schwarze Bergkristalle , gelbe Topasier , grüne Saphire , schön durchsichtige Chalcedonier und dunkle Jasponichel mit roten Tupfen gezieret . Nimm , was du willst . Doch eilen sollst du , daß du wieder hinausgelangest , sintemalen die Schatzkammer nur über Mitternacht offen ; um ein Uhr tut sie sich zu , unter großem Krachen . Sei auch dessen wohlbedacht , daß beim Kochen der Zaubersuppen kein einzig Wörtlein werde geredet . Sonsten ist sie unmächtig , und der Herr der Berge möchte ergrimmen . Einem Tölpel ist er bei der Abendpurg erschienen als langbärtiger Riese , so auf einer Harfen gespielet hat , daß die Erde bebete , hat alsdann die Harfe wie einen Donnerkeil nach dem Tölpel geworfen . Der ist umgesunken und wäre nicht wieder erwacht , hätte ihn nicht seine Sippe heim geholet , wobei ein grausamer Hagelsturm tobete . Dies habe ich obgemeldeter Handelsmann von Regenspurg von dem Italiener vernommen , habe auch das Mülderlein gefunden , so der Pilgramstab aufweiset , und daselbst Goldkörner die schwere Menge . Doch in die Abendpurg einzudringen , habe ich nicht das Herz gehabt . Zu Schreibers Hau aber wohnet ein Mann , mit Namen Krebs , seines Zeichens ein Laborant , dem ist manch Geheimnis bewußt . Da frage nach , so der Alte oder sein Sohn Christoph noch am Leben . « » Genung ! « unterbrach mich der Oheim ; » laß uns nun zur Abendburg gehen . « Nahm aus meiner Hand das Walenbüchel und verwahrte es im Ranzen , worauf wir aufbrachen und quer durch den Wald immer bergan stiegen , um dann gen Mitternacht abzubiegen und den Kamm des Berges zu verfolgen . Hier ging der Pfad durch hohes Preißelbeergestäud , und ich merkte , daß wir auf dem beschriebenen Wege zur Abendburg waren . Oft mußten wir von Felsblock zu Felsblock hüpfen und Obacht geben , daß nicht der Fuß in einen Spalt gleite . Die Tannen griffen mit ihren unteren Ästen , kahl und hart wie Gerippe , zu mehreren Malen nach unserm Gewande , es zerfetzend . Unheimlich pfiff der Wind durch die Wipfel , und lauschend glaubte ich eines Waldgeistes Geheul zu vernehmen . Vor uns erhuben sich schroffe Felsen , und der Oheim sprach : » Siehe , das ist die Abendburg ! « Ich war etwas enttäuscht , da meine Phantasei mir die Abendburg gewaltiger und mehr einer Burg ähnlich ausgemalt hatte , und nun eine Steinmasse da lag , nicht größer , denn eine Scheuer . Wie ich aber das Düstere , Wüste , Einsame des Ortes empfand und dem wogenden Raunen des Windes lauschte , wandelte mich ein Staunen und Schaudern an . Ich spürete nun wohl , daß hier die Stätte von Abenteuern und Wundern sein könne . Wir kletterten um den Felsen herum und dann auf seinen Scheitel . So schaurig es unten bei der Abendburg war , hier oben lachte die Welt im Sonnenlichte . Trunken schweifte mein Aug über die Täler von Schreiberhau hinüber zum Breiten Berge und weiter links zum Kynast . Am Fuße dieses festen Bergschlosses dehnten sich lichtgrüne Felder , freundliche Haine , friedliche Dörfer . Aus dem Dufte der Ferne grüßten die Kirchtürme meiner guten Stadt Hirschberg . Ganz hinten waren ein paar blaue Maulwurfshügel ; so sahen die Falkenberge aus . Nach rechts mich wendend , sah ich das Reifträgergebirge und die ganze Kette der Riesenberge bis zur Schneekoppe und dem Landeshuter Kamme . Auch gen Sonnenuntergang schauten wir , und dort öffnete sich das waldige Tal des Queißflusses mit den Flinsberger Bauden . Nachdem wir unser Auge gesättigt , stiegen wir wieder vom Felsen . Der Oheim winkte mich zu sich und sprach : » Dies ist die Stätte , wo wir den Zauberkreis machen werden . Nun schau ! Siehest du den weißen Stein ? Das ist die Pforte ! « Er deutete auf ein Stück Flins , das verwachsen mit der schwärzlichen Granitwand , allerdings einer Pforte aus weißem Marmel ähnlich war . Ich starrte hin und sah im Geiste allbereits diese Pforte aufspringen , sahe den wüsten Felsen sich verwandeln