Agave Aus farbloser Hülle , Agave , bist du In Schönheit erstanden , seltsame du , Wie Blumen im Märchen durch Zauber erweckt . Auf zierlichem Schaft , ihn bekränzend , ragst du , Geworden noch kaum , vollendet doch schon . Für einen berauschenden Frühling gibst du Die Kraft eines Lebens , Agave , dahin Und stirbst im Erblühen – ein Wunder bist du . 1 Zu Beginn des Goldenen Zeitalters Italiens lebte im Städtchen Ariccia , unweit von Rom , der Töpfer Pietro Venesco . Er war ein kleiner , unscheinbarer Mann , der sein mürrisches Wesen nicht einmal seinen besten Kunden gegenüber ablegte . Das brachte aber seinem Geschäfte keinen Schaden . Die Ware , die er führte , war eben von ganz vorzüglicher Art , und daß dem Padrone nicht gerade Frohsinn aus den Augen blickte , nahm ihm niemand übel ; es gab dafür schwerwiegende Gründe . Dieser Venesco hatte eine schöne Frau und einen herrlich schönen Sohn . Wer den Jüngling Antonio daherkommen sah in seiner Pracht über die Piazza oder durch die Gassen des Städtchens , so hochgewachsen , so stark und so schlank , der dachte : Du Gottgeliebter ! und folgte dem Beispiel des Höchsten und liebte ihn auch . Die Frauen und Mädchen ließen es an Zeichen ihrer freundlichen Gesinnung nicht fehlen ; Antonio hätte seinen Lebensweg mit zertretenen Weiberherzen pflastern können , machte indessen von seinen Zauberkräften keinen Gebrauch . Nicht etwa , daß er dem jungen Weibervolke aus dem Wege gegangen wäre ; er sprach und scherzte und tanzte mit den Schönheiten , an denen Ariccia großen Reichtum besaß , erwies aber keiner von ihnen die geringste Bevorzugung . Wenn die Unterhaltung oder der Tanz aus war , wandte er sich von seinen Partnerinnen so gleichgültig ab wie der Marionettenspieler von seinen Püppchen nach dem Ende der Vorstellung . Sehr oft sah man ihn in die Betrachtung einer hübschen Mädchengruppe am Brunnen oder vor der Kirche , der Osteria versunken . Doch war es kein anderes Betrachten als das eines Bildes an der Wand , und die Gegenstände dieser Aufmerksamkeit fühlten sich durch sie eher beleidigt als geschmeichelt . Er täte besser , meinten sie , einen gar nicht anzusehen als mit so schweigsamen Augen . Sie fingen an ihn geringzuschätzen , zu verspotten und ihm nachzusagen , er sei überhaupt kein Mensch , sondern ein Gebilde aus Ton und könne sich nur für das erwärmen , woraus er selbst gemacht sei . Man betrachte ihn doch , wenn er vor seinem Hause sitzt , ein dummes Stück Lehm in seinen Händen , mit dem er spielt , das er knetet und streichelt . Da fährt ihm die Zärtlichkeit aus allen Fingerspitzen , da flammen ihm die Wangen , da sprüht's ihm aus den Augen . Die kleine Cencetta , die Tochter des Winzers Vinutelli , dessen Gehöft an den Garten des Töpferhauses stieß , wollte den verrückten Menschen belauscht haben , als er einen eben fertiggewordenen Krug , der den Kopf eines alten Mannes mit einem Ziegenbart und spitzen Ohren vorstellte , hoch emporhielt und lachend und entzückt zu ihm redete . Übrigens durfte Antonio sich nie lange an dem Anblick einer seiner Arbeiten erfreuen . Kaum beendet , war sie auch schon verkauft , und es wurden so viele Nachahmungen verlangt , daß die Werkstätte Pietros bald nicht mehr ausreichte , um allen Aufträgen zu genügen . Sie mußte vergrößert , ein paar Gesellen mußten aufgenommen werden . Die Nachfrage steigerte sich noch , als Antonio begann , die Waren zu bemalen , mit Arabesken , Blumen , einzelnen Figürchen , mit Darstellungen von allerlei komischen oder ernsten Vorgängen im Leben der Leute von Ariccia . Dem Padrone wuchs die Arbeit über den Kopf . Ihm wäre es recht gewesen , wenn sein Kundenkreis sich verkleinert hätte , und er meinte das Mittel dazu gefunden zu haben , indem er seine Preise erhöhte . Die Käufer schimpften , feilschten – bezahlten . Das Geschäft gedieh , förmlich gegen den Willen seines Besitzers , immer glänzender . Äußerlich stand alles zum besten , im Inneren herrschten Unzufriedenheit und Hader . Der Sohn verlangte hinaus in die Welt , wollte das Handwerk an den Nagel hängen und ein Bildhauer werden oder ein Maler . Der Vater sprach ihm das Talent zum einen und zum andern ab . Es gab Zeiten , in denen sie kein Wort wechselten , dann wieder hörte man Venesco , aufs höchste gereizt durch den kalten Trotz Antonios , bis tief in die Nacht hinein wüten und toben , hörte das Klirren von zerschelltem Geschirr . Am nächsten Morgen lasen die Gesellen die Scherben kostbarer Schüsseln und Schalen vom Boden auf , und Cecilia , die Töpfersfrau , kam noch blasser als gewöhnlich und mit rotgeweinten Augen zur Frühmesse in die Kirche . Sie zu fragen , was es wieder gegeben habe , wagte nur noch selten jemand . Cecilia wehrte jeden Versuch , sie auszuforschen , so entschieden ab , daß die Neugierigsten sich beschämt zurückzogen , fest entschlossen , dem unnahbaren Weibe nie mehr ein Zeichen der Teilnahme zu geben . Bei jeder solchen Gelegenheit stieg die Abneigung höher , die ohnehin gegen sie herrschte , weil sie glücklicher war , als sie zu sein verdiente , und dabei der Hochmut selbst . Ihr Mann trug sie auf Händen , er hatte für sie nie ein hartes Wort , kaufte ihr die kostbarsten Kleider , den schönsten Schmuck . Einen so guten und großmütigen Eheherrn wie ihn fand man in Ariccia und wohl in der ganzen Welt nicht wieder . Seelenstark und treu erfüllte er das Gelübde , das er in der furchtbaren Stunde getan hatte , in der Cecilia , von ihrem Verführer verlassen , vor den betrogenen Mann getreten war und ihr Schuldbekenntnis abgelegt hatte : So steht 's um mich , tue , was dir zukommt . Da hatte er ein Messer vom Tisch genommen und es ihr in die Brust gestoßen . Aber beim Anblick der scheinbar tödlich Getroffenen war sein Zorn erloschen und die alte Liebe allüberwindend wieder erwacht . Und er hatte zum Himmel gerufen : Tu ein Wunder , lasse sie mir , und ich will sie halten wie mein treues Weib , und das Kind in ihrem Schoße soll mein Kind heißen . An einem schönen Frühlingsabend saß das Ehepaar Vinutelli in Gesellschaft des Baders Luigi Fenderigo und einiger anderer Bekannten beim Weine im Garten des Winzers . Fenderigo war eben aus Rom zurückgekehrt und von den Eindrücken , die er dort empfangen hatte , ganz berauscht . Als der Stuhl Petri wieder in der Ewigen Stadt aufgerichtet worden , als mit dem Riesengefolge des katholischen Oberhirten Glanz , Reichtum , Pracht eingezogen waren , hatten sie einen schreienden Kontrast zu dem Trümmerfelde gebildet , auf dem sie sich entfalteten . Nun residierte Oddo Colonna , der erste seit vierzigjähriger Kirchenspaltung einmütig gewählte Papst , als Martin V. im Palaste seines edlen Geschlechtes bei den Santi Apostoli . Kühne und glückliche Condottieri eroberten der Kirche ihren Staat zurück , den Frieden sicherten kluge Verträge . Eine große Bautätigkeit war rege , der verfallene Vatikan , die zerstörten , geplünderten Gotteshäuser erstanden verjüngt wieder . Gelehrte und Künstler wurden an die Höfe des Papstes und der Kardinäle berufen . Neues Leben pulsierte im alten Rom . Eine neue Kunst war seine schönste Blüte . Fenderigo bewunderte und pries sie voll Entzücken . Nirgends aber , meinte er , entfalte sie sich so wundersam wie in San Clemente , in der vom Kardinal Branda di Castiglione gestifteten Katharinenkapelle . Eben begann der Redselige , was er gesehen hatte , feurig zu schildern , als Pietro Venesco vorüberkam und die freundlichen Grüße , die ihm zugerufen wurden , in seiner trockenen , kurz angebundenen Art erwiderte . » Der Unglückliche « , sagte Julia Vinutelli , lehnte sich mit ihrer ganzen Wucht in ihren Sessel zurück und kreuzte die Arme und zur Erhöhung der Behaglichkeit auch die Beine . » Am vorigen Sonntag in der Kirche habe ich ihn beobachtet . Da stand er wie eine Säule der Verkündigung gegenüber und erhob kein einziges Mal den Blick . Nun ja – um den Engel nicht sehen zu müssen , dem sein Antonio von Tag zu Tag ähnlicher wird . « Sie hatte das » sein « spöttisch betont , und man lachte ; nur Fenderigo ereiferte sich : » Einbildungen ! . . . Der Engel hat Ringellocken wie aus Draht und ein leeres Gesicht und Gliedmaßen so dünn und steif wie der Lilienstengel , den er in der Hand hält . Der Toskaner – ich habe ihn ja auch gekannt – war glutäugig und seidenweich gelockt – und gebaut ! – und eine Gestalt ! Der heilige Georg Drachentöter hätte sich ihrer nicht zu schämen gebraucht . « » Der ganze Antonio « , schaltete Julia ein , indes der Bader lebhaft fortfuhr : » Kann ja sein , daß der schöne Pfuscher beabsichtigt hat , uns außer dem lebendigen noch ein anderes Abbild seiner selbst zu hinterlassen , gelungen ist es ihm nicht . « » Wieso nicht gelungen ? « rief eine weißhaarige Frau , die ein klassisches Gesicht hatte und eine große , zerzauste Frisur . » Aufgeschrien haben wir , wie das Bild enthüllt worden ist : Gott verzeih ihm die Sünde , das schwere Ärgernis – da hat er sich selbst als Verkündigungsengel und seine Geliebte , die Cecilia Venesco , als künftige Heilandsmutter gemalt . « » Gemalt ! Gemalt ! « entgegnete Fenderigo , » ich kann das Wort , auf solches Machwerk angewendet , nicht aussprechen hören . Geht nach San Clemente und holt Euch dort einen Begriff davon , was malen heißt . Masolino da Panicale gibt ihn Euch und sein junger Schüler Tommaso Guidi , den sie Masaccio nennen . « » Kann ihn freuen , das Schwänzlein an seinem Namen ! Paßt es auch ? Ist er schmutzig und ekelhaft ? « fragte die Weißhaarige . » Besonders gepflegt freilich nicht « , erwiderte der Bader und führte unwillkürlich die Hände über seine Wangen . » Hättet Euch seiner erbarmen und ihm den Bart scheren sollen « , sagte Vinutelli . » Es wächst ihm keiner . Gerade nur ein bißchen am Kinn . « » Am Kinn – wie einer Ziege ? « » Nein , nein , ganz kurz , und auf der Oberlippe ein Bärtlein wie ein Schatten . Aber sein Gesicht ist männlich und ernst und hat viele Ecken und Hügel . « » Ecken und Hügel ? « » Über den Augenbrauen zwei große und auch oben auf der Stirn , und alles voll Genie ... Und wenn er malt , da hätten die Engel des Gerichtes gut blasen , er würde sie nicht hören . Bei der Arbeit stört ihn nichts und nichts ! Und wenn ihn noch so viele umdrängen , Lernbegierige oder bloßes Gaffervolk ... « » Zu welcher Sorte gehörtet Ihr ? « fragte Julia , und wieder lachten alle . » Es gibt auch Leute , die man Kunstfreunde nennt « , erwiderte der Bader , » und es gibt , Gott sei Lob und Dank , noch jugendliche Begeisterung . « » Bei Euch doch nicht ? « » Warum nicht ? – Zum Beispiel die meine für Euch , Schönste , will nicht altern « , sagte Fenderigo galant . » Übrigens dachte ich jetzt nicht an mich , sondern ... « Er machte eine Pause , blickte sich mit seinen klugen Augen im Kreise um und sprach : » Hat keiner von euch bemerkt , daß wir den Antonio am Sonntag nicht mehr zu sehen bekommen ? « Julia besann sich , daß ihre Tochter Cencetta es allerdings bemerkt habe und daß die Kleine sich einbilde , der Tonklumpen müsse am Ende doch Feuer gefangen und irgendwo in der Nähe ein Liebchen haben , bei dem er seine Sonntagsfeier halte . » Ist richtig – bis auf die Nähe « , versetzte Fenderigo . » Er hat eine Geliebte , aber sie wohnt in Rom , und zwei Nächte muß er mit Hin- und Hergehen verbringen , um ein paar süße Stunden hindurch ihren Anblick genießen zu können . « » Ihren Anblick ? – Ach geht – nur ihren Anblick ? – Sähe ihm fast ähnlich ! « riefen die Männer und die Frauen durcheinander , und es hagelte zweideutige Reden und derbe Witze . Eine Weile verging , bevor der Bader sich wieder verständlich machen konnte . » Anblick sage ich ! Anblick meine ich ! Und mehr vermöchte auch der Kühnste nicht von ihr zu erlangen , denn die Angebetete ist die heilige Katharina selbst und von Masaccio an die Wand der ihr geweihten Kapelle gemalt . « Eine gemalte Geliebte ! – Die Enttäuschung war groß . » Lauter Unsinn ! « sagte Julia . » Ihr könnt den Unsinn doch selbst nicht glauben . « » Was man mit seinen Augen gesehen hat , braucht man nicht zu glauben , man weiß es . Ich habe die Verzückung gesehen , in die der Jüngling vor diesen Bildern versinkt . So merkwürdig ist sie , so schön , daß es sogar dem Maler , dem nichts auffällt , auffiel und daß er neulich , nachdem Antonio sich losgerissen und die Kapelle verlassen hatte , gefragt hat , wer der Jüngling sei , der so bescheiden und inbrünstig zur Heiligen bete . Niemand wußte es « , fuhr Fenderigo , immer mehr in Eifer geratend , fort . Da trat ich auf ihn zu , verneigte mich wie vor einem Kardinal im Purpur und sprach : › Ich kenne ihn , er ist der und der . ‹ Und – jetzt staunt ! bei meinen Worten fliegt eine sehr liebliche Freundlichkeit über seine Züge . › Der Töpfer aus Ariccia ‹ , sagt er , › der die hübschen Vasen und Schüsseln formt und bemalt ? ‹ Denkt euch das ! Weiß der Masaccio von ihm und – schmeichle ich mir – will gern noch weiteres von ihm erfahren . So gibt ein Wort das andere , und ich erzähle ... « » Das kann man sich vorstellen « , rief das dicke Ehepaar wie aus einem Munde , » was Ihr erzählt haben werdet . « » Was Gott verboten hat , werdet Ihr erzählt haben « , fiel ein bärtiger Geselle ein , der , einen Fiasco Rotwein zärtlich im Arme haltend , hinter Vinutelli stand . Fenderigo sprang auf und fuchtelte ihm mit ausgestrecktem Zeigefinger vor der Nase hin und her : » Nichts Verbotenes , nur Gutes ! Daß der Antonio ein Künstler werden möchte und wohl auch könnte und nur nicht darf , weil der Alte es nicht will . Meint vielleicht : Stammt von einem Pfuscher , wird nur ein Pfuscher ... › Das ist nicht ausgemacht ‹ , sagte der Meister und erkundigte sich mit vielen Warum und Wieso derart eindringlich und genau nach all und allem , daß es mich nicht wundernähme , wenn er heut oder morgen an die Tür des Töpfers klopfen und fragen würde : Was ist's , Padrone ? Wollt Ihr Vernunft annehmen und mir den Antonio anvertrauen , damit ich einen großen Maler aus ihm mache ? « » Lauter Unsinn . Das wird ihm einfallen « , sprach Julia . » Kann man nicht wissen , kann alles sein und alles werden « , entgegnete der Bader . » Kann sogar sein – wenn es auch unbegreiflich scheint – , daß Antonio dereinst seinen Meister überflügelt , wie dieser den seinen jetzt schon überflügelt hat – den Masolino da Panicale . « » Wie heißt er ? « fragte die Weißhaarige herausfordernd . Fenderigo wiederholte den Namen , ohne zu bemerken , daß sie fieberig war vor Ungeduld . » Einige behaupten – es braucht freilich deshalb nicht wahr zu sein – , daß er seine Arbeiten in San Clemente nur deshalb plötzlich abgebrochen hat , weil er sah , daß sie den Vergleich mit denen seines Schülers nicht bestanden . Es braucht nicht wahr zu sein – ich wiederhol's ! Mir aber würde es einleuchten . Was meint Ihr dazu , weiser Vinutelli ? « » Nichts . Ich meine immer ... in derlei Dingen meine ich am liebsten nichts . « » Jetzt malt der in Florenz , der Meister Masolino , in der Kapelle der Brancacci bei den Karmelitern . An den Gewölben malt er , und Masaccio soll ihm nachfolgen , sobald er seine Bilder in Rom vollendet hat . « » In Gottesnamen soll er ! « fuhr ihn die Weißhaarige an . » Ich kenne den Masolino nicht und nicht Euren schmierigen Masaccio , und Eure Malergeschichten wachsen mir zum Halse heraus . « » Sancta Sim-pli-ci-tas ! « – Der Beredsame war so verwundert , daß er ins Stottern geriet . » So sprecht Ihr , weil Ihr die Werke dieser Wundermänner nicht gesehen habt , weil Ihr keinen Begriff habt von der neuen Kunst . Ihr werdet anders sprechen , wenn Ihr einmal in Rom wart , wenn Ihr die heilige Katharina gesehen habt , wie sie dasteht , kaum dem Kindesalter entwachsen , im Götzentempel . Eine Heidenschar zieht ein unter Tubenschall , das Idol anzubeten . Die Jungfrau aber , von himmlischer Eingebung und von himmlischem Mute beseelt , hebt den Arm so ! « Er reckte den seinen empor mit der Grazie eines Elefantenrüssels . » Triff mich , wenn du kannst ! spricht sie zu dem Idol ; schleudere deine Blitze auf mich herab , die dich verleugnet und verabscheut ... – Und noch tausendmal schöner ist sie im Kaiserpalaste , überirdisch und doch irdisch , wie vom Himmel niedergestiegen und doch unter uns wandelnd in Fleisch und Blut . Tief im Hintergrund des Saales thront Maxentius . Zu seiner Rechten eine Reihe Philosophen , zu seiner Linken eine Reihe Philosophen . In der Mitte steht die Heilige und widerlegt ihnen ihre heidnische Weisheit vom A bis zum Z . Die Philosophen schämen sich in ihre gelehrte Haut hinein , und man sieht sie denken : Du hast uns überwunden , du mußt sterben . So deutlich sprechen ihre Mienen , ihre Gesichter , ihre Hände , und alles ist natürlich . Und wenn Masaccio mit seiner Kunst einen Tempel malt , eine Gasse , eine Landschaft , meint man , man könnte eintreten in den Tempel , man könnte spazieren in der Gasse , in der Landschaft . Es ist genau wie in der wirklichen Welt . « Und lauter Unsinn « , sagte Julia . » Ein Bild hat ein Bild zu sein , und es soll niemand in ihm spazierengehen wollen ; und die Heiligen sollen nicht so gemalt werden , daß junge Männer , die einen Hausstand gründen könnten , sich in eine farbige Figur verlieben statt in ein lebendiges junges Mädchen . Wohin kämen wir ? Lauter Unsinn , Eure neue Kunst . « Der Himmel blaute , und die Sonne schien . Aber rauh kam die Tramontana über das Apenninische Gebirge herübergestrichen , schüttelte die Blüten von den Apfelbäumen und fegte sie zu einem dichten Teppich vor dem Hause des Töpfers von Ariccia zusammen . Ein Fremder , der den Weg dahin erfragt hatte , bückte sich , nahm so viele von ihnen , als er fassen konnte , vom Boden auf , betrachtete sie lange mit liebreicher Aufmerksamkeit , preßte sein Gesicht in die mit Blütenschnee gefüllten Hände und sog den lieblich feuchten Duft tief atmend ein . Dann schritt er vorwärts und zum Fenster der Werkstätte . Einige Tonwaren befanden sich dort , unter ihnen ein auffallend schön geformter Krug . Ein naiv und keck gemaltes Bildchen schmückte ihn : der angetrunkene Silen , der den kleinen Bacchus seinen Pflegerinnen , den Nymphen , entführt . Sie trugen alle , wie die Jungfrauen in Ariccia , Schleier und Halskrausen , Schnüre von Achatsteinen hingen ihnen über die Brust herab , ihre weißen Schürzen waren mit bunten Stickereien , ihre weißen Schuhe mit roten Absätzen geschmückt . Wie sie in dem gegebenen Raume Platz fanden , blieb dem Beschauer ein Rätsel , bis die papierne Dünnheit ihrer Leiber es ihm löste . Aber höchst lebendig waren ihre Gebärden und die Mienen des Schreckens , mit denen sie den Räuber verfolgten . Er raste dahin über Stock und Stein , sehr in Gefahr , eines seiner Beine zu verlieren , das er in der Hast unvernünftig weit von sich geschleudert hatte . Überraschend gelungen war dem Künstler der kleine Olympier . Er saß auf der Schulter Silens , griff ihm mit einer Hand in seine wirren Haare , hob die andere in die Luft und jauchzte ; lustig strampelten seine Beinchen gegen die Brust des Alten . Während der Fremde das Bild ansah , wurde er selbst beobachtet . Von seinem Platz am Fenster aus hatte Venesco ihn erblickt und fragte sich , wer das sei und was der wollen möge , der regungslos im Sturme stehenblieb und einen Krug anlächelte . Ein Händler schien es nicht und auch kein Käufer , am wenigsten ein besonders wünschenswerter . Sein Anzug war ärmlich . Das Barett aus schwarzem Sammet , der braune Mantel aus grobem Mönchstuch zeigten Spuren langer Dienstbarkeit . In dem Äußeren des Mannes lag nichts Gewinnendes . Er war von mittlerer Größe und zart gegliedert . Seine dunklen Haare flossen , hinters Ohr gestrichen , auf den Nacken herab . Die Hagerkeit des Gesichts , der scharfe Schnitt der kurzen , geraden Nase ließen ihn auf den ersten Blick älter erscheinen als er , dem Schmelz der Haut , dem jugendlichen Glanz der tiefblauen Augen nach zu schließen , wohl war . Ihn für einen von den vielen , durch die Wechselfälle der unruhvollen Zeit herabgekommenen Signoris zu halten konnte niemandem einfallen . Zu den geringen Leuten gehörte aber dieser Mensch , der so unscheinbar und ohne Geleite durchs Land zog , gewiß nicht . Als Venesco auf die Schwelle seines Hauses trat und schroffen Tones fragte : » Was steht Euch zu Diensten ? « traf ihn ein Blick aus den Augen des Fremden , der ihn überraschte – und ihn gewann . Ein merkwürdig leuchtender , in die Tiefe schauender Blick . » Schenkt mir Gehör , Meister Venesco . Ihr seid es doch ? « Pietro nickte und forderte ihn auf , ihm zu folgen . Sie stiegen über ein paar Stufen in einen Vorraum , der zu der Werkstätte führte , einem länglichen , dämmerigen Gelaß mit niedriger , aus Balken gefügter Decke . Auf breiten Borden an den Wänden lagerte der Vorrat an Geschirr . Drehscheiben , schwere Tische , die den zubereiteten Lehm und allerlei Werkzeug trugen , eine Wasserkufe standen auf dem ziegelgepflasterten Boden umher . In der Tiefe der Werkstatt , dem breiten Fenster gegenüber , das auf die Straße ging , befand sich ein kleineres mit der Aussicht in ein Gärtchen . Helles Sonnenlicht drang von dort herein , bildete einen blendend goldigen , scharf abgegrenzten Streifen und ließ die ganze Umgebung grau erscheinen . Wie eine Glorie aber lag es auf dem Haupte des Jünglings , der im weißen Arbeitskittel , ein weißes Mützchen auf dem lockigen Scheitel , am Fenster saß . Er war eifrig mit dem Bemalen einer Schüssel beschäftigt und hob den Blick nicht beim Eintreten der beiden Männer . Um so mehr Interesse schenkte der Besucher ihm . Er stand und betrachtete das schöne Menschenbild , das ihm da wie in einen Lichtmantel gehüllt erschien , mit freudigem Wohlgefallen . » Euer Sohn Antonio « , sprach er . » Ihr kennt ihn ? « » Und er mich – fragt ihn nur . « Antonio hatte aufgehorcht . Nun sprang er empor . Die Schüssel entsank seinen Händen und lag in Stücken . Und er stürzte vor und dem Fremden zu Füßen . » Tommaso Guidi ! Tommaso Guidi ! « schrie er . » Ihr , Meister ! ... Ihr bei uns ! ... « » Du hast mich oft aufgesucht , wie ich höre , nun komme ich einmal zu dir ... zu euch – um seinetwillen « , verbesserte sich Masaccio , das Wort zugleich an Venesco und an seine Frau richtend , die aus dem anstoßenden Zimmer getreten war . Groß , fast überschlank , eine königliche Erscheinung in ihrer reichen Tracht . » Mutter , meine geliebte , süße ! « rief Antonio , » das ist Meister Tommaso Guidi – er selbst – er kommt zu uns ! « Sie verneigte sich mit einer eigentümlich schüchternen Hoheit , und Masaccio dachte an seine Madonna am Fuße des Kreuzes , und sie kam ihm unedel vor im Vergleiche zu dieser herrlichen Matrone . » Steh auf ! « herrschte Pietro den Sohn an , der schweigend gehorchte . » Um seinetwillen kommt Ihr , Herr Guidi ? Was soll er ? « » Mein Schüler werden , wenn Ihr es gestattet , mir folgen nach Florenz , wohin Masolino mich ruft . « Ein Jubellaut drang aus Antonios Brust : » Nach Florenz , dem gebenedeiten ! ... Mit Euch , Meister ... « » Beruhige dich « , unterbrach ihn Pietro finster . » Meint Ihr einen Maler aus ihm machen zu können ? « » Er ist es , halb und halb . « Pietro lachte höhnisch : » Halb und halb – und was er ist , wird er bleiben . « » Wie könnt Ihr das wissen ! Seine Malereien auf Euren Schüsseln und Schalen versprechen mehr , als Ihr ahnt . « » Gut , gut , er erfülle die Versprechungen – an anderen Schüsseln und Schalen . « Damit Euer Geschäft gedeihe « , fiel Antonio ein , fahl vor Grimm und Qual . » Ob ich darüber zugrunde gehe , danach fragt Ihr nicht ... Aber Ihr , Mutter « , er wandte sich an sie , » Ihr , die mich liebt – helft mir , ich bitte Euch , Mutter , helft ! « Ein glücklicher Einfall schien ihm plötzlich gekommen : » Ihr könnt es ! Hat er nicht neulich gesagt : › Nimm ihn ! Verfüge über ihn ! Ich überlasse ihn dir . ‹ So verfügt denn , Mutter – meine geliebte – « » Nicht so , nicht so « , unterbrach sie ihn mit sanftem , inbrünstigem Flehen und streckte die Hand abwehrend gegen ihn aus . » Dein Vater sprach die Worte im Zorn , sie sind nicht gesprochen . Berufe dich nicht auf sie , Antonio . « » Also nein ! « Er stieß heftig mit dem Fuß gegen den Boden , zerbiß die Lippen , und Tränen , heiß wie Feuerfunken , schossen ihm in die Augen . » Auch bei Euch kein Erbarmen . Ihr verlaßt mich wieder , wie Ihr mich verlassen habt , als Lucca della Robbia um mich schickte . Also nein ! Aber wißt – es ist aus ! Hier zurückhalten lasse ich mich nicht mehr , sperrt mich ein , bindet mich , ich entkomme Euch doch . Darf ich nicht mit Euch gehen , Meister Guidi , so folge ich Euch nach , und Euch will ich gehorsam und untertänig sein . Den Weg zu meinem Meister finde ich , das