in das strahlende Schloß und innerlich funkeln von Gold und bunten Steinen . Der Oheim säuberte die Stätte von Gestrüpp . Auf sein Geheiß sammelte ich derweilen den Vorrat dürren Holzes für das künftige Feuer des Zauberkreises . Nicht ohne Grauen betrachtete ich das weiße Gestein und überlegte , wie es nur geschehen könne , daß dieser harte Felsen von einer bloßen Zaubersuppen eröffnet werde . » Aber Oheim « , sagte ich , » ist dir denn auch bekannt , woraus man die Zaubersuppe bereitet ? « Unsicher schaute mich der Oheim an und hüstelte dumpf . Dann loderte sein Aug , als er entgegnete : » O , das werde ich schon herausbringen ! Ohne Sorge Johannes ! Ich weiß einen Mann hochgelahrt in geheimen Wissenschaften . Ist ein echter Italiener , Herr Doktor Giacomini mit Namen . Wohnet seit Wochen hier zu Schreiberhau in Preislers Glashütte . Hat den Vorwand , er wolle die Kunst der Glasmacherei studieren . Was er aber will , weiß ich besser . Nach Golde schnüffelt er im Gebirg umher . Hat beim roten Flosse etliche Körnlein Markasit ausgewaschen . « » Und du meinest , der Italiener verstehe sich auf die Zaubersuppe ? Wird er denn sein Geheimnis nicht für sich behalten wollen ? « » Närrchen ! « sagte der Oheim . » Ich werde ihm halt proponieren , er solle mir sein Geheimnis enthüllen und dafür das meinige nehmen . Gemeinsam mit ihm werden wir dann den Schatz heben und teilen . « Schweigsam traten wir den Heimweg an . Oft war mir , als webe in den Tiefen des Waldes ein Spuk . Zwischen den mächtigen Tannen stund der Rübenzagel , ein riesenhafter Köhler , dann plötzlich verwandelt in einen knorrigen Baumstumpf mit langem Moosbarte . Wenn ich so in den Wald starrte , ward Wächter unruhig und hub an zu knurren , was dann wiederum mein Zagen steigerte . Zwischen den Steinen und Baumwurzeln wisperte es manchmal , und die Unterirdischen kicherten : » Hihi ! König Salomo ! « Das schlimme Jahr sechzehnhundert achtzehn ging zu Ende , und es war im Novembermond , als ich abermals nach Schreiberhau zum Oheim gereiset war . Bei dem milden Wetter saß ich auf einem Kirschenbaum zwischen kahlen Zweigen , dran rostrot noch etliche Blättlein hingen , und pflückte mir verschrumpfete Kirschen . Da kam auf Oheims Haus zugeschritten ein kleiner , hagerer Mann in schwarzem Mantel , tief in das gelbe verkniffene Gesicht einen breiten Filz gestülpet , unter dem die schwarzen Äuglein wie aus einem Hinterhalte herfürstachen . Unter meinem Baume blieb er stehen und blinzelte nach mir , die Oberlippe mit den dünnen schwarzen Härlein schief in die Höhe gezogen . » Eh ! Der Famulusse ? « – sprach er hastig mit harter Stimme » Ist Er nit Famulusse von Signore Kräutertobiasse ? « Ich verstund die Frage nicht , sprang vom Baume und sagte : » Kommet nur ins Stübel , ich rufe den Oheim . « Führte also den Herrn in die Balkenstube und holte den Oheim aus dem Laboratorio . » Das ist der Giacomini , « raunte der Oheim erwartungsvoll ; » komm mit herein , Johannes ! « Ich ging also mit in die Balkenstube . Mit einer grinsenden Freundlichkeit grüßte Giacomini den Oheim , erkundigte sich dann nach mir und hub unter verlegenem Räuspern an : » Was ik wollte fragen , caro mio – wo iste weiße Stein bei Schreiberhau ? weiß unde glatte wie Marmo ? « » Ihr meinet wohl den Flins ? « gab der Oheim zur Antwort . » Etliche Blöcke davon liegen am Böheimischen Furt . « Der Italiener nahm aus seines Rockes Tasche ein Stück Flins und fragte : » Diese Stein ? Ah bene ! Aber diese Stein soll sein auf Gebirge eingefuget in swarze Granite als eine Porta von Marmo . Wo iste die Orte ? Sag Er mir , caro mio ! « » Dergleichen Orte hat es viele im Gebirg « , antwortete der Oheim ausweichend . » Viele Orte ? « sagte Giacomini lauernd ; » no no , Signore , ik will nit viele Orte , will diese eine Orte – gelegen auf Bergesrucken , wie swarze Burge mit weiße Porta . « Da nickte