schwöre ich Euch , Mutter , und – Euch ! « mit unaussprechlichem Haß schleuderte er das letzte Wort dem Padrone zu , der verächtlich an ihm vorübergeblickt hatte und nun zusammenzuckte . Seine Frau trat an seine Seite und berührte leise und beschwichtigend seine Schulter . » Laß ihn ziehen , Pietro « , sagte sie , » laß ihn in gutem ziehen . « Er sah sie an . » Du willst es ? Du willst dich von dem Lichte deiner Augen trennen ? « fragte er mit grausamem Spott . » Es ist Zeit . Ich bin , wenn er bei uns bleibt , weiter von ihm getrennt als durch Berge und Seen . « Eine Weile noch kämpfte er , den Blick starr zur Erde gesenkt , die krampfhaft geballten Fäuste zusammengepreßt . Dann raffte er sich auf und sprach hart : » Die Folgen über ihn und dich ! Er gehe . Er werde , was zu werden der Teufel ihn treibt , von dem er besessen ist . Ein Halber , der sich ein Ganzer dünkt und anderen weismacht , daß er es ist ... Ein Gaukler nur und lebt auf Borg , aber gut , Borgen kennt kein Ziel . Die Zukunft zahlt , die große Zukunft , die er hat ... Ja der ! was der noch leisten wird . Wartet ... wartet nur ! Und daraufhin stiehlt er und raubt , stiehlt Hochachtung und Bewunderung und das Vertrauen der Männer und die Liebe der Frauen ... « Ein fast unhörbares Wimmern , ein Flehen um Gnade zitterte auf den Lippen seines bleichen Weibes , und plötzlich , als hätte ein Peitschenhieb ihn getroffen , hielt Pietro inne . Antonio trat auf seine Mutter zu und schloß sie in die Arme . Sie lehnte sich an seine Brust und sah voll Leid und Liebe zu ihm empor . Masaccio war ganz vertieft in ihren Anblick . Er betrachtete die feinen Linien ihres edlen Profils , und vor sein malendes Auge trat ein Bild voll hoher und rührender Schönheit , dessen Mittelpunkt und Glanzpunkt das emporgerichtete vergeistigte Angesicht der wundervollen Matrone war . » Merkt Euch Eure Worte ! « rief Antonio über das Haupt der Mutter hinüber dem alten Manne zu . » Der Tag kommt , an dem Ihr sie bereuen werdet . Merkt Euch Eure Worte , ich vergesse sie nie ! « Außerhalb der Stadtmauer von Florenz , unfern des zypressengekrönten Monte Oliveto , stand ein schmutziggelbes Haus mit schmaler Eingangstür und breiter , niedriger Loggia . Es hatte die Form eines großen Würfels , auf dem ein kleiner thronte : der nicht mehr ganz wetterfeste Turm . Von den ärmlichen , wie aus der Wildnis emporgewachsenen Häusern in seiner Nachbarschaft unterschied es sich vorteilhaft durch seinen wohlgepflegten Garten . Eine üppig wuchernde Rosenhecke umgab ihn , und er bildete gegen den Monte Oliveto hin ein ziemlich ansehnliches Grundstück , aber nur einen Streifen zwischen dem Hause und der Straße zur Porta San Frediano , deren massigen Bau man von der Loggia aus betrachten und bewundern konnte . Das wurde redlich von der Herrin des Villino besorgt , schon aus Familienstolz . Zählte doch der Erbauer der Porta zu ihren Ahnen , war sie doch eine Pisano und durfte sich rühmen , dem Geschlecht zu entstammen , das der Welt die großen Bildhauer und Architekten dieses Namens geschenkt hat . Ihre Vermögensverhältnisse waren bescheiden , erlaubten ihr aber ausschließend zu sein in der Wahl ihrer Mietsparteien . Sie nahm überhaupt nur Künstler bei sich auf , am liebsten Maler , weil sie diesen so manche launige und sogar wertvolle Ausschmückung ihrer kahlen Stubenwände verdankte . Mit Stolz wies Jungfrau Pulcheria auf die Zeugnisse des Aufenthalts berühmter Leute unter ihrem Dache hin . In dem großen , gegen Norden gelegenen Raume , der von ihnen als Werkstatt benutzt worden , sah man unter vielen anderen Schildereien die ersten Versuche Paolo Uccellos , Reiter und Schlachtengemälde in grüner Erde auszuführen . Man sah eine Wirrnis von breiten , kühnen Strichen , in denen Pulcheria ganz deutlich die Entwürfe des Spinelli da Luca Aretino zu seinen Bildern des heiligen Benedikt erkennen wollte . Man sah auch drei sprechend ähnliche Darstellungen der Padrona selbst . Nicht zu verkennen war ihre schmächtige Gestalt und der kühn gewölbte Rücken , die stolze Adlernase und das spitzige Kinn . Gherardo Starnina hatte sie als Amazone an der Spitze eines Katzenheeres in Lebensgröße , Lorenzo Bicci als Sibylle verewigt . Da prophezeite sie ihm selbst aus einem winzigen Speiseschüsselchen , daß er sich heute nicht satt essen werde . Und dem übermütigen Karmeliternovizen Filippo Lippi , war ihm nicht jüngst eingefallen , ein Seitenstück zu dieser genialen Darbietung zu liefern ? In seinem ganzen tollen Übermut war er erschienen , hatte sich über Pulcheria und ihre Schutzbefohlenen , die Katzen und die Künstler , lustig gemacht und die schätzbare Jungfrau mit Überbleibseln von Farben , die er im Atelier vorfand , abkonterfeit . Wieder als Sibylle ; diesmal aber prophezeite sie aus einer reich besetzten Platte einem ruppigen Gesellen , daß er satt werden würde ; und mit einem Ausbruch der Entrüstung erkannte Pulcheria in dieser elenden Figur den Liebling ihres Herzens , Tommaso di Ser Giovanni Guidi , den sie – ihr zu Gram und Schmerz – Masaccio nannten . » Tut das weg ! tut die abscheuliche Fratze sofort weg ! « hatte sie dem Novizen befohlen , er aber lachend die Flucht ergriffen . Vor dem Hause war er stehengeblieben , hatte zu der Loggia , auf die Pulcheria , ihm nachscheltend , getreten war , hinaufgeschielt und laut und hastig ausgerufen : » Was ich vergaß , Euch zu melden : Steckt einen Braten an den Spieß und Euch selbst in ein neues Gewand . Macht Euch so schön Ihr könnt , und noch viel schöner . Er kommt . « » Wer kommt ? « » Er . Meister Masolino läßt es Euch sagen . « » Wer kommt ? frage ich , seid Ihr taub ? « » Ihr seid 's , fürchte ich . Wäre schade . Ihr kämt um alle die süßen Reden , mit denen er Euch aufzuwarten brennt , dieser Höfling , dieser Arbiter elegantiarum ! « » Wen meint Ihr , Spottvogel , Possenreißer ? ... Du guter Himmel ! ... Mir läßt Masolino sagen : Er kommt ?.. . Da meint er am Ende gar ... Filippo , Filippino – Schatz ! ... Filippo – Schlingel ! « Er hörte sie nicht mehr ; er war unter den Bäumen verschwunden . Ihr Geschrei unterbrach die schöne grüne Stille , weckte aber keinen Widerhall . Die Seele Madonna Pulcherias befand sich in Aufruhr . Sie glaubte erraten zu haben , wessen Besuch Masolino ihr hatte ankündigen lassen . Es konnte sehr wohl der ihres Tommaso sein , der seine Aufgabe in Rom gelöst hatte und den Masolino nun nach Florenz berief zur Mitarbeiterschaft an der Kapelle Brancacci . Ein großer Maler , der Tommaso di Christofano Fini , genannt Masolino , wer zweifelte daran ? Am wenigsten sie , die ihn vor Jahren zum Lehrer Maso Guidis erkoren , weil er kein höheres Vorbild finden konnte als ihn . Heute stand es freilich anders ; heute reichte die Kunst des Lehrers zu der des Schülers nicht mehr hinan . Ob Masolino das empfand ? Wie empfand , mit Stolz oder mit Neid ? Die alte Kunstfreundin setzte sich auf einen Strohsessel , sah in die liebliche Landschaft hinaus und sah auf ihren Garten hinab , aber ziemlich zerstreut und ohne Interesse an ihren sorgfältig und eigenhändig gepflegten Blumen- und Gemüsebeeten . Ihre Gedanken wanderten in die Vergangenheit zurück . Des Ausflugs erinnerte sie sich , den sie vor Jahren nach Castel San Giovanni di Valdarno unternommen hatte . Und wie sie dort vor einem Hause stehengeblieben , auf dem mit Kohle eine staffagenreiche Landschaft gezeichnet war . Im Hintergrunde ragte eine Burg empor , und auf den Wegen und Wiesen spazierten Menschen und Tiere , so gut und natürlich ausgeführt , daß man nicht nur einen Mann von einer Frau und eine Kuh von einem Hund , sondern einen Erwachsenen von einem Kind und sogar eine Gans von einem Truthahn unterscheiden konnte . Pulcheria hielt Nachfrage und erfuhr , daß es in San Giovanni noch mancherlei Wandschmuck dieser Art gebe und daß er durch einen der fünf Söhne , die der verstorbene Notar Giovanni di Simone Guidi hinterlassen habe , hergestellt werde . Die Leute schenkten ihm dafür ein wenig Geld oder Eßwaren , und er nahm die geringste Spende voll Dankbarkeit in Empfang und trug sie heim zur Mutter . Die Familie lebte in großer Dürftigkeit , und man durfte auf eine Besserung ihrer Lage nicht hoffen , denn weder die Notarswitwe noch ihre Söhne waren danach angetan , sich durch Arbeit emporzuhelfen . Einer unter den fünfen vielleicht doch ! dachte Pulcheria Pisano und ging hin und suchte die Familie auf . Es wurde ihr leicht , die Notarswitwe zu bestimmen , ihr den kleinen Maso , der auf den ersten Blick ihr Herz gewann , anzuvertrauen . Der Tag , an dem sie ihn zu Masolino gebracht , war ihr wie der gestrige . Unvergeßlich die Miene und das Achselzucken des Meisters und seine Worte : » Der Käfer will schon etwas können ? « Er hatte aber doch eine Kohle vom Tisch genommen und gesagt : » Hier ist eine Kohle , und dort ist die weiße Tür . Auf die zeichne , was dir gefällt . « Und da hatte der Käfer die Kohle ergriffen und nach kurzer Überlegung erwidert : » Da will ich Euch zeichnen , Maestro « , und war zur Tür hingeschritten ... Oh , sie sah ihn noch ! Sie wußte noch , wie ihr zumute gewesen , als sie ihn dort stehen sah . Auf seinen spindeldürren Beinchen stand er , im armseligen , zerschlissenen Höslein , und schickte sich an , eine Probe seines Talents abzulegen , von der vielleicht seine ganze Zukunft abhing . Nachdenklich hatte er den Maler angesehen , sich gestreckt , die Augenbrauen zusammengezogen wie ein Alter ... die Zungenspitze zwischen die Lippen geklemmt wie ein Kind , wenn es recht aufmerksam ist ... Es war so lächerlich , Pulcheria hätte weinen können , wenn sie sich entsann , wie lächerlich das war ... Du lieber Gott ! ... Und die Spannung , mit der sie jeder Linie folgte , die Masos kleine Hand auf die weiße Fläche hinzog . Und ihr Stolz , als der feierliche Meister ihr lächelnd zugenickt : » Ihr habt ganz recht gesehen , Madonna . Respekt vor Eurem Auge ! Aus dem Käfer kann etwas werden , laßt ihn mir da . « Nie hatte die plötzlich erwachte Liebe des alten Fräuleins zu ihrem Schützling sich verleugnet , obwohl er ihr viel Sorgen machte und sie beständig Krieg mit ihm führte . Von dem , was es heißt , geordnet leben , zu bestimmten Stunden essen und schlafen , seine Kleidung in leidlichem Stand halten , wußte Maso nichts und wollte nichts davon wissen . War es denn nicht völlig gleichgültig , ob er das Stück Brot , das er brauchte , um seinen Hunger zu stillen , am Morgen oder am Abend verzehrte und ob er mit dem bißchen Schlaf , das ihm nötig war , einige Tag- oder Nachtstunden verlor ? Was vor allem lag daran , ob er ein Kleid nach dem oder jenem Schnitte trug und ob es braun oder blau , alt oder neu war ? Er geriet in Trost- und Ratlosigkeit , wenn seine Wohltäterin ihn ermahnte , doch einige Sorgfalt auf sein Äußeres zu wenden . » Ich kann das nicht ! « rief er , » ich müßte mir dazu neue Sinne wachsen lassen . Mich hat Gott auf die Welt gesetzt , damit ich schöne Bilder mache , und nicht , damit ich den Leuten gefalle . Er hätte mich sonst ganz anders hergestellt . Ich handle in seinem Geiste , wenn ich mich um mein Aussehen nicht kümmere . Gebt das zu und kümmert auch Ihr Euch nicht darum , Mütterchen . « So grenzenlos Maso Guidis Bewunderung für seinen Lehrer war , so unerreichbar Masolino ihm in vielen Dingen auch erschien , strebte er doch in manchem über ihn hinaus . Gerührt durch seine Bitten , ließ Brunellesco sich herbei , ihm Unterricht in der Perspektive zu erteilen , der liebenswürdige , immer hilfsbereite Donatello unterwies ihn im Aktzeichnen und in der schwierigen Kunst der Verkürzungen . Der rastlos Strebende segnete die zwei großen Männer , die sich zu ihm herabneigten und ihm Unbezahlbares spendeten aus dem Schatz ihres Könnens und Wissens . Pulcheria hingegen verwünschte den Baumeister und den Bildhauer . Sie sündigten auf Masos Genie , diese zwei ! Er arbeitete sich zuschanden an den Aufgaben , die er von ihnen heimbrachte . Eines frühen Morgens , als sie in die Werkstatt trat , um nachzusehen , ob die Magd schon Anstalt getroffen hatte , auch hier ihres Reinigungsamtes zu walten , fand sie Maso am Arbeitstisch eingeschlafen . Die Mappe lag vor ihm , er hatte die Ellbogen aufgestützt und hielt den Zeichenstift in der Hand . Sein Kopf war tief auf die Brust gesunken , und sein Gesicht sah aus so blaß und schmal wie das des Heilands auf Giottos Kruzifix , vor dem die Ewige Lampe brannte . Pulcheria stand eine Weile da , betrachtete ihn und dachte : Du stirbst jung ! Ich sehe mich schon , mich Alte , Unverwüstliche , dich zu Grabe tragen . Dürfte ich dir doch etwas abgeben , mein Liebling , von der zähen Kraft , die mir geschenkt ist , ich weiß nicht warum und wozu . Sie konnte ein schmerzliches Aufstöhnen nicht unterdrücken , und er erwachte , erblickte sie und entschuldigte sich . Er begriff nicht , daß er bei seiner eben erst begonnenen Arbeit eingeschlafen war . » Eben begonnen ? « rief Pulcheria , » die ganze Nacht hast du über ihr gesessen . Vor Erschöpfung sind dir endlich die Augen zugefallen . Die Zeichnung ist fertig , die Lampe ist ausgebrannt , der Tag guckt zum Fenster herein , er ist nur « , und jetzt gebrauchte sie einen der originellen Vergleiche , in denen sie Meisterin war : » Er ist nur noch grau wie ein eben ausgekrochenes Vögelchen . « » Wahrhaftig « , der Jüngling richtete sich auf , erhob sich . » Ja , ja , Ihr habt recht ... die Nacht ist vergangen , ohne daß ich ein Bewußtsein davon hatte , und die Zeichnung ... « er warf einen Blick auf sie , » mag für beendet gelten . Seht den Säulengang – reicht er nicht weit zurück ? Seht auch , wie die Säulen sich verjüngen ... « » Die Säulen , ja , die wohl « , sprach sie kummervoll . » Wenn nur auch du dich verjüngen würdest ! Wenn du nur so jung sein wolltest , als du wirklich bist ... Du willst nicht , du willst dich alt machen vor den Jahren , du tötest dich aus Gier , ein großer Maler zu werden ... Und « , setzte sie lebhaft und eindringlich hinzu , » hat man je gehört , daß ein toter Mensch ein großer Maler geworden ist ? « » Deshalb muß ich es früher geworden sein « , erwiderte er , » und wer weiß , wieviel Zeit mir dazu gegönnt ist . Laßt das gelten , Mütterchen . « Wenn er » Mütterchen « zu ihr sagte , war die alte Jungfrau entwaffnet und widersprach nicht mehr . » Ja « , fuhr er fort , » wenn ich nicht so elend gezimmert wäre , wenn ich auf ein langes Leben zu rechnen hätte , wie Giotto es erreichte und wie meine Lehrer es erhoffen dürfen , könnte ich behaglich schreiten . – Aber so ... « Er öffnete die Arme , er tat einen tiefen , leise keuchenden Atemzug : » So heißt es : Rastlos vorwärtsstürmen ... die Kunst ist so schwer – das Ziel ist so fern ! « Jahre waren vergangen . Sie hatten ihm Ruhm gebracht . Um welchen Preis ? Wie stand es sonst mit ihm ? Hatte er sich nicht aufgerieben im Kampfe ?.. . Wie sah er aus , ihr Maso ? Daß sein Name nur noch mit einem verunglimpfenden Zusatz genannt wurde , machte seiner alten Freundin schwere Sorgen . Er war kaum wieder da , der lang Ersehnte , als der Streit zwischen ihm und Pulcheria Pisano von neuem entbrannte . Ärmer , als er gegangen war , kam er zurück . Jeder Goldgulden , den er verdient hatte , war in die Taschen der habsüchtigen Mutter oder der leichtsinnigen Brüder gewandert . Und jetzt wollte der älteste einen Hausstand gründen und hatte , um das zu ermöglichen , Masaccio dazu gebracht , seine Einnahmen auf ein Jahr hinaus zu verpfänden . » Früher hattest du nichts . Das war glatt , das war einfach « , dozierte Pulcheria . » Jetzt aber steht zwischen dir und diesem glatten , einfachen Nichtshaben ein Berg von Arbeit und Mühsal . « Eine schwere Enttäuschung bereitete ihr Antonio . Sie hatte seinen Eingang gesegnet und bei sich ausgemacht : Diesem Götterjüngling würden die Liebesabenteuer aus dem Boden sprießen , wie Gras im Frühling sprießt . Sein nur um wenige Jahre älterer Lehrer könnte unmöglich gleichgültig bleiben all der Lebensfreude gegenüber , die sich rings um ihn entfalten dürfte . Ein Widerschein dieser Lebensfreude müßte farbenhell in seine ernste Seele fallen und den Wunsch in ihm entfachen , auch sein Teil Erdenglück zu erringen . Unmut ergriff die Jungfrau Pisano , als sie entdeckte , daß der Schüler von derselben Art war wie der Lehrer . Ebenso emsig , ebenso still , ebenso abgewendet von Zerstreuungen und Freuden . Zeichen und Wunder ! da fanden sich in Italien zwei Exemplare männlicher Gattung , die mitten im Getriebe der Welt standen und freiwillig ein Mönchsleben führten und mit Fra Giovanni da Fiesole um die Tugendpalme ringen durften . Was geht vor ? fragte sich Pulcheria . Hat unsere Sonne etwas von ihrer Glut eingebüßt ? Vermag sie keine andere Leidenschaft mehr gar zu kochen als die , Farben aufzutragen auf Leinwand und auf Mauern ? Schon am ersten Tag nach der Ankunft in Florenz nahm Guidi den Antonio mit in die Brancaccikapelle . Der Jüngling war Zeuge des Wiedersehens Masolinos und Masaccios und fragte sich , ob denn auch wahr und denkbar sei , was er erlebe . Die er immer nur in Sternenweite über sich gesehen , unerreichbar hoch und fern , mit denen durfte er nun eine Luft atmen , sich versenken in ihren Anblick , durfte mit ihnen verkehren . Die Ehrfurcht , die Masaccio seinem ehemaligen Lehrer bezeigte , verdoppelte die Ehrfurcht Antonios für seinen Meister , der sich immer noch als Schüler fühlte . Beide Maler hatten die Ausschmückung des Gewölbes beendigt . Guidi zeichnete den Entwurf zu den Figuren des ersten Menschenpaares nach dem Sündenfall , die am Eingangsbogen das Seitenstück zu den von Masolino gemalten Stammeltern unter dem Baume bilden sollten . Die Fresken in der Kapelle selbst waren bestimmt , eine Verherrlichung der Taten und Wunder der Apostel Petrus und Paulus zu sein , und die erste Aufgabe , die Masolino für sich wählte , war die Wiedererweckung der Tabita . Er hatte die Arbeit eben begonnen , als ein Ruf des Kardinals Branda di Castiglione ihn nach Rom beschied . Einige Tage nach seiner Abreise sagte Guidi zu Antonio : » Jetzt hat er den Kardinal schon gesprochen und wird nach San Clemente gegangen sein und meine Bilder kennengelernt haben . « Die Unruhe und bange Spannung , die den großen Künstler erfüllten , taten seinem Jünger leid . Alles Lob , alle Bewunderung , die Masaccios Werke ihrem Schöpfer eingetragen hatten , waren vergessen . Von dem Urteil Masolinos schien allein die Entscheidung über ihren Wert oder Unwert abzuhängen . Inzwischen verbreitete sich in Florenz ein seltsames Gerücht . Filippo Scolari , der im Dienst des Königs Sigismund stand und die Würde eines Obergespans von Temesvar bekleidete , sollte den berühmten Masolino unter glänzenden Anerbietungen eingeladen haben , nach Ungarn zu kommen , um dort seine Kunst auszuüben . Die Kühnheit dieser Zumutung erweckte allgemein Staunen , Entrüstung und Spott . » Scolari hat den Verstand verloren « , sagten die Mitglieder der Malergilde . » Unmöglich könnte er sonst von einem , der bei uns ein großer Maler geworden ist , verlangen , daß er die Früchte seiner Meisterschaft den Barbaren vorwerfe . « Früher , als man erwartet hatte , kam Masolino aus Rom zurück . Masaccio fand ihn eines Morgens in der Kapelle . Sein Herz klopfte , als er den Verehrten grüßte . Der betrachtete prüfend das eben beendete Bild der Vertreibung aus dem Paradiese . Er studierte jede Linie an den Gestalten des unseligen ersten Menschenpaares , die Modellierung der Körper , den Ausdruck jammervoller Verzweiflung im Angesicht des Weibes , der Trostlosigkeit und glühenden Scham , mit der der Mann das seine in den Händen vergräbt . Über ihnen schwebt der Bote des Herrn und treibt sie von der Stätte der Schönheit und des Friedens in eine fremde , feindliche Welt . Sehnlich wartete Masaccio auf ein Wort des Lobes – oder des Tadels . Auf eine Unterbrechung nur des grausamen , beschämenden Schweigens . Und nicht minder heiß verlangte Antonio , der in seines Meisters Seele durch dieses Stummsein litt , nach einem befreienden Wort . Masolino stieg auf das Gerüst , das an der oberen Hälfte der Linkswand vor seiner Freske angebracht war , die Schüler gingen an die Einteilung der anderen Wände nach seinen Plänen . Sie sprachen nur flüsternd miteinander . Die Verstimmung der beiden Meister teilte sich allen mit , lastete auf allen . Ist er nicht in San Clemente gewesen ? fragte sich Masaccio . Das ist ja undenkbar . Scheint ihm meine Arbeit nicht der Erwähnung wert ? Ist der Eindruck , den sie ihm gemacht hat , schon verwischt ? Er suchte zerstreut nach einer Vorlage in seiner Mappe . Da war ihm , als ob er den Blick Masolinos auf sich ruhen fühle . Er erhob den seinen und begegnete den kalten , fast vorwurfsvollen Augen des Meisters . » Was ist ? « fragte er unwillkürlich . » Was habe ich getan ? « » Du hast mich getäuscht « , erwiderte Masolino , » oder vielmehr ich täuschte mich über dich . Als wir zusammen in der Katharinenkapelle malten , dachte ich oft : Eine Zeit wird kommen , in der die Menschen sich die Köpfe darüber zerbrechen werden , ob dieses oder jenes Bild , diese oder jene Gestalt dir oder mir zugeschrieben werden soll . Möglich sogar , daß ich selbst , wenn ich nach Jahren wiederkäme , mich fragen würde : Hat das Maso Guidi , habe das ich gemalt ? Nun aber ... « » Nun aber ? « Alle blickten gespannt zu ihm hinauf . Er war stolz und prächtig und fuhr in majestätischer Gelassenheit fort : » Nun weiß ich , daß ich so nicht fragen werde , daß ich nicht mit dem Bewußtsein sterben werde , einer bleibt zurück , der mein Werk fortsetzt . Nicht nachfolgen wirst du mir , du wirst deine eigenen Wege gehen , Maso , lichtere , weiterführende Wege . So räume ich dir denn auch hier das Feld und sage Euch Lebewohl . Ich habe den Antrag Filippo Scolaris angenommen . « Stimmen der Überraschung , der Empörung wurden laut . Von allen Seiten erhob sich heftiger Widerspruch , dringendes Beschwören . » Unmöglich ! « – » Das darf nicht geschehen ! « – » Um keinen Preis ! « – » Bleibt bei uns ! « Masolino gebot Schweigen , schritt langsam vom Gerüste herab , trat auf Masaccio zu und legte die Hand auf seine Schulter . » Florenz braucht mich nicht mehr , es hat einen größeren , es hat dich ! « Guidi war wie betäubt , wie geblendet durch einen plötzlich hereinbrechenden Lichtstrahl . » Mich « , wiederholte er leise und wie gewürgt , » dem der Lebensnerv der Größe fehlt : Selbstvertrauen ? Mich , der in allem , was er schafft , nur die Fehler sieht ? . . . Mich elenden Schwächling , der lange nicht mehr dasein wird , wenn Ihr die Welt durch Eure Werke noch in Entzücken versetzen werdet ? « Masolino sah ihn an , und etwas ihm bisher Unbekanntes regte sich in ihm : Rührung . Sein Ton war weich , und aus seinen strengen Augen brach ein milder Strahl , als er sagte : » Sei ruhig , Tommaso , wenn du morgen von uns gingest , für deine Unsterblichkeit wäre gesorgt . « Nach der Abreise Masolinos erweiterte und bereicherte Guidi die Komposition der » Wiedererweckung der Tabita « . Er umgab die Bahre der Heiligen mit einer lebensvollen Gruppe . Selige Beklommenheit , atemraubendes Staunen , stilles , frommes Entzücken drückte sich in den Zeugen des Wunders aus . Jede Gestalt war von eigentümlichem Leben beseelt ; die Hand segnend erhoben stand der Apostel ; Heilandsgröße und Heilandsmilde verklärten ihn , das todbesiegende Wort schwebte auf seinen Lippen . Und als Antonio eines Nachmittags in die Kapelle trat , da war auch die Hauptfigur des Gemäldes beendet . Das Bild seiner Mutter leuchtete ihm in Schönheit und Verklärung entgegen . Hingerissen stürzte er vor ihm auf die Knie . Guidi hatte ihr Gesicht im Profil dargestellt , wie er es sah , als sie gepeinigt an der Brust ihres Sohnes lehnte . Er ließ sie zu dem Wundertäter emporblicken mit einem erschütternden Ausdruck im großen , von tiefem Schatten verdunkelten Auge . Sie schien sich mühsam aufgerichtet zu haben , Leichenblässe lag auf ihren Zügen . Die auf der Brust gekreuzten Arme hielten noch die weißen Grabtücher fest , von denen sie umhüllt waren . Der Blick der Heiligen ruhte in dem des Apostels : Warum weckst du mich ? Muß es denn sein ? Du weckst mich zum Leiden . Mit jedem Bilde , das er beendete , stieg der Ruhm Maso Guidis und zugleich – seine Unzufriedenheit mit sich selbst . Während er die letzten Striche an einer Arbeit führte , erfaßte ihn schon ein fieberhafter Drang , die nächste zu beginnen , in der es ihm gelingen müsse , die Unvollkommenheiten der früheren zu vermeiden . Gelegenheit , immer Neues zu unternehmen , bot sich ihm reichlich . Kirchenfürsten und weltliche Stifter geizten danach , fromme Stätten mit Werken von ihm zu