der Oheim mit spöttischem Lächeln und blickte scharf den Italiener an : » Freilich kenne ich diesen Ort – weise ihn aber Euch mitnichten – denn allda ist verborgen ein Schatz – ja ein Schatz ! « Wie vor einer Natter prallte der Italiener zurück und starrte den Oheim an . Dann verzog er sein Gesicht zu einem Grinsen und suchte zu beschwichtigen : » Eine Schatze ? Ah Possen ! Keine Rede von Schatze ! Possen ! Weiße Stein iste gut für Glasse . Sage mir , Signore , wo iste weiße Stein ? Sage mir Orte , ik bitte . « » Der Herr Doktor täuschet mich nicht . So Er den weißen Stein nur zur Glasbereitung brauchet , ei warum lässet Er sich alsdann nicht genügen an den Flinsblöcken , so in Menge bei Schreiberhau liegen ? Aber der Herr hat selber bekennet , daß Er nur nach der einen Stelle trachtet , wo der weiße Stein gleichwie eine Pforte eingefüget ist in schwarzen Granitfelsen . Die Stelle ist mir wohlbekannt , und dorten lieget ein Schatz – ja ein Schatz ! Den soll aber nicht der Herr heben , sondern ein anderer – ja ein anderer ! So ist und bleibt mein Wille , und darum verrate ich den Ort mitnichten . « Zornig funkelten des Italieners Augen , dann griff er mit zitternder Hand in seine Tasche und warf einen Beutel mit klirrender Münze auf den Tisch : » Prenda denaro ! Hier nimm Gelde ! Weiset mir die Orte ! « » Ich brauche Euer Geld nicht ! « entgegnete der Oheim kalt , » dieweil ich den Goldschatz selber heben werde . « » Ihr ? Ihr ? « kreischte der Italiener und focht mit den Händen vor Oheims Angesichte . » Schatze hebene ? Nix hebene ! « » Mein Famulus hier wird ihn heben , « antwortete der Oheim ; » diesem Knaben ist von einer Prophetin geweissaget , daß er solle einen großen Schatz heben und wie König Salomo werden . Zudem ist er ein Johanniskind . « Mich funkelte nun Giacomini mit seinen schwarzen Augen an und meinte verächtlich : » Ah bah ! Wie soll dumme Ragazzo bringen Schatze in seine Hand ? Was weiß er von Magia ? Eine Propheta weissagete ? Soll er werdene Salomo ? Ah bah , Possen , nix ! Nimm Gelde unde weise den Orte ! prenda denaro , prenda , caro mio ! « Und er suchte dem Oheim seinen Geldbeutel in die Hand zu drücken . Da aber der Oheim im Verschmähen standhaft blieb , lief der Italiener wie ein gefangener Fuchs in der Stube umher , irren Auges und keuchenden Odems . Manchmal blieb er stehen , die Hände ringend , und über sein Angesicht ging ein Zucken . Endlich sank er wie gebrochen in den Lehnstuhl , stöhnete und sprach mit matter Stimme : » So swöre Er , swöre auf sein Evangelio , daß Er wolle weisen mir den Orte , wo Schatze liegen und helfene mir mit Famulusse . Avanti ! Bilden wir eine Societa , zu hebene Schatze , unde ik gebene Euch Beutel mit Golde . « » Einen Beutel mit Golde ? Nein ! Halbpart will ich ! « sagte der Oheim fest . Gehässigen Blickes antwortete der Italiener kleinlaut : » Also gute ! « Hierauf ließ er sich Papier , Feder und Tinte reichen und schrieb den Contractum auf . Alle drei unterzeichneten wir und beschwuren ihn über der aufgeschlagenen Bibel . Den Abend wollte der Oheim mit Giacomini allein sein , und da sagte die alte Beate munter zu mir : » Kumm ock ; wir wollen zu Maiwalds spilla gihn . « Maiwalds wohnten im Nachbarhause , hatten drei mannbare Töchter und sammelten gern Gäste zum Spinnabend . Als wir in die Balkenstube traten , wo der qualmende Kienspan leuchtete , entschuldigte uns Beate mit dem Scherzworte : » Wir mechten amol sahn , ob's Weibsvulk keene Schürzaschüttler brauchet . « » Ju , ju ! « rief der Chorus der Jungfern und Burschen fröhlich . » Kumm har , Beate , kumm ock , Johannes ! « Nun setzeten wir uns auf eine Bank , und ich bekam ein Messer , Kienspäne zu schnitzeln . Munter schnurrten die Spulen , und noch eifriger gingen die Mäuler . Männiglich plauderte oder sang , kauete Schnitzäpfel und getrocknete Rüben , sprach auch dem Bierkruge zu . Die Junggesellen trieben mit den Madeln allerlei Kurzweil . Maiwalds Kathrine ward verurteilt , das Kreuz anzubeten . Dies Kreuz aber war Hollmanns Gottlieb , so kerzengrad inmitten der Stube stund , die Arme ausgebreitet . Vor ihm kniete Kathrine nieder und sprach : » Heilig Kreuz , ich bet dich an , Du brauchest eine Frau , ich einen Mann . Bist du gesonnen als wie ich , So kumm herab und küsse mich . « Nun umfing der Gesell kosend das Madel , und die Leute lachten dazu . Plötzlich ward die Stubentür aufgerissen und ein Topf hereingeschleudert , der zerschellend allerlei eingefüllt Gerümpel über den Boden verstreute . Dazu rief eine Madelstimme : » Do breng ich euch an Aschentopp , Seid gebeta , on wascht mern Kopp . « Das gab ein Lärmen , und hurtig sprangen die jungen Gesellen auf , das flüchtende Madel mit Wasser zu begießen . Wie nach solcher Kurzweil die Räder wieder schnurreten , erzählte Maiwalds Pauline von einem seltsamen Knaben ; der sei vorzeiten in die Schreiberhauer Spinnstube gekommen , schön von Angesicht , aber mit richtigen Pferdehufen statt der Füße . » Ju ju , « hieß es ; » der stammet aus dem Breiten Berge , dorten hauset das Volk der Pferdehufer . Es hat aber auch ein seltsam Weibesvulk , das watschelt auf Gansfüßen ... « » Hu ! « schrie ein Weibsbild auf , weil draußen vor dem Fenster ein Totenkopf mit glühenden Augenhöhlen erschien . Bald erkannte man aber , daß es nur ein hohler Kürbis , von einem innern Lichtlein erhellet . Nun kam das Gespräch auf den Berggeist . Ein Bursche berichtete , wie er sich am Hohen Rad als ein Laborant gezeigt habe und plötzlich als ein Truthahn hinweggeflogen sei . Die alte Beate , aus einer Baude beim Mittagstein gebürtig , wollte den Rübenzagel am Großen Teiche gesehen haben . Ein Mönch habe auf einem Felsen gekauert und sich alsdann aufgelöset in quirlenden Nebel . Ja , droben hausete der Herr des Gebirges ! Hatte ja auch vorzeiten die drei hausgroßen Steine , neben den Teichen gelegen , hineinwerfen wollen , mit dem überlaufenden Wasser die Welt zu ersäufen . Während also gefabelt ward , erhub sich draußen ein Brausen und Heulen , und man murmelte : » Der Nachtjäger kummet ! Ju ju , er jagt die Moosweibel , und die Bäume läuten aus ! « Ganz angefüllt mit wunderbaren Mären machte ich mich zu später Stunde mit der alten Beate auf den Heimweg . » Bleibet noch dahie ! « hatten Maiwalds gesagt . » Gleich ist Mitternacht , wir schmelzen Blei . « Doch Beate hatte nicht gemocht . Mit flackernder Laterne suchten wir unsern Pfad , gegen den Wind ankämpfend . In Oheims Laboratorio war noch Licht . Da es eben Mitternacht läutete , blieben wir stehen , und Beate sagte : » Lege dich auf die Erde , Johannes , lausche , was die Unterirdischen erzählen . « Ich legte mich und drückte das Ohr an den Grund , hörte aber nur den Wind brausen und die Glocke läuten . Indessen deuchte mich , als könne ich in dunkle Tiefen sehen . Dorten glomm es bläulich , und ich erkannte den unterirdischen Goldbaum , wie er seine Metalläste durch die Lande reckt . Einer der Äste schlich unter dem Laboratorio dahin , ein anderer wuchs machtvoll durch das Isergebirge zur Abendburg und trug eine Frucht , gestaltet als eine Krone . Am Morgen tat der Oheim mit dem Italiener einen Gang auf das Gebirge . Heimgekehrt rief er mich in die Balkenstube und sprach in freudiger Erregung : » Jetzo haben wir das Mittel , den Schatz zu heben . Giacomini weiß , wie die Zaubersuppe bereitet wird . Pferdeblut muß man mit alraunischem Lauche kochen . Wo der wächst , ist mir wohlbekannt – auf der Iserwiese . In den Kessel gehören alsdann eines Maulwurfes Pfoten . Endlich muß ein unschuldig Mägdelein oder ein reiner Junggesell etliche Tropfen seines Blutes aus freien Stücken hineintun . Der Junggesell bist du , Johannes – nicht wahr , du gibst ein wenig Blut her ? Ist ja nur eine Hautschramme vonnöten .