schmücken . Er mußte , um nur die dringendsten Aufträge zu erfüllen , oft monatelang seine Arbeiten in dem Carmine unterbrechen . Wenn er sie dann wiederaufnahm , war der Zugang zur Kapelle mit Schau- und Lernbegierigen umlagert . Die einen vertraten ihm den Weg und sprachen ihn an , um sich rühmen zu können , daß sie einige Worte mit ihm gewechselt hatten ; die anderen wiesen ihm ihre Arbeiten vor und hofften , daß er sie annehmen werde als Schüler . Sich so nennen zu dürfen war ein schwer errungenes Glück . Daß es dem Töpferssohn aus Ariccia gleichsam in den Schoß gefallen , daß er zwei Jahre nach seiner Aufnahme schon neben Guidi auf dem Gerüste stehen und Einzelheiten an seinen Fresken ausführen durfte , erregte bei den anderen Kunstbeflissenen Neid und Feindseligkeit . Am giftigsten äußerte sie in seinen Reden und Anspielungen der viel ältere , düstere Andrea del Castagno , am übermütigsten trug Filippo Lippi sie zur Schau . Antonio nahm alles , was ihm angetan wurde , ruhig hin , als wenn es sich um Geduldproben handelte , die zu bestehen einem Schüler zukommt . Es ließ sich keine Lücke finden in dem Panzer seiner Kaltblütigkeit . Verspotteten sie ihn , schimpften sie ihn » Schüsseldreher « , klagten sie ihn , um seines Fleißes willen , der Wohldienerei an – er zuckte die Achseln . Umdrängten sie ihn und suchten sie ihn bei der Arbeit zu stören , schob er sie still und gelassen von sich . Doch verriet er dabei eine so überlegene Kraft , daß sie es für geraten hielten , ein Handgemenge mit ihm lieber zu vermeiden . Er war nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen , weil er seiner selbst , seines Talents , der großen Zukunft , der er entgegenging , sicher war . Er bereitete sich auf sie vor wie auf ein Priestertum . Er wußte wohl , mit Malen und Zeichnen ist es nicht getan . Die geschickte Hand , das sehende Auge machen den Künstler nicht aus . Er braucht mehr . Er braucht die klare Weltanschauung , die er nur aus dem Wissen schöpfen kann , er braucht das Verständnis für andere Künste , das den Blick weitet . Mühselig lernte er lesen und schreiben , studierte , was es gab an Übersetzungen der Alten , wußte ganze Gesänge der Divina commedia und mehr Sonette Petrarcas auswendig als selbst Pulcheria , die sich einer tiefen Kenntnis der Werke des hochgefeierten Dichters und Humanisten rühmte . » Wohl hat er seinen Namen « , sagte sie , » und den seiner Laura unsterblich gemacht durch seine Liebesgesänge , aber bloß diese nennen , das wäre , wie wenn man von einem Heros nur wüßte , was er sich ab und zu Schönes träumen ließ . « Eines Nachmittags war Antonio mit der Vollendung eines Studienkopfes , der ihm besonders gelungen schien , beschäftigt , als Pulcheria und Filippo in die Werkstätte traten . Das Fräulein verlangte einmal wieder kategorisch die Übermalung von ihrer und Guidis Karikatur . Sie zog den Novizen beim Ohr zu seiner fratzenhaften Schilderei hin : » Ändert das ! Übersetzt das ins Menschliche ! « » Wie soll ich ? ... Womit ? « Wie suchend , kindliche Unbefangenheit im feinen , rosigen Gesicht , sah er sich um . » Damit vielleicht ? « In einer Ecke hatte er einen Reisbesen entdeckt , sich seiner bemächtigt , war von hinten auf Antonio zugesprungen und hatte blitzschnell seine Zeichnung verwischt . Antonio wandte sich . Er war feuerrot . » Büberei ! « murmelte er . Pulcheria kreischte , entriß Filippos Händen den Besen und führte mit ihm einen Schlag auf sein Haupt , der es in Staub hüllte : » Unheil , das Ihr seid ! Ja , Unheil ! Da habt Ihr dem armen Jungen die Arbeit von vielen Stunden ruiniert . Ihr aber , Ihr Allerweltschadenbringer , was könnt denn Ihr ? Nichts – das könnt Ihr ! « » Freilich , freilich ! Es ist so « , sagte Filippo in kläglichem Tone und senkte in affektierter Demut die Augen . » Macht wenigstens eine Eurer Schandtaten gut – das macht gut . « Sie reichte ihm einen der großen Pinsel Guidis und wies auf die Wandmalerei . » Wie soll ich ? Wenn ich nicht kann ? Sagt Ihr doch selbst , daß ich nicht kann ... « » Versucht zu können , Heuchelkatz ! « » Ich will ! ich will ! « rief er , als hätte plötzlich Begeisterung ihn ergriffen . » Her mit dem flammenden Borstenbündel ! Her mit dem glorreichen Werkzeug , das einem Unsterblichen dient . Etwas von ihm ist darin zurückgeblieben , es durchdringt mich – ich fühl's . Bleibt stehen , Madonna Pulcheria , und seht mich an , ich male Euch um , daß Ihr Euch in dieser Fratze nicht mehr erkennt , sondern ausruft : Wer ist die Herrliche ? Bin das ich , oder ist es die Venus Anadyomene ? « Er tauchte den Pinsel tief in den ersten besten Farbentopf , trat vor die Karikatur der Hausfrau und war im Begriff , sie zu übertünchen , als Antonio auf ihn zusprang , ihm in den Arm fiel und mit ungewohnter Lebhaftigkeit ausrief : » Laßt das ! Laßt das stehen ! « Verwundert trat Lippi einen Schritt zurück und senkte die Hand mit dem Pinsel , von dem die Farbe herabtropfte auf sein Novizenkleid . » Warum ? « fragte er . » Wäre Euch leid um das Zerrbild ? Gefällt es Euch ? « » Mir nicht . Aber schade wär 's darum . Es soll stehenbleiben . « » Wenn es niemandem gefällt ? « » Man muß es doch bewundern « , erwiderte Antonio . » Es ist sehr häßlich , und man muß es doch bewundern . « Filippo brummte einige unverständliche Worte . Daß der Schüsseldreher , dem er eben eine Arbeit verdorben hatte , die seine vor ihm selbst schützte , beschämte ihn . Hinzugehen und ihm die Hand zu reichen , daran dachte er freilich nicht . Was hatte der Schüsseldreher ihn zu beschämen ? Pulcheria komplimentierte ihn kurzweg zur Tür hinaus . Zu Antonio sagte sie nichts , dachte aber lange über ihn nach . Er hatte Instinkte , die ihr äußerst wohlgefällig waren , der Mensch . Nur leider nicht mehr Blut in sich als ein Malstock und nicht mehr Courage als eine Maus in der Falle . Neapolitanische Kaufleute , die auf dem Wege nach Genua waren , brachten Antonio die ersten Nachrichten von den Seinen . Venesco ließ ihm sagen , er möge des Abkommens eingedenk sein , das mit Meister Tommaso Guidi getroffen worden war . Mehr als die Hälfte der Zeit sei verflossen , in der es sich gezeigt haben müsse , ob Antonio bestimmt war , die Erwartungen seines Lehrers oder die Prophezeiung des Vaters zu erfüllen . Die Mutter hatte hinzugefügt , er solle nur endlich einmal Nachricht geben , und wissen solle er : ob ihr Sohn als angehender Künstler , ob als Handwerker zurückkehre , sie würde ihn mit offenen Armen und mit immer gleicher Liebe empfangen . Sie sei schwach und kränklich , erzählten die Kaufleute , und Venesco schwer bekümmert . Im Geschäfte ließe sich ein arger Rückgang bemerken ; die Borde ständen voll von unverkauftem Geschirr , die Lehrlinge seien entlassen . Von alledem ging Antonio nur das wirklich nahe , was sich auf seine Mutter bezog . Er bereute , sie so lange ohne einen Gruß , ohne die kleinste Kunde gelassen zu haben , und empfand es als Trost und Glück , daß sich ihm nun Gelegenheit bot , sein schweres Versäumnis gutzumachen . Die Kaufleute , die , auf ihrer Heimkehr , in einigen Wochen Florenz wieder berühren wollten , um eingehandelte Waren abzuliefern : für die Maler Gold und Purpur , für die Reichen Seiden-und Sammetstoffe , erklärten sich bereit , eine Botschaft an seine Eltern zu übernehmen . Antonio benutzte die kurze Frist , um einen Brief und drei Zeichnungen für seine Mutter fertigzubringen . Sie stellten drei Fresken Guidis dar , die Vertreibung aus dem Paradiese , die Wiedererweckung der Tabita und die Befreiung Petri aus dem Kerker durch den göttlichen Boten . Unter die Wiedererweckung hatte Antonio geschrieben : » Seht , Mutter , meine liebe Mutter , so habe ich Euch immer vor Augen , und wenn ich zu Euch zurückkomme als der große Künstler , der ich mit Gottes und meines Meisters Hilfe werden muß , sollt auch Ihr zu neuem Leben erwachen wie die Heilige , die Eure Züge trägt , aber viel glücklicher sein als sie , so glücklich , wie meine schwache Feder es nicht aufschreiben und wie keine Sprache es aussprechen kann . « Masaccio spendete den Zeichnungen volles Lob . Er staunte über die Treue , mit der sie zur Anschauung brachten , daß seine Kunst als ihr höchstes Ziel anstrebte , » die Dinge nachzuahmen , wie sie sind « . Trotz des kleinen Maßstabes fehlte nichts . Die strenge Komposition , jede einzelne Gestalt , der Faltenwurf der Gewandung , der Ausdruck der Gesichter sogar fand sich auf den verjüngten Kopien wieder . » Aber « , meinte der Meister , der alle diese Vorzüge gelten ließ , » du solltest dir doch auch selbst etwas einfallen lassen . « Wohin ist die Keckheit gekommen , mit der er seine Tongefäße bemalte und die mich entzückte ? dachte Masaccio . Gehört er zu denen , die verkümmern im Zwang der Schule ? Wird ihm das Wissen zur Last statt zum Flügel ? Bedeutet das Finden eines Schönheitsgesetzes ihm nicht ein Wiederfinden ? Der bisher so saumselige Antonio erwartete jetzt mit kaum bezähmbarer Ungeduld die Rückkehr seiner Boten . Als sie eintrafen , überraschte ihn Pulcheria mit der Nachricht , daß sie in eigener Person seine Sendung bestellen wolle . Sie konnte ihrer Sehnsucht , Masaccios Fresken in San Clemente kennenzulernen , nicht länger widerstehen , und » einmal in Rom , will ich denn auch bis nach Ariccia stoßen und « , sprach sie , » das Urbild der Tabita , Cecilia Venesco , begrüßen . Ich werde ihr von dem lieben Sohne erzählen , der die Bienen an Fleiß , die Fische an Stummheit und alle Tiere an Unfähigkeit , etwas Schriftliches von sich zu geben , übertrifft . « » Ihr haltet das Schriftliche in Händen « , bemerkte Antonio . Und sie rief : » Rühme dich noch ! « und drehte sich so rasch gegen ihn , daß ihr Mäntelchen flog . » In Jahren ... zwei sind 's und drüber – ja , drüber – , in zwei Jahren schriebst du einmal , Unhold du ! und einmal ist keinmal . Das wußte schon Adam im Paradiese , und in der Arche galt 's für abgedroschen . « Wohlverpackt und mit Reisezehrung versehen , wurde Pulcheria von Guidi den Neapolitanern übergeben . Voll Wagemut zog sie aus und kehrte einen Monat später in hochgehobener Stimmung heim . » O mein Maso , Apostel du ! « waren beim Wiedersehen des Pflegesohnes ihre ersten Worte . » Fromm wie nie habe ich in San Clemente gebetet . Auch mich hätte man martern können , während ich vor deiner Heiligen stand , ich würde so wenig wie sie etwas davon gemerkt haben . Der Engel der Andacht hätte die Stacheln der Qual stumpf gemacht . « Donna Pisano kam nicht allein aus Ariccia zurück . Sie brachte Cencetta Vinutelli mit . Im Winzerhause , in dem der Kindersegen nicht aufhörte sich einzustellen , war der Raum sehr eng geworden . Cencetta , die Erstgeborene , stellte ihren Eltern vor , daß für die Herangewachsenen die Zeit gekommen sei , dem Nachschub Platz zu machen . Sie setzte es durch , daß man sie mit Pulcheria Pisano ziehen ließ , von der sie gern als Dienerin angenommen wurde . Nun war sie da und freudeverklärt , denn Antonio benahm sich gegen sie nicht mehr so tonklumpig wie früher . Seine Augen leuchteten und lachten , als er die anmutige Heimatsgenossin erblickte . Nicht satt hören konnte er sich an den Botschaften , die sie brachte , aus dem Städtchen , von den Bekannten , den Freunden und vor allem – von seiner Mutter . Entzückt war sie gewesen und gerührt von seinen Zeichnungen und von seinem Briefe . Die Zeichnungen mußte auch der Vater bewundern , tadelte nur den kleinen Maßstab , in dem sie ausgeführt waren . Aber Fenderigo belehrte ihn , in dieser Kleinheit läge eben die größte Kunst . Der gebenedeite Fra Angelico verschmähte nicht , die seine in dieser Art auszuüben und elfenbeinerne Täfelchen und Osterkerzen mit winzigen Figürchen zu bemalen . Masaccio vollendete jetzt das Bild des taufenden Petrus auf der rechten Seite der Wand , die dem Eingang zur Brancacci-Kapelle gegenüberliegt . Die Komposition war reicher als die seiner früheren Gemälde . Eine dichte Menge umdrängte einen kristallklaren , grottenartig überwölbten Wasserspiegel . Der Heilige hatte aus ihm in eine Schale geschöpft und goß ihren Inhalt über das Haupt eines Jünglings , der , die Hände fromm gefaltet , vor ihm kniete . Edel wie auf dem Tabita-Bilde war die Erscheinung des Apostelfürsten , und wieder sprach seine hoheitsvolle Miene und Gebärde : Ich wecke dich zum Leben . Dem Knienden zunächst und schon losgelöst von der Gruppe der anderen der Taufe Harrenden stand ein Nackter , schlank und schön , und blickte mit kindlicher Verehrung zu Petrus hinüber . Ihn fror ; es durchrieselte ihn kalt vom Wirbel bis zur Sohle , er verschränkte die Arme fest um die Brust , und seine jungen Glieder zitterten . » Herrlich ! « ließ eine Stimme hinter dem Meister und seinem am Gewande Petri malenden Gehilfen sich vernehmen . » Ich weiß keinen schlimmeren Herabwürdiger der Werke Masaccios als ihn selbst . Mit jedem neuen , das er malt , setzt er den Wert des früheren in Schatten . « Lippi hatte es ausgerufen in völliger Hingerissenheit . » Herrlich « , wiederholte er , » in hoher Schaffenslust habt Ihr das dargestellt . Herrlich alles , der Apostel , der Neophyte , herrlich die Bursche , die warten , daß die Reihe des Getauftwerdens an sie komme ... Wie dicht aneinandergepreßt sie sind , und wie doch jeder nur seinen eigenen Raum einnimmt , ihn nicht dem Nachbarn wegschnappt ... Das hätte Giotto nicht machen können , den Ihr in den Himmel erhebt . « » Wohin er gehört « , versetzte Masaccio . » Wo ständen wir ohne diesen Neubegründer unserer Kunst ? Was wäre ich , wenn sein Ruhmesstern mir nicht vorangeleuchtet hätte ? « » Ihr wäret , der Ihr seid ! « rief der immer gern und um jeden Preis widersprechende Novize . » Eure leidige Demut will immer den anderen alles verdanken . Ihr hättet keinen Lehrer gebraucht als Euer Auge und keine Schule als die Natur . « Eine Weile sah er dem Meister zu , der sich in seiner Arbeit nicht unterbrechen ließ , und sprach dann : » O Einziger , so malen wie Ihr ist schön ! « » Lernt es doch , Talent habt Ihr ; Euch fehlt nur der Fleiß . « Da war das Wort gesprochen , das Lippi nicht hören konnte , ohne heftig zu werden . Er schob die Unterlippe trotzig vor ; zornig funkelten seine freundlichen , eben noch um Wohlwollen und Sympathie werbenden Augen . » Fleiß ! « rief er und deutete voll Hohn auf Antonio . » Tugend der Maulwürfe und Handwerker . Aber auch die Eure , Meister , Eure sträflich übertriebene Tugend . « Der jähe Stimmungswechsel , dem er unterworfen war , hatte sich vollzogen ; das Bedürfnis , den herabzusetzen , der ihm eben Bewunderung abgerungen , ergriff ihn . » Ich werde mich hüten , mich von der Teufelin behexen zu lassen wie Ihr ; mich hüten , die Jugend , die Gesundheit ungenossen zu lassen , das Leben zu versäumen und das Glück , damit es einmal ein paar bunte Wände mehr in Kirchen und Palästen gäbe ... Ich werde nicht in geflickten Kleidern herumlaufen wie Ihr , zum Mißfallen aller schönen Frauen , ich werde Eurem Beispiel nicht folgen und mich Pipaccio nennen lassen um eines Ruhmes willen , dessen Früchte ich vielleicht nicht einmal mehr zu kosten bekäme . « Als er das sagte , wandte Antonio sich um und maß ihn wegwerfend : » Im Wams aus Goldbrokat mit den langen Ärmeln , in dem Ihr auf und ab segelt vor den Fenstern der Schönen , Eurem Stande zum Trotz , könntet Ihr freilich nicht malen . Zum Baden und Salben hättet Ihr freilich keine Zeit . « Antonio , der Schweigsame , der bis zum Stumpfsinn Nachsichtige , raffte sich auf , erteilte eine Zurechtweisung ? Durch das unerhörte Ereignis gereizt , ließ Filippo seinem Übermut die Zügel schießen . Er sprang aufs Gerüst , faßte den Arglosen von rückwärts an beiden Ohren und rief : » Baden und Salben dünkt dich sträflicher Luxus , Töpferssohn ? Du kennst die Reinlichkeit nur vom Hörensagen . « » Euch haben sie schon in der Wiege gesalbt mit Schweinsfett und Ochsenblut ; nicht wahr , Fleischerssohn ? « entgegnete Antonio , und Guidi lachte . Da begann Filippo zornglühend den Kopf seines Widersachers wie ein Pendel hin und her zu schwingen und schrie dabei : » Schmutzfinke , Schmutz-fin-ke , alle zwei ! Schmutz-fin-ke von der Kunst Gnaden ! « » Hört auf ! « sprach Antonio , und als Filippo fortfuhr , ihn zu quälen , machte er sich mit einem kräftigen Ruck von ihm los , gab keinen Laut von sich , war aber weiß vor Wut . Im Nu hatte er den schmächtigen Novizen an den Schultern gepackt , drehte ihn um die eigene Achse , preßte ihn an die Wand und bohrte ihm das Knie in den Leib . Lippi stöhnte , seine Augen quollen aus ihren Höhlen , doch rief er nicht um Hilfe , bat nicht um Gnade . – Eher sterben ! stand ihm in seiner höchsten Bedrängnis noch auf dem zarten und energischen Gesicht geschrieben . Er stieß mit dem Kopf gegen Antonios Brust , mit dem Fuß gegen Antonios Fuß , er biß und kratzte , aber alle seine Wildheit vermochte nichts über den Stärkeren , der ihn bezwang , wenn auch nicht bändigte . Guidi machte dem Kampf ein Ende mit Gewalt , denn seine Befehle waren ungehört geblieben . Nun stand er zwischen den zwei Gegnern und wollte Frieden stiften . Das sollte ihm aber nicht gelingen . Lippi , dem er sagte : » Ihr habt ausgesehen wie eine an die Mauer genagelte Fledermaus « , fraß seinen Zorn in sich hinein . Antonio , dem er zuherrschte : » Gib ihm ein gutes Wort ! Versöhne ihn ! « antwortete , nun wieder Herr seiner selbst , und mit der angeborenen Würde , die dem Töpferssohn von dem popolo grasso so übelgenommen und plebejischer Hochmut genannt wurde : » Verlangt etwas anderes von mir , lieber Meister . Zwischen Filippo Lippi und mir gibt es keine Versöhnung . Wir hassen einander und wollen ein anderes Gefühl nicht heucheln . « Einverstanden ! « rief Filippo erleichtert . Auch er scheute die Komödie einer rein äußerlichen Versöhnung . Pulcheria hörte mit Vergnügen von der Balgerei zwischen Lippi und ihrem jungen Hausgenossen . » Du bist mir heute geboren « , sagte sie zu ihm , » eben erst lebendig geworden . Mich freut deine plötzliche Entfaltung , du schöne Menschenknospe . Mich freut die feuerfarbige Blume des Zornes , die aus dir hervorgeschossen ist . « – – Eines Nachmittags kehrte Maso Guidi früher als gewöhnlich heim , denn er hatte Modelle zu sich bestellt . Am Gartenpförtchen kam Pulcheria ihm entgegen und sah recht unbehaglich aus . Der kurze Mantel , der stets ein eifriges Bestreben zeigte , die Gestalt seiner Gebieterin zu umkreisen , hing in müden Falten an ihr herab . Aus den scharfen Zügen der kleinen Dame sprach eine ihr völlig ungewohnte Betroffenheit und Ratlosigkeit . Nicht laut , wie es sonst ihre Art war , sondern mit einem stummen Wink begrüßte sie ihren Schützling . » Was ist Euch , Mütterchen ? « fragte der . » Was hat sich Neues begeben bei uns ? « » Bei uns nichts . Zu uns begeben hat sich etwas , etwas Wundervolles – ob zum Verhängnis , ob zum Glück , wer das wüßte – , und dort sitzt es , auf der Bank vorm Haus . « Der Platz , den sie bezeichnete und auf den sie und Masaccio zuschritten , war von einem jungen Mädchen eingenommen , das sich jetzt , als die beiden nahten , erhob . Guidis Augen ruhten auf der Fremden , und es war , als ob sie Licht tränken . In diesem herrlichen Geschöpfe war das Schönheitsideal verkörpert , das ihm in solcher Vollkommenheit nur als selige Vision vor die Künstlerseele getreten . Sie stand vor ihm in Fleisch und Blut , das Mittelmaß überragend , von der Fülle irdischen Lebens durchatmet – eine göttliche Gestalt . Prachtvoll der edel gewölbte Kopf mit den dunkeln , schlicht gescheitelten Haaren , die im Nacken einen wuchtenden Knoten bildeten , prachtvoll die Farbe der wie von innerem Feuer durchschimmerten Haut , das reine , feine Oval und jeder Zug , jede Linie des Gesichtes . Im Ausdruck dieser siegreichen Schönheit aber nicht die Spur eines Machtgefühls und auch keine von Befangenheit . Die unerwartete Besucherin war gekommen , weil man sie geschickt hatte , und naive Zuversicht , kindliches Vertrauen lagen in dem Blicke der schwarzbraunen Augen , die sich groß und leuchtend auf Masaccio richteten . » Wahrhaftig , das ist eine Leistung der Natur ! ... Verzweifle , arme Kunst ! « rief Guidi plötzlich aus . Seine Stirn verdüsterte sich , sein Ton wurde rauh . » Wer seid Ihr ? Was wollt Ihr ? Wollt Ihr gemalt werden ? « » Ich bin Margherita Guidi aus Fontana bei Castel San Giovanni . Meine Mutter schickt mich zu Euch ... meine Mutter , die gestorben ist ... « Sie hatte mit leiser , aber fester Stimme zu reden begonnen ; nun stockte sie und kämpfte einen schweren Kampf mit den Tränen , die heftig hervorzubrechen drohten . Doch blieb sie siegreich und vermochte nach einer kleinen Weile hinzuzusetzen : » Sie hat Giustina Guidi geheißen , meine Mutter , und war die Witwe eines nahen Verwandten von Euch . « » Des Jacopo Guidi ? « Sie nickte . » Da begrüße ich also in dir meine Base Margherita « , sprach er . Längst entschwundene Erinnerungen an vergangene Zeiten , an entschlafene Menschen stiegen vor ihm auf . Die sich da als Schutzflehende bei ihm eingefunden hatte , war die Tochter einer braven Frau und eines wüsten Gesellen und mußte Not und Entbehrung aus dem Grunde kennen . Die Reinlichkeit ihres ländlichen Anzugs täuschte nur im ersten Augenblick über seine Armut hinweg . Die Stoffe des Mieders und des Rockes waren abgenützt , ihre Farben verblaßt . In besonders traurigem Zustande befanden sich die Schuhe . Sie hatten , vielfach übernäht und geflickt , ihre ursprüngliche Gestalt verloren und verhüllten kaum noch die klassisch geformten Füße . » Deine Mutter schickt dich ? « fragte Masaccio . » Deine Mutter , die gestorben ist ? « » Ja , Messere , ja . Vor drei Tagen . Und in ihrer letzten Stunde noch hat sie zu mir gesagt : › Bei uns , im armen Dorfe , ist niemand , der sich deiner annehmen würde , wenn ich nicht mehr da bin ... ‹ « Wieder rang sie mit den Tränen , und wieder siegte ihre Willenskraft , und sie weinte nicht . » › Geh nach Florenz ‹ , sagte meine Mutter , › dort lebt einer , an dem du eine Stütze finden kannst , Tommaso Guidi , der ein berühmter Maler ist und reich . Ich habe seine Großmut nie angerufen , in den schwersten Tagen nicht ; vielleicht bestimmt ihn das , sie an dir zu üben ... Geh zu ihm , erinnere ihn an Giustina Guidi , die ihr Mittagsbrot mit ihm geteilt hat , wenn er von San Giovanni herüberkam , ein magerer , dürftiger Junge , vaterlos und von der Mutter vernachlässigt ... ‹ « » Weiter « , unterbrach sie Masaccio , » was sagte sie dir noch ? « » Nichts mehr . Sie meinte nur – habe ich es nicht schon gesagt ? . . . › Ich habe ihm von meinem wenigen gegeben ‹ , meinte sie , › vielleicht gibt er dir von seinem Überfluß . ‹ « Pulcheria und Masaccio sahen einander an und lachten . » Von deinem Überfluß , mein Maso ! « » Von meinem Überfluß , Mütterchen ! « Margherita hätte fast mitgelacht , wagte es aber nicht . Es kam ihr wirklich sehr sonderbar vor , daß dieser Vetter im Überfluß leben sollte ; konnte er doch in den Zeiten , von denen ihre Mutter gesprochen hatte , kaum magerer und dürftiger gewesen sein und kaum ärmlicher gekleidet wie jetzt . Nur war er damals ein Kind und jetzt alt – unbegreiflich alt . Und das gute Frauchen , bei dem er wohnte und das er sehr zu lieben und das ihn anzubeten schien und das gewiß hundertjährig sein mußte , bot auch kein Bild des Überflusses in ihrem wetterwendischen Mäntelchen . » Was gedenkst du nun anzufangen ? « richtete Guidi wieder das Wort an seine Base . » Willst du zurück nach Fontana ? « » Ich kann nicht . Ich habe dort keine Unterkunft . « » Wieso keine Unterkunft ? Deine Mutter besaß doch ein kleines Haus . « » Ach Gott ! Das Haus gehört seit Jahren dem Bäcker Lazzaro ... und er erklärte – gleich nach dem Tode meiner Mutter erklärte er , daß er mich keine Stunde länger drin dulden würde , wenn ich nicht ... wenn ich ... « Sie vermochte nicht es auszusprechen , sie schluckte einige Male und mußte innehalten ; zornige Verachtung funkelte ihr aus den Augen . » Keine Stunde länger – wenn Ihr nicht ... das erklärte der Lazzaro , die Kanaille ? « sprach Masaccio . » Und so seid Ihr ohne Dach und Fach ... Was fangen wir mit ihr an , Mütterchen Pulcheria ? « Sie überlegte . Guidi wußte nichts davon , daß sie ihr ohnehin nicht mehr schuldenfreies Grundeigentum mit einer neuen Hypothek belastet hatte . Ihrem armen Maso mußten doch wenigstens die dringendsten Gläubiger vom Halse geschafft werden . Der Sorglose gab immer mehr , als er hatte , willfahrte den unverschämtesten Heischern und vergaß , seine eigenen Forderungen einzutreiben . Pulcheria verarmte neben ihm . War es klug , sich unter solchen Umständen eine neue Last aufzubürden ? Gewiß nicht . Aber , dachte sie – ich bin zu alt , um mich noch erst lang mit der Klugheit auseinanderzusetzen , und ihr höchster Triumph wäre es doch auch nicht , ein schönes junges Ding wie diese Margherita schutzlos in die Welt hinauszustoßen . Pulcheria seufzte und sprach zu Maso : » Was wir mit ihr anfangen ? fragst du . Nun , ich denke , im Hause der Pisano wird sich Platz schaffen lassen für eine heimatlose Guidi . Wir wollen in Gottes Namen unseren › Überfluß ‹ mit ihr teilen , soweit er reicht . « 2 Antonio hatte den Tag in der Brancacci-Kapelle zugebracht mit Filippo Lippi . Dieser Sklave seiner Launen war plötzlich von der Lust angewandelt worden , die » Vertreibung aus dem Paradiese « zu kopieren . Antonio malte am Sockel unter dem Taufbilde . Sie kehrten einander die Rücken zu und wechselten kein Wort . Ohne Gruß verließ Lippi zuerst die Kirche , und bald darauf wurde auch sein Widersacher durch die Dunkelheit , die einzubrechen begann , gezwungen , von seiner Arbeit abzulassen . Filippos Staffelei stand vor dem Eingangsbogen der Kapelle . Ein letzter Tagesschein beleuchtete die Kopie schwach , aber deutlich . Antonio verweilte vor ihr , und neidische Bewunderung ergriff ihn . Wie das mühelos hingestrichen war , wie das von Talent strotzte ! Wie dieser Filippo Lippi straflos alles durfte , wie er sogar zum Frevel berechtigt schien und sich vermaß , die Worte Fra Giovanni Angelicos mit der Anwendung auf sich zu wiederholen : » Ich ändere nichts , denn so wie ich's zuerst gemacht habe , so hat es Gott gewollt . « Er genoß das Leben , seine Heiterkeit gewann ihm alle Herzen , er wurde gesucht und geliebt und ließ sich finden und lieben . Schenkte er hie und da auch der Arbeit einen Tag , lohnte sie ihm dieses karge Ge schenk überreich – um wie vieles reicher als dem unermüdlich strebenden Antonio ! Der kannte keine andere als die herbe Wonne des Fleißes ; in sie vergrub er , was jung und freudedurstig in ihm war , wie in ein Grab und hatte nur eine Sehnsucht und rang nur nach einem Ziel – nach der Macht eines großen Könnens . Er war nicht verblendet über sich , er sah : Was ich so heiß begehre , wonach ich rastlos jage – der das gemalt hat , der hätte es , sobald er die Hand danach ausstreckte ... Eine fressende Pein ergriff ihn . Ist denn die Kunst eine Dirne , die sich dem treuen Bewerber versagt , um ihre Gunst dem Gleichgültigen zu schenken , der ihrer in flüchtiger Laune begehrt ? » Ich Narr ! ich Narr ! ... « Sein Schrei schlug an die Wände der leeren Kirche , die ihn dumpf widerhallten . Der unheimliche Schall sagte ihm zu ; die rieselnden Schauer , die ihn durchliefen , milderten seine ätzende Qual ; das leise Grauen , das ihn erfaßte , schläferte sie wohltuend ein . So fuhr er fort , in den hohen , dunklen Raum laut hineinzurufen : » Narr ! Narr ! Ich diene umsonst . Jahrelang umsonst . O der alte Mann , der mich haßt ! O die Worte , die ich nie vergesse : Ein Halber ! Ich habe den Fluch , er haftet . Hört es , ihr heiligen Mauern : Ich werde euch nie mit unsterblichen Werken schmücken . Ihr seht meine Herzensnot , meine heiße Arbeit , meinen Ruhm werdet ihr nie sehen . Ich werde sterben , wie der Schrei meiner Verzweiflung zwischen euch erstirbt . « Er warf sich zur Erde nieder , stöhnend , rasend , in wahnsinnigem Schmerz . Er preßte sein wild klopfendes Herz an die kalten Steine und fühlte sich unsäglich elend und um alles Glück und um alle Hoffnung betrogen . Daheim auf dem ersten Treppenabsatz traf er Cencetta . Wie gering war die Beachtung , die er ihr schenkte , und doch wartete sie Tag für Tag geduldig auf ihn , um ihm , wenn er kam , einen leisen Gruß zu bieten , der meist unerwidert blieb . Heute einmal nicht . Sie hatte , an die Rampe des Halbstockes gelehnt , mit weit ausgestrecktem Arm die kleine Lampe über die Stufen gehalten , die er heraufstieg , so langsam , so merkwürdig langsam . Und nun erhob er den Kopf und richtete die Augen auf sie und lächelte sie an , die so demütig und so sehnsüchtig nach einem Blick der Güte von ihm verlangte , wie er nach einem Zeichen der Huld von seiner Göttin . Es war aber ein gar trauriges Lächeln , das ihr ebenso weh tat als wohl . Und doch hätte sie aufgejubelt beim leisesten Ahnen der Gedanken , die ihm in diesem Augenblick durch die Seele schwebten ... Du bist jung , Cencetta , hold und gut . Und du bist arm , und vor dir liegt eine glanzlose Zukunft wie vor mir . Wär 's nicht das beste , wenn wir einander die Hände reichen und fortwandern würden , weit weg von dieser Stätte des Ruhmes und des Glückes der anderen , nach dem stillen Ariccia ? Dort klopfen wir an die Tür des Töpferhauses , und eine alte Frau schließt dich freudig in die Arme , wenn ich ihr sage : Da ist , die mein Weib werden soll , und ein alter Mann feiert den süßesten Triumph und vergißt darüber einen langgehegten Groll , wenn ich zu ihm sage : Da bin ich und wieder dein Geselle , gib mir Krüge und Schüsseln zum Bemalen . Das ganze Bild stand vor ihm . Wehmütig , leidvoll , bitter kam ihm alles zu Sinne , was seiner wartete ... auch aller Spott und Hohn ... Nur zu ! Dir wird , was dir gebührt , du Tor und Träumer , du hoffärtiger Selbstbetrüger ! Cencetta blickte ihm beseligt nach , als er in das Zimmer des Meisters trat . Der Gruß , den er ihr im Vorbeigehen gegönnt hatte , war zutraulich und herzlich gewesen . Den langen Sommertag hatte die Nacht abgelöst . In Masaccios großer Stube brannte die dreiarmige Lampe . Der Meister saß am Tische mit dem Rücken gegen die Tür . Unberührt lagen Mappe , Pinsel und Stifte neben ihm , der sonst sogar während der Mahlzeiten die Arbeit nur für Augenblicke unterbrach . Er hatte sich behaglich zurückgelehnt und führte – er , der Schweigsame – ein lebhaftes Gespräch mit einem jungen Mädchen , dessen Anblick auf Antonio wie der einer himmlischen Erscheinung wirkte . Sprachlos blieb er stehen , und Masaccio , der sich nach ihm umgewandt hatte , mußte die Aufforderung , näherzukommen und am Tische Platz zu nehmen , wiederholen , bevor der Jüngling ihr stumm und zögernd gehorchte . Nun saßen die zwei schönen Menschen dem Maler gegenüber . Das Licht der Lampe fiel auf sie herab , aber nicht von ihm , von ihnen schien der Glanz auszugehen , der die dämmerige Stube erhellte . Masaccio sah das verzückte Staunen , mit dem Antonio die Jungfrau betrachtete ; er sah auch – und dabei beschlich ihn ein nie gekanntes , bitteres Gefühl – die Röte , die in Margheritas Wangen stieg , als sie nach einem Blick auf Antonio , der kaum weniger Staunen ausdrückte als der seine , die Augen senkte . Sie , die eben so zutraulich geschwatzt und kindlich gelacht hatte , wurde plötzlich schweigsam und befangen . Leise und rührend beschattete ein träumerischer Ernst ihre glanzvollen Züge . Ergriffen sagte sich der Meister , daß er Zeuge eines hohen Wunders war , des ersten Erwachens von etwas Allgewaltigem , für das ganze Leben Entscheidendem in zwei jungen , erbebenden Seelen . Ja , sie waren geboren , um einander zu beglücken , die Blühenden , Schönheitbegnadeten ! – Guidi betrachtete sie , und ein bitteres Lächeln verzog seinen Mund . In dem Augenblick erlebte er an sich das Beschämendste , erlebte , daß er fähig sei zu empfinden , was er am tiefsten verachtete – Neid . Ja , ja , ja , der Meister beneidete seinen demütigsten Schüler ... Was Meister , was Schüler ! Nenne dich , wie du magst , sei , was du willst , strebe den Gipfel des Ruhmes an , erreiche ihn , die Liebe eines armen Dorfkindes gewinnst du deshalb nicht im Sturme wie der . Hinunter mit dem kaum entflammten Wunsch , ertöte , ersticke , rotte ihn aus – Masaccio ! Er erhob seine Hände und ließ sie , fest angepreßt , an seinen eingefallenen Schläfen , seinen hohlen Wangen herabgleiten . Ein tiefer Atemzug , ein kurzer Kampf , und er langte nach seiner Mappe und sprach : » Mädchen , der große Bursche , dein Nachbar , der dich anstarrt , aber noch vergessen hat , dich zu grüßen , ist mein Schüler , Antonio Venesco . Antonio , unser Gast , das ist Margherita Guidi , meine Base . Unterhalte sie , erzähle ihr etwas Lustiges . Ich will sie lachen sehen , und so will ich sie malen . « » Sie malen ? « rief der Jüngling und hatte auf einmal die Sprache wiedergewonnen . » Versucht das nicht , Meister , versucht das nicht ! Das kann kein irdischer Maler , das könnt nicht einmal Ihr : Sankt Lukas müßte vom Himmel steigen , um diese himmlische Schönheit im Bilde darzustellen . « Antonios Warnung erfüllte sich . Das erste Bild , das Maso von seiner Base entwarf , mißlang , und mit einem zweiten war er nicht glücklicher . Filippo Lippi geriet in Begeisterung , als er Margherita zum erstenmal erblickte , und schwur hoch und heilig : jetzt sei es ihm leuchtend aufgegangen , wozu ihn der Himmel mit Talent begnadet habe . Damit er Gottes vollkommenstes Werk nachschaffe – dazu ! Und er malte das Dorfkind aus Fontana als heilige Rosa , als heilige Katharina , als heilige Cäcilia , und es entstanden liebenswürdige und anmutige Bilder , keines aber hatte eine mehr als flüchtige Ähnlichkeit mit Margherita . Jeder Versuch , den er mit einer bei ihm unerhörten Beharrlichkeit anstellte , ihre Züge mit dem Stift und dem Pinsel darzustellen , bedeutete einen Mißerfolg . Ehrlich gestand Antonio seine Freude darüber ein . Was hätte es ihm auch genützt , sie verbergen zu wollen ? Sie würde sich ja doch verraten haben ; sie war so heilsam , diese Freude ! Sie hob seinen eine furchtbare Stunde lang niedergeworfenen Mut , ließ den Glauben in ihm aufleben , daß er sich jede Fähigkeit und auch die zutrauen dürfe , die höchsten Güter des Lebens an sich zu fesseln : den heiß ersehnten Ruhm und die Liebe der Geliebten . Untrennbar erschienen ihm die beiden und eines das andere bedingend . Im Sturm war die Liebe gekommen , emporgeflammt wie eine Feuersäule ; er fühlte sich von neuen Kräften durchströmt , von einem Bewußtsein seiner selbst , wie er es nie gekannt hatte . Die Zukunft lag in strahlendem Lichte vor ihm , und er traute sich das Erreichen der fernsten Ziele zu . Masaccio überflügeln , wie der Masolino überflügelt hatte , der größte Maler Italiens und im Besitze des schönsten Weibes sein , davon träumte er , das spiegelten wonnige , kühne Phantasien ihm vor . Arme kleine Cencetta ! Während eines flüchtigen Augenblicks hatte er sie an seiner Seite und in ihr seine Lebensgefährtin sehen können , als das lang verschmähte Gut , mit dem die Resignation sich endlich bescheidet . An seinem grauen Himmel war sie hingezogen wie ein weißes Wölkchen , eine Labe dem in trostlose Eintönigkeit blickenden Auge ... Jetzt schimmerte der Himmel in allverklärendem Glanze , und die Sonne leuchtete über der glücktrunkenen Erde . Wer hätte da noch einen Gedanken für dich übrig , weißes Wölkchen , armer Dunst ! Mit Blitzesschnelligkeit verbreitete sich unter den Künstlern die Nachricht , im Pisanohause sei das schönste Mädchen zu Gaste , das jemals in Florenz gesehen worden war . Von allen Seiten eilten sie herbei und baten um die Gunst , Margherita abbilden zu dürfen . Jeder versuchte es , keiner konnte sich des Gelingens rühmen , nicht einmal Ghiberti , nicht einmal Donatello . Viel weniger noch Andrea del Castagno , der sich mit bäuerlichem Eigensinn in die Lösung der lockenden Aufgabe verbiß , und Paolo Uccello , für den sie die köstlichste Naturstudie war . Der » sienesische Angelico « , Sano di Pietro , brachte von einem Besuche in Florenz Entwürfe mit , die das ungläubige Staunen seiner Landsleute erregten . Er jedoch fühlte , daß sie kaum einen leisen Begriff von der Schönheit , die sie darstellen sollten , zu geben vermochten . Kein irdischer Meister bildet die Pracht dieser Formen , dieser Linien nach . Verhältnismäßig am nächsten kam Benedetto Petri mit seinem zarten Pinsel dem Ziele des allgemeinen Ehrgeizes . In seinen Miniaturen spiegelte sich doch etwas von dem lieblichen Glanze wider , der Margheritas Angesicht umfloß . Die ideale Pracht und Reinheit ihrer Züge ganz treu nachzugestalten , dazu reichte auch seine Kunst nicht aus . Sie gerieten immer weniger fein oder herabgewürdigt zum Kleinlichen . » Wenn ihr doch aufhören wolltet , stets von neuem zu unternehmen , was Masaccio als zu schwer aufgegeben hat ! « sagte Antonio zu den jungen Malern . » Seht ihr nicht ein , daß eure Bemühungen zuschanden werden müssen ? Atmend nur , in vergänglicher Gestalt nur wollte uns der Schöpfer die vollendete Schönheit offenbaren . Sie zu verewigen ist der Kunst nicht beschieden . « Er hatte wohl recht . Was sie von sich verlangt hatten , war vielleicht wirklich nicht Menschensache . Um so mehr Menschensache aber war es , nach dem Besitz des Unnachahmlichen selbst zu streben . Die meisten fühlten sich so gut wie berechtigt , für die Niederlage , die sie als Künstler erlitten hatten , als Anbeter und Bewerber entschädigt zu werden . Filippo Lippi hing , sobald es zu dunkeln begann , sein klösterliches Gewand an den Nagel und schlich in Goldbrokat , den Dolch im blinkenden Gürtel , um die Rosenhecke vor dem Hause herum . Die Herrin der Villa Pisano verglich ihn , aller Naturkunde spottend , mit einem » girrenden Leuchtkäfer « . Er spielte den Gekränkten und wollte sie zur Beichtmutter seiner Liebesleiden machen , was sie ablehnte . Einen andern als Filippos tändelnden Ton stimmten Briefe und Sonette an , die täglich an der Pforte abgegeben und von Cencetta in Empfang genommen wurden zur Beförderung an die Gefeierte . Über das glückliche Haus , das ihr zur Wohnstätte diente , ging ein Blumenregen nieder , Serenaden wurden vor ihm abgehalten , die süßesten Liebeslieder stiegen zu seinen Fenstern empor . Trieben die Musikanten es gar zu toll , dann erschien Pulcheria auf der Loggia , von miauenden Katzen umringt , und dankte verbindlich für die Huldigungen , die sogleich eingestellt wurden . Auf Margherita machte die Bewunderung , die sie erregte , anfangs keinen besonderen Eindruck . Sie staunte nur darüber , wie über so manches in Florenz , und setzte alles , was sie erlebte , auf Rechnung der Gebräuche , die in der Stadt gang und gäbe und eben ganz andere waren als die auf dem Dorfe . Daheim war es niemand eingefallen , ein Wesen aus ihrer Schönheit zu machen ; niemand hatte ihr einen Vorzug eingeräumt vor ihren Gefährtinnen . Sie hatte ihr einförmiges Leben still dahingelebt . Sie hatte gesponnen und geflickt und – wenn es etwas zu kochen gab – gekocht , die Woche hindurch . Und sonntags war sie in die Kirche gegangen und in die Osteria und hatte am Morgen gebetet und am Abend getanzt . Und sie hatte ihre Eltern treu gepflegt , als sie erkrankten , und ihr Patengeschenk , ihren größten Schatz , ihr gesticktes Seidentuch , zu Gelde gemacht , um ein Kreuz auf das Grab ihrer Mutter setzen zu können . Sie mußte an die Tränen denken , mit denen sie sich von diesem kleinen Tuche getrennt hatte , als sie eines Morgens ein viel schöneres am Riegel ihrer Zimmertür befestigt fand . Es war reich mit bunter Seide gestickt und mit Goldfäden durchwirkt und hatte lange , seidene Fransen . Als sie es in die Höhe hob , kam ein Paar allerniedlichster Schuhe aus feinem , rotem Leder zum Vorschein , das auf dem Boden stand und von den Fransen verdeckt worden war . Margherita stieß einen Schrei des Entzückens aus und konnte trotz Cencettas Versicherungen nicht glauben , daß auch die ihr gehörten . » Wer schenkt mir das alles ? « fragte sie endlich und küßte die Schuhe und drückte das Tuch liebkosend an ihr Gesicht . » Wem soll ich danken ? « Cencetta durfte den Geber nicht nennen ; sie hatte es hoch und heilig geschworen und hielt nur zu gerne Wort . » Versprich , versprich es mir , gib mir die Hand , leiste einen Eid darauf « , hatte Antonio gesagt , » daß du ihr nicht verraten wirst , wer diese Sachen gebracht hat . Willst du es mir versprechen , liebe , kleine , hübsche Cencetta ? Tu's – und du sollst immer meine Freundin und Vertraute sein . « So herzlich und gut redete er zu ihr und streichelte ihre erglühenden Wangen , und sie , in ihrer opfermutigen Hingebung , versprach alles , was er wollte . Durch sie erfuhr Margherita nicht , woher die Geschenke kamen , die keine emphatischen Widmungen trugen , nicht von bebänderten Pagen überbracht wurden und nicht mit höflicher Empfehlung von Donna Pulcheria an den Spender zurückbefördert werden konnten . Sie waren und blieben da . Margherita fand sie in Gestalt von Ohrringen , Ketten , Amuletten , kostbaren Stoffen unter ihrem Kopfkissen , in ihrem Schranke , ihrer Truhe . Ohne zu fragen : Woher nehmt Ihr alle die Kostbarkeiten ? ohne den geringsten Einwand zu erheben , befolgte Cencetta die Anordnungen Antonios . Nur wenn er sagte : » Du freust dich gewiß selbst an jeder Freude Margheritas . Sie ist so arm , hat nicht Dach noch Fach , nicht Vater noch Mutter « – da schwieg Cencetta , schüttelte fast unmerklich den Kopf und lächelte traurig vor sich hin . Dach und Fach , Vater und Mutter machen es nicht aus . Die kann eines haben und doch viel ärmer sein als die arme Margherita . Die Zeit verging . Der Lerneifer Antonios war allmählich erloschen . Der früher unermüdlich Emsige fand nun täglich einen Vorwand , sich spät bei der Arbeit in der Kapelle einzustellen und sich bald wieder fortzuschleichen . Daß er deshalb nicht müßig ging , schien dem Meister ausgemacht . Guidi und Pulcheria zweifelten auch nicht daran , daß die Beschäftigung , die er hinter dem Rücken Masaccios betrieb , einträglich und daß er der Spender der geheimnisvollen Geschenke sei , die der schönen Hausgenossin dargebracht wurden . Einmal hatte Pulcheria ihre offenbar in die Sache eingeweihte Dienerin ins Verhör genommen . Doch war Cencetta in so heftiges Schluchzen ausgebrochen , hatte die Gebieterin so leidenschaftlich beschworen , sie nicht zu einem Treubruch zu verleiten , daß Donna Pisano darauf verzichtete , der Kleinen ein Geständnis abzuringen . Ihrem Maso redete sie aber ins Gewissen und erklärte ihm die Notwendigkeit und die Pflicht , die Schliche seines Schülers aufzudecken . Guidi ließ alles gelten , versprach , Antonio zur Rede zu stellen – und verschob immer wieder die Ausführung des leidigen Auftrags . Er hatte ihn noch nicht erfüllt , als ein Zufall ihm die Gelegenheit dazu in die Hand spielte . Eines Morgens , da er sich auf dem Wege nach dem Carmine befand , sah er zwei Männer längs des mit Ölbäumen bepflanzten Hügels der Stadt zuschreiten . Sie schienen in lebhaftem Wortwechsel begriffen , gingen sehr rasch und entschwanden bald seinen Augen . In dem einen von ihnen hatte er Antonio , in dem andern den Händler Giorgio Galantuomo erkannt . Vater Galantuomo nannte der sich selbst , hatte ein breitspuriges Auftreten , biedere Manieren und ewig ein väterliches Lächeln auf dem fettglänzenden Gesicht . Offiziell vermittelte er Geschäfte zwischen Künstlern und Kunstfreunden und verkaufte allerlei Luxuswaren . Unter der Hand befaßte er sich mit dem Absatz von Geheimmitteln und – wie er glimpflich sagte – von fazetiösen Bildern . In der Via Ginori befand sich sein wohlbekannter Laden , und dort suchte Masaccio ihn auf . Der Verdacht , den der Maler gefaßt , als er seinen Schüler in Gesellschaft des Giorgio erblickt hatte , bestätigte sich . Nach einigem Zögern und Hin- und Herreden gab der Händler zu , daß Antonio ihm allerlei gangbare Ware für sein stets ausverkauftes Magazin von Ergötzlichkeiten liefere . Er ließ sich sogar herbei , einiges davon vorzuzeigen , kleine , sauber ausgeführte Darstellungen unsauberer Vorgänge . Einzelne Gestalten und Gruppen erinnerten noch an die Schildereien , mit denen der Töpfer von Ariccia dereinst seine Schüsseln und Krüge geschmückt hatte . Vater Galantuomo schrieb den tiefen Unmut , der sich in Masaccios Zügen aussprach , einem andern als seinem wirklichen Grunde zu . » Unser lieber Venesco plündert mich aus « , sagte er seufzend , » macht sich sehr kostbar . Wenn aber Ihr , Maestro , mir so ein paar Illustratiönchen liefern wolltet , der Metamorphosen Ovids zum Beispiel oder , noch besser , einiger Novellen unseres Boccaccio , nach denen schon oft gefragt worden ist ... da wäre mir kein Preis zu hoch – das Doppelte ... « Er erschrak über den Blick , den der Maler ihm zuwarf , und verbesserte sich : » Das Zehnfache würde ich Euch bezahlen . Nicht größer als diese sind , brauchten Eure Bilder zu sein . Das ist das beste Format , leicht in die Tasche zu stecken . Das kann jeder bei sich tragen , es macht jedem Vergnügen . « » Das beste Format « , wiederholte Guidi so sanft , als die Entrüstung , die in ihm kochte , es erlaubte . » Dürftet meinetwegen auch ein anderes wählen . Was Ihr macht , wie Ihr es macht – mir ist alles recht ... Beglücken freilich – aber wer darf Euch darum bitten ? – würde mich ein Bild wie das , das unser lieber Venesco der Hexe Fidelfo auf das Wirtshausschild gemalt hat und das ihr viele Gäste anlockt . Ihr kennt es nicht ? – Ja so – wart nie in der Gegend hinter la Trinità vecchia ? Ein gutes Stück vom Klösterchen ? Kennt das Haus der Fidelfo nicht und nicht das Werk Eures Schülers ? – Ja so ! « Er blinzelte ungläubig : » 's ist doch sein Meisterstück ... wird sehr gelobt , freilich nur im stillen – aber von unseren exquisitesten Persönlichkeiten . Etwas dergleichen malt mir . Ich bedecke unserem lieben Meister sein ganzes Bild mit Goldgulden « , sprach er vertraulich zuredend und wollte seine behaarte Hand auf die Schulter Guidis legen . Der fuhr zurück wie vor der Berührung eines Aussätzigen . Als Antonio ein nächstes Mal wieder vorzeitig Feierabend machen wollte , befahl ihm Masaccio zu warten , bis er selbst die Kapelle verlassen werde , und ihn dann zu begleiten . Er habe eine Entdeckung gemacht , die er ihm nicht vorenthalten dürfe , sagte er . Ungewohnte Strenge lag in seinem Tone ; Antonio wagte keinen Widerspruch und folgte dem Meister auf dem Weg , den er einschlug und der zum Ponte alla Carraia führte . Es war Nacht geworden , Schirokkoluft wehte atembeklemmend und schwer ; träge wälzte der Fluß trübe Wellen durch sein halbversandetes Bett . Jenseits des Arno schritten die beiden Männer durch die Via Guelfa und weiter an einzelstehenden , armseligen Häusern vorbei und gelangten endlich zu dem zwischen Buschwerk fast verborgenen Eingang eines Gartens . Ein dichter Laubgang empfing sie , den Masaccio mit sicherem Schritte betrat . Antonio suchte ihn zurückzuhalten . » Wißt Ihr , wohin wir da kommen ? « fragte er und trachtete nicht länger , seine furchtbare Unruhe zu verbergen . » Ihr wißt es nicht . Kehrt um ! kehrt um ! « » Wir kommen zur Spelunke der neuen Locusta « , versetzte Guidi ruhig . » Ich kann dir die Bekanntschaft mit ihr nicht ersparen . Vorwärts ! « Der freie Raum , den sie jetzt erreichten , war fast menschenleer , nur hie und da eine Bank von stillen Leuten besetzt . Beobachter , schüchterne Neulinge , Späher vielleicht . Schwelende Öllämpchen , auf Tischen aufgestellt , bildeten rote Zünglein im Dunkel . Buschwerk und Bäume , die sich schwarz abhoben vom bleifarbigen Himmel , umgaben das , wie es schien , geräumige Haus . Verhüllte Gestalten , eng umschlungene Paare glitten vorüber , traten lautlos ein . Schwacher Lichtschein stahl sich durch einige verhangene Fenster des oberen Geschosses ; die des unteren standen offen . Die Klänge einer frechen Musik drangen aus ihnen hervor und zwischendurch Gesang und wüstes Gejohle und das Jauchzen trunkener Weiber . Mit bebender Hand umklammerte Antonio den Arm Maso Guidis : » Keinen Schritt weiter , lieber Meister !.. . Die Bilder , die man dort zu sehen bekommt , sind nicht für Euer Auge ! « » Und doch ist dieses lärmende Laster Unschuld im Vergleich zu dem , das da oben flüstert , buhlt und Gifte braut « , erwiderte der Meister und zog ihn unerbittlich näher zum Hause . Auf der Schwelle erschien eine Frau in verschossenem Seidenkleide , Blumen und Goldflitter in der hochaufgetürmten Frisur . Ihre harten , scharfen Züge hatten etwas von der unheimlichen Starrheit einer Larve . Lauernd betrachtete sie die Herannahenden . Ein Lächeln blitzte über ihr bemaltes Gesicht , als sie in dem einen von ihnen Antonio erkannte . Sie schien reden zu wollen , besann sich aber und deutete nur grinsend auf ein buntes Schild , das , von Lampenlicht beleuchtet , über der niedrigen Haustür an einem Arm aus geschmiedetem Eisen hing . Auch Maso Guidi erhob die Hand , und auch er deutete nach dem Schilde und sprach gebieterisch : » Sieh dorthin ! Das zu sehen , habe ich dich hergeführt . Dorthin , sage ich ! « Antonio gehorchte nicht . Er hielt den Blick fest auf den Boden gesenkt und wiederholte ein Mal ums an dere : » Fort , lieber Meister , ich beschwöre Euch : fort von hier ! «